Es war ein schweres Jahr für unsere Familie gewesen. Die Krebserkrankung unserer Mami hatte im Sommer ihrem Leben ein Ende gesetzt. Wir drei Mädchen waren nun Halbwaisen und versuchten, mit unserem Papa und seiner Mutter wieder ein wenig in das normale Leben zurückzufinden.

Irgendwie musste unserem Vater der Gedanke, ein Hund könnte seine Töchter ein wenig über den herben Verlust der Mutter hinwegtrösten, gefallen haben. Auch die Oma tat das ihr Mögliche.

Unser Vater sprach seinen Schwager, von Beruf Tierpräparator und Jagdaufseher bei der englischen Besatzungsmacht, darauf an, ob er vielleicht für uns einen kleinen Dackelwelpen habe. Ja, er hatte die Möglichkeit.
Foto 83  bei so viel Schnee durften Uschi und Gitta mit Filou rodeln Winter 1951, 1952.jpg
Die Oma als gelernte Weißnäherin um die Jahrhundertwende 1900, die ihr ganzes Leben lang viele Bauernfamilien aus ihrem ehemaligen Kundenkreis regelmäßig besuchte und dort Kleidung für deren Kinder oder auch Flickarbeiten machte, nähte für die Puppen ihrer Enkelinnen hübsche oder auch Prinzessinnenkleider. Unser Vater setzte sich schon Monate vor Weihnachten hin und knüpfte einzelnen Puppen seiner Töchter Echthaarperücken, natürlich mit langem Haar!

In diesem Jahr mussten die Erwachsenen erstmals den drei Mädels eine mutterlose Weihnacht bieten. Doch so ganz sollte unsere Mami nicht aus diesem Familienfest herausfallen. Er kaufte einen ganz kleinen Tannenbaum, den er mit klitzekleinen Kerzchen bestückte. Und dieses Bäumchen durften wir Mädchen am Heiligen Abend zum Grab unserer Mami bringen. Die Älteste mit ihren 11 Jahren hatte den Auftrag, die Kerzen am Bäumchen auf dem Grab anzuzünden.

Unterwegs wollte auch ich für eine Zeit lang das Bäumchen tragen. Doch sie gab es mir nicht. Sie drohte mir, unsere Mutti sähe durch die Wolkenlöcher all mein ungezogenes Gezerre, wofür ich bestimmt bestraft werden würde. Noch konnte sie mich damit verleiten, eine brave Schwester zu sein.

Ganz brav erledigten wir den Besuch auf dem Friedhof und als die Dämmerung heraufzog, waren wir auf dem Heimweg. Fast waren wir schon zu Hause, da entdeckte ich an dem Eckhaus, in dem wir wohnten, dass sich die zugezogene Gardine unseres Wohnzimmers bewegte. Vermutlich hatte unser Vater oder die Oma ein wenig gekiebizt, ob wir Kinder im Anmarsch wären. Und ich – voller Erwartung auf die Bescherung – war felsenfest überzeugt, das Christkind aus dem geöffneten Fenster wegfliegen gesehen zu haben!!

Zuhause angekommen konnten wir unsere Erwartung kaum noch zügeln. Dann läutete das kleine Glöckchen, mit dem unsere Mutter stets Hilfe herbeirufen konnte, weil ihre Stimme ihr längst nicht mehr gehorchte. Die Wohnzimmertür öffnete sich und ein kleiner Dackel wuselte um unsere Füße herum. Die Kerzen am Weihnachtsbaum leuchteten mit vielen Kugeln um die Wette, die Blicke der Erwachsenen galten den brennenden Wachslichtern und die Kinderaugen suchten nach erfüllten Wünschen. Irgendwie war es mir schon als Siebenjähriger nicht so ganz recht, mich an die offensichtlichen Geschenke zu begeben.

Foto 77 Weihnachten 1951 ohne Hanna.jpg
Egal, ob es mein Geburtstag war oder in diesem Jahr die Weihnachtsbescherung: ich griff stets zuerst zu einer neuen Schürze, hinter der ich mich – mental gesehen – wohl versteckte … Natürlich durfte ich sie „anprobieren“, aber nicht umbehalten. Schließlich war ja Weihnachten.

