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Aktuelle Themen Neutralität und Toleranz (Staat und Gesellschaft 1)

yankee
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Re: Dazu ein Anmerkung ...
geschrieben von yankee
als Antwort auf peter25 vom 20.09.2007, 15:42:10
Adam und Peter25

Nicht daß ich hier falsch verstanden werde. Ich bin nicht der Meinung, daß man das Grundgesetz abschafft.
Es ist nach wie vor eins unserer höchsten Errungenschaften und muss dies auch bleiben.
Allerdings angesichts der sich veränderten Verhältnisse in der Welt um uns, die damit steigende Bedrohung unserer Werte, die sich veränderten Möglichkeiten durch den technischen Fortschritt, welche es Fanatikern und sonstigen radikalen Kräften einfacher macht unser GG zu missbrauchen indem Sie es gegen uns verwenden, sollte das GG angepasst werden, indem die Möglichkeit des Missbrauchs eingeschränkt wird.
--
yankee
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Re: Dazu ein Anmerkung ...
geschrieben von yankee
als Antwort auf adam vom 20.09.2007, 15:27:18
Hallo Adam,

möchte noch etwas mehr auf déine Antwort eingehen.
An deinem Beispiel Sikh-Motoradhelm kommt nach meiner Meinung ein Problem ganz klar rüber. Es ist möglich das GG so oder so auszulegen. Man kann dem Richter deshalb auch keinen Vorwurf machen. Es ist also manches im GG nicht so formuliert, daß es eindeutig genug ist. Grundsätzlich bin ich auch sehr vorsichtig mit Änderungen im GG. Was allerdings die Trennung von Staat und Religion anbelangt, so müssen die Prioritäten angesichts der Bedrohung durch Terrorismus klarer definiert werden. Nationalsozialistische Parteien müssten ganz verboten sein, da pfeiff ich auf die Freiheit der politischen Meinung. Ein Gesetz daß im Namen der Freiheit so gut wie alles erlaubt, führt doch zwangsläufig zu Konflikten. Oder sehe ich das ganze zu radikal ?
--
yankee
niederrhein
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Anmerkung zu den vorausgegangenen Beiträgen
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf yankee vom 20.09.2007, 16:14:27
Anmerkung zu den vorausgegangenen Beiträgen


Verfassungsgeschichtlicher Aspekt

Das GG ist gleichsam als "Antwort" auf die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Herrschaft entstanden und manche Hervorhebungen und/oder Eigentümlichkeiten (etwa gegenüber den Verfassungen in anderen Staaten) sind nur unter diesem Aspekt zu verstehen. Die Geschichte der Verfassungsänderungen innerhlab der letzten 50 Jahre zeigt, wie man immer wieder die Verfassung an die neuen Gegebenheiten von Staat und Gesellschaft angepaßt hat.

Ein schönes Beispiel für die "Gebundenheit" der Verfassung an den geschichtlichen Zeitrahmen, innerhalb dessen sie entstanden ist, ist die Frage der Wirtschaftsordnung. Zur Erinnerung: Nach Kriegsende wurde (nicht nur) in Europa der Kapitalismus als Wirtschaftsordnung kritisiert (siehe dazu auch das Ahlener Programm der CDU 1947), linke Parteien und Regierungen waren in Europa zahlreich vertreten. Bei der Debatte um eine Wirtschaftsordnung in der künftigen Verfassung Westdeutschlands klammerte man (d.h. die Parteien) diese Frage aus; die CDU und FDP gingen von der damaligen wirtschaftlichen Realität (eben den weiterhin funktionierenden und vor allem durch die Währungsreform beflügelten Kapitalismus) aus und dachten sich, man könne sich einen entsprechenden Passus im GG sparen, weil ja schon die Entwicklung Fakten geschaffen habe. Die SPD dachte wiederum hingegen, wenn man erst eine Verfassung habe und damit eine gewisse Souveränität, könne man hinterher die Dinge ändern.
Mit der Folge: Immer wieder wurde einerseits betont, daß das GG die Wirtschaftsordnung ofen lasse; die andere Seite meint, daß durch die existierende Verfassungswirklichkeit die verfassungsrechtliche Entscheidung für die kapitalistische Wirtschaftsordnung präjudiziert sei.
Ähnlich ist etwa mit der Sozialstaatsklausel und dem Art 14/Absatz 1 und 2.


