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Aktuelle Themen Studieren oder den Hermann machen?

EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Studieren oder den Hermann machen?
geschrieben von EmilWachkopp
Das ist … ich dachte … Ich wollte doch eigentlich in dies Forum nicht schon wieder Tamtam machen. Weil ich doch von Natur aus immer ehrer büschen scheu bin. Außerdem soll in dies Forum nicht geschrieben sondern gelesen werden.

Aber ich melde mir hier büschen vorsichtig zu Worte, weil ich immer wieder mal danach gefragt werde, ob ich denn auch mal was studiert oder ob ich meinen Lebtag immer nur den Hermann gemacht habe. Haarscharf genommen lässt sich eigentlich Beides perfekt kombinieren. Na ja, wenn uns an einer exakten Wortwahl gelegen ist: vielleicht nicht den Hermann, aber den Larry. Der Larry lässt sich immer gut machen, wenn man sich Student heißt, ohne es eigentlich zu sein. Ein nichtstudierender Student quasi.
Aber um auf die Frage zu antworten: Ja, ich habe mal studiert. Aber frag mir nicht wo, wie der Schuppen hieß, weil das nümlich meinem Gedächtnis entflutscht ist. Und das ist, weil doch ins Alter der Kopf immer schon mal gehörig abflaut.

Da, wo ich studiert habe, das war irgendwas mit Musiksanatorium – oder vielleicht auch Musikkrematorium. Ich glaube mir zu erinnern, dass das in Schweppingen gewesen ist. Falls es so einen Ort überhaupt gibt und wenn es in dem Kaff ein Musiksanatorium gab. Wenn nümlich nicht, denn kann es nicht Schweppingen gewesen sein.
Schlimm ist das, wenn einem der Kopp so abflaut.

Jedenfalls: Da hab ich studiert. Musik müsste das ja demnach gewesen sein.

Eigentlich komisch, weil ich doch immer gedacht hab, ich hätt damals Psychologie und Philosophie und Geschichtswissenschaft und noch irgendeinen Klöterkram studiert. Kann ich denn das alles gleichzeitig gemacht haben?

Jedenfalls: Ich erinnere mir deshalb nicht mehr so genau, weil ins Alter der Kopp doch immer schon garstig abflaut. Jeden Tag büschen mehr. Aber das kann auch ein wenig deshalb sein, weil ich doch damals so schwer gesoffen hab. Falls ich hier ganz offen sein muss. Meist Bier und auf Kreide. In einer Studentenkneipe am Borgweg. Von da konnte man im Notfall nach Hause krabbeln, weil das Studentenheim fast gleich nebenan war. Die Bauherren hatten offenbar an alles gedacht.
Ich weiß noch: schräg gegenüber von die Studentenkneipe war noch eine Kaschemme. Aber da ging es, nach meinem Geschmack, ein klein wenig zu wild zu. Jeden Abend fanden da zwischen fünf und zehn Hauereien statt und die Gläser flogen durch die Luft. Dann waren schließlich nicht mehr genügend heile Gläser da und zwei und zwei (manchmal gar drei und drei) mussten denn immer aus demselben Glas gurgeln.

Jedenfalls: Das Rumballern war damals fester Bestandteil des studentischen Seins. Dem konnte sich keiner ungestraft entziehen.

Höchsten mit ärztlichem Attest. Denn vielleicht schon ehrer mal.

Na ja, ein kleiner Unterschied zwischen Studentinnen und Studenten lag schon vor. Sag mal: eine Studentin wurde im nüchternen Zustand ertappt. Dann wurde sie zwar gerügt, aber vorerst immer noch als bedingt gesellschaftsfähig eingestuft. Und sie brauchte eigentlich nur Besserung geloben. Schriftlich, mit beglaubigter Unterschrift und alles. Aber bei Studenten war das strenger. Als sie mir nümlich mal nüchtern in einer Imbissstube erwischten, wurde ich sofort garstig von die Seite her angepflaumt. Und das schon früh morgens um Fittel vor einer Halbsechs mal Vier!

