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Aktuelle Themen Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?

carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 17.08.2009, 21:19:47
"...ich habe versucht, die Aggressionen aus der Diskussion herauszunehmen und zum Nachdenken anzuregen. Erlaubt? Es mag ja sein, dass Du findest, die Kolonialgeschichte hätte in unseren Köpfen keine Spuren hinterlassen." Karl

"Die Kolonialzeit hat in meinem Kopf keine Spuren hinterlassen, die deutsche schon gar nicht." adam


Ich bin sehr froh darüber, auch wenn es wiederholt von mir gesagt wird, dass ein solches Thema besprochen wird. Zwar werden vom Schreiben im Forum die Menschen nicht besser, aber wenigstens werden sie mit anderen Gedankengängen konfrontiert. Auf diese Weise erfahren wir mehr voneinander. Die Kolonialgeschichte ist ein sehr weit gefasster Begriff, so weit jedenfalls, dass er nicht nur die Geschichte eines Landes umfasst, sondern die einen großen Te3il der europäischen Geschichte ausmacht. Begonnen hat sie am Ende des 15.Jahrhunderts, führte zur Entdeckung neuer Seewege, zur Entdeckung eines neuen Kontinents und zur Begegnungmit anderen Kulturen. Das Ausgreifen Europas in weite Teile der Welt erfolgte aus handelspolitischen Gründen unter Protektion des Staates und brachte durch den Handel mit Gewürzen, dann mit reicher Goldbeute und schließlich dem Erwerb von Pflanzkolonien Kapital (Gold und Silber, Tee Tabak, Baumwolle) nach Europa. Der Überseehandel veränderte entscheidend die Lebensweise der Europäer. Die industrielle Revolution, die im 18. Jahrhundert in England ihren Ursprung hatte, basierte auf der Erzeugung und Verarbeitung von Baumwolle und den damit verbundenen Vertriebswegen (Handelsketten). So wurde erstmals eine sich selbst erhaltende Konjunktur möglich. Ermöglicht wurden das Ausgreifen und das Besitzergreifen von weiten Landstrichen in anderen Kontinenten durch technische Entwicklungen in der Seefahrt, der Nautik, der Geschütztechnik. Die industrielle Revolution, die Entwicklung der neuzeitlichen Wissenschaft beschleunigte den Verlauf der technischen Entwicklung. Das ist die Grundlage für die Transformation der Welt durch den "Geist" Europas. Sicher, es gab die Missionare, die Liebe predigten, bekehrten und tauften. Ihnen folgten die Kaufleute, dann die Soldaten. Das Abhängigmachen, das Kolonialisieren, veränderte die traditionellen Lebnesweisen und Denkweisen der Kolonien, sie wurden Rohstofflieferanten. Für die Europäer etwas ganz Selbstverständliches - Kolonialwarengechäfte! - für andere Kulturen aber bedeutete es den Verlustt des eigenen Selbst, die Abhängigkeit, die Unterwerfung unter fremde Denkweisen, den Verlust der eigenen Identität. Was wir als Moderne bezeichnen, die faszinierende Technik und Wissenschaft, muss nicht faszinierend sein für traditionell denkende Menschen in Afrika oder Asien. Sie können diese auch als westliche Bedrohung und Zerstörung ihrer Lebensweise empfinden. Die Europäer dagegen sehen es so: Europ. Geist hat die Welt erobert. Wer Erfolg habern will, muss den modernen Weg gehen (der zur Zerstörung allhergebrachter Lebensweisen führt). Abdu hat es vor wenigen Tagen in einem Beitrag ausgedrückt, in dem er sagte, dass Technik eine Seite sei, die Seele aber etwas anderes ist. Die Technik, die wissenschaftliche Methode allein erbringe keinen moralischen Fortschritt. Ein auch uns geläufiger Gedanke.In anderen
Beiträgen verwies er auf das "aggressive" westliche Denken. Für uns ungewohnt, weil wir es nicht in die richtige Schublade einordnen.