Verfassungsrechtlicher Aspekt
Grundsätzlich sind ja die einzelnen Artikel nach ihrer Intention zu unterscheiden: mit klarem Handlungsauftrag oder als Idee oder Wunschvorstellung. Oft geben sie nur einen Rahmen an, dessen Ermessensspielraum wiederum durch weitere Novellierungen und Verordnungen reguliert werden.

Grundsätzlich besteht das Problem zwischen Verfassungsrecht - also der geschriebenen Verfassung - und Verfassungswirklichkeit (also der gesellschaftlichen Wirklichkeit), wobei eben das Bundesverfassungsgericht immer wieder entscheiden muß, ob Gesetze etc. der Verfassung entsprechen oder eben nicht. Daß diese Entscheidungen sowohl unter den jeweiligen Verfassungsrichtern bzw. Instanzen (1. Senat etc.) als auch zwischen dem BVerfG und der jeweiligen Regierung und Öffentlichkeit öfters umstritten sind, liegt in der Natur der Sache. Zudem: Es ist bekannt, daß die verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen Sachverhalte anders verstehen und auslegen.


Die strikte Trennung von Staat und Religion/Kirche - es wurde mehrmals darauf hingewiesen - ist eben aufgrund des geschichtlich gewachsenen Verhältnisses von Kirche und Staat/en hier in Deutschland (und dessen Vorläufern) nicht richtig durchgeführt; mit den entsprechenden Folgen (siehe frühere Beiträge von mir in dieser Beitragskette).

Zitat: Das Grundgesetz muß an einigen Punkten dringend geändert und an die veränderten Verhältnisse und Erfahrungswerte angepasst werden. (yankee)

Darum geht es gebenenfalls ... allerdings sollten sich die verfassungsändernden Instanzen - also jene erforderliche Zweidrittelmehrheit - überlegen, ob und wieweit die Grundrechte eingeschränkt werden. Denn diese gelten eigentlich als sakrosankt.

(Vielleicht erinnern hier einige Mitglieder im ST noch an die Debatte und öffentliche Diskussion um die Wiederbewaffnung der BRD in den frühen 50er Jahren und um die Einführung der Notstandsgesetzgebung 1966 ff.?)

Aus meiner Sicht reicht auch eine Änderung der nationalen Gesetzgebung und Verfassung heute angesichts der europäischen Realität (Reise-, Arbeits- und Wohnfreiheit) nicht mehr aus; solche entscheidenden verfassungsrechtlichen Rahmengesetze müßten europaweit entscheiden und beschlossen werden.

Interessant ist auch die Frage, ob und wie sich die beiden christlichen Kirchen (und die kirchengebundenen Bürger) gegenüber einer völligen Entflechtung von Kirche und Staat stellen würden. (Ich darf an das Buch bzw. dessen Rezension erinnern - Anlaß für meinen Grundbeitrag - , wo ja eben behauptet wurde, daß der christlichen Religion eine Vorrangstellung zukommt.)

B.

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niederrhein
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Literaturhinweis
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf niederrhein vom 20.09.2007, 19:14:22
Nur ein Literaturhinweis (Aus dem Prospekt der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt; Beilage in der aktuellen ZEIT)




yankee
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Re: Anmerkung zu den vorausgegangenen Beiträgen
geschrieben von yankee
als Antwort auf niederrhein vom 20.09.2007, 19:14:22
Also wenn ich das so lese, habe ich fast den Eindruck, als wäre es mit Absicht so formuliert, damit man es anders auslegen kann.
Es ist mir schleierhaft, wenn ich lese:

Das GG ist gleichsam als "Antwort" auf die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Herrschaft entstanden und manche Hervorhebungen und/oder Eigentümlichkeiten (etwa gegenüber den Verfassungen in anderen Staaten) sind nur unter diesem Aspekt zu verstehen.

