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Aktuelle Themen Solidarische Hilflosigkeit

luchs35
luchs35
Mitglied

Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von luchs35
Solidarität: Grundprinzip des menschlichen Zusammenlebens.


Der Soziologe Alfred Vierkandt definierte Solidarität folgendermassen:
"Solidarität ist die Gesinnung einer Gemeinschaft mit starker innerer Verbundenheit, bedeutet auch Zusammengehörigkeitsgefühl, das praktisch werden kann und soll!" (Quelle Wikipedia)

Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht zur Solidarität aufgerufen werde. Solidarität mit den Hungrigen, den Misshandelten, Gefolterten, den unter Kriegen leidenden, den Streikenden, den Milchbauern, Tibetanern..etc., man kann es beliebig fortsetzen.
Sich solidarisch erklären und damit Gemeinsamkeit demonstrieren , zeigen, dass der Einzelne nichts ist im Gefüge der Macht und dass wir nur zusammen stark sind, einmal nicht nur an sich selbst denken.

Doch ist "Solidarität" nicht inzwischen zu einer Worthülse geworden, beliebig einsetzbar? Ein Lippenbekenntnis, das das schlechte Gewissen beruhigen soll? Eine Worthülse der Hilflosigkeit gegenüber Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen, Kriegsdrohungen, Hungerkatastrophen?

Jene, die dagegen wirklich eingreifen und etwas erreichen könnten, zeigen sich nicht solidarisch.

Was nützt es, wenn wir vor einer Kirche eine Mahnwache aufstellen , um den Tibetern Solidarität zu zeigen? Acht Leute haben sich bereit dafür erklärt, sonst war das Echo eher zaghaft.
Was haben die Hungrigen davon, wenn man - wie von kirchlicher Seite aufgefordert- an einem Tag im Jahr nur ein Teller Suppe mit Brötchen gegessen wird?
Nun wollen die Milchbauern für ihre Erzeugnisse einige Cent mehr haben und drohen mit Streik, indem sie ihre Milchprodukte nicht an die Geschäfte ausliefern wollen. Nützt gar nichts, bekommen sie zu hören, man ist vorbereitet, holt sich die Produkte vom Ausland.
Das sind jetzt nur einige Beispiele.

Wer mit wachen Augen die Wandlung unserer Gesellschaft sieht, wird begreifen, dass Signale gesetzt werden müssen.
Die Verarmung der Bevölkerung (weltweit) schreitet rasant voran, die "Strippenzieher " des Raubtierkapitalismus haben jede Hemmung und Beziehung zu den Menschen "da unten" verloren, sehen nur noch ihren eigenen Profit, koste es,was es wolle.
Politiker sehen machtlos und ohne Visionen zu, wie jene, die sie vertreten sollen, im Sog nach unten mitgerissen werden.

Vielleicht bekommt ja das Wort "Solidarität" bald wieder ein ganz neue Bedeutung. In der Blütezeit des Wohlstandes wurde es gerne weggeschoben.

Oder wie seht ihr diese ganze Entwicklung?
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luchsi35
Re: Solidarisches "Im-Kleinen-Beginnen"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf luchs35 vom 17.04.2008, 16:46:54
Wenn jeder in seinem "kleinen" Umfeld damit beginnen würde, das Wissen darum, wie er/sie selbst gern behandelt werden möchte bzw. dies sogar einfordert, am Nächsten "auszuleben", würde schon eine leise Veränderung in Gang gesetzt, indem wir den Mut zum Trotzdem im Heute zur Tat werden lassen.


--
gitana
wolfgang38
wolfgang38
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von wolfgang38
als Antwort auf luchs35 vom 17.04.2008, 16:46:54
Kein Zweifel, wir leben in einer Ellbogengesellschaft, in der sich jeder selbst der Nächste ist. Täglich kann man es in den verschiedensten Situationen beobachten, ob im Straßenverkehr, im Supermarkt oder bei irgendwelchen Veranstaltungen.
Die Solidarität mit den Schwächeren - Gott sei Dank gibt es sie noch - spielt sich oft im Verborgenen ab.
Gestern beobachtete ich in der überfüllten Straßenbahn, wie ein behinderter Mann mit zwei Krücken mühsam versuchte, das Gleichgewicht zu halten, während die Sitzplätze weitgehend von jungen, gesunden Menschen besetzt waren, die gelangweilt vor sich hin starrten.
Als dann in der Nähe des Mannes (ich stand weiter weg) ein Sitzplatz frei wurde, drängte sich eine junge Dame, die ein paar Zentimeter näher an dem frei gewordenen Sitz gestanden hatte, vor und nahm genüsslich dort Platz. Niemand sagte etwas, auch der behinderte Mann nicht.
Obwohl ich selbst etwa 5 Meter weiter weg stand, drängte es mich innerlich, mich einzuschalten. Dabei erinnerte ich mich, dass ich schon einmal Solidarität mit zwei älteren Damen gezeigt hatte, die von einem jungen Türken angepöbelt worden waren. Damals war ich von dem jungen Mann als „Dreckiges deutsches Nazischwein“ bezeichnet worden, und er hatte mir drohend sein Messer gezeigt, ohne allerdings zuzustechen. Der Fahrer der Bahn, dem ich von dem Vorfall berichtete, riet mir, mich in einem solchen Fall besser nicht einzumischen.
Meine Erfahrung hat gezeichnet, dass man, wenn man sich einmischt, um einem Schwächeren zur Hilfe zu kommen, kaum mit der Solidarität anderer rechnen kann.

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wolfgang

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susannchen
susannchen
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von susannchen
als Antwort auf wolfgang38 vom 17.04.2008, 18:52:30
@Wolfgang
Du beschreibst das sehr wirklichkeitsnah, in der Tat ist es leider so.