Aus Ukis Beitrag vom 17,.8.17,34: "Nachgedacht habe ich, die Beiträge gelesen ebenfalls und komme zu der Überlegung, dass, wenn es überhaupt heutzutage einen europäischen Snobismus, Rassismus, gegenüber besonders afrikanischen Völkern gibt, dann ist es wohl zu weit hergeholt, diesen in der Kolonialzeit zu suchen." uki


Jeder Mensch ist in seinem Denken und Handeln auch ein Ergebnis seiner Akulturation. Wenn die Kolonialzeit auf eine kurze Zeitspanne von wenigen Jahrzehnten begrenzt wird, ist das zu kurzatmig gedacht. Die Kolonalzeit Europas begann im 15. Jahrhundert, nicht erst vor 120 Jahren und umfasste auch nicht nur eine kurze Zeitspanne von wenigen Jahrzehnten. Sie hat - das ist entscheidend - auch das Denken anderer Völker in Afrika und Asien tiefgreifend verändert. Wir sollten nicht zu sehr auf Technik und Wissenschaft unseren Stolz setzen. Andere können das auch, wenn sie die Methoden erlernt haben. Vielleicht sogar noch besser.

c
adam
adam
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von adam
als Antwort auf olga64 vom 18.08.2009, 16:57:00
Zur Analyse werden - wenn überhaupt - Psychotherapeuten "geschickt" zu deren Ausbildungsspektrum es gehört, sich analysieren zu lassen.
Das, was Sie vermutlich meinen, ist Psychotherapie, die z.B. Triebtäter absolvieren müssen innerhalb der GEfängnisse.
Beides ist nicht miteinander zu vergleichen, wie die Bezeichnungen schon darlegen.
--
olga64


Wenn Sie erlauben gnä` Frau,

kann mich Wikipedia, in diesem Fall, mal geflissentlich und wenn beliebt auch kreuzweise am Bürzel fünfern).

--

adam
miriam
miriam
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von miriam
als Antwort auf adam vom 18.08.2009, 18:10:10

Wenn Sie erlauben gnä` Frau,

kann mich Wikipedia, in diesem Fall, mal geflissentlich und wenn beliebt auch kreuzweise am Bürzel fünfern).

--

adam
geschrieben von adam


Adam, ich lehne mich ganz beruhigt zurück - und stelle fest:

Du brauchst sicher keine Psychotherapie!

Dazu - und auch aus einem ganz anderen Anlass:

Liebe Grüße

Miriam

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hugo
hugo
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von hugo
als Antwort auf carlos1 vom 18.08.2009, 18:06:45
hallo carlos
danke

da kommen Erinnerungen auf,,
fast jeder zweite Satz Deines Beitrages weckt in mir Erinnerungen an die eigene Schulzeit, den Geschichtsunterricht und dem was ich in weiteren Jahrzehnten über Kolonialismus lernen konnte.

hab nun gleich mal das Geschichtsbuch der 6. Klasse DDR rausgesucht (vom Aufbauverlag 1952)
und unter Kapitel XIV
"Die geographischen Entdeckungen und die Entstehung Großer Kolonialreiche"
vieles von dem, was Du hier anreißt, wiedergefunden.

übrigens deckt sich das mit den Texten dazu in Meyers Lexikon welches 20 Jahre später vom Bibliographischem Institut Leipzig herausgebracht wurde.

übrigens (wer hätte das gedacht, wer von unseren Kindern und Enkeln wird das so verinnerlicht haben) in der geschichtlich sehr kurzen Zeit von nur 16 Jahren zwischen dem Ende des 2. Weltkrieges und 1971 hat es nicht weniger als sage und schreibe 55 befreite bzw selbständig gewordene Länder gegeben.

--
hugo
Karl
Karl
Administrator

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von Karl
als Antwort auf carlos1 vom 18.08.2009, 18:06:45
Lieber carlos1,

wir sind gerade von einem sonnigen Ferientag mit Wanderung gut erholt wieder zurück aus der Natur. Die neuen Beiträge im Thread habe ich nur kurz überflogen. Ich freue mich jedoch sehr, Deinen Beitrag zu entdecken und bedanke mich dafür, dass Du mit sachlicher Information arbeitest. Wir sind uns darin einig, dass die Kolonialgeschichte Europas ein sehr weit gefasster Begriff ist und nicht auf die paar Jahrzehnte deutscher Kolonien eingeengt werden kann. Unsere europäische Kultur ist nicht ohne den Kolonialismus denkbar und unser Bild von anderen Völkern ist über viele Jahrhunderte dadurch geprägt worden. Du betonst auch den wichtigen Punkt, dass die anderen Völker und Kulturen, wenn sie denn überlebten, durch diesen Prozess ihr Bild von Europa geformt haben.

