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Aktuelle Themen Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm

niederrhein
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Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von niederrhein
Auszüge aus dem Kommentar von Norbert Blüm
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, den 25. September 2008 , Seite 2 (entnommen der ePaper-Ausgabe; Stand 00.30 Uhr)


Die Rente war sicher

Dann aber rückten die Finanzkapitalisten an - und redeten der Menschheit ein, zocken sei lukrativer als arbeiten

Von Norbert Blüm


Schlag nach bei Hans Christian Andersen. Dass der Kaiser in seinem Märchen keine neuen Kleider, sondern gar nichts trug, sah jeder; [...]
So geht es auch in der zweigeteilten Welt des virtuellen Finanzkapitals und der realen Arbeit zu. Die Scheidelinie verläuft zwischen Schein und Sein. Die Illusionswerte sind lukrativer als die Substanzwerte. Der Unterschied zwischen der virtuellen und der realen Welt lässt sich jedoch nicht beliebig steigern. Auch ein Luftballon kann platzen, und irgendwann platzen auch die größten Finanzblasen. Dazu bedarf es nicht eines kleinen Jungen, sondern nur irgendjemandes, der bei den großen Spielen plötzlich Angst um sein Geld bekommt und nicht mehr mitspielt. [...]

97 Prozent des Finanzkapitals, das den Erdball umkreist, haben mit Wertschöpfung und realen Gütern nichts mehr zu tun. Es ist Spielgeld, das zum Zocken verwendet wird. [...] Die virtuelle Welt der Finanzgeschäfte hat die reale Welt der Wirtschaft abgehängt. Wertschöpfung, Arbeit und Produktion verkommen zur Restgröße. Mit Arbeit und Eigentum hat diese Art von Finanzkapitalismus so viel zu tun wie eine Fata Morgana mit einer real existierenden Oase. [...]

Die Kapitalmassen ziehen um den Erdball und suchen verzweifelt Bodenkontakt. Sie kreisen über den Börsenplätzen herum. Viele Landeplätze gibt es nicht mehr. Es wird privatisiert auf Teufel komm heraus. Denn was nicht privatisiert ist, eignet sich auch nicht zur Finanzvermarktung. Wasserversorgung, Strafvollzug . . . alles wird privatisiert und kapitalisiert. Als letzte Beute steht das Sozialsystem im Visier der globalen Kapitalstrategen. Kapitalisierung von Rente, Pflege, Krankenversicherung, das ist deshalb der letzte Schrei der Finanzkapitalisten, die sich als Retter aus sozialer Not maskiert haben.

"Die Rente ist sicher", habe ich vor zwanzig Jahren gesagt. Nun darf man hinzufragen: Welche denn? Bestimmt nicht die börsenorientierte! Von 112 000 Pensionsfonds der Vereinigten Staaten haben 32 000 überlebt. Der umlagefinanzierten Rentenversicherung ist ein solches Desaster noch nie passiert. 700 Milliarden Dollar werden jetzt ins amerikanische Bankensystem gepumpt. Aber das ist nur die erste Anzahlung. [...]

Die Umverteiler gelten als sozialistische Teufel. Auf der Börse aber wird mehr umverteilt, als es die Rentenversicherung je schaffte. [...]

Wenn ein Unternehmen mit hohem Aktienkurs verstaatlicht wird, ist das "Sozialismus". Bei niedrigen Aktienkursen ist es "Sicherung der Marktwirtschaft". [...]
Eine durchkapitalisierte Gesellschaft ist eine bodenlose Gesellschaft. [...] In einer solchen Gesellschaft flattern die Menschen wie die Zugvögel hinter dem Kapital her. Heimatlos ist der moderne Arbeitnehmer. Er gehört nirgends dazu. Zum Unternehmen jedenfalls nicht, das ist längst zur Kapitalsammelstelle degeneriert.
[...]
Der Tagelöhner ist die Leitfigur der mobilen, flexiblen Wirtschaft, die keine anderen Regeln mehr kennt als profitablen Kapitaleinsatz. Deshalb weg mit Kündigungsschutz, weg mit Mitbestimmung und so weiter. Arbeit ist Arbeitskraft und sonst nichts. [...]

Eigentum muss auf Arbeit fußen, wenn es seine Legitimation erhalten will. In der christlichen Soziallehre rechtfertigt sich Eigentum als "Frucht der Arbeit". Eigentum, das nicht in Arbeit seinen Ursprung hat, stand dagegen immer unter dem Verdacht, gestohlen zu sein, wurde allenfalls als "Besitzergreifung herrenlosen Gutes" akzeptiert. [...]

Die Leistung, auf der die Marktwirtschaft basiert, ist kein Glücksspiel, sondern Motivation und Legitimation für Erfolg. Arbeit ist die reale Quelle des Wohlstandes. Das wusste Adam Smith, der als Erfinder der Marktwirtschaft gilt.

Norbert Blüm (73, CDU), Bundesarbeitsminister von 1982 bis 1998.


Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.224, Donnerstag, den 25. September 2008 , Seite 2



Verantwortlich (für das Hinstellen dieses Textes hier)
Die Bertha
vom Niederrhein


P.S. Falls jemand an dem ganzen Kommentar interessiert ist und ihn nicht über die Webseite der Süddeutschen Zeitung erhält und sich keine SZ kaufen möchte oder kann, möge mir schreiben: [email protected]


dutchweepee
dutchweepee
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Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf niederrhein vom 25.09.2008, 00:43:08
beeindruckend präzis!
heijes
heijes
Mitglied

Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von heijes
als Antwort auf dutchweepee vom 25.09.2008, 00:46:42
kann mich nur dutch anschließen und werde noch den ganzen Artikel lesen.
--
heijes

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adam
adam
Mitglied

Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von adam
als Antwort auf niederrhein vom 25.09.2008, 00:43:08
Natürlich hat Norbert Blüm recht. Aber jetzt hat er es leicht, sich auf die Seite der Guten zu schlagen und mit dem Finger auf die Bösen zu zeigen, denn jetzt gehört er nicht mehr zum System. Wo waren seine markigen Worte als anonyme Parteispenden für die CDU, über seinen Freund Helmut Kohl, flossen, als auch er vom System profitierte?
Die Wahrheiten, die er heute ausspricht, galten zu seinen aktiven Zeiten auch schon. Bei allem guten Willen für den populären Nobbi, seine heutige Aussage erinnert mich an Pontius Pilatus: Norbert Blüm wäscht seine Hände in Unschuld!

--

adam
Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf adam vom 25.09.2008, 09:14:16
@adam,
ich finde es gut und vor allen Dingen richtig, was er da sagt.
Dir passt es nicht, dass es Blüm gesagt hat. Da stelle dir doch einfach vor, es wäre nicht Blüm gewesen, sondern ???. Vielleicht geht es dir dann besser. Richtiger wird's dann allerdings auch nicht.

UND noch zur Erinnerung/ Passt nicht zum eig. Thema, aber zu deinem Einwand.
Blüm zu Kohls Parteispenden :
"Blüm appellierte an Kohl, die Namen der von ihm geheim gehaltenen Parteispender doch noch zu nennen. Dies sei notwendig, um noch größeren Schaden von der Partei abzuwenden, sagte er am Sonntag im üdwestrundfunk. "Ehrenwort und Rechtmäßigkeit sind Geschwister. Es gibt keine Ehre, die gegen Recht geltend gemacht werden kann", sagte Blüm."
--
klaus
adam
adam
Mitglied

Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von adam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.09.2008, 09:27:13
@Klaus.

kann es sein, daß Du mich mit jemandem verwechselst?

Daß Norbert Blüm recht hat, habe ich doch geschrieben!

Tu Dir die Freude und setz jeden Namen eines ehemaligen Politikers, gleich welcher Partei, in meinen Beitrag ein. Ich unterschreibe!

Alle saßen sie dort, wo man wissen muß, wohin der Finanzmarkt treibt! Und jetzt, wo die Lawine langsam losrutscht, sind sie alle empört und versuchen aus der Spur zu kommen. Ich verlange von Politikern keine Ehrlichkeit mehr, das habe ich mir längst abgeschminkt. Trotzdem kann ich über Unschuldsbeteuerungen doch lächeln, oder?

--

adam

PS: Du hast Deinen Beitrag noch ergänzt, aber das spielt keine Rolle. Gönn Dir das "Bäumleinwechsledich".

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simba
simba
Mitglied

Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von simba
als Antwort auf adam vom 25.09.2008, 09:44:43
Ich weiss nicht was dieser Norbert Blüm früher gemacht, gesagt und getan hat, ich lese diesen Namen heute zu ersten Mal - als Österreicherin muss ich nicht die ganze deutsche Regierung kennen
Aber das was er in diesem Artikel gesagt hat, finde ich äusserst beachtenswert.
--
simba
schorsch
schorsch
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Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von schorsch
als Antwort auf niederrhein vom 25.09.2008, 00:43:08
Was ich seit Jahrzehnten predige: Der Wert aller Wertpapiere - inklusive Banknoten - basiert auf dem Glauben des Volkes, dass dieses und jenes Papier so und so viele Brotlaibe wert sei! Wenn dann eine grosse Anzahl dieses Volkes nicht mehr daran glaubt, dann fallen die Papierwerte ins Bodenlose!

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schorsch
dutchweepee
dutchweepee
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Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf schorsch vom 25.09.2008, 10:15:40
schorsch

das hast nicht nur du gesagt - lies einfach mal Karl Marx "das Kapital" und dort vom fetischwert des geldes. interessant sind auch seinen ausführungen zu den gesetzmäßigen zyklischen krisen des kapitalismus. warum staunen eigentlich immer alle, wenn´s passiert?

schorsch
schorsch
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Re: Hinweis auf einen Kommentar von Norbert Blüm
geschrieben von schorsch
als Antwort auf simba vom 25.09.2008, 10:08:23
Norbert Blüm? Das ist doch der Kleine mit dem grossen Wissen um die Zusammenhänge der Wirtschaft und der Politik. Falls du über 30 Jahre alt bis, dann müsstest du ihn doch mindestens mal in einer Show gesehen und gehört haben. Denn auch nach vielen Jahren der Politik-Abstinenz ist er immer noch ein gefragter Gast ins solchen Shows. Das weiss sogar das kleine Schwizerli Schorsch!

--
schorsch

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