Forum Allgemeine Themen Aktuelle Themen Gunther von Hagen: Wissenschaftler oder Geschäftemacher?

Aktuelle Themen Gunther von Hagen: Wissenschaftler oder Geschäftemacher?

Lilith
Lilith
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von Lilith
als Antwort auf ummel vom 24.10.2010, 16:29:49
Ummel, es ist unbestritten, daß diese Präparate hervorragend sind!
Mich haben sie fasziniert - aber eben nur aus beruflichem Interesse.
Lilith
Lilith
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von Lilith
als Antwort auf Lilith vom 24.10.2010, 16:54:36
Muß mich doch nochmal melden:

Damals in der Anatomievorlesung haben wir unserem Skelett einen Schal umgebunden, eine Mütze aufgesetzt und ihm eine Zigarette zwischen die Zähne gesteckt.
Den Vortrag über Ethik , den uns unser Professor um die Ohren schlug, höre ich heute noch…..
Die Präparate, die von Hagen anfertigte, sind wirklich großartig im wissenschaftlichen Sinn.
Aber nun z.B. kopuliernde Leichen einem zahlenden Publikum vorzuführen, ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten!
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Ich habe nix dagegen
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf Lilith vom 24.10.2010, 18:30:06
Da ich sowieso strikt gegen eine Bestattung bin, werde ich mich wohl letztendlich für eine Plastifizierung zur Verfügung stellen. Mir ist das egal, ob sich später die Menschen vor meinem Leberpräparat gruseln oder meinen Plastikarm bei ebay als Hutständer kaufen. Das Begraben menschlicher Körper gehört jedenfalls verboten, da die allermeisten Leichen als Giftmüll deklariert werden müssen, durch die Unmengen von Medikamenten die darin im Laufe der Zeit abgelagert werden.

Anzeige

ummel
ummel
Mitglied

Re: Ich habe nix dagegen
geschrieben von ummel
als Antwort auf dutchweepee vom 25.10.2010, 03:58:06
Da ist wohl was 'dran, @Dutchweepee:
Wir im Krematorium mussten – wenn die Filter vor und in den Schornsteinen gewechselt wurden – dies in Schutzanzügen und natürlich mit Staubmaske tun.
Besonders die im Körper befindlichen Schwermetalle, wie z. B. das Quecksilber in den Zahnfüllungen, sind sehr gesundheitsschädlich. Und die Reste der Medikamente, wie Du richtig sagst, machen den Giftcocktail obendrein gefährlich.

Die angefallene „ Rest-Asche „, die bei der etwa 3-monatigen Reinigung der Öfen anfiel, wurde demnach auch als Giftmüll deklariert und von einer „ Spezialfirma „ abgeholt und den Vorschriften entsprechend entsorgt,

Peter
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von lalelu
als Antwort auf ummel vom 24.10.2010, 16:29:49
@ ummel

Auch wenn man keine der Ausstellungen Gunther von Hagens gesehen hat, kann man eine generelle Meinung dazu haben, ob man das Plastinieren und das anschließende öffentliche Zur-Schau-Stellen menschlicher Körper oder Körperteile befürwortet oder dieser Praxis ablehnend gegenüber steht.

Keiner bestreitet wahrscheinlich, dass Gunther von Hagen ein Meister seines Fachs ist, was sein handwerkliches Können betrifft und dass seine Exponate, die "filigranen und bis ins kleinste Detail genauen Präparate – z. B. der Adern und Venen, des gesamten Blutkreislauf's" (Zitat ummel) hervorragende Arbeit sind.

Wenn er diese einem Personenkreis zur Verfügung gestellt hätte, der ein begründetes fachliches Interesse daran hat (z.B. alle, die in einem der unterschiedlichen Heilberufe tätig sind), hätte wahrscheinlich jeder das begrüßt, und es gäbe mit Sicherheit keine Proteste.

Da er das nicht getan hat, sondern jeder gegen klingende Münze (!) seine Exponate ansehen kann, ist Zweifel an seinen edlen Beweggründen angesagt, erst recht, nachdem er jetzt seinen Online-Verkauf starten will. Natürlich sind nicht alle Besucher dieser Ausstellungen von purer Sensationsgier getrieben, selbst wenn sie kein fachbezogenes Interesse daran haben, aber ich denke, es sind mehr als es offen zugeben.

