Zwischen den Fronten


Zwischen den Fronten

Das katholische Fest Christi Himmelfahrt ist auch ein gesetzlicher Feiertag, der einzige Feiertag im Verlauf des Jahres, den ich während meiner letzten Berufstätigkeit in meinen Urlaub als Brückentag „einbauen“ konnte. Immer aber ist es ein Donnerstag und fällt meist früher im Wonnemonat Mai als ausgerechnet dieses Jahr.

Meine standesamtliche Hochzeit fand 1965 an einem Donnerstag statt, dem 13.Mai. Die kirchliche Hochzeit bestimmte mein Vater für den 17.Mai, einem freien Friseurs-Montag, weil viele Familienmitglieder diesen Friseurberuf ausübten. Wie die übrigen Hochzeitsgäste damit klar kämen, ich glaube, darüber hat er damals gar nicht nachgedacht …Eigene Freunde durften wir nicht einladen.

Entsprechend wurde auch nicht groß gefeiert, weil ja alle kein Wochenende zum Ausruhen nach unserem Fest hatten. Gäste der Familie meines Mannes mussten ja auch noch abends wieder nach Hause reisen, kamen nicht aus unserer Heimatstadt. Der Samstag war damals einfach für Friseure DER Wochentag, an dem die meisten Kunden kamen. Also war es für die Hälfte der Gäste keine Einbuße.

Irgendwann in den 1980er Jahren wurde dieser christliche Himmelfahrtstag auch in Niedersachsen zu einem gesetzlichen Feiertag. Unsere Kinder waren schon so groß, dass wir es wagten, sie für etwa zwei Stunden abends allein zu lassen, allein nur für uns Zwei etwas schöner essen zu gehen.

Im Mai 1990 waren unsere Kinder schon aus dem Haus. Wir hätten Silberhochzeit feiern können. Aber dazu fehlte uns beiden die Lust. Wir zogen es vor, „auszurücken“! Eine Urlaubswoche, in der wir überraschend auch noch auf meinen Trauzeugen - oh Gott - meinen Onkel, trafen, verbrachten wir auf Norderney. Mein Chef hatte mir eines seiner Ferienappartements als einziges Hochzeitsgeschenk kostenlos überlassen!

Wieder zu Hause verübelten uns unsere Nachbarn fast, dass wir ihnen die Gelegenheit zum Feiern genommen hatten. Dafür „rächten“ sie sich dann zum 30. Jahrestag unserer Heirat. Auch in dem Jahr hatten wir uns mit einer Reise „verdrückt“, dieses Mal aber eine ganze Etage in einem kleinen Hotel für uns und unsere Kinder „mit Anhang“ auf Juist gebucht.

Kaum waren wir wieder zu Hause, da rückten die Nachbarn am folgenden Wochenende an mit Tannengrün, buntem Papier zum Fertigen von vielen Rosen und viel Zeit! Und natürlich durften wir dafür sorgen, dass Niemand hungern oder dürsten musste. Ein Kranz wurde gebunden, über dem Hauseingang angebracht und mit vielen hübsch gefertigten Papierrosen dekoriert.
beim Kränzen zum 30. Hochzeitstag 1995.jpg
Es war uns richtig peinlich, als Grund für dieses Nachbarschaftsfest im Tannenkranz dazustehen. Aber das Wetter spielte – teilweise – mit: wir feierten ein großes Gartenfest. Doch am Spätnachmittag verregnete uns ein Gewitter die Gartenparty. Wir zogen um in die große Garage.


Nach diesem eigenen Hochleben lassen zogen wir es vor, jedes Jahr diesen Feiertag – meist Mitte Mai – lieber unsere Lieblingsinsel Borkum heimzusuchen. Dort kannte keiner den Grund unserer Reise.

Aber das jährliche Wahrnehmen dieses Feiertages neideten mir meine Kolleginnen! Sie waren beide jünger, hatten schulpflichtige Kinder, eine war geschieden und eine stand vor ihrer Scheidung, und ich durfte meinen Urlaub grundsätzlich nicht in Ferienzeiten nehmen. Was lag da näher, als unbesorgt diesen einen Feiertag im Mai in unseren Urlaub zu integrieren? Wie oft konnten beide Damen die Osterferien für einen Familienurlaub nutzen. Auch da gab es gleich zwei Brückentage, die sie nutzen konnten: Karfreitag und Ostermontag wurden ihnen ja nicht berechnet. Sie hatten somit zwei Jahres-Urlaubstage mehr.