Oma hatte auch meiner Käthe-Kruse-Puppe ein rosa Prinzessinnenkleid gezaubert. Doch sie sah weiterhin so traurig aus wie zuvor, auch wenn ihr noch das dunkle Tränchen auf einer Wange fehlte, mit dem sie dann gut 20 Jahre später meinem Sohn in die Hände fiel.

Unsere Jüngste bekam eine Babypuppe, die sie sich gewünscht hatte. Aber sie liebte ihre „alte“ Puppe so sehr, dass sie das Puppenbaby schnell links liegen ließ.

Foto 78 Gitta mußte immer auf jeden Schoß auch bei Hilde 1951.jpg
Und Filou wanderte von Omas Schoß auf den Schoß unserer ältesten Schwester. Die ließ das Tierchen kaum noch los.

Doch wir sollten schnell merken, dass Filou sich eher in unsere Jüngste verguckt hatte. Wenn nachts alle schliefen, zerrte er sich ihre Kleidung, die geordnet auf der Lehne eines Küchenstuhls lag, auf den Boden, kaute genüsslich daran herum, übergab sich darauf oder legte sich darauf schlafen. Es wurde schließlich zu teuer, dem Hund diese Kinderkleidung ständig zuzugestehen. Abgewöhnen ließ er es sich nicht. Also bekam unser Onkel, der ihn für uns beschafft hatte, und machte aus ihm einen anständigen Jagdhund. Dort hatte Filou keine Möglichkeiten, sich nächtens sein Lager auf Kinderkleidung herzurichten, obwohl auch die Familie des Onkels mehrere Kinder hatte. Aber er wurde ein guter Jagdbegleiter!
 


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Kommentare (13)

Pan

Ja, liebe Uschi, Leben bringt stets Erinnerungen zurück, die schon als verschollen galten.
Deine Chroniken jedenfalls sind ein wertvoller Rückblick auf Zeiten, die so weit und schwer und dennoch wichtig waren für die Entwicklung des eigenen ICHs.
Danke dafür sagt 
mit einem Lächeln
Horst

nnamttor44

@Pan  
Ich weiß, lieber Horst, wie gerade die Weihnachtszeit vielen von uns "Alten" ihre Erinnerungen an die damals schwere Kindheit wieder hervorholt. Ich erlebe etwas jüngere Erinnerungen derzeit in einer solch starken Power, so dass ich eigentlich für meine eigenen Kindheitserinnerungen kaum Zeit erübrige.

Ungeheuer wichtig ist mir gerade, wie es heute meiner Tochter möglich ist, unserem legasthenen Kind, meinem knapp achtjährigen Enkel, wie bei so vielen legasthenen Kindern aus seiner bilddenkenden Wahrnehmung heraus in das "normale" Sehen, das in der Schule für Lesen, Schreiben und Mathe notwendig ist, hineinzuhelfen. Diese Wahrnehmungsart ist chromosomenbedingt, also angeboren, nicht wie die LRS erworben.

Es ist unglaublich, wie sich diesbezüglich Erkenntnisse durchgesetzt haben, die zu Zeiten der Beschulung meiner ebenfalls leicht legasthenen Kinder noch gar nicht beachtet werden konnten, aber immer noch ignoriert werden.

Meinem Sohn fällt immer wieder die sprichwörtliche Kinnlade herunter, wenn er von den Fortschritten seines Neffen hört und entdeckt, wie viele Fakten bei ihm einfach unter den Tisch fielen ... Schlimm ist, dass die Kinder mit Maßregelungen, nicht zu träumen, nicht woanders hin zu schauen, faul zu sein frustriert werden! Wenn man weiß, wie verzerrt sich ein Schriftbild einem Legastheniker bietet, ihm es unmöglich macht, zu lesen, ist es gut nachvollziehbar, dass das Kind irgendwann einfach zum Fenster hinaussieht, in der Hoffnung, dass sich das krause Bild gleich geordneter zeigt. Mit Faulheit oder Dummheit hat das überhaupt nichts zu tun!

Mein Sohn hat seinen Weg gefunden, der allerdings mit vielen bösen Stolperfallen, die immer noch im schulischen Denken der Pädagogen vorherrschen, gepflastert war.

