Forum Allgemeine Themen Aktuelle Themen Themenrunde "Sterbehilfe"

Aktuelle Themen Themenrunde "Sterbehilfe"

Re: Themenrunde
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf musikerin vom 11.06.2007, 10:01:36
musikerin schrieb am 11.06.2007 um 10.01:

> Palliativmedizin ist meiner Ansicht nach (auch unter Berücksichtigung aller anderen Aspekte, die von Berta aufgeführt wurden), die einzig humane Lösung und wird uns Menschen gerecht. Mir ist klar, dass die Palliativmedizin möglicherweise auch lebensverkürzend (Morphium) ist, aber es gewährleistet dem Menschen ein lebenswertes, würdiges Leben bis zum Tod und niemand (Arzt, Pflegepersonal, Angehörige) muss mit seinem vielleicht schlechten Gewissen leben.
>

So ist es, musikerin: Der (übrigens seltene) Wunsch nach aktiver Sterbehilfe besteht in den meisten Fällen doch nur deshalb, weil es in der palliativ - medizinischen Versorgung und im Hospizwesen noch gravierende Mängel gibt. Diese Mängel gilt es zu beseitigen, dann erledigt sich das Thema "aktive Sterbehilfe" praktisch von selbst.

--
ursula
simba
simba
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von simba
als Antwort auf musikerin vom 11.06.2007, 10:01:36
Auch ich bin für Palliativmedizin und gegen Sterbehilfe - aber auch gegen unsinnig lebensverlängernde Massnahmen, wenns eh keine Hilfe mehr gibt. Ungefähr eine oder zwei Wochen vor ihrem Tod bat mich meine Mutter, ich solle den Arzt fragen ob er "etwas hätte" damit sie schneller sterben könne... Im Krankenhaus hätte man ihr vielleicht mit Medikamenten gezielter helfen können (ich meine palliativ) aber sie wollte lieber zu Hause bleiben. Der Hausarzt kümmerte sich sehr drum ihr die letzten Tage zu erleichtern, wofür ich ihm heut noch dankbar bin..
--
simba
gutgelaunt
gutgelaunt
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von gutgelaunt
als Antwort auf musikerin vom 11.06.2007, 10:01:36
Hallo Musikerin;
in deinem Beitrag ist m.E. doch der Kernsatz enthalten;..."..gewährleistet dem Menschen ein lebenswertes, würdiges Leben bis zum Tod.."
...wenn dem Rechnung getragen würde, dann erübrigt sich m.E. sogar fast eine Patientenverfügung.
Wäre dann nur noch zu klären.., was bedeutet ein "lebenswertes" und "würdiges" Leben in unserer Gesellschaft.

gutgelaunt

Anzeige

schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von schorsch
als Antwort auf gutgelaunt vom 11.06.2007, 12:09:57
Was lebenswert ist hängt davon ab, wer dies beurteilt: Der Kranke möchte vielleicht endlich gehen können; seine Kinder möchten ihn noch lange haben; ein Arzt möchte seine neue Methode noch fertig ausprobieren; ein Chrirurg wartet mit Ungeduld darauf, "Ersatzteile" aus dem Körper des Kranken zu bekommen......
--
schorsch
gutgelaunt
gutgelaunt
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von gutgelaunt
als Antwort auf schorsch vom 11.06.2007, 16:22:59
na´schorsch,
da haste aber wohl deine Brille vergessen, gell?.Es geht hier eindeutig um Patienten, die z.B. irreversibel erkrankt und den Tod vor Augen haben und nun das "STERBEN" nicht unaufhaltsam verlängert wissen möchten.

gutgelaunt
eleonore
eleonore
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von eleonore
als Antwort auf schorsch vom 11.06.2007, 16:22:59
@schorsch,

ich hab trotz kind und sonstiges, immer wieder gearbeitet.
in krankenhaus wo ich meine urlaubs,-mutterzeit und sonstige vertretungen gemacht habe, wurde eine dame eingeliefert,bzw. sie kam auf eigene füße rein.
1981 war das, und sie sollte an eine aneurysma operiert werden.