Meiner Meinung nach ist es ein Generationenproblem, die antiautoritären Erziehungsmethoden heute,sind daran erheblich beteiligt.
--
susannchen
pharaox
pharaox
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von pharaox
als Antwort auf susannchen vom 17.04.2008, 18:58:54
Dem kann ich nur zustimmen,

wenn ein Jugendlicher in seinem ganzen bisherigen Leben keine Grenzen aufgezeigt bekommt, werden solche Vorgänge zur Normalität und die Auswirkungen, die Wolfgang ganz wirklichkeitsnah beschrieben hat führen dann zu solchen Taten, wie in der Münchner U- Bahn. Wenn das gut sein soll, weiss ich nichts zu sagen. Ohne eine gewisse Autorität und das Kennen der Regeln des menschlichen Zusammenlebens geht es eben nicht.

pharaox
heinzdieter
heinzdieter
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von heinzdieter
als Antwort auf pharaox vom 17.04.2008, 19:46:00
Leider ist nun einmal so und wird es unter den jetzigen Vorausetzungen immer so bleben.

Pöbeleien, wie sie von [i]Wolfgang38[/i] erlebt und beschrieben wurden, wiederholen sich tagtäglich im Verborgenen.

Ab und zu wird so eine aggresive Handlung veröffentlich und dann natürlich, von der Bevölkerung angeheizt durch die Presse, ausgeschlachtet.

Aber welche Maßnahmen zur Verhinderung solcher Aggressionen beleidigender oder auch körperverletzender Art stehen uns - dem Staat -
zur Verfügung ?

Diese Maßnahmen müssen in jedem Fall rückfallverhindernt sein;
und das ist eineabschreckende Bestrafung .
Wenn nun eimal ein Richter durchgreift und ein hartes Urteil ausspricht, ja dann ist das Geschrei in der Öffentlich wieder groß. Wenn kann man nur so hart urteilen ?
Warum wurde dem noch jungen Täter keine zweite Chance eingeräumt?

Wir drehen uns somit im Kreis und müssen die Realität so akzeptieren oder: ( Können wir über unseren eigenen Schatten springen).

Leider

--
heinzdieter

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luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von luchs35
als Antwort auf heinzdieter vom 18.04.2008, 06:39:01


Doch ist "Solidarität" nicht inzwischen zu einer Worthülse geworden, beliebig einsetzbar? Ein Lippenbekenntnis, das das schlechte Gewissen beruhigen soll? Eine Worthülse der Hilflosigkeit gegenüber Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen, Kriegsdrohungen, Hungerkatastrophen?


Die Antworten zu dem Thread triften vom Thema ab, obwohl - wie es Wolfgang erwähnte- auch das Wegsehen in alltäglichen Beobachtungen beinhaltet.

--
luchsi35
senhora
senhora
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von senhora
als Antwort auf luchs35 vom 17.04.2008, 16:46:54
Der Kapitalismus hat derzeit Hochkonjunktur und seine Werte, sind die Werte der Gesellschaft. Das scheint ein Widerspruch zu sein, denn Werte wie, Leistung, Konkurrenz, Gewinn und Wachstum , passen nicht so recht mit humanistischen Grundwerten (Freiheit, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Solidarität) zusammen. Derzeit werden Egoismus, Konkurrenz und Gier gesetzlich gefördert. Mitgefühl, Solidarität und Verantwortung kommen zu kurz und so schwächen wir die zivile Gesellschaft.

senhora
pea
pea
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von pea
als Antwort auf luchs35 vom 17.04.2008, 16:46:54
Vielleicht bekommt ja das Wort "Solidarität" bald wieder ein ganz neue Bedeutung. In der Blütezeit des Wohlstandes wurde es gerne weggeschoben.
geschrieben von luchsi35




Welche Formen der Solidarität schweben Dir denn da vor?

In einer Gesellschaft in der Eigenverantwortung
das Schlagwort ist -
insbesonders für Sachverhalte,
die der Einzelne überhaupt nicht zu verantworten hat.



--
pea
luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Solidarische Hilflosigkeit
geschrieben von luchs35
als Antwort auf pea vom 18.04.2008, 13:17:11
Pea, Rezepte für Solitarität in den sich stetig und rasch wechselnden Zukunftsaussichten kann auch ich nicht geben, aber vielleicht ein kleiner Blick auf das, was heute machbar ist.
Solidarität sehe ich nicht einfach als ein Wort, das schon beruhigt, wenn man es ausspricht, für mich steht dahinter auch das "Tun"!

Ein paar Beispiele , die beliebig erweiterbar sind, aber selbstverständlich nicht von jedem machbar sind

* ehrenamtliche Mitarbeit in sozialen Einrichtungen
* Menschen, die sich trotz Bedrohung für Menschenrechte einsetzen
* Arbeitnehmer, die gemeinsam ihre Arbeit aus Solidarität mit
Massenentlassungen bedrohten Kollegen niederlegen
* Menschen, die nicht einfach die Tür schliessen, wenn es um Hilfe für in
Not geratene Mitbürger geht
* Gründern und Mitarbeitern von Tafeln, die eine Anlaufstelle
für Hungrige sind
* jeder Kleinrentner oder Mindestverdiener, der noch einen Euro für
noch Bedürftigere übrig hat
* Menschen wie Karlheinz Böhm

Es gibt noch vieles , das Solidarität ausdrücken kann und sich nicht mit Kerzen anzünden, Fähnchen schwenken ,Reden halten etc. erschöpft.

Im übrigen weiss ich selbst, dass meine Wünsche diesbezüglich naiv sind.Das ist es ja, was ich meinte mit der "solidarischen Hilflosigkeit" des Einzelnen, der nur in einer solidarischen Gemeinschaft stark sein kann.


--
luchsi35

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