Was das Leben so bereit hält ...


Was das Leben so bereit hält ...

Ich wurde bald sieben, als unsere Mutter nur drei Wochen zuvor verstarb. Ich wusste, sie war in den Jahren zuvor mehrfach im Krankenhaus an ihrem Krebs operiert worden, sie war „zur Kur“ in Bad Rothenfelde gewesen, unser Vater hatte sie dort, gemeinsam mit ihrer Lieblingsschwester, die sehr um das Leben ihrer großen Schwester bangte, besucht.

Ich als noch-Sechsjährige vermisste Mutti schon, aber natürlich war es mir nicht so bewusst, was das alles bedeutete. Wir Kinder blieben zuhause, unsere Oma betreute uns, unsere Jüngste ging in den Kindergarten, ich als I-Männchen in die Schule und meine ältere Schwester war im Internat. Das Leben ging halt seinen Gang.

Die Sommerferien nahten, ich wurde aus der Schule genommen, wohl weil es nur noch einige Tage Schule bedeutete, und fuhr mit meiner jüngeren Schwester auf den elterlichen Hof unserer Haushaltshilfe, wo wir Kleinen, wie wir glaubten und empfanden, ein paar glückliche Wochen auf dem Land erleben durften. Schon die erste Zugfahrt, die damit für uns Kinder verbunden war, war 1951 ein großes Erlebnis.

Dann ging es wieder heim, jede von uns mit einer dicken Navelapfelsine versorgt, die wir aber lieber nicht aßen, denn den Saft sollte unsere Mutti bekommen, die nichts mehr essen, nur noch aus der Schnabeltasse trinken konnte.

Doch Mutti war nicht da. Auch ihr Krankenbett stand nicht mehr an seinem Platz im Wohnzimmer. Zum Begreifen war aber keine Zeit. Die Erwachsenen ließen sich von dem Geschehen um den Tod unserer Mutter, dem Begräbnis nichts anmerken. Sie fanden uns wohl noch zu klein, als dass man mit uns über das Geschehene geredet hätte. Sie redeten in unserer Gegenwart aber auch untereinander nicht.

Wie sehr in der Nachkriegszeit über die drei Jahre die Kranken- und Sterbegeschichte unseren Vater mitgenommen hat, kam mir erst sehr viel später in den Sinn. Ich erinnere, dass er keinen Anteil daran nahm, dass ich in den Folgejahren ein Kommunionkind wurde. Die Eltern begleiteten ihre Kinder zu den Vorbereitungen, aber bei mir war es stets „nur“ die Oma, die nun Mutterstelle an uns Mädchen vertrat.

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Ich bekam sogar die obligatorische Verwandtenfeier zuhause, aber unser Vater selbst hatte sich von der Kirche abgewandt. Er haderte wohl sehr lange mit dem viel zu frühen Tod seiner Frau, der Mutter von drei kleinen Kindern.

Für mich stellte sich das Leben nun so dar, dass wir eine Ferienzeit an der Nordseeküste, auf Borkum verbringen würden, alle zusammen, nur Mutti nicht. Darüber so nachgedacht, dass ich davon heute noch wüsste, habe ich anscheinend noch nicht. Für mich war Mutti wohl wieder im Krankenhaus oder zur Kur und so lange konnten wir dann ja selber auch die Ferien an der See verbringen,

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alle zusammen: Vati, Oma, die Krankenschwester, meine Schwestern und ich.

Begriffen, was da mit meiner Mutter geschehen war, habe ich erst am ersten Schultag nach den Ferien. Wie üblich wurde morgens zuerst gemeinsam in der Klasse ein Gebet gesprochen. An diesem Morgen aber gab es einen Extra-Gebetseinschub: „... und nun beten wir auch für die verstorbene Mutter einer Mitschülerin.“

Ich weiß nicht, ob es ein kurzes Innehalten der Klasse gab, das dann urplötzlich von dem vorlauten Einwurf einer Erika – für mich persönlich – gemein wurde: „Die kannte ich, das war eine böse Hexe! Gut dass sie nun weg ist!“ Alle schauten auf mich, ich begriff plötzlich, dass Erika MEINE Mutter eine böse Hexe genannt hatte und ausdrückte, dass sie es gut fand, dass meine Mutter nicht mehr da war, tot war! Und ich vermisste sie doch inzwischen so sehr ...