Bei Max ist das dank der Hilfe seiner Mama jetzt schon etwas anders! Die Schulleiterin sowie seine Lehrerinnen und viele andere diesbezüglich wichtige Leute sind begeistert von der erarbeiteten Broschüre, in der meine Tochter beschreibt, wie sie Wege gefunden hat, die Erkenntnisse, die heute vorhanden sind, ihm so zu servieren, dass er von sich aus tatsächlich die erforderlichen Schritte - schon im 2. statt erst im 3. oder 4. Schuljahr umsetzt! Das ist auch bereits der Schulleitung aufgefallen.

Ebenso zeigte das Verhalten einer Mitschülerin, die aufgrund ihrer Legasthenie und einem immens hohen IQ sich dem Unterricht verweigerte, sehr schnell verändertes Verhalten. Es genügten einige stärkende Worte, dieses Mädchen zu animieren, doch einfach mal die Dinge so auszuprobieren, wie mein Enkel es seit einiger Zeit macht - und das Mädchen arbeitet plötzlich mit Freude im Unterricht mit!!

Genug davon, auch diese Geschichte macht mir die diesjährige Adventszeit wunderschön!

Danke für Deinen Kommentar, der mich zu dieser etwas anderen Antwort verleitete. Dir und Ingrid eine gesegnete Weihnacht wünscht

Uschi

nnamttor44

Euch 💗💗💗💗gebern meinen herzlichen Dank für das Lesen meiner Erinnerungen.

Ich wünsche allen eine gesegnete Weihnacht.

Uschi

HeCaro

Liebe Uschi,
das ist eine bewegende Erinnerung, lebendig erzählt und mit nostalgischen Fotos geschmückt.
An Weihnachten 1951 habe ich selber keine Erinnerung  aber unser Christbaum sah auch immer so ähnlich aus wie Eurer. Lächel. 

Liebe Grüße, Carola 

 

nnamttor44

@HeCaro  
Liebe Carola, ja, eine Erzählung ist eine Sache, alte Fotos, die zu der Erzählung gehören, eine zweite. Fotos, so man sie denn hat, machen eine Geschichte lebendiger. Ganz so, wie Zeichnungen Märchen noch vorstellbarer machen. Ich liebe Bücher, in denen zumindest so alle paar 'zig Seiten mal eine Zeichnung oder gar ein Foto zu einer Szene gezeigt wird.

Ich denke, in jenen Jahren war es noch längst nicht üblich, so wie es heute oft ist, sich mit dem Christbaumschmuck der gerade "üblichen Mode" anzupassen. Alle waren ja froh, wenn es Kugeln oder gar eine passende Christbaumspitze gab, man Lametta hatte - und alles wurde hübsch ordentlich verpackt und für das nächste Fest sorgsam verwahrt. 🌟 😊

Lieben Dank für Deinen Kommentar, auch Dir besinnliche Festtage wünscht

Uschi  

ladybird

Liebe Uschi,
durch meinen ständigen net-Ausfall, hätte ich beinahe Deine so wunderbare Erinnerung verpasst zu lesen.
Das ist wahrlich eine ganz besondere Geschichte und erweckt auch Mitleid mit den zu Halbwaisen-gewordenen Kindern.
Deine Phantasie hat Dir etwas geholfen diesem Weihnachtsfest doch  ein bißchen Freude abzugewinnen.
Mir gefielen besonders die beigefügten Fotos, die Deine Erzählung noch lebendiger machten,
danke Dir für Deine Vergangenheit, der auch ich beiwohnen durfte
und lieben Gruß
Renate

 

nnamttor44

@ladybird  
Meine liebe Renate! Wenn es ausgerechnet um diese Weihnachten 1951 geht, bin ich mir ziemlich sicher, dass vor allem meine große Schwester mit ihren 11 Jahren unsere Mutter am meisten vermisste. Sie hat sie ja noch "richtig" erlebt. Die vier Jahre davor waren von mir eher so erlebt worden, dass ich sie ja nur stets in ihrem Krankenbett sah, nur selten zu ihr durfte, denn sie war enorm geschwächt und musste große Schmerzen erdulden.

Aber unsere Situation war eher nichts Besonderes, weil in dieser großen Wohnung auch noch eine zweite Familie lebte, bei der die Mutter ebenfalls sehr krank war. Wir Kinder tobten uns auf der Straße aus, denn Freunde durfte niemand von uns mit in die Wohnung bringen.