Wieso ist es denn dann so formuliert das sich eine NPD und gründen kann. Was hat man denn dann aus der Vergangenheit gelernt ?
--
yankee
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Art. 21/ GG
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf yankee vom 21.09.2007, 17:26:02
Also wenn ich das so lese, habe ich fast den Eindruck, als wäre es mit Absicht so formuliert, damit man es anders auslegen kann. [...] Wieso ist es denn dann so formuliert das sich eine NPD und gründen kann. Was hat man denn dann aus der Vergangenheit gelernt? / yankee


Es würde vermutlich das Plenum langweilen, würde man alle jene Punkte (Vergleich Weimarer Verfassung - Grundgesetz) wiederholen, die im jedem guten Geschichts- und/oder Sozialkundebuch einer 10. Klasse aufgelistet sind.

Auch das Internet gibt hier hinreichend Auskunft /Sehr gut: Der Wikipedia-Artikel)

http://community.seniorentreff.de/storage/pic/userbilder/a30f1d57825f100a5a9ba38c76fffe20/berthaskleineklitsche/21591_1_Berthas_Kluge_Kinder.jpg[/img]

Vielleicht der wichtigste Punkt:
Die starke verfassungsrechtliche Verankerung der Parteien in der Verfassungsordnung. (Art. 21/GG)
Solange man nicht anhand konkreter Punkte einer Partei ihre Verfassungswidrigkeit beweisen kann, kann sie [i]per se
nicht verboten werden.


Die Bertha
vom Niederrhein

P.S. Die Webseiten der BReg., BTag,, BVerG., der einzelnen Parteien etc. etc. geben auch Auskunft.

P.P.S. Zu einem bloßen Parteienverbot ... Das bloße Parteienverbot drängt die Anhänger dieses Gedankengutes in den Untergrund, stilisiert sie zu politischen Märtyrern empor und verhindert eigentlich die politische Auseinandersetzung mit diesem Gedankengut. Zudem sollte man sich fragen, wieso Menschen für solches Gedankengut anfällig sind. (Neben dem häufigen Faktor persönlicher Dummheit und Unwissenheit spielen hier auch politisch-gesellschaftliche und sozioökonomische Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle.

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adam
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Re: Art. 21/ GG
geschrieben von adam
als Antwort auf niederrhein vom 23.09.2007, 12:32:21
@niederrhein

Die wichtigste Änderung ist wohl die 5%-Klausel, mit der man verhindern wollte, daß Splitterparteien in das Parlament kommen.

@ yankee

Gib einem Politiker den kleinen Finger und die Hand ist weg! Dies zum Thema Grundrechte.

Zum Parteienverbot: Solange radikale Parteien nicht verboten sind, kann man sie mit politischen Argumenten bekämpfen. Mit einem Verbot erleichter man die Bildung einer politischen Subkultur nur noch, man grenzt aus, die verbotene Clique rückt zusammen und radikalisiert sich noch mehr.


--
adam
yankee
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Re: Art. 21/ GG
geschrieben von yankee
als Antwort auf adam vom 23.09.2007, 12:54:54
Ich habe dazu eine andere Auffassung und Meinung.
Das Gesetz eindeutiger formulieren um die Bildung von rechtsradikalen Parteien und Vereinen zu verhindern kann man doch nicht ernsthaft mit dem Argument begegnen daß man sich dann nicht mehr politisch damit auseinandersetzen kann. Die Freiheit der politischen Meinung bewirkt hier dieselbe Kompensation der eigentlich angestrebten Wirkung wie im Fall des religiösen Fanatismus.
Durch die Gleichstellung auf dieselbe Ebene, neutralisieren sich die Gesetze zur Sicherheit und Freiheit. Dasselbe Problem wie mit der Religionsfreiheit.
Fragt sich halt nur, welches Gut uns höher ist.
Mit Toleranz hat dies nichts zu tun, denn ich kann ja einen Mord auch nicht tolerieren nur weil der Mörder eine andere Meinung hat.
Ich muss allerdings zugeben, daß der Einwand von Adam für mich schon Gewicht hat, wenn er sagt, das Gesetz reicht aus, es muss nur konsequenter angewandt werden. Wenn dies zutrifft, müsste es da eventuell nur eindeutiger sein um es dann auch konsequenter anzuwenden ?
--
yankee

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