Mein Aufschluchzen, mein Weinen war nicht zu stoppen und so schickte die Lehrerin mich mit meiner ersten Freundin Renate zu deren Mutter nach Hause. Die Familie der Freundin wohnte direkt am Schulhof und so war es möglich, dass ich dort Trost fand. Den Namen Erika habe ich sehr sehr lange abgelehnt. War meine Mutter doch immer lieb mir gegenüber gewesen, ich hatte sie nie in einer bösen oder zornigen Stimmung erlebt. Und es gab doch auch niemals irgendeine Hexerei um sie herum ...

Ich musste nicht als Halbwaise in ein Waisenhaus. Aber um den bösen Zickereien meiner älteren Schwester nicht dauernd ausgeliefert zu sein, kam ich nach dem vierten Schuljahr in das gymnasiale Internat, das bislang die Große eben aus diesen Gründen besucht hatte, aber mangels ausreichender Leistungen nicht weiter besuchen durfte. Auch hatte sie ihre Lehrerinnen immer wieder mit ihren Streitereien mit Mitschülerinnen zur Verzweiflung gebracht. Jeder Heimatbesuch brachte ein klagendes Führungszeugnis mit nach Hause. Es hätte den Familienfrieden doch sehr belastet, wenn wir Zwei nun zuhause miteinander hätten auskommen müssen.


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Ich kannte das Internat ja schon von Besuchen dort, die auch regelmäßig stattfanden, um der Großen nicht das Gefühl aufkommen zu lassen, sie gehöre nicht mehr zur Familie. Wenn wir dann zuhause zusammentrafen, bekam ich stets zu hören, ich sei Schuld am Tod unserer Mutter, ich hätte ihr den Brustkrebs gemacht! Und sie hetzte abends im Bett die kleinste Schwester auf, mich doch zu treten, zu boxen, zu schlagen, kratzen oder beißen …, bis ich es leid war, mich vor den Attacken der Kleinen zu schützen, mein Kopfkissen nahm und mich auf eine der Bettvorlagen legte, um dort, zugedeckt mit dem Kopfkissen zu schlafen.

Irgendwann erfuhr ich, wie sie darauf kommen konnte. In den letzten Kriegstagen gab es auch dort, wo wir evakuiert lebten – in der Wohnung in einer steinernen „modernen“ Mühle – Bombenalarm. Unsere Mutter war Monate zuvor in einem Nachbarörtchen Münsters – Roxel – ausgebombt worden. Entsprechend hastig schnappte sie den Kinderwagen, in dem ich, acht Monate alt, schlafend lag, und lief, so schnell sie konnte, die steile Treppe in den Mühlenkeller hinunter. Sie stolperte und stieß sich den Kinderwagen sehr heftig vor die Brust, die natürlich mit blauen Flecken reagierte.

Diese Flecken hatte die Große wohl beim Stillen gesehen, hatte vielleicht auch verinnerlicht, dass die Mutter immer mal wieder klagte, dass ihre Brust schmerzte, wenn sie stillte, aber auch danach noch. Vielleicht aber hatte sich zu dieser Zeit auch schon der Krebs in der mütterlichen Brust festgesetzt, so dass das Beklagen von Schmerzen in den Folgejahren immer mal wieder „auftauchte“, bis sie untersucht worden war und 1948 eine erste Operation folgte. So ab einem Alter von fünf Jahren können sich Kinder doch schon an Geschehnisse erinnern, die traumatisch sind oder sich so entwickeln.

In jenen Jahren war es in keinster Weise üblich, dass man so ein psychisch belastendes Geschehen als zwingend behandlungsbedürftig ansah, geschweige denn das auch anging. Also bekomme ich bis heute von der Großen immer noch hasserfüllte Ansagen, wenn es um unsere leibliche Mutter oder um ihre spätere Nachfolgerin, unsere Stiefmutter geht. Letztere musste von meiner älteren Schwester viele Gemeinheiten einstecken, hatte sie unseren Vater doch ihr, der Großen, die ihren Vater über alles liebte, „weggenommen“!

