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mane
mane
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Die Macht der Umstände
geschrieben von mane
"Was bringt gute Menschen dazu, Böses zu tun? Wie können normale Menschen dazu verleitet werden, unmoralisch zu handeln? Wo liegt die Grenze zwischen Gut und Böse, und wer läuft Gefahr, sie zu überschreiten?"

Der Sozialpsychologe Philip Zimbardo zeigt in seinem Buch Der Luzifer-Effekt, dass das Verhalten der Menschen stärker durch äußere Faktoren beeinflusst wird, als es den meisten bewusst ist.

Zimbardo erzählt von seinem "Stanfford Prison Experiment", welches im Seniorentreff schon häufig Gegenstand von Diskussionen war. Dabei wurde eine Gruppe freiwilliger Studenten zufällig in "Wärter" und "Häftlinge" aufgeteilt, um dann in einem simulierten Gefängnis zu arbeiten und zu leben. Nach nur einer Woche musste das Experiment abgebrochen werden, da normale Studenten sich in brutale, sadistische Wärter oder emotional gebrochene Gefangene verwandelt hatten.

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Indem er die psychischen Ursachen solcher verstörenden Metamorphosen analysiert, versetzt Zimbardo den Leser in die Lage, vielerlei entsetzliche Phänomene besser zu verstehen, von Straftaten der Wirtschaftskriminalität über organisierten Völkermord bis hin zu den Misshandlungen und Folterungen, die ursprünglich rechtschaffene US-amerikanische Soldaten in Abu Ghraib begangen haben. Die landläufige Vorstellung vom „faulen Apfel“ ersetzt er durch das Bild vom „bösen Fass“ – also der Hypothese, dass das soziale Umfeld und das System das Individuum pervertieren, und nicht etwa umgekehrt.
"

Zimbardo war 2004 als Sachverständiger im Kriegsgerichtsverfahren gegen die ehemaligen Wärter des irakischen US-Militärgefängnisses, Abu Ghraib, wo die Gefangenen auf sadistische Weise misshandelt worden waren.

Passend dazu stelle ich von Hannah Arendt "Eichmann in Jerusalem - Ein Bericht von der Banalität des Bösen" ein, welches vor gut 50 Jahren erschien.

Das Beunruhigende an der Person Eichmann war, dass er, wie viele andere, weder pervers noch sadistisch, sondern erschreckend "normal" waren und sind.

Was meint Ihr? Haltet Ihr auch jeden Menschen für einen potentiellen Gewalttäter. Bringt weniger die Veranlagung Menschen dazu, Böses zu tun, als die Situation, in der sie sich befinden? Kann jeder von uns, z.B. im Krieg, die schlimmsten Seiten zeigen?
Nur wenige, lassen sich lt. Zimbargo, nicht zu Gewalttaten verführen/manipulieren. Haben wir prinzipiell eine Freiheit der Entscheidung?

Gruß Mane
Felide1
Felide1
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von Felide1
als Antwort auf mane vom 04.10.2014, 17:06:54
Diese Frage kann ich nur nach meinem Empfinden beantworten:

Ich behaupte in jedem Menschen steckt „gut“ und „böse“ drin. Wenn ich mich versuche in Situationen hinein zu denken, kann ich mir gut vorstellen, dass ich z. B.; ausrasten könnte wenn meiner Familie etwas widerfährt, was ich nicht für gerechtfertigt empfinde oder wenn es sich um schutzwürdige Wesen handelt, die sich selbst nicht wehren können. Böse sein nur um daran Spaß zu haben oder um meinen eigenen Vorteil daraus zu ziehen, was es leider auch gibt, glaube ich, liegt mir nicht. Ganz arg empfinde ich Menschen die auf „gut“ spielen und das Gegenteil leben.

Felide
panda
panda
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von panda
als Antwort auf mane vom 04.10.2014, 17:06:54
B.Brecht soll gesagt haben : " Erst kommt das Fressen , dann die Moral..."

Anthropologisch und Med.ist es eindeutig erwiesen , daß der Mensch zunächst den Tieren näher steht als dem ideellen Wesen --das wir gerne in ihm sehen.

Menschliches Tun kann , eben wie bei Tieren , grundsätzlich auf zwei Triebe ( Verhaltens-Prinzipien ) reduziert werden :
den Art-Erhaltungs-Trieb und den Selbst-Erhaltungs-Trieb.
Alles , was wir tun , läßt sich irgendwie darauf zurückführen.