Ich wurde nur deshalb nicht unverzüglich vons Studium ausgeschlossen, weil ich zwei leidlich zurechnungsfähige Zeugen auftreiben konnte (was gar nicht so leicht war), die schriftlich zu bestätigten imstande waren, mich im Schnitt dreimal in der Woche im Studentenheim rumtorkeln gesehen zu haben. Sie erinnerten sogar noch, wie ich über einen Tisch gestolpert und den voll umgerissen hatte. Das hat mir Studienplatz und Ansehen gerettet.

Na ja, wo das heute verjährt ist, kann ich das wull schon kleckerweise büschen zugeben. Das war auch viel Schummel meinerseits. Ich wollte doch nicht mein ganzes Geld mit Kübeln verjuxen, bloß um büschen Ruhm und soziales Ansehen zu erlangen. Deshalb hab ich meist nur so getan als wie wenn ich sternhagelbesoffen war. Torkeln konnte ich ohnehin schon sehr gut. Paar Liter abgestandenes Bier auf meine Adelsklamotten gespritzt; wegen den richtigen Geruch. Und meine Adelsperücke stülpte ich mir schief oder sogar verkehrt rum auf den Kopf, so dass ich gar nichts mehr sehen konnte. Das war da, wo ich tatsächlich einmal über einen Tisch gestolpert bin. Der ging sofort in Brüche. „Wachkopp!“ kreischte die Theologiestudentin Benedictine Maria von Böllerstamm: „Hat unser Herr dir denn keine Augen in den Kopf gesetzt?“ „Doch“, lallte ich wahrheitsgetreu, „aber er hat mir keine Gebrauchsanweisung beigelegt.“

Wie ich denn überhaupt ans Musikobservatorium angenommen werden konnte, wollen jetzt die Leser(innen) wissen. Das war… Das war doch damals noch nicht so streng wie heute. Man machte eine Aufnahmeprüfung. Und wenn man die bestand, konnte man, im Rahmen der verfügbaren Studienplätze und mit büschen Sott, angenommen werden. Wenn man die Prüfung aber nicht bestand, hatte man einen sicheren Platz: als Härtefall. Und ich war damals der härteste Härtefall, den es in Europa jemals gegeben hat. Ich konnte mir doch – Hungerkünstlerstudent, der ich damals war – nur eine gebrauchte und schon dreimal geflickte Fiedel erlauben. Ich hatte sie einem Arbeitskollegen beim Otto-Versand, dem Packer Nini, abgekauft. Der war ein Hungerhaken aus Italien, der jeden Pfennig gebrauchen konnte. Na ja, ich wollte ihn eben büschen unterstützen. Deshalb kaufte ich ihm die Kratzkiste ab.

Ich brauchte während der Aufnahmeprüfung nicht lange spielen. Nicht mal eine viertel Minute. „Halt ein! Halt ein!“ jammerte Professor Wolfgang Zartmoos. „Das klingt ja schauderhafter als spitze Fingernägel auf einer Metallplatte.“ Das Kollegium zog sich aber trotzdem zur Beratung zurück. Dann wurde das Gutachten vorgetragen. Ich müsste mindestens 90 Jahre lang tagtäglich üben. („Am besten allein und in einem schalldichten Raum.“) Aber selbst dann wäre es nicht sicher, dass ich für ein Studium am Musikkrematorium qualifizierte. Möglich? Wenn ein Wunder eintrifft: ja. Aber sicher? Keinesfalls.