Ich war also nach der Grundschule im ersten Gymnasialjahr. Das ließ sich anfangs auch gut an. Doch dann kam vor Pfingsten eine Tante Martha mich im klösterlichen Internat besuchen. Ich mochte sie von Anfang an, wir verstanden uns gut und hatten offensichtlich ähnliche persönliche Charaktere. Unser Vater feierte mit ihr Verlobung, fünf Jahre nach dem Tod unserer Mutter, und die Heirat wurde auf den Herbst festgelegt, wenn das neu erbaute Haus fertig sein sollte. Aber nur vier Wochen nach der Verlobung bekam Martha die Diagnose Unterleibskrebs. Sie wurde operiert. Damit war weiterer Familienzuwachs – vielleicht ein eigener Sohn für unseren Vater, den er sich so sehr wünschte – nicht mehr möglich. Die Hochzeit fand trotzdem statt und unser Mädchenvater adoptierte vier Jahre später den einzigen Sohn seiner zweiten Frau. Sie war nur zwei Jahre nach ihrer ersten Hochzeit Kriegerwitwe geworden. Ihr Mann fiel als Pilot in Russland.

Nun hatte unsere Große gleich zwei neue Familienmitglieder, die sie bekämpfen konnte. Ich war nicht mehr ihr einziges Ziel. Für mich aber bedeutete diese Diagnose damals große Angst, ich könnte die Frau, die auch ich mir als „neue Mutter“ gewünscht hatte, gleich wieder auch durch Krebs verlieren, noch bevor sie überhaupt meine Stiefmutter geworden wäre. Einige Wochen später erfuhr die Welt vom Tod des Papstes Pius. Die Nonnen im Kloster machten eine Riesenzeremonie über Wochen davon. Ich hatte als knapp 12-Jährige das Gefühl, die Welt ginge unter: erst der Tod meiner Mutter, dann die – für mich ebenso tödliche neue Krebsdiagnose der Wunschersatzmutter – und, noch bevor ich erfuhr, dass es eine vertauschte Diagnose für sie gewesen war, sie gesund operiert worden war – der Tod des Papstes, für mich fast der Tod des Herrgotts, Untergang der Welt.

Das konnte ich gar nicht in meinem Kinderkopf geregelt bekommen. Auch die Lehrerinnen, Nonnen, erklärten wohl erst sehr viel später, als ich nicht mehr im Internat war, dass und wie es zu einem neu gewählten Papst kommen würde. Dann starb auch noch die Mutter Oberin des Klosters – und wieder gab es eine vierwöchige Trauerzeit, in der alle Schülerinnen und die Nonnen jeden Morgen noch vor dem Frühstück eine Trauerandacht zu besuchen hatten.

Meine kindliche Psyche war ungeheuer angeknackst. Das sommerliche Sportfest kam, ich nahm an dem 100-Meter-Lauf teil – und sackte ohnmächtig auf dem Laufparcour zusammen. Mein persönlicher Stress, dazu die unbedacht die für die Schülerinnen vorliegenden Todes-Situationen des Papstes und der Mutter Oberin sehr wichtig gemacht, das alles war für meinen Körper, meinen Verstand zu viel. Ich war ja zuvor in meinen schulischen Leistungen aufgrund der Krebsdiagnose der neuen Mutter schon total abgesackt, was nur dazu geführt hatte, dass mein Vater sich genötigt sah, mir den Klavierunterricht – für mich ein Stück Zuhause, das ich dringend brauchte – zu streichen, damit ich mehr Zeit zum Lernen hätte. Für mich war das einfach zu viel. Nun lag ich da auf der roten Schotterlaufpiste und endlich sorgte sich jemand um mich …

Ich wurde untersucht. Es stellte sich heraus, dass ich wohl ein Löchlein in der Herzscheidewand hatte, mich – aufgrund meiner Ohnmacht – nicht mehr anstrengen dürfe. Ich wurde vom Internat abgemeldet, kam zuhause auf die Realschule, die auch mein „neuer“ Bruder, gleichaltrig mit mir, besuchte. Der Besuch in meinem geliebten Sportverein wurde mir wie auch jegliche Teilnahme am schulischen Sportunterricht verboten.

Der Schulwechsel aber hatte auch Folgen. Die Mitschüler meines neuen Bruders erfuhren umgehend von ihm, wer ich war. Auch meine Mitschülerinnen wussten sehr genau, wer ich war und nahmen erst einmal Abstand von mir. Ich fand kaum Anschluss in meiner Klasse. Auf dem Schulhof und in den Schulfluren wurde ich von den Mitschülern meines Bruders attackiert, bis ich eines Tages – Regenwetter sei Dank – mit meinem Regenschirm die kleinen Angriffe einiger dreister 12-, 13-Jähriger abwehren konnte. Welchen Eindruck das bei den Anderen hervorrief, kann ich mir nur denken.

Über 50 Jahre später, als ich ein Klassentreffen für meine Abschlussklasse organisierte, erfuhr ich dazu so einige Aussagen, die mir im Nachhinein doch so Einiges erklärten.