Was mich vor allen Dingen stört, ist die Effekthascherei, die bei manchen der Plastinaten deutlich wird. Man kann es noch für sinnvoll halten, wenn man einem Raucher die Folgen seines Tuns durch eine vollgeteerte Lunge vor Augen hält, aber wenn man ein kopulierendes Paar plastiniert, muss man mir erst einmal erklären, worin der wissenschaftliche oder erzieherische Wert begründet liegen soll. Für mich werden hier nur die Grenzen des guten Geschmacks überschritten und zwar deutlich. (@Lilith, ich stimme dir hierin ohne Einschränkung zu!). Ich gehe sogar noch weiter und sage, dass dadurch posthum die Würde des Menschen verletzt wird, die laut Grundgesetz unantastbar sein soll.

Noch eine Bemerkung am Rande: Gunther von Hagen behandelt den Menschen wie ein x-beliebiges Objekt. Der Mensch besteht aber nicht nur aus der Summe seiner Organe, Knochen, Muskeln, Nervenbahnen usw. Es ist völlig unerheblich, ob man gläubig ist oder Atheist, ob man dem Menschen eine Seele zuspricht oder nicht. Tatsache ist, dass der Mensch sich von allem anderen auf der Erde durch seinen Intellekt und durch seine bewussten Empfindungen unterscheidet. Auch wenn man nicht daran glaubt, dass nach dem Tod etwas davon übrig bleibt, möchte ich im Gedächtnis der Menschen, die mir etwas bedeuten nicht als plastiniertes Muskel- Nerven- Gicht- Rheuma- oder "was- weiß- ich-Sachobjekt" weiter leben und von völlig Fremden nicht als solches bestaunt werden.

Bei diesem Thema bleibt wohl nur die Erkenntnis: die Diskutanten bewegen sich auf zwei parallel verlaufenden Argumentationsschienen, die sich erst im Unendlichen schneiden.

Lalelu
ummel
ummel
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von ummel
als Antwort auf lalelu vom 25.10.2010, 11:50:40
@Lalelu, danke für die Darstellung Deiner Sichtweise.

Das „ Zur-Schau-Stellen „ von Leichen ( oder Leichenteilen ) hat eine recht lange Tradition. Ist also nix Neues. Der neuerdings so populäre Ausdruck „ publik viewing „ geht ursprünglich ja auf das öffentliche Aufbahren einer Leiche zurück. Teilweise wurde dabei der Öffentlichkeit auch ermöglicht, einer Leichenöffnung – heute würde man sagen: einer Obduktion – beizuwohnen.

Da dies - seinerzeit wie auch heute – nicht zu den alltäglichen Begebenheiten zählt, war und ist das Interesse der „ normalen „ Leute selbstverständlich groß. Jedoch würde ich nicht so weit gehen und dies als Sensationsgier zu bezeichnen. Unter Sensation stelle ich mir etwas anderes vor.
Klar hat jede/r seine eigene Meinung dazu. Und so soll es auch bleiben, Lalelu. Wäre ja fade, wenn alle den selben „ Geschmack „ hätten.

Was nun die „ Posen „ betrifft, in denen v. Hagens „seine Leichen“ der Öffentlich präsentiert: Er möchte halt den menschlichen Körper in all seinen natürlichen Bewegungen, in jeder Haltung zeigen. Dazu gehört neben Essen, Trinken, Laufen, Ringen, Reiten und/oder Speerwerfen eben auch der Akt der Fortpflanzung. Und der dürfte angesichts der „fehlenden Haut „, welche die Körper sonst „bekleidet“, alles andere als pornografisch wirken. Eine Darstellung, die manch' einem im wahrsten Sinne des Wortes „ unter die Haut “ gehen dürfte .

