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Aktuelle Themen Fünfzig Millionen .....

Medea
Medea
Mitglied

Fünfzig Millionen .....
geschrieben von Medea
Das Unternehmen Grünenthal hat angekündigt, fünfzig Millionen Euro in die Contergan-Stiftung einzuzahlen. Das Familienunternehmen gilt als Spezialist in der Herstellung von Schmerzmitteln für Schwerkranke, hat weltweit ca. 5000 Beschäftigte und macht einen Umsatz von ca. 800 Millionen Euro.
Fünfzig Millionen mag für die einen viel, für die Betroffenen wohl wenig bedeuten, für mich aber kommt Bewegung in eine Angelegenheit und die Hoffnung, daß die Geschädigten nicht vergessen werden.


Karl
Karl
Administrator

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von Karl
als Antwort auf Medea vom 09.05.2008, 08:31:58
Es gibt etwa 5000 Contergan-Geschädigte allein in Deutschland. 50 000 000 Millionen Euro wären für jeden Geschädigten 10 000.- Euro. Grünenthal hat die Chemikalie von Oktober 1957 bis zum 27. November 1961 vertrieben, die Opfer sind also jetzt etwa 50 Jahre alt.

Für jedes Jahr Leben erhält ein Opfer also jetzt noch einmal 200.- Euro, das sind 16,70 Euro pro Monat.

Dabei stellen sich inzwischen viele Sekundärschäden, die z. B. durch die ungewöhlichen Belastungen des Knochengerüstes aufgrund der Behinderungen bedingt sind, ein.
--
karl
maggy
maggy
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von maggy
als Antwort auf Karl vom 09.05.2008, 08:52:19
Geld kann das Leid nicht aufwiegen,
welches diese Menschen ihr Leben
lang mitmachen müssen. Aber wie
medea schon schrieb: Sie werden
wenigstens nicht vergessen!

Vor etlichen Jahren habe ich in
unserem Geschäft eine junge Frau
kennengelernt, die Contergan geschädigt
ist. Sie bezahlte mit den Füßen. Es hat
mich sehr berührt, wie sie ihr Leben
ohne Hände meistert.

--
maggy

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Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 09.05.2008, 08:52:19
Von den Grünenthal-Opfern leben heute nur noch ca. 2800, so dass die Zahlung pro Person zwar etwas höher ausfällt, aber immer noch der blanke Hohn bleibt!

Grünenthal will ja nur aus den Negativ-Schlagzeilen, sich sozusagen freikaufen! Es geht dem Unternehmen doch überhaupt nicht um eine finanzielle Wiedergutmachung der Opfer, sondern allein um das eigene Image!

Unfassbar ist für mich auch das Verhalten des Gerichtes, das 1970 den Strafprozess gegen Grünenthal "wegen geringer Schuld" eingestellt hatte - ein Skandal ohne gleichen!

--
ursula
marianne
marianne
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von marianne
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.05.2008, 10:07:13
Danke, Ursula,
für deinen fundierten Kommentar!

Danke, Medea,
fürs Reinstellen!

Marianne
carlotta
carlotta
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von carlotta
als Antwort auf maggy vom 09.05.2008, 08:58:15
auch bei uns auf der gemeinde arbeitet eine contergangeschädigte. sie sass zuerst in der halle, im auskunftbüro. sie schreibt auf der maschine mit den füssen. viele kamen nur um sie anzusehen. so wurde sie schließlich in ein büro versetzt, wo besucher keinen zutritt haben.
--
carlotta

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adam
adam
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von adam
als Antwort auf carlotta vom 09.05.2008, 17:21:18
Der Fall "Contergan" ist eine Katastrophe für die Betroffenen und sollte immer wieder ermahnen, mit allen genetischen Versuchen, seien sie noch so vielversprechend, mehr als vorsichtig umzugehen.

Ich bin beileibe kein Gegner der Wissenschaft, aber hat eine veränderte Genetik das Labor einmal verlassen, ist sie nicht mehr aufzuhalten.

Das paßt nur teilweise in Deinen Thread Medea, aber ich werde immer wieder mit der Nase auf die Genforschung gestoßen, wenn ich von Contergan und seinen Auswirkungen höre oder sehe.