Foto 12  1959 nahe Hermanns-Denkmal Mechthild, Marianne, Anne, Irmgard, Herma, Irmgard, Käthe, Uschi, Gabi, Karin, Daggi, Doris, Karin Ruth, Ilma, Elke, Gabi.jpg

Foto 2 Ingrid Ast, Elke Bussmann, Uschi Rottmann 22102011.jpgNatürlich kann ich heute nicht einfach ein Sammelfoto, nun von 2011, wie das aus den 1960er Jahren meiner Klasse veröffentlichen. 

Gelernt aus dieser Geschichte habe ich vor allem das: ich habe stets allein mit mir auszumachen gehabt, wie ich Widrigkeiten, die sich mir in meinem Leben entgegenstellten, überwinden könnte. Es hat auch dazu beigetragen, meine Kinder so zu erziehen, dass sie in ähnlicher Weise ihre „Prüfungen des Lebens“ bewältigen können ...  Am wichtigsten war mir stets, ihnen so viel Nähe, auch körperlich, zu geben, wie sie es wünschten. Daran sollte es meinen Kindern nicht mangeln.

 

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Kommentare (5)

nnamttor44

💗lichen Dank sage ich auch für die Zustimmungs-💖chen von Karl, Urseli, Eulenberg, old_go und Wilfried 45 mit ganz vielen 💕💕💕💕💕💕chen auch für Euch.

Uschi

Urseli

Vielen herzlichen Dank,

für Deine langen und genauen Ausführungen

und auch Fotos.

Mit Tränen in den Augen, erfuhr ich nun viel von Dir,

Du lieber Mensch.

Ich hatte auch eine, wenn auch andere "schlimme Kindheit".

Liebe Grüße,

Ursel

nnamttor44

@Urseli
Es war nicht meine Absicht, Dich oder andere User betroffen zu machen. Es dürften viele Menschen, die um den 2. Weltkrieg herum geboren wurden, schlimme Zeiten in recht unterschiedlicher Art erlebt haben.

Mir fällt dazu immer wieder
ein ehemaliges Mitglied hier im ST - Wolfskind Traute - ein. Sie hat in den letzten Kriegsjahren ein in meinen Augen wohl schwerste Kinderschicksal erleben müssen. 

So traurig viele Geschichten der schlimmsten Zeit im 20. Jahrhundert auch waren, so etwas wie bei Traute wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich mochte sie sehr, vermisse ihre sehr guten Gedichte im ST.  Auch sie hat ihr Leben recht gut gemeistert ...

Trockne Deine Tränen, es ist längst alles vorbei. Ändern können wir an alten Fakten nichts.

Danke für Dein Mitgefühl und einen lieben Drücker für Dich

Uschi

Syrdal


Allein gelassenes Kind zu sein in einer aus der Bahn geworfenen Familie, zudem dabei einschneidende Beziehungsverluste erleiden zu müssen, wirkt sich ungemein lebensprägend aus – in die eine oder andere Richtung. Wenn dann auch noch gravierende Schuldzuweisungen mit hinzu kommen und – wie durch den Spontanausruf der Mitschülerin Erika – eine tiefwirkende Stigmatisierung erfolgt, bei allem aber nicht der nötige familiäre oder wenigstens elterliche Halt vorhanden ist, kann lebenslanger Schaden an Herz und Psyche kaum abgewendet werden.

Diese Situationsbeschreibung der frühkindlichen Jahre zeigt, wie sehr die kindliche Psyche auf den Schutz der engsten Bezugspersonen angewiesen ist. Entfällt dieser – hier durch fatale Krankheitsfolge und daraus erstandenen Betreuungsproblemen – ist die Suche nach Halt und Zuwendung besonders groß, wie es sich z.B. in meiner Geschichte bei dem kleinen Waisenjunge Heiner dargestellt hat.

Besonders diesen Kindern, die auch gegenwärtig weshalb auch immer in beschädigten oder „undurchsichtigen“ Familiensituationen aufwachsen, muss die ganze Aufmerksamkeit der Gesellschaft gelten, um ihnen den Start in ein selbstbestimmtes Leben zu gewähren. Jedes Wegsehen, jede Vernachlässigung und jede Gleichgültigkeit ist besonders diesen Kindern gegenüber als nicht wieder gutzumachende Schuld zu betrachten. Und – das sei hier auch noch angefügt – die in unserem „reichen Land“ nicht selten sträflich vernachlässigte Infrastruktur der Schulen, Kindertagesstätten, Bibliotheken, Schwimmbäder, Spielplätze und Sporteinrichtungen fällt genau in diese beklagenswerte Kategorie politischen Versagens… leider!