Eine Ausnahme bildet krankes , bzw.ab-normales Verhalten.

Wenn also Menschen Krieg führen , KANN das böse sein , - muß aber nicht so gemeint sein.
denn ein Krieg , der im Bewußtsein der Verteidigung der eigenen Gruppe ( Land , Nation , usw ) geführt wird , kann von den Krieg-Führenden ja " als Art-Erhaltung " gemeint sein.
Dies ,-- obwohl ja der MENSCH insgesamt die Art ist , sodaß jeder Krieg eigentlich immer einen Art-Tötende Handlung ist.
Aber da kann eben der " Trieb " täuschen....

Genauso ist es mit dem Selbst-Erhaltungs-Trieb :
ein Mensch kann den Eindruck haben , daß ihn Jemand bedroht ---obwohl das eine Täuschung sein kann.
Dann wird er dagegen vorgehen wie bei einer tatsächlichen Bedrohung ( was dann ja verständlich wäre )

Gut und Böse hängen also immer davon ab , wie Menschen sich in den beiden " Trieben " betroffen fühlen , bzw.sich engagieren.

Eine Ausnahme bilden eben die krankhaften , abnormen Fälle.
Wenn , wie oben geschildert , jemand z.B. Amok läuft , dann kann das aus einer diffusen Bedrohungs-Vorstellung durch die Umwelt erfolgen --- aus welchen Gründen auch immer.

Wenn Psychopathen anfangen Menschen sadistisch zu quälen und zu töten , ist das Ausdruck einer negativen Kombination von Genetik und Umfeld in ihrer Entwicklung.
Denn tatsächlich sind Menschen immer mehr oder weniger aggressiv -- was , für sich genommen, nicht Schlechtes sein muß.
Denn ein solcher Mensch würde auch ein guter Schutz für eine Gruppe sein.
Z.B. Jemand , der todesmutig früher einen Drachen bezwang , o.ä.....
Wenn aber nun solch ein Mensch ( bei einer genetisch " mutigen aggressiven " Anlage ) in einem katastrophalen Umfeld aufwächst , ohne Empathie und Vernunft --- wird er später vielleicht Menschen töten , die er für " Drachen " hält ( wie er es als Kind erfahren hat ).

In der Geschichte gibt es auch einen Wandel zwischen Gut und Böse.
Da braucht man gar nicht soweit zurückgehen.
HEUTE ist Homosexualität normal , in unserer aller Kindheit war das -- ein Verbrechen.
HEUTE ist das Schlagen von Kindern und Ehefrauen verpönt , früher war das " Züchtigen " von Kindern normal , das Schlagen von Ehefrauen ist in unserer Kultur- zu Recht- verpönt und strafbar.
In anderen Kulturen werden Frauen -- völlig selbstverständlich -- geschlagen.

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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 04.10.2014, 17:06:54
Hallo Mane,
wieder ein sehr interessantes Thema von Dir.

Ich denke,was gut oder böse ist,wird uns durch unsere Familie,Umfeld und Kultur vermittelt,in einer Gemeinschaft sind Gebote und Verbote notwendig,um friedlich miteinander leben zu können.Diese können sehr unterschiedlich sein ,je nach dem ,in welcher Kultur man aufwächst.
Auch der Glaube (b.z.w Religion )kann wegweisend sein und das Gute im Menschen fördern,z.B. die zehn Gebote .Das Gewissen wird gebildet und vielleicht werden dadurch Grenzen gesetzt,die das Abrutschen ins Böse verhindern können…

LG Inga
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.10.2014, 18:05:25
Das Gewissen wird gebildet und vielleicht werden dadurch Grenzen gesetzt,die das Abrutschen ins Böse verhindern können…
geschrieben von inga
"Das Gewissen wird gebildet", also zumindest teilweise durch die Interaktion mit der Umwelt geformt, dieser Meinung bin ich auch.

Andererseits gibt es auch artübergreifende angeborene Aspekte von "Gewissen". Bei Tieren z. B. gibt es den bekannten "Welpenschutz" oder "Demutsgebärden". Ein unterlegener Hund z.B. legt sich auf den Rücken und bietet als Demutsgeste den verletzlichen Bauch dar. Ein überlegener Hund mit normalem Sozialverhalten wird das akzeptieren und nicht mehr zubeißen (leider gibt es besonders bei falscher Haltung Verhaltenskrüppel auch unter Hunden).

