Weißt du, was Umbettung bedeutet?


Die Stahnsdorfer Friedhofskapelle

Gehört und gelesen haben wir schon einiges über den Friedhof in Stahnsdorf. Aber sonst?!

Da gibt es also einen Friedhof, der vor zwei Jahren sein einhundert-jähriges Bestehen feierte, der „Südwest Kirchhof Stahnsdorf“. Berlin und seine Umgebung wuchsen vor mehr als einhundert Jahren so mächtig, dass die zumeist unmittelbar bei den Ortskirchen befindlichen Friedhöfe nicht mehr ausreichten, alle Bestattungen – damals noch ohne Urnengräber – unterzubringen. Es gab dann auch noch Friedhöfe nach Glaubensrichtungen getrennt, die auch ihren Platz haben wollten.

So hatten sich die Synodalen der Evangelischen Kirchen mit Billigung der damaligen (preussischen und Reichs-)Regierungen entschlossen, außerhalb von Berlin Gelände aufzukaufen, um drei „Zentral“-Friedhöfe einzurichten. So entstand südwestlich an der Peripherie von Berlin, in Stahnsdorf dieser Kirchhof.

Ein Friedhof, der einen eigenen Gleisanschluss und Bahnhof bekam, um die vielen, zu erwartenden Trauernden und Besucher in das 156 Hektar große Waldland zu bringen.

In den ersten 25 Jahren wurden hier mehr als 35.000 Verstorbene bestattet, bis heute sollen es 110.000 Personen sein. Durch die 1961 erfolgte Teilung zwischen Ost und West waren die Bestattungen von Verstorbenen aus Berlin sehr zurückgegangen. Stellenweise holte die Natur sich in diesem Park manches Fleckchen Erde zurück. Geblieben sind Grabmale von Personen, die samt ihren interessanten und dem seinerzeitigen Stil der Ehrung durch Hinterbliebene entsprach. Diese wurden umgebettet, es gab verschiedene Phasen der Umbettung. So z.B. die Umbettungen auf Geheiß von Hitlers Star-Architekt Albert Speer zum Zwecke der geplanten Ostwest-Achse der Fantasie von der Stadt „Germania“ anstelle Berlins und seiner Umgebung.
Wir sind mit Bussen stückchenweise hinausgefahren nach Stahnsdorf, sind den halben Kilometer bis zum Haupteingang des Kirchhofes gewandert – die einstige S-Bahn-Strecke von Wannsee zum Friedhof, die Friedhofbahn wurde 1961 (Bau der Mauer) stillgelegt, die Gleise abgebaut und das Bahnhofsgebäude 1976 abgerissen – ein Fahrgast auf unserer Heimfahrt im Bus nach Potsdam erzählte uns, dass auch er sich von da Steine geholt hatte. So, wie es in Planungen des S-Bahn-Netzes aussieht, wird es diese so praktische Verbindung über Düppel nicht wieder geben.

Und dann standen wir da am Waldrand vor dem Eingang des Friedhofes. Als wir dort nach fast zweistündiger Busfahrt angekommen waren, war die Verwaltung noch geschlossen, den Kauf eines Planes hätten wir gerne vorher getätigt. Den unter Glas aufgestellten Plan konnte man mal wieder nur mühsam zwischen den „Graphits“-Klecksereien entziffern. Also gingen wir „freifuß“ hinein in den Park, den Waldfriedhof.

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Heinrich Zille


Man konnte sehen, dass man einiges tat, das Ganze aus dem „Dornröschenschlaf“ zu holen. Und es gab wieder Bestattungen, sogar Baumbestattungen – man braucht Leben und Geld, das Ganze zu erhalten und zu fördern. Und so planlos, wie wir anfangs spazierten, so knipsten wir vieles für das „Mit nach Hause nehmen“: Monumente, Namen, Stimmungen. Die drei Stunden des kreuz und quer Spazieren vergingen im Fluge. So zwischendrin, an einem Ehrenfriedhof für Gefallene fanden wir eine Bank zum Verweilen und zum Verzehren eines Apfels, das Ganze bei dem Frühlingsgezwitscher so vieler Vogelsorten, die in diesem Refugium ungestörtes Leben haben.

