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Aktuelle Themen Fritz Teufel - der zärtliche Extremist

loretta
loretta
Mitglied

Fritz Teufel - der zärtliche Extremist
geschrieben von loretta
Fritz Teufel starb am 06. Juli 2010.

Mit humorigem Polit-Protest wurde Fritz Teufel zur Ikone der 68er. Die Wohngemeinschaft "Kommune 1", die er mitbegründete, ist legendär, ebenso wie sein gescheitertes Pudding-Attentat. Doch aus dem Polit-Clown wurde ein gewaltbereiter Terrorist: 8 Jahre verbrachte er insgesamt im Gefängnis.
Kiffen war cool, wilde Liebe auch, und Bomben sollten aus Zucker sein: Fritz Teufel verkörperte das Vergnügen an der Revolte von 1968. Doch die Happenings der "Kommune 1" führten sogar den ewigen Spaßguerillero aus Schwaben in den bewaffneten Kampf - und in den Knast.


SPIEGEL ONLINE


Kommune 1

Sie waren wild, die 68er. Bahnenbrechend? Richtungsweisend?
Es ist schon nicht von der Hand zu weisen, dass nun schon die ersten dieser berühmt, berüchtigten Generation das Zeitliche segnen. Sei es, weil sie zu ausschweifend und genussvoll oder zu unvernünftig gelebt haben???

loretta


Re: Fritz Teufel - der zärtliche Extremist
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf loretta vom 10.07.2010, 15:45:48

nöö loretta, ich glaub, da spricht einfach die statistik.

Lebenserwartung Deutschland


Karl
Karl
Administrator

Off-topic
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.07.2010, 16:22:25
@ sorella,


danke für diesen Link. Interessant ist doch, dass in allen Altersgruppen die restliche Lebenserwartung von 2003 bis 2008 weiter deutlich gewachsen ist. Das macht den Fortschritt der Medizin deutlich - oder ist es die Ernährung - oder der Elektrosmog ?

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adam
adam
Mitglied

Re: Fritz Teufel - der zärtliche Extremist
geschrieben von adam
als Antwort auf loretta vom 10.07.2010, 15:45:48
Fritz Teufel, Rainer Langhans und Uschi Obermeier, zusammen mit Rudi Dutschke, Cohn Bendit u.a. verkörperten sie den Bürgerschreck Ende der 1960er schlechthin. Sie sprengten den Deckel vom brodelnden Topf, in dem die Jugend der 60er steckte.

Ihren Eltern hatte man die Jugend gestohlen und weil eine "gewisse Zeit" nicht erwähnt wurde, knüpften die am Familienverständnis aus Kaisers Zeiten an, so mein Gefühl in diesen Tagen. Der Mann hatte das Sagen, die Frau den Mund zu halten und die Kinder zu parieren.

Ende der 60er war Schluß mit Ernst, die Jugend setzte auf Selbstbestimmung und machte sich auf den Weg aus der Subkultur heraus. Der vorgelebte Ungehorsam wandelte damals in Gestalt von Fritz Teufel auf Deutschlands Erde. Als Mitglied der Kommune 1 ein Bild der Sittenlosigkeit, lachte er adventkranzgekrönt der verknöcherten Gesellschaft ins Gesicht und erhob sich vor seinen Richtern, "wenns denn der Wahrheitsfindung dient!".

Fritz, Du warst im Rückblick ganz sicher kein Vorbild, hast auch zeitweise den falschen Weg gewählt. Aber wer ist davor schon sicher? Nein, ein Vorbild warst du nicht, aber ohne Orginale wie Dich, wäre vieles zäher gelaufen. Farewell Fritz Teufel!

--

adam

clara
clara
Mitglied

Re: Fritz Teufel - der zärtliche Extremist
geschrieben von clara
als Antwort auf loretta vom 10.07.2010, 15:45:48
Heute wurde Fritz Teufel, einer der 68er-Namen, der in Erinnerung geblieben ist, in Berlin zu Grabe getragen. Freunde von ihm haben am vergangenen Wochenende eine ganzseitige Todesanzeige in die taz gesetzt mit der Bitte, statt zugedachter Blumen für eine Grabstele zu spenden.

