Was einem so "zufällt"

Autor: ehemaliges Mitglied

Ich merke gerade, das mich der Herbst so ein wenig in Richtung Nachdenklichkeit, was ist das Leben, was ist der Tod, und ein bißchen Wehmuth um meine "nicht mehr bei mir weilenden". drängt.
Diese Gefühlslage ist mir nicht neu, und so alt kann ich gar nicht werden, daran nicht auch eine positive Seite wahrzunehmen. Kurz und gut, heute habe ich einen ausgedehnten Spaziergang durch den Ostfriedhof unternommen, und dabei ist mir eine kleine Geschichte eingefallen, die sich vor ca. 3 Jahren zutrug.

Und die Geschichte geht so:
Es war ein angenehmer Sommertag und ich war auf einem der Münchner Großfriedhöfe unterwegs.
Das mache ich gerne weil ich da meine Ruhe habe vor Hunden, Kindern und Radfahrern. Und überhaupt eine Ruh von dem nervigen Münchner Gewusel.
Ich besuche dann auch immer die Aufbarungshalle, um zu sehen wer diese Welt verlassen hat. Diesen kleinen Voyeurismus gönne ich mir.
So auch diesmal. Ich betrat die Aufbahrungshalle, die eigentlich Aufbahrungsflur heissen müsste, ist sie doch ein langer Schlauch ähnlich geschlossener Arkaden. An einer Stelle waren hinter den weggezogenen Vorhängen 3 Särge aufgebahrt. In der Mitte ein sehr prachvolles, teures Exemplar, überladen mit Kränzen, Blumengebinden. Viele Kerzen brannten, Hier ruhte eine Frau fortgeschrittenen Alters. Links von dieser Üppigkeit war ein einfacher, billiger Sarg aufgebahrt. Kein einziger Kranz, keine Blumen und auch kein Kerzenlicht. In diesem Sarg ruhte Herr Rudolph Gut.
Rechts neben der üppigen Frau war ein solider Sarg zu sehen mit nicht ganz billigen Beschlägen. Ein paar Kränze und Blumensträuße lagen auf dem Sarg. Trauerbänder hingen herab, "Wir vermissen Dich so sehr..., unserem teuren Freund"...und sowas eben.  Links und rechts des Sarges standen zwei hohe Kerzenständer mit dicken Kerzen bestückt, welche ihr mildes Licht leuchten liessen.
In diesem Sarg ruhte Herr Rudolph Schlecht.

Ich war schon am Ausgang - und ging noch mal zurück und sah nach, ob ich nicht einer Täuschung erlegen war. Nein, es war keine Täuschung!  Ein Gefühl des verarscht seins, der wilden Fopperei kam in mir hoch. Lässt sich eine Friedhofsverwaltung solch üble Scherze einfallen?

Nun gut, auch ich bezeichne unerklärliches routiniert als Zufall. Man hat nicht immer Zeit und Lust über alles was da so daherkommt, nachzugrübeln. Und die kleine Belehrung in diesem Fall:
Gut ist arm, Schlecht hat Erfolg, ist mir einfach zu banal, zu klischeehaft.

Ich hab's als rätselhaftes, ja schräges Erlebnis verbucht. Aber an Zufälle glaub ich nicht

kobold.jpg
Ein listiges Koboldchen, Teufelchen, Pan auf dem Grab einer Künstlerin.

LG
Arni


 


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Kommentare (5)

ehemaliges Mitglied

Der kleine Kobold hat eine Flöte, und gleich fällt mit "Die Zauberflöte" ein.

Ja, ja, Musik ist allemal die Rettung.

Danke für Deinen Bericht. Rose

Gruss
Clematis

 

ehemaliges Mitglied

Der Ort hatte auch eine "zauberhafte" Atmosphäre, gar nicht unheimlich, wie es das auf Friedhöfen auch gibt.

Herzlichen Gruß
Arni

Manfred36

"Ich besuche dann auch immer die Aufbarungshalle, um zu sehen wer diese Welt verlassen hat. Diesen kleinen Voyeurismus gönne ich mir".
Mir reicht die Tageszeitung mit den Todesanzeigen völlig aus, wobei ich immer damkbar bin, wenn kein lieber Mensch darunter ist. Aber auch da ist die Aufmachung ja schon recht unterschiedlich. Eine Bestattungsathmosphäre in mich hineinzuziehen, mutet mich etwas makaber an. Wir können auch im ganz normalen Alltag des Todes voll gegenwärtig bleiben. Auch an den Gräbern konnte und kann man ja die "Standesunterschiede" nachvollziehen. Ich glaube, auch aus diesem Grund wählen viele heute die Bestattung im Rasenurnengrab, die Friedwaldbestattung oder anonyme Bestattung. Und Lebens- und Schicksalssymbolik auf dem Friedhof  -  ich weiß nicht?
Gruß
Manfred

ehemaliges Mitglied

Was mich an der kleinen Geschichte fasziniert, sind die Namen Rudolph Gut, Rudolph Schlecht. Die Geschichte ist ja war. und nicht erfunden, um eines makabren Scherzes willen. Ansonsten geht es mir mit Friedhöfen so wie den Mexikanern - sie feiern, trinken und essen auf den Gräbern ihrer Toten. Und fürchten sich nicht vor ihnen.
Alles eine Sache der Perspektive.

Gruß
Arni

Sam 2

Lieber Arni,

manchmal bildet der (scheinbare) "Zufall" das echte Leben ab, Aber 1,80 tiefergelegt werden alle gleich. Ich denke gerade an Raimunds Hobellied.

Trauergrüße
Sam

p.s.
Offensichtlich liebte es die Künstlerin, auf der Flöte des Pan zu spielen
S.


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