Als sie dann aber gemeinsam in den Herbstferien einen Wanderurlaub auf Mallorca machten, eine Woche nahmen, in der in der Reha-Klinik, in der wir arbeiteten, Patientenwechsel mit sehr sehr hohem Arbeitsaufkommen zu bewältigen war, den ich nun allein statt zu dritt bewerkstelligen musste, habe ich dagegen protestiert, als sie wieder zurück waren. Bei nur drei Mitarbeitern, die dafür zur Verfügung standen, hätte unser Chef den gemeinsamen Urlaub von zwei Damen gar nicht akzeptieren dürfen.

Ich habe dank der Hilfe anderer Kollegen aus dem Therapiebereich diesen Patientenwechsel (An- und Abreise von 40 Patienten mit sehr viel zusätzlicher Schreibarbeit, Telefondienst, Führung zu den diversen Zimmern in verschiedenen Bungalows und Schlüsselübergabe usw.) doch geschafft. Aber mein Protest bei meinen Kolleginnen führte dazu, dass sie Mitte Dezember des selben Jahres die gemeinsame Urlaubsplanung boykottierten, einfach schon ihre eigenen Urlaubszeiten ohne mich zu berücksichtigen, eintrugen. Ganz bewusst abgewartet, dass ich mit meiner Arbeit schon fertig war, in den Weihnachsurlaub gegangen war.

Akribisch hatten sie gemeinsam jede Urlaubsplanung mit einem Feiertag für mich unmöglich gemacht, meine Urlaubszeiten in den Jahren zuvor unter die Lupe genommen und mir sogar einen Urlaubstag im Februar 1999 als vermeintlichen Feiertag belegt. An diesem Tag hatte ich meine Tochter zu einer schweren Operation nach Cuxhaven-Sahlenburg gebracht, weil niemand da war, der sie hätte fahren können.

Mir schlug diese Diskrepanz zwischen der Forderung meines Mannes, Mitte Mai die für uns übliche Borkumfahrt zu machen und der eingetragenen Urlaubstage meiner Kolleginnen für jeglichen Feiertag auf die Gesundheit. Ich stellte gleich Anfang Januar 2000 einen Reha-Antrag für mich und erhielt eine Genehmigung nicht vor April des Jahres. Klar – ich rief in der Reha-Klinik an, wann ich anreisen könne und siehe da – ich durfte zum 29. April anreisen.

Natürlich hatten meine Kolleginnen auch den 1. Mai als Arbeitstag für mich vorgesehen, sie wären im Urlaub!! Ihre sorgfältige Planung gegen mich ging nicht auf! Ich war weg, lag allerdings mit starken Herzbeschwerden in meiner Reha-Klinik zu Ruhe verdonnert auf meinem Zimmer. Aber ich musste nicht auf meiner Arbeitsstelle – mal wieder völlig allein – einen Patientenwechsel bewältigen.

Nachdem ich zurück war, meine Arbeitszeit auf drei bis unter sechs Stunden täglich zu reduzieren war, brauchte ich nie wieder den Patientenwechsel, weder allein noch mit Hilfe anderer, durchzuführen. Dazu wurden nun, um den Kolleginnen die Arbeit erträglicher zu machen, jedes Mal drei Helfer extra eingestellt!!

Die beiden Kolleginnen haben noch einmal versucht, mir 2005 den Urlaub für Mitte Mai – unseren 40. Hochzeitstag – zu verhindern. Aber ich bin stur geblieben. So ein wenig hatte unser Chef es doch wohl eingesehen, dass das Vorgehen der beiden Kolleginnen Mobbing war … Ein klärendes Gespräch zwischen dem Chef, den Kolleginnen und mir hat es nie mehr gegeben. Ich hätte keine Chance gehabt: drei gegen eine! Der Chef hätte ja ebenfalls zugeben müssen, dass es auch sein Fehler war, nicht zu sehen, dass er gleichzeitig zwei von drei Schreibkräften gemeinsam Urlaub genehmigt hatte.