Ein Gedicht ergänzt die Anzeige:

Eine Tragödie namens Mensch

Der Mensch, der ist, man weiß es schon
missglückt, verkracht, Fehlkonstruktion.
Er dünkt sich schlau und ist so dumm,
überall schnüffelt er rum
erforscht die Längen, Tiefen, Breiten
Die Höhen, Fernen und die Weiten.
Erfindet Bett und Telefon,
Auto, Flugzeug, Grammophon,
Eisenbahn, Atomgeschütz,
schreibt Bücher übern alten Fritz.
Zerstöret, was er selbst geschaffen,
baut auf, reißt ab - oh, diese Affen.
Sie haben Autos, aber auch:
Plattfüße, Wasserkopf und Bauch.
Sie schwingen Reden über’n Frieden
und tun nur heimlich Waffen schmieden.
Ein jeder Einzelmensch ist gut,
nur schlecht ist, was der andre tut,
und was das Schlimmste daran ist,
Sie glauben selber diesen Mist.
(…)
Und zum Schluß wird er verscharrt
und kein Mensch weiß, was auf ihn harrt.
Und trotz allem ist es schön,
auf dieser runden Erd zu stehn.
Und mein Geschrei nehmt’s mit nicht krumm
kann nichts dafür -
Homo sum

Juni 1957

Von wem dieses Gedicht ist, weiß ich nicht, vielleicht von dem Vierzehnjährigen
Fritz Teufel selbst?

Aber zu Deiner Frage, Loretta:
Sie waren wild, die 68er. Bahnenbrechend? Richtungsweisend?

Was ich bejahe. Es war damals eine unruhige, manchmal verrückte aber spannende Zeit. Manches war wirklich lächerlich, Einiges unrealistisch, wie die antiautoritäre Erziehung.
Ein unstrittiges Verdienst der 68er aber war – Adam hat es angesprochen - das erstmalige Aufrütteln der politisch verschlafenen und verdrängenden Bundesrepublik durch das Anprangern der Naziverbrecher, die großenteils ungestört ihre alten Posten einnehmen konnten, z.B. in der Justiz.
Wahrscheinlich war das Bürgerschreck-Verhalten das einzige Mittel, endlich die unbewältigte Vergangenheit aufzuarbeiten.

Clara
olga64
olga64
Mitglied

Re: Fritz Teufel - der zärtliche Extremist
geschrieben von olga64
als Antwort auf adam vom 10.07.2010, 18:20:45
Cohn Bendit und auch Joschka Fischer hatten mit der Kommune 1 in Berlin nichts zu tun - dafür waren sie noch etwas jung. Cohn Bendit machte Ende der 60er Jahre Abitur - Fischer machte es nie. Beide wirkten auch in Frankfurt und nicht in Berlin.
Otto Schily das Chamäleon sollte nicht vergessen werden - und Uschi Obermeier war nur kurze Zeit mit Langhans in der Kommune 1,die sie mit ihrer Modeltätigkeit finanzierte. DAnn wandte sie sich ab Richtung Rolling Stone und später zu ihrem Hamburger Zuhälter.
Dutschke führte ein anderes Leben - er war ja mit Gretchen verheiratet und bereits Vater; sie wohnten auch nicht in der Kommune 1.
Aber Fritz Teufel blieb seiner Richtung treue - unvergessen seine Kommentare vor Gericht, die ja in deutschen Sprachgebrauch übergingen: ... wenn es der Wahrheitsfindung dienlich ist....
Und Langhans lebt seit vielen Jahren in München in einer anderen Kommune mit Frauen. Seine Mini-Mini-Rente + vereinzelte Honorare für Talk-Show-Auftritte würde auch für ein Single-Leben in München nicht ausreichen.
Olga

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