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EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Nie jemand das Appitur verhunzen!
geschrieben von EmilWachkopp
Das ist … Das war … Ich hatte doch damals … Aber nicht mit Absicht!!! Und zwar schon deshalb nicht, weil Emil sowas niemals mit Absicht tun würde. Emil nicht!!!

Außer in Notwehr. Denn vielleicht schon ehrer mal.

Eigentlich wollte ich dieses Bekenntnis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ablegen. Sondern erst in meinem Testament. Das ist, weil mir die Sache doch so peinlich ist.

Ich hab nümlich damals – gestehe ich ganz kleinlaut – der Goldhamster ihr Appitur verhunzt.

Na ja, verhunzt.

Sag mal: Büschen mitschuldig war ich

Nicht gänzlich unschuldig war ich.

Ich war eine aktive Nebenfigur im globalen Geschehen; eine Ameise im Universum quasi: so drückt man das wull ans Beste aus.

Aber die Olivia Hansmann, die hatte auch viel Schuld. Die war mir gegenüber nümlich immer büschen klobig. Die hat mir so manchmal aus das Gleichgewicht geworfen.

Aber jetzt seh ich gerade, dass auf meine Aufzeichnungen auch nicht immer voll Verlass ist. Ich kann doch die Appiturprüfung nicht 85 Mal gemacht haben! Achtmal, das schon ehrer. Aber 85 Mal! Denn wäre ich ja erst als 104-Jähriger Appiturianist geworden. So ein Müll! Das muss ein Tippsfehler sein.

Ich hätte zwar auch als Hundertvierjähriger noch runde 30 Jahre voll arbeiten können. Aber das Problem wäre: Die stellen doch so alte Knacken gar nicht ein. Wo die Jungen schon an allen Ecken und Enden rumlungern. Da kann ich doch nicht mit dem Krückstock angewatschelt kommen, um eine Leerstelle zu erbetteln!

Nicht mal als Laufbursche.

Höchstens ohne Gehalt.

Aber darauf hätte ich mir nicht eingelassen, weil ich doch eine richtige Arbeit haben wollte. Eine mit Bombengehalt. Wie jeder andre es ja auch hat.

80 Pfennig die Stunde für leichte Arbeit, 1.20 die Stunde für Schwerstarbeit. Unter dem war bei Emil damals nichts! Mit einem staatssubventionierten Eurovisionstaler am Tag hätte man bei Emil gar nicht landen können. Unanständige Angebote lässt er konsequent abblitzen. Da ist Emil eisern.

Ich schweife ab, merk ich gerade. Ich war nümlich damals nicht 104 sondern … Ja, das weiß ich gar nicht mal so genau, weil ins Alter der Kopp doch immer schon gehörig abflaut. Jeden Tag büschen mehr. Wenn ich Pech hab, weiß ich morgen schon nicht mehr, was ich heute hier geschrieben habe. Schlimm ist das!

Jedenfalls hatten wir Reifeprüfung in Mathemetrik (oder so ähnlich). Ich erinnere noch, dass mein Kopp so überhitzt war, dass mir heißer Dampf so heftig aus den Ohren düste, dass es immerzu pfiff. Wie ein Dampfkessel. Als ich gerade denke: „Gleich knallen mir da oben alle Sicherungen durch.“, da knuffte mir die Olivia Hansmann von links in die Rippen und motzte: „Emil, du Trantüte, wach endlich auf! Hier – weitergeben.“
Hübsch war sie, die Hansmann, aber mir gegenüber immer büschen klobig. Damals schon.

Emil ist ein Mensch mit festen Prinzipien. Der gibt nicht etwas weiter, von dem er nicht genau weiß, was es ist. Es könnte ja eine hausgemachte Bombe sein. Und gerade die Hansmann: die hatten so’n büschen den Gudrun-Ensslinblick. Also entfaltete ich den Zettel, den Hansmann mir zugesteckt hatte, um ihn erst einmal genau zu studieren. Ich weiß noch haargenau, was ich damals dachte: „Sieh an“, dachte ich, „da schickt dir der Himmel durch die Botin Hansmann die Lösungen der Rechenaufgaben. Hosanna in excelsis!“
Und zu Hansmann flüsterte ich: „Danke, Hansmannsche.“
„Weitergeben“, zischte sie böse, „der ist nicht für dich.“

Ich wusste ja auch, dass der Schummelzettel für Goldhamster bestimmt war, denn sie hasste die Mathedramatik – oder wie das Ding heißt – wie die schwarze Pest. Und dass er von Justitia –die wir so nannten, weil sie mit einem Juristen verheiratet war – kam, war auch klar wie Klosterbrühe. Die war nümlich ein Ass ins Rechnen, und außerdem drehte sie immer gern mal ein krummes Ding.

Das hatte sie wahrscheinlich von ihrem Mann geerbt.

Oder von ihrer Mutter.