Meine Fantasie, das Christkind gesehen zu haben, zeigt doch, dass wir Kleinen tatsächlich doch nur wenig von dem Leid, das da vor unseren Augen geschah, mitbekamen, weil die Erwachsenen offensichtlich wussten, wie sie uns schützen konnten.

Unser Vater liebte das Fotografieren und somit kann ich auf einen großen Schatz an alten Fotos aus unserem Leben zurückgreifen. Und er sorgte immer wieder dafür, dass wir alle einen Anteil an Fotos in eigene Alben - für jedes Kind eines - erhielten.

Dir wünsche ich noch eine frohe Vorweihnachtszeit und mit Deinen Lieben ein gesegnetes Fest.

Uschi

 

Muscari

Liebe Uschi,

das sind DIE Erinnerungen, die gerade in diesen Tagen hoch kommen.
So vielfältig sie auch sind, irgendwie sind sie sich ähnlich.
Du schilderst so einige Details, an die ich mich bei meiner Tante erinnere.
Bei uns zu Hause sah alles, wie ich schon einmal schrieb, ganz anders aus.

Erst als wir eigene Kinder hatten, erlebten wir mit ihnen all dies auf neue Weise.
Mit dem Unterschied, dass sich die Zeiten, im Gegensatz zu damals, positiv verändert hatten.
Ich habe Deinen Bericht mit großem Interesse gelesen und danke Dir.
Mit liebem Gruß,
Andrea
 

nnamttor44

@Muscari  
Liebe Andrea, ich hatte ganz schön lange hin und her überlegt, ob ich diese - meine - Weihnachtserinnerung einstellen sollte. Es gibt so viele, die etwas ganz anderes erzählen.

Ein wenig nehmt Ihr mir meine Zweifel, ob es vielleicht falsch gewesen sein könnte, meine Erzählung doch zu posten. Danke dafür!

Natürlich waren die Weihnachtsfeste später mit meinen eigenen Kindern auch wieder ganz anders. Und in den vergangenen Jahren durfte ich erleben, wie liebevoll meine Tochter mit ihrem Mann ihrem eigenen kleinen Sohn jeweils das Weihnachtsfest gestaltet haben. Auch dafür bin ich dankbar.

Dir liebe Andrea, wünsche ich noch schöne Adventstage und dann ein gesegnetes Weihnachtsfest

Uschi

  

Tulpenbluete13

Liebe Uschi,

eine traurige aber doch irgendwie wieder hoffnungsvolle Geschicht die einen sehr berührt....
Was muß das für eine schwere Zeit für Deinen Vater und der Oma gewesen sein...
Aber Ihr hattet trotzdem ein schönes Weihnachtsfest...
lustig auch die Geschichte mit Filou- der auch noch seinen "Weg" gemacht hat..
Es waren schwere Zeiten damals und ich erinnere mich gut daran... Aber wir Kinder haben das gar nicht so wahr genommen...
Ich hatte weihnachten 1950 auch eine Puppe bekommen. Die "Ersatz"-Kleider waren alle aus Resten selber genäht... was war man damals kreativ...

Danke für Deine Geschichte... Syrdal hat recht.. man sollte ein "Buch" schreiben und alles aufheben für spätere Generationen...

meint dankend mit lieben Grüßen
Angelika

nnamttor44

@Tulpenbluete13  
Wir Kinder haben die Schwierigkeiten, mit denen die Erwachsenen damals fertig zu werden hatten, wirklich oft gar nicht mitbekommen. Für mich waren in der warmen Jahreszeit kleine Reste bunter Kabelstückchen zum Spielen sehr viel wichtiger als meine Puppen. Warum? Ich weiß es nicht. 

Es war auch nicht das einzige Weihnachtsfest, an dem wir unserer Mutti ein Bäumchen zum Grab brachten. So im Nachhinein gesehen hat sich unser Vater sehr viel Mühe gegeben, seinen Mädchen ein wenig die Mutter zu ersetzen. Aber als Mann - so ganz konnte er das dann doch nicht. Da brauchte es doch die Unterstützung seiner Mutter und auch der "Hausmädchen", die ihr die schwerere Hausarbeit abnahmen.

