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Aktuelle Themen Muss mal Dampf ablassen

luchs35
luchs35
Mitglied

Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von luchs35
Heute Morgen muss ich erst mal Dampf ablassen, obwohl ich weiss, gegen meine Stinkwut gibt es kaum ein Mittel.
Gestern Abend sah ich einen Dokumentarfilm über das Elend der Müllkinder und ihrer Familien in Manila. Wer diesen Film auch sah, weiss, warum ich nur schlecht schlafen konnte, was allerdings auch nichts bringt.
Kinder jeden Alters, die ihre Familien mit ernähren, indem sie in Müllhalden und Abwässern nach dem suchen, was andere wegwerfen: Büchsen und Flaschen, die ein paar Cent bringen, oder nach anderen Dingen, die noch irgendwie brauchbar sind für den Eigenbedarf.
Auf jede Müllladung warten rund 10 000 Kinder aller Altersgruppen, die sich auf den stinkenden Müll stürzen und nach Brauchbarem suchen. Magere, verschmutzte, kranke Kinder, die von ihren grossen Hoffnungen erzählten, dass sie einmal Lehrer , Arzt oder einen andern Beruf erlernen wollen...es sei denn, dass sie wenigstens mal eine Schule besuchen können, was allerdings sich die wenigsten leisten können. Kinder ,die voller Hoffnung in die Welt blicken, obwohl es kaum Hoffnung für sie gibt.

Den einzigen Hoffnungsschimmer bringt ihnen Pater Ben, der mit Hilfe von Spenden aus aller Welt in Manila eine Schule speziell für jene Kinder errichtet, die sich einen Schulbesuch sonst nicht leisten können, der nebenbei auch für die Behandlung der oft von dem Leben im Müll erkrankten Kinder sorgt, ein Held, der keiner sein will, ein Mensch, von dem keiner spricht.

Und dann wird mir wieder bewusst, dass für die "armen Banken" und ihre Spekulationsverluste 700 Milliarden Dollar ausgegeben werden sollen!
Die Irak- und Afghanistankriege kosteten bislang 800 Milliarden Dollar.

Am UNO- Entwicklungsgipfel kamen gerade mal - weltweit - 16 Milliarden zusammen mit dem Vermerk, dass man von den Milleniumszielen weit entfernt sei.

Alles scheint wichtiger zu sein, und währenddessen verhungern pro Minute 6 Kinder, weltweit "verrecken" buchstäblich rund 10,6 Millionen Kinder unter 5 Jahren jährlich an Hunger und Infektionskrankheiten.

Alles nicht Neues, was wir da hinnehmen. Aber wie gesagt, ich musste einfach mal meiner Wut Luft machen!
--
luchsi35
pucki
pucki
Mitglied

Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von pucki
als Antwort auf luchs35 vom 28.09.2008, 09:40:23
--Ja, liebe Luchsi, ich kann Deine Schlaflosigkeit nachvollziehen.
Heute Morgen las ich in der Hör-Zu einen Beitrag : Kinder dieser Welt!
Es ist furchtbar, unter welchen Verhältnissen Kinder aufwachsen.

Nur ein Beispiel unter vielen:
Zitat aus der Hör-Zu:
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Skandalöse Zustände wie in dieser chinesichen Kohlenmine, wo schon
Sechsjährige schwere Körbe schleppen, sind keine Ausnahme. Laut
"Terre des hommes" sind weltweit 327 Millionen Kinder erwerbstätig. 210
Millionen von ihnen schuften sogar mehrere Stunden täglich auf Feldern,
in stickigen Fabriken und Steinbrüchen oder als Diamantenschleifer.

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Nur, ändern werden wir es nicht können , aber Menschen unterstützen,
die sich für diese Kinder einsetzen.

pucki
Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pucki vom 28.09.2008, 09:51:05
Liebe luchsi, das ist furchtbar was diese Kinder u. es gibt so viele davon Hunger u. Not erleiden müssen, u. wenn man so etwas am Abend sieht, kann man mit Sicherheit nicht einschlafen.Und es ist sehr bewundenswert wie diese noch so viel Hoffnung u. Vertrauen in diese sehr kalt gewordene Welt haben.Es wäre sehr schön wenn kein Kind mehr Hunger u. Not verspüren müsste. sullaika

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miriam
miriam
Mitglied

Re: Das dramatische Problem des Welthungers
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 28.09.2008, 10:12:59
Da es um das Thema Welthunger geht – das wichtigste und m.E. auch das dramatischste in unserer Zeit, möchte ich hier nochmals Jean Ziegler erwähnen, den Schweizer Politiker und Soziologen der bis zum Frühjahr dieses Jahres UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung gewesen ist.