Die Mutter von Justitia war damals eine außergewöhnlich geschickte Geldfälscherin. Na, ich sag nur: Kein Wunder, dass die Alte immer so gut bei Kasse war. Ich weiß das alles deshalb, weil ich sie damals doch mal angepumpt hab. Als ich mein eigenes Geld verplempert hatte und mein älterer Bruder, der Geizknüppel, mir nicht schon wieder was geben wollte. Deshalb war das. Im jugendlichen Überschwank war das.
„Bezahl erst mal deine alten Schulden ab!“ flotzte mein Bruder mich an.
Da herrschte im Heim des Muttchen von Justitia aber ein ganz anderer Ton:
„Wie viel benötigst denn, Emilchen?“
„Zweihundert.“
„Nicht mehr?“
„Nein, ehrer weniger. --- Na ja, Zwanzigtausend wären natürlich auch nicht zu verachten. Wenn Sie mir so viel leihen könnten.“
„Leihen? So eine lächerliche Summe? Emilchen, die schenk ich dir.“ Und sie fummelte zwanzig Tausender aus dem Kleiderschrank, der bis zum Dach mit Geldscheinen vollgepfropft war.

Als ich den ersten Tausender im großstädtischen Rummel- und Tummelviertel, St. Pauli, verjubelt hatte, griff mich die Polizei. „Wumm!!“ flog die Zellentür auf der Wache ins Schloss. Und ich musste brummen, bis meine Unschuld bewiesen war.
Woher sollte ich denn in meiner jugendlichen Naivität wissen, dass die schönen Scheine gefälscht waren? Na ja, ein ganzer Schrank voller Geldscheine: büschen merkwürdig kann man das schon finden. Bei genauer Überlegung. Das sehe ich heute, wo ich büschen reifer in Kopp bin, ja auch schon ein. Aber da sich die Begebenheit noch vor der „Rentenreform“ zutrug, sah ich keinen Grund für irgendeinen Verdacht.

Der Schein der Lampe machte mich fast blind und die scharfen Fragen trafen mich wie Messerstiche: „Woher haben Sie alle die gefälschten Scheine?“
Ich konnte doch das ältliche Muttchen der Justitia nicht reinreißen, wo die immer so nett zu mir war.
„Die hab ich ausgegraben.“
„Soso, ausgegraben! Und woher wussten Sie, wo die eingegraben waren?“
„Weil ich gesehen habe, wie jemand sie eingegraben hat.“
„Und woher wussten Sie, dass gerade dort, wo Sie sich befanden, jemand Geld vergraben würde?“
„Für sowas hab ich quasi einen sechsten Sinn. Wie ein Magnet zieht es mich immer zu solchen Plätzen hin.“
„Und warum sind Sie nicht sofort zur Polizei gegangen, als Sie das Geld ausgegraben hatten?“
„Das war, weil die Scheine doch nichts Ungesetzliches verzapft hatten. Schließlich haben nicht die Geldscheine einen Menschen vergraben, sondern ein Mensch hat die Scheine vergraben. --- Den Gräber hätte ich mir grabschen und zur Polizei tragen müssen --- Aber darauf bin ich zu spät gekommen. Da war er schon futsch.“
Ich wurde dann – als relativ unterbelichtet eingestuft – mit einem Tritt in den Ar…, in die Schwanzfedern, nach Hause entlassen. Aber das Geld war ich los.

Ich schweife schon wieder ab. Aber das ist auch viel deshalb, weil die Geschichte ohne Abschweifungen viel zu kurz werden würde: Höchstens 8 Worte. Außerdem sind die Abschweifungen – find ich – viel interessanter als die Geschichte. Oder mehr literaturwissenschaftlich ausgedrückt: der Kraut- und Rübenmüll, in dem das Thema eingebettet liegt, ist interessanter als das Thema.

Ich konnte nu ja nicht beigehen und die Ergebnisse einfach vom Schummelzettel abschreiben. So komplizierte Operationen in Kopp hätte mir niemand zugetraut. Deshalb musste ich alles selber nochmal durchrechnen. Stimmten meine Ergebnisse mit denen vom Schummelzettel überein, ließ ich sie stehen. Wichen sie ab, fing ich noch einmal von vorn an. Sobald ich fertig war, stieß ich dem Hansen zu meiner Rechten eins in die Seite und zischte ihn an: „Weitergeben!“ Im gleichen Augenblick bimmelte die Glocke und wir mussten abgeben.

Ich verpiss… Ich verdrückte mich erst mal für 16 Stunden auf die Herrentoilette, wo Hansmann, Justitia und Goldhamster keinen Zutritt hatten. Dann schlich ich auf leisen Sohlen durch den stockfinsteren Korridor bis an das Fenster. Sie waren immer noch da. Im Schein der Straßenlaterne gingen alle drei auf und ab. Jede mit einem Knüppel bewaffnet.

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