Ich bedaure sehr, wenn sich einige Personen durch meine Threaderöffnung persönlich angegriffen gefühlt haben, obwohl ich das nicht beabsichtigte. Wahrscheinlich war die Herstellung der Verknüpfung mit der Affäre um abdu, auch wenn diese subjektiv für mich den Anstoß gab, über das Problem nachzudenken, strategisch unklug. Zumindest habe ich so selbst den Vorwand geliefert, mit dem einige dann ihre Aggressionen rechtfertigen mögen.

Auch der Begriff "Psychoanalyse" scheint bei uns, ganz im Gegensatz zu den USA, ein rotes Tuch zu sein und einen beleidigenden Eindruck zu erwecken. Deshalb betone ich noch einmal, ich wollte nicht beleidigen, sondern bewusst machen, welche Faktoren eine Rolle spielen bei unserem Verhalten gegenüber anderen Kulturen. Niemand ist auf meinen Link zu Hagenbecks Zoo mit den ausgestellten "Primitiven" eingegangen. Das existierte noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts! Ich persönlich glaube zwar, dass sich ein Einzelner von dem in einer Gesellschaft vorherrschendem Denken absetzen kann, aber ich glaube nicht, dass sein Denken und Handeln völlig unbeeinflusst vom kollektiven Bewusstsein existieren kann.

In hls Beitrag wurde das auch schön deutlich, in dem sie schilderte wie sie vom Pro zum Kontra und erst mit der Reife zu einer ausgewogenen Haltung gegenüber benachteiligten Gruppen gekommen ist. Unser Bewusstsein formt sich in der Auseinandersetzung mit der sozialen und kulturellen Umwelt und - es geht gar nicht anders - es ist deshalb auch von dieser geprägt. Das bedeutet ja keineswegs, dass das Bewusstsein eines Individuums mit dem kollektiven Mehrheitsbewusstsein identisch ist, sondern nur dass es ohne dieses gar nicht existent wäre, weil es sich nicht geformt hätte.

Ich folgere daraus, dass es sinnvoll ist sich die Frage zu stellen, welche historischen Prozesse das kollektive Bewusstsein geformt haben, denn dies ermöglicht es uns, die eigene Position zu bestimmen.

Zum Abschlusss noch einmal meine Gründe, warum ich den Begriff "Psychoanalyse" gewählt habe: Ich wollte eigentlich nur daran erinnern, dass es wichtig ist, uns manchmal Unbewußtes bewußt zu machen. Wir sind nicht frei von den historischen Erfahrungen der Gesellschaft in der wir leben. Wir können uns nur davon befreien oder sie bewusst akzeptieren, wenn wir sie kennen.
--
karl
uki
uki
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von uki
als Antwort auf carlos1 vom 18.08.2009, 18:06:45
Hallo Carlos, deinen Beitrag habe ich mit Interesse gelesen. Du schilderst den großen Nutzen, den Europa und die westliche Welt aus und von der Kolonialzeit gewonnen hat. Weiter den Verlust der eigenen Identität der Einheimischen in den Kolonien.
Eine historische Schilderung von dir, die nicht schaden kann, reflektiert zu werden mit dem unweigerlichen Resümee, dass die Menschen dieser Länder von der westlichen Welt teils mehr, teils weniger, ausgenutzt , unterdrückt und ihr Land ausgebeutet wurden.
Ich glaube nicht, dass das jemand in Abrede stellen wird.

Ich zweifel aber daran, dass diese Fakten bei den Menschen, die heutzutage tatsächlich rassistisch denken, fühlen, handeln, eine Verbindung haben, es könnte sein, wenn sie oder ihre Vorfahren in der Realität etwas damit zu tun hatten.
Wenn es bei anderen normalen Bürgern einen Zusammenhang geben sollte, was reine Vermutung ist, so sehe ich den wirtschaftlichen Zustand dieser Länder und was damit zusammenhängt, siehe meinen Beitrag
vom 17,.8.17,34,
eher als Grund dafür an.
Du hast meinen Beitrag erwähnt, doch enthielt er noch ganz andere Erwägungen als du angeführt hast, die mir wichtig erscheinen.

Zu diesen Überlegungen vom 17,.8.17,34 kommt noch hinzu, die Überheblichkeit vieler Gebildeter, besonders, wenn sie es zu Reichtum gebracht haben, gegenüber Arbeitern, halt Menschen mit geringem Wissensstand.
Überheblichkeit, Distanzierung, Unterdrückung, Ausbeutung,Snobismus, alles Merkmale von Rassismus.
Das heißt, dass „Rassismus“ auch unter Menschen gleicher Nationalität vorkommt.
Zu diesem Beitrag müsste der vom 17,.8.17,34 auch gelesen werden.