Jean Ziegler gab in April 2006 dem Journalisten Gert Scobel ein Interview welches ich von meiner Videoaufnahme in Textform übertragen habe. (Die Version die man beim gugeln findet, stammt ebenfalls von mir.)

Gert Scobel befragt Jean Ziegler u.a. zu seinem Buch "Das Imperium der Schande" (2005).

Gert Scobel: Wenn ich es richtig weiß, stammt der Begriff "Imperium der Schande" von Benjamin Franklin – was meinen Sie damit?

Jean Ziegler: Benjamin Franklin war einer der Hauptakteure der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung am 4.7.1776 und schon damals, Ende de 18. Jahrhunderts - heute ist es viel schlimmer – redete er von einem Imperium der Schande, nämlich von einer Welt in der einige wenige unglaublich viel verdienen und wo die Mehrheit der Menschen im Elend, in der permanenten Unterernährung, in Verzweiflung und Erniedrigung lebt – und er hat gesagt, dass dieses Imperium eines der Schande ist.
Franklin war Zeitgenosse von Kant – und dieser sagte, dass die Unmenschlichkeit die einem anderen angetan wird, die Menschlichkeit in mir zerstört. In dieser Situation befinden wir uns heute.

G.S.: Sie sagen ja – und sind dabei nicht der einzige – wir hätten genug um wirklich 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Erstens: wieso ist das so und zweitens: warum machen wir es dann nicht?

J.Z.: Sie haben absolut Recht. 100.000 Menschen sterben täglich an Hunger oder an seinem unmittelbaren Folgen, alle 5 Sekunden ist ein Kind unter 10 Jahren im letztem Jahr verhungert . 856 Millionen Menschen auf diesem Planeten, also jeder sechste ist permanent schwerstens unterernährt und der selbe Food Report, der die Hungerzahlen, die Opferzahlen nennt, sagt, dass die Weltlandwirtschaft so wie sie heute ist, ohne Probleme 12 Milliarden Menschen, das bedeutet praktisch das Doppelte der heutigen Weltbevölkerung, ernähren könnte.
Das heißt, dass ein Kind welches vor Hunger stirbt, heute, jetzt, in diesem Moment wo wir reden. ermordet wird. Es gibt keine Fatalität.

Warum das so ist, haben Sie mich gefragt. So eindeutig der Hungertod ist - und leider sehe ich den ständig auf meinen UNO-Missionen, vor ein paar Wochen im Süden von Somalia, vorher in Bangladesch, auf den Hochplateaus von Guatemala – also so eindeutig die physiologische, unglaublich schmerzhafte Zerstörung eines Menschenkörpers durch Hunger ist, so vieldeutig und komplex sind die Kausalitäten.

Ich kann nur einige davon nennen. Zum Beispiel: die EU-Agrarpolitik – letztes Jahr haben die Industrienationen dieser Welt, vor allem die EU, 349 Milliarden Dollar, das bedeutet fast eine Milliarde Dollar pro Tag, für den Export und die Produktionssubventionen bezahlt. Das heißt: wenn Sie heute auf einem Markt sind, z.B. auf einen südafrikanischen, nehmen wir mal den größten westafrikanischen Markt Sandakan in Dakar, da können Sie französisches, portugiesisches, italienisches Gemüse oder Früchte zur Hälfte des Preises der Inlandsprodukte kaufen. Das bedeutet, dass ein afrikanischer Bauer (37 der 53 afrikanischen Staaten sind reine Agrarstaaten), das heißt also, dass ein afrikanischer Bauer der sich zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern 15 Stunden am Tag unter brennender Sonne abrackert, nicht die geringste Chance hat an einen menschwürdigen Existenzminimum zu kommen. Doch es gibt auch noch andere Gründe.

(Fortsetzung folgt)


--
miriam
miriam
miriam
Mitglied

Re: Das dramatische Problem des Welthungers
geschrieben von miriam
als Antwort auf miriam vom 28.09.2008, 11:11:59
Zweiter Teil des Interviews von Gert Scobel mit Jean Ziegler:

G.S.: Klar, es gibt noch eine Menge anderer Gründe – doch es erklärt schon was wir machen könnten. Wenn die Moral offensichtlich nicht hilft, denn wir alle wissen wie es ist, Sie haben es erklärt und auch andere haben es getan, wenn moralische Appelle nicht helfen, was hilft denn dann? Sind es am Ende nur die Bilanzen, also das man sagt: „Leute, wenn Ihr so weitermacht, dann wird es sehr teuer für Euch". Ist das das einzige was noch hilft?