Es gibt keinen schlimmeren Härtefall, als wenn man seine Traumausbildung erst im Alter von 109 Jahren antreten darf. Denn so alt wäre ich dann gewesen.
Na ja, unter normalen Umständen hätte mir das nichts ausgemacht. Wenn das ein anderes Studium gewesen wäre. Aber Musik? Ins Alter können die Finger steif und langsamer werden. Ich konnte doch aber, wenn ich bei die Berliner Philharmonikers spielen würde, nicht immer eine halbe Stunde hinter das ganze Orchester hinterherhinken! Alle sind schon fertig, bloß ich muss noch an die fünfhundert Taktstriche wegkratzen.
Das geht doch nicht. Das Publikum könnte ungeduldig werden.

Also wurde mir, als härtester Härtefall in der menschlichen Geschichte, ein Studienplatz reserviert.

Gerecht wurde ich in dem Schuppen nicht behandelt. Nee, das kann man nicht sagen. Es gab vieles, worüber ich lauthals hätte jammern können. Wenn ich nicht von so stoischer Natur gewesen wäre. Nur meinem Tagebuch vertraute ich nachts unter der Bettdecke meinen Kummer an. Aber stoisch, d.h. nicht allzu jaulig.

Zun Beispiel: Alle anderen dudelten der ganzen Gruppe vor. Danach wurde deren Dudelei analysiert und beurteilt. Manchmal wurden Verbesserungsvorschläge gemacht. Nur mir allein war es verboten, mir zu äußern. „Halt Stopp! Halten Sie ein, o‘ Wachköpfen. Ihre Aufgabe ist das Rezipieren, nicht das Diskutieren“, pflegte Professor Zartmoos zu nörgeln.

Nein, ich musste immer allein, in völliger Isolation quasi, meinen Senf runterkratzen. Kaum hatte ich, nach einer unbekannten Anzahl von Initialpatzern, den ersten richtigen Ton getroffen, schaute Professor Zartmoos auch schon auf seine goldene Taschenuhr und sagte: „Ach Herrjeh, jetzt muss ich aber eilen. Ich habe doch eine wichtige Besprechung. Und Sie, Wachköpfchen …. Kratz… Spielen Sie inzwischen nur munter weiter. Übung macht bekanntlich den Meister.“ Und dann raste er aus dem Zimmer wie einer, der sich jeden Augenblick in die Hose machen muss.

Gerecht war es nicht, dass ich nicht der Gruppe vorkratzen durfte. Das hätte meinen Kumpelitonen und Kumpelitoninnen Auftrieb gegeben.

Fortsetzung folgt.
Ampelia1008
Ampelia1008
Mitglied

Re: Studieren oder den Hermann machen?
geschrieben von Ampelia1008
als Antwort auf EmilWachkopp vom 03.11.2011, 01:12:26
eine supergeschichte

bin auf die fortsetzung gespannt

lg ampelia
Gustli
Gustli
Mitglied

Re: Studieren oder den Hermann machen?
geschrieben von Gustli
als Antwort auf Ampelia1008 vom 03.11.2011, 08:14:55
Na holla die Waldfeee - super spannend geschrieben und so manch wahrer Kern drinnen!
EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Re: Studieren oder den Hermann machen?
geschrieben von EmilWachkopp
als Antwort auf Gustli vom 04.11.2011, 14:22:19
Die zweite Folge kommt. Ich muss sie mir nur noch ausd... Nein, was schreibe ich denn da! Ich muss in einigen Dokumenten nachforschen, um sie wahrheitsgetreu rekonstruieren zu können. "Ausdenken" - das klingt ja so, als würde ich hier erfundene Geschichten servieren.

Manchmal überlege ich mir, ob ich nicht meine strengen Wahrheitsansprüche etwas lockern sollte um mich der Methode zu bedienen, mit der man Dokumentarfilme dreht: "Diese Geschichte hat entfernte Berührungspunkte mit irgendeiner Wahrheit (die mir allerdings nicht bekannt ist)."

Ja, hier im Forum würde das wahrscheinlich gehen. Alle würde ja verstehen. Aber Fernsehgucker werden immer leicht mal unsicher, wenn man ihnen keine "absoluten Wahrheiten" auftischt.

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