Wenn der Weihnachtswunsch auf fruchtbaren Boden fällt


Eine Humoreske

 
Im Spektrum der Weihnachtswünsche gibt es in den Familien die eigenartigsten Traditionen, Denen einmal nachzuspüren, wäre eine spannende Angelegenheit. Vor wenigen Monaten wurde mir ein Sujet für eine Geschichte übergeben, die sich vor über 90 Jahren in Radeberg zugetragen haben soll. Das Ehepaar Niemann, der Vater als Glasschmelzer beschäftigt, saß vor dem Ersten Advent zusammen, um eben über diesen Anlass zu reden. Traditionell traf sich die ganze Familie an diesem Sonntag um über das bevorstehende Fest zu reden. Denn es waren ja nicht nur die Weihnachtsgeschenke, es ging auch um die Frage, ob man sich überhaupt etwas schenken sollte und wie die Feiertage ablaufen könnten. Die Mutter Emilie Niemann betonte die praktische Seite des gegenseitigen Schenkens, verfiel aber ob der allgemein schwierigen finanziellen Situation, man war im Vor - Inflationsjahr 1922, auf eine auch noch heute oft gehörte Floskel „Am besten wir schenken uns gar nichts!“
Als dann die jüngste Tochter, Elisabeth, die einzige, die noch bei den Eltern wohnte, in der Küche Feuer machen wollte, gab es einen ziemlichen Krach. Der Kohlenkasten hatte den Boden verloren und die Briketts fielen auf den Fußboden. „Tja, einen neuen Kohlenkasten könnte man gebrauchen“, sagte nicht nur die Tochter. Vater Niemann meinte, alle drei im Hause vorhandenen „Sind dermaßen lavede, dass es einen graust!“ Lavede bezeichnete bei unseren Vorfahren „einen Zustand zwischen noch nicht ganz kaputt, dennoch noch zu gebrauchen“.
Als man sich am Ersten Advent traf, Niemanns hatten fünf Kinder, und beim nachmittäglichen Plätzchen essen, die Sprache auf das Fest kam, ließ Vater Niemann wie beiläufig den Satz von den laveden Kohlenkästen fallen. Und als dann noch die verheiratete Tochter Margot die Stubenwärme bei den Eltern lobte, war auch Mutter Niemann nicht um eine Antwort verlegen: „Ja hier ist es immer schön warm, und dabei haben wir nicht mal mehr einen gescheiten Kohlenkasten“, um dann festzustellen „Ein neuer Kohlenkasten wäre dringend notwendig.“ Worauf wieder Alfred Niemann ergänzte „Na Mutter, wir werden sehen, bald ist ja Weihnachten“. Seitens der anwesenden Kinder gab es keinerlei Reaktion, sodass Vater Niemann am nächsten Morgen feststellte: „Na, dann schenke ich uns eben einen solchen Kasten!“ Sprach es und machte sich in den einschlägigen Läden auf die Suche.
Der Weihnachtsabend kam heran, die Eltern waren mit Elisabeth allein zu Hause. Da brachte Vater Niemann zwei nagelneue Kohlenkästen an „Bis Dresden – Niedersedlitz bin ich extra gefahren, da gibt es ein phantastisches Haushaltsgeschäft!“ Die Mutter freute es und in der späten Nachmittagsstunde kam der älteste Sohn Gustav vorbei. „Ich will euch nur mal unser Geschenk bringen. Eigentlich sollten wir uns ja nichts schenken, doch da ein Kohlenkasten Not tut, habe ich gedacht, drei wären vielleicht auch ganz schön“. Man sah sich an und machte gute Miene. „Wir danken euch!“, sagte Emilie Niemann und gab dem Sohn für die drei Kinder etwas mit auf den Heimweg.
Bis zum Folgetag, dem Ersten Weihnachtsfeiertag hielt der Besuch der Kinder an, denn alle wohnten im Umkreis von Radeberg.  Als das vierte Kind, die zwanzigjährige Hermine, das Elternhaus verlassen hatte, gab es bei Niemanns zwölf nagelneue Kohlenkästen. Zwei waren etwas ausgefallen, die anderen von der Sache her gleich. „Na, das wird Glück bringen. Immerhin sind es nicht dreizehn geworden!“, stellte Alfred Niemann fest. Und Mutter Niemann hatte eine praktische Idee: „Elisabeth, Du musst den Hans heiraten, Du weißt schon, den Haushaltwarenhändler. Da geben wir Dir die neun neuen Kohlenkästen als Mitgift! In der jetzigen Lage, wäre das von nützlichem Wert!“

haweger


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