Was Deine Einwendungen bezüglich der Einheit Mensch und Seele, die Würde des Menschen betrifft, Lalelu: Da dürfte keine Universität, kein Krankenhaus je ein Skelett besessen haben. ( die waren früher alle „echt“ ) In Palermo z. B. müssten sofort die Katakomben geschlossen werden, welche mumifizierte Leichen beherbergen und die der Öffentlichkeit präsentiert werden. ( gerade in Italien, einem erzkonservativen Land ! ) siehe Link:

http://www.ruedigerkramer.de/RPhotographien10.htm

Oder unter dem Dom in Bremen, dem sog. Bleikeller:
http://www.focus.de/fotos/dompfarrer-peter-ulrich-im-bleikeller-neben-dem-st-petri-dom-in_mid_261884.html

Bei v. Hagens ist es ja mitnichten so, daß er sich seine ( späteren ) Exponate mühselig zusammensuchen muß: Seine „ Ausstellungsstücke“ wollen ja nach dem Tode plastiniert und der Öffentlichkeit präsentiert werden, Lalelu ! Es ist ihr Wunsch, den sie zu Lebzeiten bekunden.

Allerdings wüßte ich auch gerne deren Beweggründe …

Peter

Anzeige

olga64
olga64
Mitglied

Re: Ich habe nix dagegen
geschrieben von olga64
als Antwort auf dutchweepee vom 25.10.2010, 03:58:06
[quote=dutchweepee]Da ich sowieso strikt gegen eine Bestattung bin, werde ich mich wohl letztendlich für eine Plastifizierung zur Verfügung stellen.

Das hat auch den Vorteil, dass man das Geld, welches für diese Plastifizierung bezahlt wird, noch im Diesseits verjubeln kann - keiner weiss ja, welche Zahlungsmittel im Jenseits anerkannt werden, auch wenn ältere Menschen versuchen, so viel wie möglich davon aufzuhäufen. Olga
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von lalelu
als Antwort auf ummel vom 25.10.2010, 15:40:53
@ ummel

die mumifizierten Leichen, zu denen deine Links führen, sind durch natürliche Mumifizierung auf Grund der besonderen Umgebungsbedingungen entstanden. Sie wurden nicht zum Zweck der Präsentation künstlich mumifiziert und sind von daher auch nicht mit Gunther von Hagens Plastinierung zu vergleichen.

Wenn man schon zu einem Vergleich greifen möchte, dann bieten sich neben anderen die altägyptischen Pharaonen an, die man heute in Museen als Mumien sehen kann. Diese Mumifizierung wurde ebenfalls künstlich herbeigeführt, aber dennoch mit einem großen Unterschied:

Man wollte die Pharaonen für ein Leben in der Ewigkeit erhalten und nicht dafür, sie einer großen Heerschar von Menschen als Schauobjekt zu präsentieren. Im Gegenteil, mit ausgeklügelter Technik versuchte man, sie vor Entdeckung zu schützen. Dass dieser Schutz nicht ausreichte, war nicht beabsichtigt.

Gunter von Hagens tut genau das Gegenteil. Er präpariert seine "Objekte" einzig und allein zum Zweck der Ausstellung und des Verkaufs. Das erinnert mich eher an das Zur-Schau-Stellen von Menschen mit Missbildungen, extremem Klein- oder Riesenwuchs usw. auf Jahrmärkten, was heute zum Glück bei uns nicht mehr vorkommt.

In meinen Augen war das Interesse daran schon damals überwiegend – nicht ausschließlich - in der Sensationslust der Zuschauer begründet, ebenso wie bei öffentlichen Leichenöffnungen, bei Hinrichtungen und Hexenverbrennungen, wie beim Verhöhnen und Anspucken von Menschen am Pranger, usw. Nur weil es so etwas im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gab und es deshalb eine lange Tradition hat, muss man es nicht gut finden. Eigentlich dachte ich, wir hätten diese Phase überwunden, bis Gunther von Hagens mich eines Besseren belehrte.

Was die natürlichen Bewegungen und Haltungen betrifft: ich möchte weder Lebende noch Tote in Situationen studieren, die ich als ihre Privatsphäre betrachte. Warum dann nicht gleich jemand plastinieren, der gerade die Toilette benutzt? Das ist auch eine natürliche Situation. Nein tut, mir Leid, Natürlichkeit hin – Natürlichkeit her...damit kann ich mich nicht anfreunden.

