Forum Allgemeine Themen Aktuelle Themen Nicht nur in Zusammenhang mit dem 3. Oktober - Die Frage nach den politischen Mythen

Aktuelle Themen Nicht nur in Zusammenhang mit dem 3. Oktober - Die Frage nach den politischen Mythen

Re: Im Anfang war der Mythos ....
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf niederrhein vom 04.10.2007, 06:20:52
Danke für deine Antwort, Bertha. Auch habe ich mich noch gar nicht für deine anderen sehr interessanten Beiträge und Links bedankt.
Ich muss aber jetzt doch etwas zu Peter Tepe richtigstellen, damit kein falsches Bild entsteht. Ich hatte ja schon am Anfang geschrieben, dass ich mich beschränken muss, weil das Thema viel zu komplex ist,um es in kurzen Forenbeiträgen ausreichend zu behandeln, deshalb habe ich mich nur auf einige Fragen von dir konzentriert, zumal sie mich, die ich ich zwar im humanistischen Erbe erzogen wurde und mich ihm auch verpflichtet weiß, aber leider keine „griechisch-lateinische Muttersprachlerin“ bin, besonders interessieren. Außerdem hattest du den Thread begonnen mit der Frage nach den „politischen Mythen“, deshalb habe ich mich eher auf die aktuelle Relevanz des Begriffs konzentriert.
Tepe hat den Begriff Mythos in seinen Vorlesungen, die im Rahmen der Literaturwissenschaft stattfanden, nicht vom Urspung abgelöst, das war, wie gesagt, mein Werk in dieser Diskussion.
Er hat die Vorlesung begonnen, indem er sehr systematisch die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Mythos erläutert hat. Zum Beispiel Bedeutung 1: „Mythos/Mythe = Erzählungen von Göttern, Heroen und anderen Gestalten und Geschehnissen aus vorgeschichtlicher Zeit“. Bedeutung 2: „Mythologie = Gesamtheit der Götter- und Heldengeschichten eines Volks bzw. einer Kultur, also der Mythen gemäß Bedeutung 1“. So geht es weiter bis zu Bedeutung 73, jede davon ist genau erläutert. Dies nur zur Richtigstellung.
Ich stelle mal seinen Link hier ein, da findest du unter „Allgemeines/Dokumentationen/Tepe-Texte“ einiges von ihm, außerdem einige andere interessante Links.

Du schreibst: „Abgelöst wurde der Mythos durch den Logos, durch das begriffliche Denken“. Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann. Denn die Mythen leben in allen Religionen und anderen Weltauffassungen weiter und werden nie ganz abgeschafft werden. Ich würde eher sagen: sie wurden ergänzt durch den Logos. Ich persönlich würde es übrigens für eine Verkürzung halten, wenn man die Mythen völlig ausschließt und der Logos alleine herrschen würde, das fänd ich einfach langweilig und phantasielos, ehrlich gesagt.

Noch interessanter fand ich übrigens Tepes Vorlesungen unter dem Thema „Ideologie und Illusion“, die zum Teil ähnliche Elemente enthielten und in denen ich viel gelernt habe z.B. über den Aufbau von Feindbildern, die innerhalb bestimmter Ideologien gezielt gesteuert werden, weil auch sie eine Funktion haben, ähnlich wie die Mythen.
Aber das ist ein anderes interessantes Thema, vielleicht können wir das auch irgendwann einmal diskutieren.

--
marina
niederrhein
niederrhein
Mitglied

Re: Im Anfang war der Mythos ....
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.10.2007, 10:19:01
[...] deshalb habe ich mich eher auf die aktuelle Relevanz des Begriffs konzentriert [...] Ich hatte es durchaus auch aktuell gemeint - eben im Hinblick auf die Mythen der Wiedervereinigung, die laufend gestrickt werden! [...] „Abgelöst wurde der Mythos durch den Logos, durch das begriffliche Denken“. Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann. Das kann man wissenschaftstheoretisch bzw. -geschichtlich schon sagen. Aber Mythen als Geschichten, die nicht der wissenschaftlichen Verifikation bedürfen, existieren ja weiter. Wie Du ja auch schreibst ... Denn die Mythen leben in allen Religionen und anderen Weltauffassungen weiter und werden nie ganz abgeschafft werden. Und hier habe ich lächeln müssen: Ich würde eher sagen: sie wurden ergänzt durch den Logos. Denn genau wollte ich ursprünglich schreiben ... [...]
„Ideologie und Illusion“, die zum Teil ähnliche Elemente enthielten [...] So sehe ich das durchaus, wobei Ideologien instrumentellen Charakter haben. [...] weil auch sie eine - eben eine andere (sic!) - Funktion haben, ähnlich wie die Mythen. [...] marina


Logos steht für das logische Denken, das ja aber nicht alle Formen der (zwischen)menschlichen Kommunikation, für alle Wahrnehmungen steht. Das Schöne und vieles andere mehr erschließt sich nicht durch Logik ... (Wie heißt es im Kleinen Prinzen: Le coeur a ses raisons que la raison ne connâit point.


Schönen Gruß

Die Bertha
vom Niederrhein
Re: Im Anfang war der Mythos ....
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf niederrhein vom 04.10.2007, 21:48:57
Le coeur a ses raisons que la raison ne connâit point.

Das war ein schöner Schlusssatz(?), Bertha, der so ungefähr das ausdrückt, was ich meinte. Übrigens bin ich Dir besonders dankbar, dass Du nicht den anderen abgelatschten Spruch von St.-Ex benutzt hast (ich brauche ihn sicher nicht zu zitieren).
Dass Du Mythen auch nicht aus dem Leben ausschließen möchtest, hätte ich mir eigentlich ohnehin denken können, hast Du doch selber einen neuen geschaffen mit Deiner Insel. Ob das allerdings ein wünschenswerter wäre? Ich wage es zu bezweifeln. Irgendwie kommt mir dabei das Sartre-Stück „Geschlossene Gesellschaft“ in den Sinn mit dem Ausspruch: „Die Hölle, das sind die anderen. )

Einen schönen goldenen Oktobertag wünscht
--Marina, die bestimmt heute noch eine lange Wanderung macht.

P.S. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Freude an einer Diskussion im ST. Endlich mal eine, die nicht durch Störmanöver ad absurdum geführt wurde.
Danke nochmal für das Thema und Deine interessanten Beiträge nicht nur an dieser Stelle, sondern überhaupt.

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