J.Z.: Also der Film ist ganz großartig, den muss man sehen, weil er Kausalitäten herstellt und auch mein Buch kann vielleicht ein wenig helfen in der analytischen Erfassung der Situation des Imperiums der Schande welches wir erleben.
Aber sicher ist, dass wir alles tun können in einer Demokratie. Es ist absolut falsch was ich so höre nach einer Lesung in Deutschland z.B. Deutschland ist die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, eine unglaublich lebendige Demokratie mit allen Freiheitsrechten - da kann man vieles tun. Man kann z.B. den deutschen Finanzminister beauftragen oder zwingen durch demokratische Mittel, dem Schulden-Moratorium für Brasilien oder andere Drittweltländer, zuzustimmen. Weil die Auslandsverschuldung der 122 Drittweltländer letztes Jahr 2100 Milliarden betrug. Da haben diese Länder überhaupt keine Möglichkeiten – z.B. Brasilien – Investitionen zu machen., als Beispiel im Agrarsektor für die Irrigation, oder Schülerspeisungen zu organisieren. Denn alles geht zu den Gläubigerbanken im Norden und da wird alles aus dieser Schuldenknechtschaft aufgefressen.
Da aber können wir Deutsche, Franzosen, Schweizer verlangen, dass unsere Finanzminister im Weltwährungsfond dafür stimmen, dass diese Schulden wenigstens zum Teil gestrichen werden. Nur so können die Kinder in Brasilien – und das sind 44 Millionen der 186 Brasilianer, die nach Regierungsangaben schwerst permanent unterernährt sind, und wir in Europa wollen, dass diese Kinder eine Chance zum leben haben. In einer Demokratie kann man alles tun um die Welt zu verändern.

G.S.: Kurz zum Schluss noch: auf der einen Seite sagen wir, dass wir den freien Markt wollen. Auf der anderen Seite sagen wir, wir möchten es gerechter verteilen. Freier Markt bedeutet aber nicht es gibt Regeln. Können wir beides haben, auf der einen Seite den freien Markt, auf der anderen Seite die Regulierung?

J.Z.: Das sind schwierige, komplexe Fragen – aber ich kann es einfach, schematisch beantworten. Letztes Jahr haben die 500 größten transkontinentalen Privatkonzerne der Welt 52% des Bruttoweltproduktes kontrolliert. Im Moment wo die Menschheit die Möglichkeit hätte das materielle Glück (denn es bleibt genug Unglück in der Welt: die Lieblosigkeit, der Tod, usw.) also dieses materielle Glück für alle Menschen dieser Welt zu schaffen, genau da findet eine Refeudalisierung des Planeten statt, durch die multinationale Konzerne.
Freien Markt muss es natürlich geben, Banken braucht es, denn das sind wirtschaftliche Instrumente, aber die müssen einer demokratisch formulierten Normativität unterworfen werden, den Menschenrechtsgedanken, dem Solidaritätsgedanken, dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit innerhalb der Länder und zwischen den Völkern.
Das fehlt heute, es herrscht der Djungelkapitalismus, der Raubtierkapitalismus, die reine Willkür der Kosmokraten, der Konzernherren. Hier braucht es einen Aufstand des Gewissens.

G.S.: Herzlichen Dank für das Gespräch, Jean Ziegler, und viel Erfolg für Ihre Mission.


--
miriam
nasti
nasti
Mitglied

Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von nasti
als Antwort auf luchs35 vom 28.09.2008, 09:40:23

Hi Luchsi,

ich habe diese Programm schon von längeren Zeiten gesehen.

…Den einzigen Hoffnungsschimmer bringt ihnen Pater Ben….

Ich bewundere stark diese Pater Ben, er lebt zwischen den Armen, hatte kein Angst gegen mögliche Infizierungen, also ein Heiliger.