Der grundsätzliche Gedanke, der hier schon von mane geäußert wurde, dass in jedem Menschen auch das Potential für Böses steckt, ist sicher richtig. Deshalb war das Kohlwort von der "Gnade der späten Geburt" keineswegs falsch, denn wir sind sicherlich von unseren Anlagen her im statistischen Mittel nicht verschieden von unserer Elterngeneration und bei dieser statistischen Betrachtungsweise wären die Gräuel der Nazizeit auch mit unserer Generation passiert, wenn die Umstände demnach gewesen wären.

Deshalb ist es ein so wichtiges Anliegen, die Umstände niemals wieder so werden zu lassen, dass sich das Böse ungehemmt Bahn brechen kann. Den Anfängen wehren ist essentiell, nur manchmal sind diese leider nicht leicht zu erkennen.

Mane, vielen Dank für dieses Thema.

Karl
mane
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von mane
als Antwort auf Felide1 vom 05.10.2014, 07:43:00
Hallo Felide,

ich glaube auch, dass das Gute und das Böse in den Menschen steckt und die Welt somit auch immer beides enthält, es früher enthalten hatte und auch in Zukunft enthalten wird.

Wenn wir aber von uns persönlich sprechen, halten sich die meisten Menschen nicht für fähig, Gräueltaten zu begehen. Warum gibt es dann trotzdem so viel Schlechtes auf der Welt? Sind wir es denn nicht selbst, die die Welt so machen, wie sie ist? Oder schauen zu und wagen nicht etwas dagegen zu tun?
Haben wir nicht oft im Hinterkopf, dass wir uns besser raushalten und nicht einmischen sollten?

Zimbardo sagt: "Helden sind Abweichler". Es gehört Mut dazu und sie werden häufig als "Verräter" bezeichnet. Der Wärter Joseph Darby stoppte den Missbrauch der Gefangenen in Abu Ghraib und übergab die über 1000 Fotos einem leitenden Ermittlungsbeamten.

Seit der Aufdeckung des Skandals sind Joseph Darby und seine Ehefrau Bernadette in ihrer Wohngegend Opfer des Mobbings. Er wurde von ehemaligen Freunden und Nachbarn geschnitten oder angepöbelt, ihr Eigentum wurde beschädigt. Es wurde notwendig und bewilligt, sie in einem Opferschutz-Programm an einem geheim gehaltenem Ort unterzubringen.

Gruß Mane

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mane
mane
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von mane
als Antwort auf panda vom 05.10.2014, 10:50:17
Hallo Panda,

das Brechtzitat: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" ist sicher richtig. Moralisch wird in den meisten Fällen nur der handeln, der genug zu essen hat. Darum sollten wir uns hüten, von unserem "hohen Ross" aus, Menschen Moral zu predigen, denen es nicht so gut geht wie uns.

Deinen Worten entnehme ich, dass Du eher die Gene bestimmend hältst für unser Verhalten, als die Umwelt. Bei Tieren mag das meistens (obwohl auch ihr Verhalten durch die Umwelt stark reglementiert werden kann)zutreffen, besonders was den Arterhaltungstrieb betrifft. Sie verzichten nicht auf Nachwuchs, wie es in Deutschland immer mehr Menschen tun. Darum sehe ich diesen Trieb bei Menschen nicht mehr so vorherrschend. Den Sexualtrieb gibt es nach wie vor, aber der führt heutzutage nicht zwangsläufig zu Kindern.

Der Selbsterhaltungstrieb, also der Wille zum Überleben und zur Befriedigung der Bedürfnisse des Einzelnen und der Gruppe, führt oft zu kleineren oder großen Konflikten, die in Krieg ausarten können. Menschen sind ja fähig, ihre Triebe zu kontrollieren, sie sind vernunftbegabt und könn(t)en sie anders (ungefährlich) ausagieren, falls sie wirklich so dominierend sind. Ich bin der Meinung, dass die Umwelt mehr Einfluss auf uns hat, als die Gene.

