Eine heilige Nacht


Es war einmal in einer sternenklaren Winternacht, als der Frost die Welt umfangen hielt, den Atem am Mund gefrieren ließ, ein Paar unterwegs, müde und frierend durch den knirschenden Schnee stapfend. Sorgsam führte der alte Mann die blutjunge Frau, sie war fast noch ein Kind, an der Hand, und man erkannte auch durch mehrere Lagen Pullover, Jacken, Mantel, den gewölbten Leib der Frau, den sie mit einer Hand immer wieder wie schützend hielt.

„Stütz dich auf mich, wir haben es nicht mehr weit.“ Wieder schob er seinen Arm unter ihrem durch, um Halt zu geben, falls sie strauchelte.

Sie blieb stehen, ein krampfhaft unterdrücktes Stöhnen entrang sich ihren fest aufeinander gepressten Lippen, kleine Schweißperlen glänzten auf Stirn und Oberlippe, um sich dann mit den tanzenden Flocken, die ihr Gesicht umspielten, zu vermischen.

„Nur noch ein kleines Stück, komm, ich trage dich, gleich sind wir an dem Stall.“

Kaum dass er sich selbst noch auf den Füßen halten konnte, umfasste er dennoch die nun zusammensinkende Frau, hob sie hoch und bahnte sich mit dem letzten Rest seiner Energie und einem flehenden:“Herr, steh uns bei!“ den Weg zu dem nun schemenhaft im zunehmenden Flockenwirbel auftauchenden windschiefen Gebäude, das er mit seiner immer schwerer werdenden Last schließlich keuchend erreichte.

Quietschend öffnete sich das alte Tor, nachdem er den eisernen Riegel mit aller Kraft zur Seite geschlagen hatte und sie nahmen, bevor sie ins warme Heu sanken, nur noch wahr, dass auch Tiere in dem Stall schliefen.

Wärme und Geborgenheit umhüllte sie, wie sie da nun eingegraben im Heu auf die Geburt ihres Kindes, seines Urenkels warteten und in der Ferne, sich immer weiter entfernend, hörten sie das Donnern der Kanonen und die alles zerstörenden, berstenden Treffer.

Als im dämmernden Morgen der erste Schrei des Neugeborenen erklang, konnten sie eine Glocke läuten hören.

Still reichten sie sich die Hände, Großvater und Enkeltochter auf der Flucht, das Kind, die Frucht einer Vergewaltigung, zwischen ihnen, nun sorgsam in eine Jacke gewickelt und ihre Blicke hoben sich zum Himmel, ein Dankgebet im Herzen –

Gesegnete Weihnachten!



FloravonBistram


Kommentare aus bekannten Gründen lieber als Privatnachnachricht...danke

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