Es grüßt
--
uki

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adam
adam
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von adam
als Antwort auf Karl vom 18.08.2009, 20:23:30
Der Umgang mit abdu hat entlarvt, dass viele von uns sich davon noch nicht haben befreien können. Europas Seele braucht eine Psychoanalyse. Wir müssen uns von diesem Snobismus befreien, denn er ist hinderlich in einer globalisierten Welt, in der Europa nur noch - wenn wir Glück haben - ein Gleicher unter Gleichen ist.
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Zum Abschlusss noch einmal meine Gründe, warum ich den Begriff "Psychoanalyse" gewählt habe: Ich wollte eigentlich nur daran erinnern, dass es wichtig ist, uns manchmal Unbewußtes bewußt zu machen. Wir sind nicht frei von den historischen Erfahrungen der Gesellschaft in der wir leben. Wir können uns nur davon befreien oder sie bewusst akzeptieren, wenn wir sie kennen.
--
karl
geschrieben von karl



@karl

Du bist der Meinung, der Umgang mit abdu habe die Foristen (Europa) entlarvt. Ich bin der Meinung abdu hat sich im Umgang mit den Foristen entlarvt.

Nehmen wir an, Du hast Recht und wir würden uns von dem von Dir genannten Snobismus befreien. Dann erklär mir bitte den Bezug zur Praxis. Wie soll das gegenwärtige und das zukünftige Zusammenleben, z.B. zwischen Afrikanern oder auch Arabern und Europäern aussehen? Wie lauten Deine praktikablen Vorschläge für das tägliche Miteinander in der Bundesrepublik?

--

adam
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf adam vom 18.08.2009, 23:30:49
@adam

Ich möchte dir mit einem Zitat von Karl Arnold (CDU), einem der "Gründerväter" unserer Deutschen Verfassung antworten:

"Bei all dem Furchtbaren, das der Kriegsgeist nationalsozialistischer Machthaber über unser Volk, über Europa und die Welt gebracht hat und für das wir aufrichtige und echte Sühne zu leisten haben, möchte ich in dieser geschichtlichen Stunde doch auch feststellen, daß Hitler keine typische und ausschließlich deutsche Erscheinung war; er war vielmehr die Personifizierung des destruktiven Geistes in Europa und in der Welt, und Deutschland war, so gesehen, nur die lokale Stelle, an der das europäische Geschwür aufgebrochen war."
49iger
49iger
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von 49iger
als Antwort auf Karl vom 18.08.2009, 20:23:30
Hallo Karl,
ich bin noch recht neu hier und lese mich langsam durch die Foren. Diesen Beitrag hier finde ich besonders interessant. Faszinierend wie die einzelnen Verfasser hier ihre Meinung darstellen.
Im übrigen finde ich es nicht ungeschickt dieses Thema an eine aktuellen Fall anzuknüpfen - an einem konkreten Beispiel erhitzen sich die Gemüter viel leichter und ich konnte feststellen: umso höher die Wogen schlagen – umso klarer wird der eigene Standpunkt.
Mir scheint hier, dass in dem Thema wie auch bei der Diskussionskultur noch noch einige Arbeit steckt. Um so wichtiger, dass gerade ein solches Themen auch auf den Tisch kommt!

Ich finde in deinem Beitrag keinen Grund für Entschuldigungen sondern nur das ehrliche Ringen um eine aufgeschlossene und tolerante Denkweise (und es schadet nicht darum zu ringen, auch bei den Verfassern der Beiträge hier).

So mein konkreter Vorschlag : Wir müssen an unseren eigenen Denkweise, unseren Motiven (auch den vielleicht versteckten und unbewussten) arbeiten und unsere emotionalen und biografischen Altlasten erkennen. Erst dann verbessert sich unser Verhalten und damit auch das „tägliche Miteinander und das zukünftige Zusammenleben“.

Noch eine gute Nacht (und etwas Toleranz für mich

Grüsse

--
49iger
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Braucht Europas Seele eine Psychoanalyse?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf 49iger vom 19.08.2009, 00:24:43
@49er

Ich bin ganz Deiner Meinung, jedoch habe ich als "Jungspund" (ich werde von einigen Schreibern tatsächlich so bezeichnet) die Befürchtung, dass viele der vertretenen Meinungen und alten Denkmuster so verknöchert und festgefahren sind, dass sie nur noch pausenlos wiederholt und nicht überdacht werden können.

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