Gruß Mane
Edita
Edita
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von Edita
als Antwort auf mane vom 06.10.2014, 09:15:24
Ich bin der Meinung, dass die Umwelt mehr Einfluss auf uns hat, als die Gene.
Gruß Mane
geschrieben von mane


Die Gene " bestimmen " aber, so denke ich aus eigener Erfahrung, inwieweit die " Macht der Umstände " Zugriff auf meine Person haben können, ich will das erklären :
Es gibt Menschen, die, wenn sie Probleme haben, diese gerne versuchen mit einem, oder zwei oder drei Gläschen Alkohol wegzuspülen, und die vergessen, daß die Probleme wieder da sind, sowie die Wirkung des Alkohol wieder nachläßt!
Ich gehöre zu den Menschen, die die Lösung des Problems gerne mit einem, oder zwei oder drei Gläschen Wein " begießen "und da mein Rentenbeginn mich vor ganz neue Probleme, nämlich die alleinige Betreuungs-Bewältigung über 24 Stunden, und das Tag für Tag, und Jahr für Jahr, gestellt hat, bis dahin hatte ich ja unterstützende Kinderfrauen und die Arbeit als Ablenkung, habe ich seit einem Jahr kein einziges Gläschen Wein mehr getrunken, weil ich Angst habe, daß mir der Alkohol " die Umstände " vernebeln könnte, und ich mich zu falschen Reaktionen hinreißen lasse, und ich denke, daß alleine solche Überlegungen anstellen zu können, " gute Gene " vorhanden sein müssen !
Aber.......wie sich so langsam herauskristallisiert, ich muß nicht bis an mein Lebensende Verzicht üben!

Edita
Felide1
Felide1
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von Felide1
als Antwort auf mane vom 05.10.2014, 21:51:59
Mane,

meines Erachtens werden wir durch Gene und Umwelt geprägt. Auch stelle ich immer wieder fest, dass unterschiedlich beurteilt wird ob man Mann oder Frau ist. Ist ein Mann mit Durchsetzungskraft ausgestattet so wird er bewundert, was ist das doch für ein Kerl. Eine Frau die sich durchsetzt, dagegen wird schon eher als Bißgurn oder Beißzange bezeichnet, obwohl sie nichts anderes macht als der Mann. Wichtig ist ein Maß zu finden zwischen gut und böse, denn nicht alles was für einen Anderen Böse ist, ist böse aber auch nicht alles was für den einen Gut ist, ist für den Anderen gut.

Felide
panda
panda
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Re: Die Macht der Umstände
geschrieben von panda
als Antwort auf mane vom 06.10.2014, 09:15:24
Hallo Mane !

Du hast sicher recht , wenn Du die klassische Zuordnung der beiden Triebe in Art-Erhaltung = Sexual-trieb und Selbst-Erhaltung = Verteidung des Einzelnen , usw. -- anwendest.

Habe dies in meinem obigen Beitrag ganz bewußt so nicht getan , weil ich finde , daß diese " Triebe " komplizierter zu sehen sind.

Denn , --- bei der ART beachten viele Menschen nicht , daß die ganze Menschheit eine ART ist ( Spezies ).
Sondern , sie betrachten die UNTER-ARTEN , das nämlich sind - RASSEN.
Und von den Unter-Arten ( Rassen ) fühlen sie sich , leider , manchmal bedroht.

Z.B.wurde in den Nürnberger " Rasse-Gesetzen " davon gesprochen , daß nur Ehen mit ART-VERWANDTEN ( also zu "deutschem Blut " ) erlaubt seien.
Juden o.a. waren also angeblich nicht " Art-Verwandt ".
Um das noch zu verschlimmern , verwendete man Tiernamen für Unter-Arten ( Rassen ) , also z.B. " Ratten oder Affen ".
Affen nennen die Rassisten in den USA heute noch die Afro-Amerikaner.

Wenn dann " zur Verteidigung der eigenen Rasse ( Unter-Art ) " Kriege geführt werden , ist das offenbar eine Vermischung mit dem Selbst-Erhaltungs-Trieb .

Warum -- eigenartigerweise - der Sexual-Trieb in reichen Ländern NICHT zu höherem Kinderreichtum führt , ist eher ungeklärt.
denn --es wäre ja gerade genügend da , um mehr zu ernähren.

Daß Du der Umwelt ( den Umständen ) eine größere Bedeutung als den Genen zumißt, kann ich gut verstehen.
Als Heranwachsender habe ich jede Genetik , wie viele Freunde von mir , total abgelehnt.
Das hatte sicher mit dem " Dritten Reich " zu tun -- wo man eben darauf sehr viel gab.
Später habe ich dann meine Meinung geändert - weil ich fand , daß Genetik selbst nicht falsch wird , nur weil die Nazi´s sie mißbraucht hatten .

Aber , es bleibt ein spannendes Thema !

Gruß , Panda.

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