--

adam
eleonore
eleonore
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von eleonore
als Antwort auf adam vom 11.05.2008, 16:59:24
@adam,

als contergan auf der markt kam, dachten viele noch, gene sind eine neue tortenguss.

was genforschung angeht, und der anwendung der forschungs ergebnisse.....ich bin auch skeptisch.
mein wissen ist leider begrenzt, um zu beurteilen können, wann es angebracht und ethisch vertretbar ist, oder nicht.

was der contergan geschädigte menschen angeht:
viele meistern bewundernswert ihren leben, obwohl schwierig.
auch die nachfolgeschäden sind beträchtlich, wie gelenke schäden, wirbelsäulen deformierungen, etc.,etc.

50 mio hört sich nach viel an, ist es aber nicht.nicht in diesen fall.

--
eleonore
baerliner
baerliner
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von baerliner
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.05.2008, 10:07:13
Von den Grünenthal-Opfern leben heute nur noch ca. 2800, so dass die Zahlung pro Person zwar etwas höher ausfällt, aber immer noch der blanke Hohn bleibt!

Grünenthal will ja nur aus den Negativ-Schlagzeilen, sich sozusagen freikaufen! Es geht dem Unternehmen doch überhaupt nicht um eine finanzielle Wiedergutmachung der Opfer, sondern allein um das eigene Image!

Unfassbar ist für mich auch das Verhalten des Gerichtes, das 1970 den Strafprozess gegen Grünenthal "wegen geringer Schuld" eingestellt hatte - ein Skandal ohne gleichen!

--
ursula


Ursula,

Du wirst sicherlich wissen, dass es zur Zeit der Entdeckung des Contergan-Wirkstoffs Thalidomid keine funktionierende Arzneimittelkontrolle in Deutschland gab, die vor der Vermarktung eines neuen Wirkstoffs umfangreiche Testreihen vorschreibt. Erst dieser "Skandal" hat zum Arzneimittelkontrollgesetz geführt.

Die Familie Wirtz, der nicht nur das Pharmaunternehmen Grünenthal (u.a. Nachkriegslizenz zur Herstellung von Penicillin) gehört auch die Dalli-Werke (Waschmittel u.a. auch für ALDI) und die Parfümerieserie Mäurer&Wirtz (Tabac)

Ich finde, das Familienunternehmen hat sich nach dem Urteil durch Zahlung von 100 Mio in eine Stiftung, Übernahme der Anwaltskosten der Opfer usw. seiner Verantwortung nicht entzogen. Große Pharmakonzerne hätten mit Macht sich um eine von ihnen leistbare Entschädigung gedrückt. Grünenthals Bilanz wurde mit schätzungsweise 300 Mio. belastet, was für ein mittelständisches Unternehmen schon eine hohe Belastung ist.

Mein Wissen habe ich dem Linktipp entnommen, wo man weitere Einzelheiten nachlesen kann.
--
baerliner
pilli
pilli
Mitglied

Re: Fünfzig Millionen .....
geschrieben von pilli
als Antwort auf Medea vom 09.05.2008, 08:31:58
solche fürsprecher medea

braucht die Firma Grünenthal, die uns weismachen möchte, dass ein zufriedenstellendes ergebnis erreicht worden sei?

mitnichten ist es das m.e. aber die chance ist vertan durch die seinerzeitigen geschickten und rechtlich gültigen strategien eben dieser pharmazeutischen firma; da werden halt almosen jetzt schon bejubelt?

zur erinnerung an unsere diskussion im jahr 2003:

pilli antwortete am 24.09.03 (02:42):

wenn ich richtig gelesen und verstanden habe, wurde der Contergan-Wirkstoff Thalidomid von dem chemiker Dr. Heinrich Mückler ( den,nebenbei erwähnt, "die polnischen Behörden seit Kriegsende wegen Menschenexperimenten an KZ-Häftlingen zur Fleckfieber-Forschung suchten") in zusammenarbeit mit der Firma Grünenthal endeckt und, nachdem an mäusen getestet, ohne einwände der gesundheitsbehörden als schlaf-bzw. beruhigungsmittel angeboten.

die bis zu diesem zeitpunkt fehlenden weiteren tierversuche gelten unter anderem als grund für die bereits bei nur wenigen einnahmen (zwischen dem 35. bis zum 50. schwangerschafts-tag) verursachten schweren embryonalen mißbildungen; aber auch für gravierende schäden am nervensystem von erwachsenen.

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"Trotz erster Berichte über gravierende Nebenwirkungen schon kurz nach der Markteinführung des Medikaments wurde Contergan erst im November 1961 unter dem Eindruck tausender verkrüppelter Säuglinge von der Firma Grünenthal vom Markt genommen.

