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Aktuelle Themen Das Leid der Lokführer

pschroed
pschroed
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Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von pschroed
als Antwort auf ehemaligesMitglied67 vom 01.08.2011, 18:17:05
Unsere etwas kalte Gesellschaft sollte sich vielleicht in seinem Umfeld bewusster werden dass sehr viele Menschen (ältere sowie jugendliche) Hilfe benötigen seelischer Art.

Öfters reicht ein Gespräch oder mehrere um ein Mensch wieder zurück in seine Bahn zu helfen, oder um professionnelle Hilfe anzufordern.

Das Geld ist meiner Meinung in so einem sehr traurigen Fall, das mir die wenigsten Gedanken machen würde.

ZITAT: yuna 01.08.2011

Allerdings ist Fakt, dass so ein Lokführer bei so einer Häufung von Fällen eigentlich fest damit rechnen muss, dass ihm so ein suizidgefährdeter Mensch während seiner Arbeitsjahre mal vor den Zug springt .

Sehe das auch so .

Philippe
Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf yuna vom 01.08.2011, 18:48:51
Ich bin natürlich kein Fachmann, sondern Laie.
Darum ist es auch nur eine Einschätzung.

Ich denke, es wird die Schuld des Selbstmörders festgestellt werden müssen.
Da spielt die Frage der Schuldfähigkeit eine große Rolle.
Da er/sie sich in einer Ausnahmesituation oder Krankheit befindet, wird allein das nicht einfach sein.
Die wenigsten Selbstmörder, so glaube ich, planen und führen das vollständig logisch denkend durch.
Ist der Selbstmörder aber nicht oder nur vermindert schuldfähig (Krankheit) ändert sich wohl einiges.

Von der Frage der Schuldfähigkeit könnte die Frage des Schadenersatzes abhängen.
Wenn es ein Erbe gibt, dürfte es geklärt werden müssen,
ob davon ein Schadenersatz abgeschöpft werden kann.
Ich weiß es nicht, aber das wäre nach meiner Meinung die entscheidende Frage.
Die Erben selber können nicht zur Verantwortung gezogen werden, sie haben die Tat nicht begangen.
Das gilt dann auch, wenn es kein Erbe gibt.
Es stellt sich auch noch die Frage, ob die Angehörigen (Eltern) überhaupt die Erben sind oder Dritte.

Weiter wird wohl entscheidend sein, wie die rechtliche Bewertung eines Anspruches des Lokführers aussieht.

Vom Gefühl her würde ich meinen, er hat einen Anspruch auf Entschädigung, ihm entstehen Kosten.
Wer die aber leisten muß, hängt sicher von vielen Einzelfakten ab.
Ist der Selbstmörder als nicht schuldfähig bewertet, dürfte es schwierig sein.
Es gibt nämlich eine Reihe von Tötungsdelikten Kranker, wo die Schuldfähigkeit wegen Krankheit nicht gegeben ist.
Es kommt dann zwar zu einer Einweisung in die Psychiatrie, aber nicht zur Gefängnisstrafe.
Als Beispiel fallen mir gerade Kindesmorde durch Mütter ein, solche Fälle wurden berichtet.
Wie sich das auf Dauer gestaltet, kann ich aber nicht sagen, solche Fälle werden ja nicht immer weiter berichtet.

Versicherungstechnisch wird die Entscheidung zur Schuldfähigkeit wohl auch wesentlich sein.
Ich glaube nicht, daß eine Versicherung zahlt, wenn eine Schuld nicht gegeben ist.
Ich könnte mir eine berufliche Organisation vorstellen, die solche Kosten übernimmt.
Reha zur Erhaltung und/oder Wiederherstellung der Arbeitskraft zum Beispiel.

Ich bin gespannt, ob es über den berichteten Fall eine Verhandlung gibt und wie die ausgeht.
Juristen sehen es oft anders, als unsereiner.

nordstern
yuna
yuna
Mitglied

Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von yuna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 01.08.2011, 19:22:01
Thema Schuldfähigkeit, sehe ich genauso nordstern. Hatte dazu auch einen ganzen Text geschrieben, ihn aber wieder entfernt, weil mir sehr wohl bewusst ist, wie oft ich hier Romane tippe =P Selbstschutzmechanismus, um nicht falsch verstanden zu werden - alles haarklein erklären.