Trotzdem wurde auch der Oma viel abverlangt, zumal sie ja schon in ihrem langen Leben (bis 1959) viel durchgemacht hatte. Ich nehme an, dass auch die Puppenkleider, die uns die Oma nähte, aus vielerlei Stoffresten geschneidert waren. Doch woran soll man das erkennen, wenn es Stoffe, sind, die die "Schneiderin" vermutlich bei Flickarbeiten in den umliegenden Dörfern entsorgen bzw. mitnehmen durfte? Sie wird in mehreren Kriegsjahren (1914 - 1918 und 1939 - 1945) gelernt haben, dies und das zu horten. Immerhin war ihr erstes Kind ein Mädchen, dem vier Jungs folgten.
Clementine mit Karl schwanger 1910 oder 1911.jpg
Ein einziges uraltes Foto, das meine Großeltern, meine junge, mit meinem Vater schwangere Oma sowie seine damals 2jährige Schwester 1911 zeigt.

Auch das dürften schon schwere Jahre gewesen sein, denn der Opa starb kurz darauf an TB, das Neugeborene - mein Vater - lernte seinen Vater nie kennen.

Erinnerungen sind sehr vielfältig!

Dir herzlichen Dank für Deinen Kommentar und eine besinnliche weitere Adventszeit wünscht

Uschi

Syrdal



Auch deine Geschichte, liebe nnamttor, ist wie all die anderen, die wir hier in den letzten Wochen nun schon lesen durften, eine der vielen Erinnerungen, die bis in die Altersjahre hinein bewegen, selbst wenn neben der Freude über das kindhafte Erleben der Weihnachtszeit und das strahlende Fest oft auch Wehmut mitschwingt, hier über den frühen Verlust der Mutter. Alle diese Geschichten sind zutiefst bewegend, weil sie „aus dem Leben“ geschrieben sind…

Diese Erzählungen als Anthologie in einem dicken Buch zu vereinen, würde ein nur allzu wichtiges Zeitdokument werden können. - Diese bewegende Weihnachtserzählung müsste unbedingt mit dabei sein.

Mit Dank für deine Geschichte, die zudem von wichtigen Fotos begleitet ist, grüßt
Syrdal
 

nnamttor44

@Syrdal  Wenn mir diese Geschichten durch den Kopf gehen, lieber Syrdal, kommt es immer öfter vor, dass ich mich fast schäme, wie gut es mir, uns trotz der "Mutter-Geschichte" so bald schon nach dem Krieg ging.

Viele Andere wurden zu der Zeit noch herumgeschubst, hatten ihre Heimat verloren, das Essen, die Kleidung war knapp, oft genug gab es nur eine schäbige Unterkunft.

Diese Not musste ich nie erleben und unsere Oma, die zu dieser Zeit schon Mutterstelle an uns vertrat, hat aus ihren schweren Zeiten, die sie auch erlebte und vor allem im und nach dem 1. Weltkrieg mit ihren kleinen Kindern überstehen musste, nie erzählt.

Davon erfuhr ich erst von meiner jüngeren Schwester, die vor vielen Jahren für einen Stammbaum der Familie Daten, Fakten sammelte, die weitläufige Verwandtschaft besuchte und sich erzählen ließ. Mir erzählte nur mein Vater einige "Kleinigkeiten", wenn wir gelegentlich in meinem Teenageralter ein paar gemeinsame Stunden verbrachten.

Doch, eine Geschichte erfuhr ich schon als Kind: ich wusste, dass ein Bruder meines Vaters im Krieg gefallen war, an der Wolga. Immer, wenn ich das Wolgalied auf dem Klavier spielte, liefen meiner Oma die Tränen übers Gesicht, bis ich eines Tages erfuhr, warum und gebeten wurde, dieses Lied doch nicht mehr zu spielen. Nicht immer war ich dann auch so brav ... ein wenig boshaftes Trotzköpfchen!

Aber so eine dicke "Schwarte", aus der inzwischen mein Lebensdiary besteht, als Buch binden zu lassen - wer will das denn wissen, lesen? Es gibt sehr viel interessantere Menschen, wo das angezeigt wäre.

Danke für Deinen Kommentar, weiterhin auch viele hoffentlich auch schöne Erinnerungen wünscht

Uschi


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