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Aktuelle Themen Liebesnester und Gerichtsverfahren

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Liebesnester und Gerichtsverfahren
geschrieben von EmilWachkopp
Na, ich will auch wiederum nicht übertreiben. Der Rechtsontologe Hubert Krach hätte mir sicher so oder so freigeboxt. Vor Gericht, mein ich.

Aber seine Idee war gar nicht so dumm, und sein Plädoyer war schon lange vor der Gerichtsverhandlung fertig. Er wollte sich auf das EU-Gesetz berufen, das doppelte Bestrafung untersagt. „Das hohe Gericht kann meinen Mandanten, Herrn Emil von Wachkopp, nicht erst verurteilen und damit bis auf die Knochen blamieren, und ihn obendrein auch noch in den Knast schmeißen! Hier gilt es sich zu entscheiden. Entweder wirft das Gericht meinen Mandanten ohne Urteil – als Alternative: nach einem Freispruch – in den Kerker, was aber den Menschenrechten – und insbesondere Emils Rechten – widerspricht. Oder aber das hohe Gericht verurteilt ihn und lässt ihn sodann laufen. Eine dritte Alternative gibt es nicht!! – Hääärch!“ Und eine kleine gelbe Schwefelwolke entstieg dem Munde meines Verteidigers.

Na, ich hätte gern die langen Gesichter des Richters und des Staatsanwalts sehen mögen. Aber dann kam doch alles anders, denn es stellte sich – selbst zu meiner Überraschung, muss ich zugeben – heraus, dass ich unschuldig war. Ich hatte zwar in der dunklen Scheune des senilen Bauers Fiete Wuchter, die im ganzen Dorf als „Liebesnest“ verschrien war, aller Wahrscheinlichkeit nach etwas mit der Frau Dorfschlachterin gehabt. Aber wenn, dann in dem gutem Glauben, dass nicht sie es war, sondern eine andere Frau. Selbst konnte ich dazu keine konkrete Aussage machen, weil es in der Scheune doch so stockduster war, dass ich nicht sehen konnte, wer da was mit wem getrieben haben soll. Als ich das dem Richter vortrug, zeigte er mir einen Vogel und sagte – an meinen Anwalt gewandt: „Ihr Mandant hat ja eine Mattscheibe!“ „Sag ich doch“, zischte es aus Hubert Krachs Mund. „Sag ich doch immer. Härrhärrhärr. Ich werde im Notfall auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Aber Ihnen, Frau Schlachterin, werden wir eine Anzeige wegen Verführung unterbelichteter Rotzlöffel anhängen! – Häärch!“ Und wieder stieß er eine gelbe Schwefelwolke aus, wobei er sich mit seiner entblößten dunkelblauen Zunge die obere Reihe seiner schauderhaft gelben Zähne kurz ableckte. Gerade so als hätte er sich soeben eine leckere Mahlzeit einverleibt. Hier empfand ich das unwiderstehliche Bedürfnis, meinem Verteidiger zu widersprechen: „Ich bin nicht behämmert! Ich hab nur eben keine Katzenaugen. Deshalb ist das!“

Die Blicke, die der Richter und meine Anwalt miteinander austauschten, verrieten mir, dass zumindest in ihrem psychologischen Urteil über mich schon mal völlige Übereinstimmung herrschte. Aber sie konnten diese Eintracht nicht lange genießen, denn nun kreischte plötzlich die Schlachterin los: „Es ist doch gar nicht sicher, dass Emil es war!!“
„Hohooo!“ grölte Hubert Krach und fuchtelte mit seinem Spazierstock wild in der Luft herum. Und vor lauter Freude stieß er eine dermaßen große Schwefelwolke aus, dass die Fenster des Gerichtssaals geöffnet werden mussten. Sonst hätten wir auch noch das Husten gekriegt. „Ich meine: Gesehen hab ich Emil ja nicht. Weil es doch so dunkel war in der Scheune. Und wie er sich anfühlt … Nun ja, da müsste ich zum Vergleich … Aber das lässt sich vor Gericht vielleicht gar nicht arrangieren …., nümm ich mal an.“
Wieder tauschten Richter und Anwalt Blicke aus. Blicke, die zu fragen schienen: „Gibt es denn in dem Dorf nur Beknackte?“ „Mannomann! Vom Altersunterschied einmal abgesehen, wären Sie das perfekte Paar“, sagte der Richter, an mich und die Schlachterin gewandt. Es folgte sodann mein Freispruch (ohne Gefängnisstrafe); aber der kam jetzt nicht mehr ganz unerwartet.

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