Aber dann füge ich ihn wieder ein:

---
Ob seine Mitmenschen Verantwortung gezeigt haben oder nicht, im Umgang mit ihm, kann man als Außenstehender nur schlecht beurteilen und sollte man auch nicht.
Sollte er geistig neben sich gestanden haben - fragt sich wieso.
War er z.B. manisch depressiv (wie glaube murasaki ansprach), aber hat seine Tabletten abgesetzt? Häufig machen Betroffene das nämlich, weil sie plötzlich denken, es ginge auch mal ohne. Dann handeln sie aber verantwortungslos. Da manisch depressive Menschen aber häufig auch von falschen Impulsen/Gedanken/Gefühlen geleitet werden, gegen die sie sich kaum wehren können, inwieweit sind sie dann noch für sich verantwortlich? Geht die Verantwortung dann auf die Mitmenschen über? Oder auf den Arzt?
Was ist mit Betrunkenen? Ein Freund von mir war offiziell nicht depressiv und hatten offensichtlich Spaß an seinem Leben. Bis er eines Tages nachts betrunken durch die Straßen schlurfte und sich dann spontan für die Schienen entschied. Er hat sich richtig schön quer drüber platziert.
Usw - also die Schuld ergibt sich doch aus dem Maß der vernachlässigten Verantwortung.
Das ist sicher schwer zu bestimmen, denn die Fälle liegen vermutlich jeder so unterschiedlich wie es die Selbstmörder sind.
---

Wir denken also offenbar ähnlich - fair sollte es schon zugehen und zwar für alle Beteiligten.
An ein mögliches Erbe hatte ich gar nicht gedacht. Das wäre natürlich noch fairer, dann käme die Entschädigung wirklich (falls verantwortungslos gehandelt, und geistig in dem Augenblick auch klar) vom Schuldigen an das Opfer (den Lokführer).

Aber wie bei dir, ist es auch bei mir nur ein Vorgehen, welches ich nach meinem persönlichen Empfinden als fair bezeichnen würde, da ich ebenfalls rechtlich keine gesicherten Aussagen machen könnte. Ist nicht mein Gebiet (^_^)

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murasaki
murasaki
Mitglied

Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von murasaki
als Antwort auf yuna vom 01.08.2011, 20:09:21
Bei dem hier angesprochenen Fall wird es vermutlich auf einen Vergleich hinauslaufen. Die grundsätzliche Bereitschaft hierzu scheint gegeben.

Schmerzensgeld für Lokführer? Vergleich möglich


Aussage eines betroffenen Lokführers, der am 4. Selbstmörder zerbrochen ist:

Er fühlt sich als Opfer seiner Selbstmörder. Sie haben ihn zu ihrem Vollstrecker gemacht, ihn zum Töten gezwungen. In seiner Vorstellung gleicht seine Psyche einer Plastiktüte. Sie ist zum Bersten gefüllt mit dem Seelenmüll der Springer. Die haben sich gedrückt und mich mit dem Scheiß zurückgelassen.

In diesem Artikel nachzulesen Das Leiden der Lokführer



M. E. sind die meisten Suizidfälle in ausweglos erscheinenden Situationen oder bei unheilbaren, chronischen oder psychischen Krankheiten überlegt und die Ausführung geplant. Die Art des Todes wird selbst bestimmt. Selbstmord als Kurzschlusshandlung wird seltener verübt. Durch den Suizid ausgelöste Schuldgefühle bei den Hinterbliebenen sind meistens die Folge, vom Selbstmörder teilweise auch bewusst gewollt.

Was bewegt Selbstmörder, bei der "Wahl" ihrer Todesart fremde Menschen bei der Verübung ihres Suizids mit ins Verderben zu ziehen, so dass diese evtl. ihr Leben lang damit psychisch und/oder physisch belastet sind oder ebenfalls sterben? Selbstmordattentate meine ich hier nicht.

murasaki



Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf murasaki vom 01.08.2011, 23:42:21

... oder bei unheilbaren, chronischen oder psychischen Krankheiten überlegt und die Ausführung geplant. Die Art des Todes wird selbst bestimmt. Selbstmord als Kurzschlusshandlung wird seltener verübt. Durch den Suizid ausgelöste Schuldgefühle bei den Hinterbliebenen sind meistens die Folge, vom Selbstmörder teilweise auch bewusst gewollt.
murasaki


Darüber habe ich andere Informationen.

Im ersten Bericht gibt es die Meinung der Anwältin des
Lokführers, die sinngemäß sagt, es gäbe keine Chance für die 15.000 Euro
Schmerzensgeld. Daher der Vergleich.
Das sagt etwas über die juristische Seite aus.

nordstern
olga64
olga64
Mitglied

Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von olga64
als Antwort auf pschroed vom 01.08.2011, 19:15:35


Das Geld ist meiner Meinung in so einem sehr traurigen Fall, das mir die wenigsten Gedanken machen würde.