Der Prozess wurde nach 283 Verhandlungstagen „wegen geringer Schuld“ und „wegen geringer Bedeutung für die Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland“ (!!!!) eingestellt. Grünenthal zahlte in einen Stiftungs-Fond 110 Millionen Mark für die überlebenden Contergan-Opfer, der Bund legte noch einmal 100 Millionen Mark drauf. Jedes Contergan-Opfer bekam (bei Unterzeichnung einer Erklärung, nicht gegen Grünenthal zu klagen) eine monatliche Leibrente zwischen 200 und maximal 1.000 Mark."

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aufmerksam wurde ich, weil die ARD unlängst einen filmbericht von Walter Harrich und Danuta Harrich-Zandberg zeigte, die geschichte eines betroffenen..."Jan"...
er ist der sohn der eltern, die in zusammenarbeit mit dem arzt Dr. Widukind Lenz entsprechende nachforschungen und befragungen anstellten und laut Spiegel haben:

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"die Familie Schulte-Hillen und Dr. Widukind Lenz den größten Pharma-Skandal der Bundesrepublik Deutschland ins Rollen gebracht. Neun Jahre lang waren drei Staatsanwälte und 18 Verteidiger mit dem Fall beschäftigt."
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dieser provozierende film machte noch einmal auch auf die art und weise aufmerksam, wie dubios dieser schreckliche vorgang bewältigt wurde. seinerzeit bot es den anlass für die verabschiedung des deutschen arzneimittelgesetzes.

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"Heute weiß man: Schon die Einnahme von nur einer Tablette Contergan in den ersten fünf bis sechs Wochen der Schwangerschaft führt zu massiven Schäden in der Entwicklung des Embryos. In vier Jahren sind durch die Einnahme von Contergan 2.700 Kinder in Deutschland mit verstümmelten Gliedmaßen zur Welt gekommen. Ungefähr weitere 3.000 Kinder überlebten die ersten Monate nicht, da Contergan auch die Entwicklung der inneren Organe schädigte. Weltweit wurden über 10.000 Kinder mit Contergan-Schäden geboren."
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ich las weiter:

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"Der Mensch ist gegen Thalidomid sechzigmal empfindlicher als die Maus, hundertmal empfindlicher als die Ratte, zweihundertmal empfindlicher als der Hund und siebenhundertmal empfindlicher als der Hamster."


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pilli antwortete am 24.09.03 (02:43):

"Der Wirkstoff Thalidomid begann jedoch bereits 1964 seine zweite Karriere. In Jerusalem entdeckte der Arzt Dr. Sheskin durch Zufall eine besondere Eigenschaft von Thalidomid. Ein Leprakranker konnte vor Schmerzen schon seit vielen Tagen und Nächten nicht mehr schlafen. Dr. Sheskin gab ihm einige Tabletten Contergan, damit er wenigstens eine ruhige Nacht verbrachte. Schon am nächsten Morgen waren die entzündlichen Hauterscheinungen der Lepra viel besser.

Heute ist Thalidomid in vielen Ländern der Welt zur Behandlung von Leprasymptomen wieder zugelassen. Außerdem wird es bei Mundgeschwüren im Zusammenhang mit AIDS und in zahlreichen Studien gegen Krebs eingesetzt. Thalidomid ist eine der am besten untersuchten Substanzen der Welt. Doch bis jetzt kann kein Wissenschaftler erklären, wie es genau wirkt. Vermutlich ist die wachstumshemmende Wirkung auf Blutgefäße ein Grund für seine Wirksamkeit bei der Bekämpfung der Symptome von Lepra, AIDS und Krebs. Zudem wirkt Thalidomid auf einen Entzündungsfaktor, der bei vielen Autoimmunkrankheiten eine wichtige Rolle spielt: der Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha.

Für die Entstehung der Schäden am Embryo gibt es seither über 24 verschiedene Theorien. Inzwischen soll sichergestellt sein, dass das Medikament nicht mehr an schwangere Frauen ausgegeben wird. In den USA gibt es ein strenges Verfahren für die Vergabe des Medikaments. Doch in Brasilien sollen laut Expertenschätzungen bereits wieder 500 Contergan-Kinder der neuen Generation auf die Welt gekommen sein. Contergan: Fluch oder Segen? Diese Frage kann bis heute nicht beantwortet werden."

(Corinna Sachs)
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quellen:

dpa
ARD
NR




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pilli

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