Es gab und gibt so vieles zu sehen, wir konnten nicht alles erfassen, wollten doch unsere Gehwerkzeuge nur begrenzt mitmachen. Aber das so gewaltig auftretende Einsetzen des Frühlings hier am Anfang April, dieses frische Grün, das an dem Geäst und den Zweigen aufplatzte, bestätigte unser kurz entschlossenes Herfahren nach Stahnsdorf. Wie gesagt, drei Stunden waren wir da „drin“. Längst war Mittagszeit im Abklingen. Also gingen wir zum Restaurant „Kossatenhof“, das vor dem Haupteingang, an der Stahnsdorfer Bahnhofstraße liegt. Nach einem preiswerten Mal quälten wir unsere müden Gliedmaßen zurück zur Haltestelle des Busses. Zurück wieder mit den Buslinien nach Hause.

Wir waren erschrocken, welche Foto-Ausbeute wir quantitativ und qualitativ aus den Kamera-Chips holten. Da wollen wir doch wieder ein kleines Album und auch einen Film basteln. Aber eines ist dabei auch noch interessant: Wir haben so verschiedene, eigentlich unbekannte Namen unter den zweiunddreißig angezeigten und beschriebenen Persönlichkeiten eingesammelt, die wir nun mit Hilfe von Wikipedia finden möchten, näheres über sie zu erfahren. Also eine Nachlese.

Fotos:
9.04.2011, Irene Vollmering u. Wolfdieterich Müller

Textquellen hierzu aus veröffentlichter Literatur:
Südwest Kirchhof Stahnsdorf, Personen
100 Jahre Südwestkirchhof


ortwin

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Kommentare (5)

marianne Ganz herzlichen Dank!
Besonders gut, dass deine Aufnahmen n i c h t mit Musik "unterlegt" sind...

Marianne
ortwin Gestern traf eine Mail ein, dass der liebe Mann nach langem Krebsleiden seinen Frieden gefunden hat. Und nun war auch klar, dass die Beisetzung auf diesem hier beschriebenen Friedhof erfolgen wird. Für die Hinterbliebenen doch ein ganz friedlicher Gang in den für diese letzte Ruhestatt bereitgehaltenen Park.

ortwin
ortwin Hier Bilder vom Südwest Kirchhof Stahnsdorf:































































ortwin


anjeli deine Schilderung und die Fotos sind sehr interessant. Ich mag Friedhöfe, einfach wegen
der Ruhe und die fast totale Stille. Es ist für mich eine Oase, in der ich auch abschalten kann.

Im Urlaub besuche ich auch schon mal einen Friedhof. Es interessiert mich, wie fremde
Kulturen mit ihren Toten umgehen.

Es ist eine erstaunliche Leistung von dir, solange zu laufen. Ich wünsche dir, dass du
noch lange, sehr lange die Stadt und das Umland erkunden kannst.

Ich hätte mir noch mehr Fotos gewünscht. (lach)

anjeli

ortwin Nicht wegen der "Ost-West-Achse wurde der südliche Teil Berlins entvölkert, Juden ausgewiesen: es ging um die Wunschvorstellung der in jeder Hinsicht fehlenden Nord-Süd-Achse. Mea culpa, ein Verschreiben - weil sich die heutige Straße 17.Juni früher als "Ost-West-Achse"ins Gedächtnis eingepflanzt hatte.
Man mag über dieses Utopia "Germania" denken, wie man will: manches ist in ganz einfacher Form heute da und dort verkehrsmäßig Realität geworden (Hauptbahnhof, Südkreuz usw.)

ortwin

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