Ich bin vorzeitig in Rente gegangen. Wäre mein Chef nur etwas weniger einsichtig gewesen, unsere Buchhalterin hätte mir zu gerne eine mir zustehende Zusatzauszahlung verweigert, als ich in Rente ging … Eingesehen, dass sie und die andere Kollegin etwas falsch gemacht hatten, jedes Jahr zwei Urlaubstage mehr für sich genießen konnten, haben die Damen bis heute nicht. Dieser Vorwurf gegen mich war auf Sand gebaut.

 

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Kommentare (6)

Humorus

Wunderbar aus dem wahren Leben geschrieben. Es macht schon sehr nachdenklich, wenn man so etwas liest. Danke für Deine Gedanken.

Liebe Grüße aus Karlsruhe

nnamttor44

@Humorus  
Hallo Humorus,
ich denke, wohl Jeder könnte eine Geschichte über oder aus seinem Leben berichten und nicht wenige dürften ähnliche Schwierigkeiten enthalten.

Aber es ist schon bitter, jährlich mit einem öffentlichen Feiertag wieder daran erinnert zu werden. Ich mag diesen Feiertag nicht mehr und hatte das Bedürfnis, das hier einmal heraus zu lassen.

Humor ist, wenn man trotzdem das Lachen nicht verlernt!

Danke für Dein Herzchen, fürs Lesen, Kommentieren und lieben Gruß nach Karlsruhe

Uschi

Muscari

Grauenvoll.
Wie gemein doch Menschen sein können. Kaum zu begreifen.
Da kann ich mich Syrdal nur anschließen, wenn er schreibt:


"Kein Wunder, dass es nie Frieden geben wird unter den Menschen"

Trotzdem wünsche ich Dir noch einen geruhsamen Himmelfahrtstag und grüße Dich herzlich.
Andrea

nnamttor44

@Muscari  
Liebe Andrea, vergessen geht einfach nicht. Der Feiertag, Vatertag erinnert jedes Jahr an meine persönlichen Feiertage - und damit auch an das Geschehen, das damit für mich verbunden ist.

Aber die Bosheit in der Erinnerung verblasst. Es nützt nichts, sich darüber  noch zu ärgern (das macht doch nur Falten!! Erschrocken ).

Ich hatte einen sehr geruhsamen Himmelfahrtstag, hab es mir gut gehen lassen, erfahren, dass es mit meiner zukünftige Wohnung weiter voran geht und freue mich, wenn ich dieses Jahr noch dort einziehn kann. Dann hab ich meine kleine Restfamilie um mich, die mich wollen, so wie ich bin ...

Mein Herzliches Dankeschön für Dein Lesen und kommentieren sagt Uschi

Syrdal

Deine Geschichte macht betroffen... betroffen deshalb, weil es mich immer wieder betrübt, wie man sich im ganz normalen Alltag gegenseitig das Leben schwer machen kann. – Kein Wunder, dass es nie Frieden geben wird unter den Menschen – leider...
 
...sagt ein erschrocken betrübter
Syrdal

nnamttor44

@Syrdal  
Noch schlimmer traf es mich Silvester 2001, als ich meinem Mann diese Geschichte erzählte. Zu wissen, dass man in der Gesundheits- und Klinikenkrise dieser Kollegin Arbeitsstunden überlassen hatte, damit sie als Alleinerziehende besser über die Runden käme und selbst sich mit einem geringeren Gehalt einverstanden erklärt hatte, dann erfahren musste, dass sie ganz auf meine berufliche Position aus war und deshalb wollte, dass ich gehen würde, war schon heftig. Als ich dann aber noch von ihm zu hören bekam, was ich dieser Kollegin wohl angetan hätte - das brachte mir einen Hörsturz ein. Seither ist mein rechtes Ohr fast taub.

Kriege entstehen wirklich zumeist aus Neid auf das, was andere haben oder die Machtgier ist immens übermächtig ...

Es ist gut, dass diese Zeit überstanden ist. Leider jährt sich der Feiertag immer wieder, genauso wie die Daten der Hochzeit. Da bleibt die Erinnerung lebendig ...

Danke, dass Du lesen und kommentieren mochtest, lieber Syrdal.

Herzl. Gruß Uschi 


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