Nasti

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carlotta
carlotta
Mitglied

Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von carlotta
als Antwort auf luchs35 vom 28.09.2008, 09:40:23
vielleich haben wir die gleiche sendung gesehen, luchsi. die, die ich meine lief freitag auf 3sat über den hunger in der welt. da durfte indien natürlich nicht fehlen. gezeigt wurde da eine 22jährige frau mit 2kindern. ihr mann hat sich umgebracht wegen horrender schulden. 1200€ wie sich herausgestellt hat. nun arbeitet sie für einen hungerlohn (im wahrsten sinne des wortes), um sich und ihre beiden kinder durchzubringen. warum geht es auf der welt so ungerecht zu? die hoffnungslosigkeit dieser jungen frau hat mich tief betroffen gemacht.
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carlotta
hafel
hafel
Mitglied

Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von hafel
als Antwort auf luchs35 vom 28.09.2008, 09:40:23
Ist unser "Jammern auf höchsten Niveau" nicht dagegen ein Hohn? Ich bin meinem Schicksal sehr dankbar, dass ich auf der richtigen Seite dieser Welt geboren wurde und da leben darf.
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hafel
carlotta
carlotta
Mitglied

Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von carlotta
als Antwort auf hafel vom 28.09.2008, 14:57:57
das bin ich auch hafel. aber zu sagen das ist mir sch...egal, was geht mich das an, würde ich noch viel schrecklicher finden.
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carlotta
luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Muss mal Dampf ablassen
geschrieben von luchs35
als Antwort auf carlotta vom 28.09.2008, 13:54:48
Danke ,Miriam, dass Du das Interview mit Jean Ziegler reingestellt hast. Ich kenne den "einsamen Rufer in der Wüste" aus der Schweiz recht gut und bewundere seine Hartnäckigkeit, wenn es um dieses Thema geht. Was wurde er schon beschimpft, belächelt und verleumdet, und dabei legt er den Zeigefinger unbeirrt auf dieses grausame Kapitel *Hunger*, das mit einer anderen Verteilung vermeidbar wäre.
Wütend macht mich auch meine eigene Hilflosigkeit, wenn ich sehe, dass Spenden gegen diese Not eingesetzt werden müssen und auf der anderen Seite wird das Geld verschleudert für sinnlose Kriege , in denen es doch auch nur darum geht, anderen etwas wegzunehmen - siehe die Ölländer , bei denen die Menschen selbst kaum etwas von diesen Resourcen haben. Man könnte die Klage endlos fortsetzen, aber sie hilft leider nicht beim Umdenken jener, die es in der Hand hätten, etwas zu ändern.
Auch die derzeitige Finanzkrise wird das Elend der Ärmsten noch verschärfen, denn das notwendige Geld fliesst wieder in alle möglichen Kanäle, nur nicht dorthin, wo die Hilfe am dringendsten nötig wäre. Diese Elendschraube dreht sich endlos weiter.

Pucki
Den Artikel über die Kinder in den chinesischen Kohlengruben habe ich auch gelesen, fast zur gleichen Zeit, als von der ersten Mondlandung der Chinesen berichtet wurde. Was mag wohl dieser Spaziergang auf dem Mond gekostet haben? Aber warum sollten die Chinesen als künftige Weltmacht auf Mondausflüge verzichten? Das dient doch der Forschung für eine bessere Welt, koste es, was es wolle ! ( entschuldige meinen Sarkasmus)

Carlotta, das waren zwei verschiedene Filme, die dem Zuschauer an die Nieren gingen. Aber im Prinzip weiss ein jeder um dieses unsägliche Leid, es bräuchte eigentlich die Filme nicht. Doch diese Dokumentationen dienen dazu, aufzurütteln, immer wieder vor Augen zu führen, wie Menschen mit Menschen umgehen und dabei zu hinterfragen, wie weit es die Schuld jedes Einzelnen ist, der die "Raubtiere" füttert, die die Kinder und ihre Zukunft auffressen.

Natürlich hast du Recht, Nasti, Pater Ben ist ein wunderbarer Mensch. Glücklicherweise gibt es viele Menschen wie ihn - nicht nur auf den Philippinen , sondern überall auf der Welt. Und trotzdem sind es viel zu wenige, die ihr bequemes Leben für ein Leben und Mit-Leiden mit den Ärmsten aufgegeben, die all ihre Kraft aufbringen, um Zeichen gegen die Not zu setzen.

Hafel, dann frag dich auch einmal, wieviele der ausgenützten Kinder auch zu deinem Wohlleben beitragen? Oder bist du ganz sicher,dass das Hemd, das du trägst, nicht von einem Kind bearbeitet wurde, das sich davon höchstens eine Handvoll Reis kaufen kann? Und dass deine Katzen besser leben als diese Kinder?
--
luchsi35

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