Philippe


Mit solch prophylaktischen Äusserungen sollte man vorsichtig sein - keiner weiss, wie er wirklich in einem solchen Falle und auf Anraten eines Anwaltes reagieren würde.
Mich wundert auch,dass bei dem tragischen Love Parade Massenunfall in Duisburg Schadensersatzansprüche gestellt werden sollen - deshalb ist ja auch die Beantwortung der Frage, wer Schuld hatte, versicherungstechnisch zu wichtig.
Da es ja meist sehr junge Menschen waren, die tragischerweise umgekommen sind, besteht m.E. keinerlei Zusammenhang für Unterhaltsleistungen usw. Aber auch einigen dieser Geschädigten scheint die finanzielle Kompensation wichtig zu sein. Olga

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adam
adam
Mitglied

Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von adam
als Antwort auf olga64 vom 02.08.2011, 17:10:41
Olga,

es ist doch selbstverständlich, daß berechtigte Forderungen gestellt werden und vor allem gestellt werden können. Durch diese Möglichkeit entzieht der Staat dem einzelnen Bürger die Möglichkeit selber für Gerechtigkeit zu sorgen. Handelt es sich um eine Tötung, besteht für die Hinterbliebenen auch Anspruch auf Schmerzensgeld, da dieser Anspruch vererblich ist. Versicherungen entscheiden nach Rechtslage und Bedingungen. Lebensversicherer zahlen auch bei Suizid, wenn die Police älter als drei Jahre ist.

Grundlage für Forderungen ist immer die Schuldfähigkeit und das Verschulden. Die Schuldfähigkeit eines Suizidenten kann im Einzelfall nur ein Gericht per Gutachten entscheiden also auch, ob und welche Ansprüche bestehen.
Bei Verschulden wird nach Verschuldenshaftung und nach Gefährdungshaftung unterschiedenen. Eine Besonderheit ist die Haftung der Eltern für ihre Kinder. Eltern haften nur, wenn ihnen bei einem Schaden durch ihre Kinder mangelnde Aufsichtspflicht nachgewiesen wird, was kaum machbar ist und das ist auch gut so.

Was die Diskussion betrifft, hat der Lokführer Ansprüche gegenüber dem Selbstmörder nur, wenn der schuldfähig war und das muß das Gericht entscheiden. Ob aus der Gefährdungshaftung Ansprüche des Lokfahrers gegenüber seinem Arbeitgeber entstehen können, kann ich mir schwer vorstellen, daß sich da ein Arbeitgeber einer Präjudizierung aussetzt, aber ich weiß es nicht. Da werde ich mal einen Freund ansprechen, der das wissen könnte.

--

adam

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Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf adam vom 02.08.2011, 19:20:06

Grundlage für Forderungen ist immer die Schuldfähigkeit und das Verschulden. Die Schuldfähigkeit eines Suizidenten kann im Einzelfall nur ein Gericht per Gutachten entscheiden also auch, ob und welche Ansprüche bestehen.

adam
geschrieben von adam


Das ist der entscheidende Punkt.
Darin sind sich aber Fachwelt und Richter vor dem Suizid nicht immer einig.
Dem Einen mangelt es an Fachwissen,
Den Anderen an Kompetenz, Entscheidungen treffen zu dürfen.

Sonst würden die betroffenen Kranken ein weitgehend normales Leben führen.

Allein an Psychose sind 1 % der Weltbevölkerung (laut WHO) über alle Menschen betroffen.
Junge und Alte.
Das sind jene, von denen es hier hieß, sie wären "von einem Dämonen besessen".
Die haben durch eine Stoffwechselstörung (Botenstoffe) akustische oder optische Halluzinationen (hören Stimmen, sehen Hexen).

Das sind bei 8000 STlern immerhin statistisch 80 ForistenInnen.

Mal drüber nachdenken, ob man denen, auch zwangsweise (bis sie wieder selber entscheiden können), helfen oder ihrem Schicksal überlassen will.

Einer hilflosen (betrunkenen) Person hilft man ja auch per Zwang, bis sie wieder klar ist.

nordstern
murasaki
murasaki
Mitglied

Re: Das Leid der Lokführer
geschrieben von murasaki

Die Parteien haben sich im September mit einem außergerichtlichen Vergleich geeinigt.

Laut Artikel des Hamburger Abendblattes v. 19.09.2011 hätten sich die als Erben belangten Eltern des 20-jährigen Suizidenten zu einer Geldzahlung an den Lokführer bereiterklärt. Über die Höhe der Summe sei Stillschweigen vereinbart worden. Weiteres hier nachzulesen

20-Jähriger begeht Suizid: Schmerzensgeld für Lokführer

murasaki




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