Sehr nachdenklich schreibt das heute
Syrdal
 

nnamttor44

@Syrdal
Vermutlich war es das Gefühl in so einer Situation, lieber Syrdal, das mich beim Lesen Deiner Heiner-Geschichte überfiel.

Aber ich denke, auch meine große Schwester (geb. 1940) dürfte durch die so früh erlebten schrecklichen Kriegsgeschehnisse - von ihr mit Unverständnis erlebt - traumatisiert worden sein. Natürlich ist das unter Geschwistern nicht ohne Hilfe aufzuarbeiten. 

Mir zeigt das einmal mehr, wie wichtig es ist, heute mit mehr und besserem Wissen, Kindern in ähnlichen oder einfach auch heutigen erlebten Situation besser und sofort beizustehen. Gerade durch die besondere, legasthene Wahrnehmung meines Enkels wird mir heute klar, dass immer noch Kinder, die keineswegs dumm oder gar krank zu nennen sind, von Schule, Erziehern und der Politik einfach "weg befördert" werden! Vergessen darf man natürlich auch die Kinder nicht, die ein "defektes" Zuhause haben, wie unsere kleine Nachbarin, die tatsächlich in den vergangenen Wochen der Corona-Pandemie von ihrer allein erziehenden Mutter jeden Morgen bis 15 Uhr allein zu Hause verbrachte, Verbot zu uns bekam, weil Max ein Junge ist, und nachmittags von der Mama gesagt bekam, bei ihren Hausaufgaben könne sie ihr nicht "auch noch" helfen … Es wäre ein Leichtes gewesen, das Mädchen, Mitschülerin von Max, mit in die Firma zu nehmen, wo sie ihre Fragen bezüglich schulischer Dinge beantwortet bekommen hätte. Auch das Mittagessen wäre ihr gegeben worden.

Auch das Erleben meines Vaters (geb. 1911) in und nach den Kriegsjahren des 1. Weltkrieges durch seinen Stiefvater könnte ihm in seinen späteren Jahren als alleingelassener Vater seiner Kinder für die Not seiner Töchter gar kein Sehen ermöglicht haben.

Sein eigener Vater starb, als er gerade vier Wochen alt war, und der Stiefvater schlug ihn später täglich für die eventuell begangenen "Untaten" eines Kindes, eines Heranwachsenden, immer mit der Aussage, dass er als Vater ja nicht mitbekäme, was der Stiefsohn (anders als seine eigenen jüngeren Söhne) an jedem Tag verbrochen haben könnte. Und wenn er doch mal brav gewesen sei, dann solle er die Prügel dafür hinnehmen, wenn er am Folgetag ungezogen gewesen sein sollte.

Ohne die Mutter seiner Kinder an seiner Seite wird es für meinen Vater nach dem 2. Weltkrieg sehr schwer gewesen sein, sich in den Anforderungen der Erziehung seiner Kinder adäquat zurecht zu finden. Da waren die Erfahrungen und die Hilfe seiner Mutter, in Kaisers Zeiten herangewachsen, zwar willkommen, aber in Unkenntnis, was Kinder tatsächlich brauchen, beide wohl völlig überfordert.

Ich weiß noch sehr gut, dass unsere Jüngste, beim Tod unserer Mutter gerade mal dreieinhalb Jahre alt, stets von Oma mir vorgezogen wurde, wenn sie zum Kuscheln auf ihren Schoß wollte. Ich bekam dann zu hören: Du bist doch schon groß (7 Jahre alt). Ich zog mich dann mit beklemmtem Herzchen in ein anderes Zimmer zurück … Ich kann bis heute nur sehr schwer verkraften, wenn mich Jemand zurückweist und mir zu verstehen gibt: Du nicht!

Meine Tochter und ich sind heute sehr darum bemüht, den Ängsten in dieser Coronazeit oder auch der Fantasie unseres Achtjährigen so zu begegnen, dass Ängste geklärt werden und er nicht einfach für eine notwendige Lösung allein gelassen wird. Ist manchmal ganz schön schwierig.

Danke für Dein Lesen und Deinen verständnisvollen, umfangreichen Kommentar mit herzlichem Gruß

Uschi


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