Darüber, ob die später Plastinierten ihre Körper IMMER freiwillig zur Verfügung stellten, hört man Widersprüchliches. Ich möchte mich nicht an Spekulationen beteiligen, aber zumindest besteht in diesem Punkt wohl noch Aufklärungsbedarf.

Zumindest in einem Punkt sind wir identischer Meinung, ummel: darin, dass die Meinungen der Menschen zu diesem Thema nicht identisch sind und auch sicher niemals identisch sein werden. Das weiß ich, und das akzeptiere ich.

Lalelu
ummel
ummel
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von ummel
als Antwort auf lalelu vom 25.10.2010, 19:18:01
@Lalelu, Deiner Sichtweise „...sind durch natürliche Mumifizierung auf Grund der besonderen Umgebungsbedingungen entstanden. „ möchte ich die Frage anfügen:

Warum wurden die Leichen, nachdem sie in diesem „Zustand„ entdeckt wurden, nicht „ würdig „ bestattet ?

Wohl deshalb nicht, weil man erkannte, dass sich damit viel Geld verdienen lässt. Ich weiß nicht mehr genau, welchen Eintrittspreis Bremen für die Besichtigung des Bleikellers nimmt, glaube aber, dass es ( damals, als ich dort war ) um die 7.- DM waren.
Und die Sizilianer werden ihre „ Attraktion „ bestimmt auch nicht zum Nulltarif anbieten.

Es läuft letztlich doch alles auf Kommerz 'raus.

Peter
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: o.t.
geschrieben von lalelu
als Antwort auf ummel vom 26.10.2010, 07:45:00
@ ummel

Deine Bemerkung ist richtig, dass es fast immer um Kommerz geht. Dennoch gibt es für mich einen großen Unterschied zwischen den mumifizierten Leichen der Vergangenheit und Gunther von Hagens Plastinaten, auch was den kommerziellen Umgang damit betrifft.

Gunther von Hagens fertigt seine Präparate mit dem erklärten Ziel an, daraus finanziellen Nutzen zu schlagen. Er schafft gewollt spektakuläre "Objekte", um damit die Massen anzuziehen oder um sie zu verkaufen - oder beides.

Die Mumien, aus der Vergangenheit sind nicht als Schauobjekte kreiert worden. Man hat sie entweder gar nicht "bearbeitet", weder in der Vergangenheit noch heute oder man hat sie damals nach ihrem Tod präpariert, um sie für das Leben in der Ewigkeit haltbar zu machen.

Wenn man diese Mumien heute ausstellt und für die Besichtigung Eintritt verlangt, zieht man kommerziellen Nutzen aus der Vergangenheit, ohne selbst aktiv dafür gesorgt zu haben, dass die Verstorbenen mumifiziert wurden. Das ist für mich ein deutlicher gradueller Unterschied.

Ich möchte ein Beispiel anführen, welches zugegebenermaßen etwas hinkt, aber dennoch zeigt es, worauf es mir ankommt.

Wenn du auf der Straße einen herrenlosen 10-Euro-Schein findest und ihn behältst, ist das nicht edel, aber du machst dich nicht strafbar, weil man erst Beträge, die den Wert von 10 Euro übersteigen, beim Fundbüro abliefern muss. Wenn du aber jemand 10 Euro aus seiner Brieftasche stiehlst, hast du eine eindeutige Straftat begangen, obwohl es sich um den gleichen Betrag handelt. Im ersten Fall bist du der Nutznießer von Umständen, die du selbst nicht zu verantworten hast, im zweiten Fall schaffst du diese Umstände selbst.

Wie gesagt: ich weiß selbst, dass der Vergleich hinkt, weil auch Gunther von Hagens Aktionen nicht strafbar sind, aber ich möchte damit nur verdeutlichen, dass es ein großer Unterschied ist, ob man Nutzen aus einer bestehenden Tatsache zieht oder ob man die Fakten erst schafft.

ummel, ich respektiere deine Meinung, aber ich kann mich ihr nicht anschließen.

Lalelu

Anzeige