(Das Aneurysma ist eine spindel- oder sackförmige, lokalisierte, permanente Erweiterung des Querschnitts von arteriellen Blutgefäßen in Folge angeborener oder erworbener Wandveränderungen.wiki)

nach alle untersuchungen, wie angiographie, usw. waren die prognosen sehr gut, das ding war an eine gut erreichbare stelle in gehirn, und es war auch keine wichtige bereich in nähe.
sie machte noch scherze, über ihre bevorstehende eingriff, plante nach ihre entlassung eine lange seereise, mit ihren mann.

ironie des schicksals, die operation ist gut verlaufen, aber sie wachte aus der narkose nicht mehr auf.
summa summarum, wir zogen 1989 aus der stadt weg, aufs land, und sie lag immer noch in spital.
angeschlossen an unzählige, lebenserhaltende maschinen.
die hübsche und lebenslusitge dame, war ein merkwürdige wesen geworden, schläuche hier und da.
ihre familie unternahm alles, um sie zurückzuholen, ohne erfolg.
sie holten ihr wasser aus lourdes, usw.

als ich 1990 aus andere gründe mal in klinik war, hörte ich, das sie nach ein beinahe 10 jährige, ich kann nicht beurteilen, ob es ein leidensweg war, verstorben ist.
wieviel sie wahrgenommen hat?? keine ahnung.

ich könnte jetzt ganz pragmatisch auf die kosten von diesen wahnsinn hinweisen, sie wurde aus der intensiv station irgendwann verlegt, aber die maschinen mussten mit.
was die familie durchgemacht hat, kann man nur erahnen.
zumal sie mehrfach für hirntot erklärt wurde, aber trotzdem ebenso mehrmals reanimiert.

sie war nach ihre narkose nicht einmal 1 secunde wach.nie mehr.
sie durfte aber nicht sterben, schon gar nicht in würde.
kann man das noch als *lebenswert* bezeichnen?

--
eleonore

Anzeige

luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von luchs35
als Antwort auf eleonore vom 11.06.2007, 17:26:20
Das ,liebe Eleonore, ist zwar ein ganz tragischer Fall, aber genau hier würde die in Deutschland höchstens angedachte, in Schweiz praktizierte, legale Sterbehilfe nicht greifen. Denn sie sieht vor, dass der sterbewillige, unheilbar Kranke und jeder Lebensqualität beraubte Mensch bei vollen geistigen Kräften über seinen Tod selbst entscheiden muss. Es darf ihm dabei nur insoweit geholfen werden,als die entsprechenden Substanzen zur Verfügung gestellt und die korrekte Einnahme ,die er ebenfalls selbst durchführen muss, gewährleistet wird. Es ist also ein überwachter und begleiteter Suizid.
In deinem geschilderten Fall wäre keine gesetzliche Grundlage vorhanden und könnte nicht ausgeführt werden.
Hier hätte eine Patientenverfügung die Handhabe, dass beispielsweise Apparate zur Beatmung abgestellt oder andere lebensverlängernde Massnahmen unterbleiben müssen. Hier tun sich vielerorts die Àrzte noch schwer. Also müsste auch gesetzlich geregelt werden, dass Patientenverfügungen berücksichtigt werden. Und das ist selbst in der Schweiz noch von Arzt zu Arzt verschieden. Nicht jeder akzeptiert diesen Wunsch.

Hier bleibt nur die Palliativmedizin, also die lindernde Fürsorge, übrig, die dem Patienten so weit als möglich eine gewisse Lebensqualität sichert, evtl. auch durch Medikamente, die als Nebenwirkung die Lebensdauer verkürzen könnten.
Nach den enormen Kosten darf allerdings nicht gefragt werden!

--
luchsi35
musikerin
musikerin
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von musikerin
als Antwort auf luchs35 vom 11.06.2007, 21:29:44
Um es vorweg zu nehmen: Ich möchte niemandem zu nahe treten. Mir kamen nur beim lesen der Postings noch ein paar Gedanken hierzu.

Wie viel und ob überhaupt ein Mensch etwas wahrnimmt, wenn er im Koma liegt, wissen wir nicht. Möglich, dass er nichts wahrnimmt. Möglich ist aber auch, dass er bei vertrauten Stimmen oder Berührungen sich geborgen fühlt.

Es ist wohl unzweifelhaft, dass es für die Angehörigen sehr schwer zu ertragen ist, wenn sie einen ihnen nahe stehenden geliebten Menschen leiden sehen. Ich habe mir die Frage gestellt, könnte ICH einem mir vertrautem Menschen eine Spritze geben, um ihn zu „erlösen“? Möchte ich wirklich IHN erlösen oder doch eher mich, weil ICH es nicht mehr ertragen kann?

Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass die Sterbehilfe ein Thema bei uns Menschen geworden ist? Will der Sterbende niemandem „zur Last“ fallen? Wollen die Angehörigen dem Tod nicht in die Augen sehen? Warum wird Sterben und Tod in unserer Gesellschaft plötzlich so negativ gesehen, dass es möglichst im Verborgenen passieren sollte und man schnell „davon ab“ kommen möchte? Warum dürfen die wenigstens Menschen zuhause sterben, obwohl es ihr größter Wunsch ist? Warum werden Trauernde gemieden, warum lässt man sie allein? Ist für die Menschen nur noch Erfolg, Dynamik, Fun lebenswert?

Was bedeutet ein lebenswertes und würdiges Leben bis zum Tod? Das kann nur jeder für sich individuell beantworten.
Für mich will ich nur ein paar (für andere vielleicht banale) Beispiele geben: Bei älteren Frauen kommt es schon mal vor, dass plötzlich Haare im Gesicht sprießen, wo sie nicht erwünscht sind. Sie werden entfernt. Ich möchte, sollte ich einmal schwerstpflegebedürftig oder sterbenskrank sein und mein Ende auf Erden absehbar, dass man mir diese Haare genauso entfernt, wie ich es nun tue. Ich möchte rasierte Achselhöhlen haben und gut frisierte Kopfhaare. Ich möchte gepflegte Füße und Fußnägel und ebenso natürlich Fingernägel haben. All das gehört zu MEINER Würde.
Unter „lebenswert“ stelle ich mir folgendes vor: Selbstverständlich als erstes nur erträgliche Schmerzen. Aufgrund der heutigen Medizin ist das machbar. Ich selbst bestimme, was für MICH erträglich ist. Für den Fall, dass ich noch geistig klar bei Verstand bin, wünsche ich mir viele Gespräche mit verschiedenen Menschen, die ICH mir aussuche. Dabei sollte der Humor nie zu kurz kommen. Natürlich auch Berührungen. Berührungen, die mich nicht „festhalten“, sondern mich „tragen“. Niemand soll seine Hand AUF meine Hand, sondern sie UNTER meine Hand legen. Ich möchte nicht wie ein kleines Kind oder wie geisteskrank behandelt werden. Sollte ich nicht mehr bei vollem Bewusstsein sein, wünsche ihr mir anstatt der Gespräche, Erzählungen. Ich möchte über den aktuellen Tag informiert werden. Ich wünsche mir Regional- und Weltnachrichten. Ich könnte diese Aufzählung noch weiterführen, aber ich will es dabei bewenden lassen.

Nun kann ich mir vorstellen, dass einige denken: Wer soll das denn alles tun können oder gar müssen? Wer zahlt die Kosten etc.

Meine Antwort: Es bedarf bei allen pflegenden Einrichtungen, wie Altenheime, Pflegeheime, Hospize, ehrenamtliche Mitarbeiter. Wie hier auch schon geschrieben wurde, gibt es in vielen Hospizen noch gravierende Mängel. Einiger dieser Mängel sind meines Erachtens nur mit ehrenamtlichen Mitarbeitern abzustellen. Das Pflegepersonal dort steht ebenso unter Druck, wie in den vielen Altenheimen.
Die Großfamilien, wo noch 3-4 Generationen unter einem Dach lebten, gibt es nicht mehr. Sie können nur durch ehrenamtliche Mitarbeiter ersetzt werden.

Lasst uns das Sterben und den Tod wieder in unser Leben hinein nehmen und es nicht verbannen oder vorzeitig beenden. Ich sage ein entschiedenes „NEIN“ zur Sterbehilfe.


--
musikerin
chris
chris
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von chris
als Antwort auf musikerin vom 13.06.2007, 00:00:51


Was bedeutet ein lebenswertes und würdiges Leben bis zum Tod? Das kann nur jeder für sich individuell beantworten.

-.-.-.-.-.

Musikerin,

ich bin froh, dass wir über das Thema reden werden. Wünschenswert wäre es für mich,
wenn die Ärzte die Patientenverfügungen anerkennen. Ich habe mit meinem Sohn schon
lange abgeklärt, was mein Wunsch ist und was nicht.

Die Frage, was lebenswert ist und was nicht, die muss sicher jeder für sich beantworten.

Aus einem Fall im Familienkreis weiss ich, was es heisst eine Angehörige 14 J. im
Koma liegen zu sehen. Kommentare dazu erspart mir bitte.

Sterben gehört für uns alle dazu, den einen trifft es früher den anderen später!

Ich wünsche uns heute Abend eine rege Diskussion, ich weiss, die beiden Moderatorinnen
Luchsi35 und Eleonore haben sich gut vorbereitet.


--
chris
nasti
nasti
Mitglied

Re: Themenrunde
geschrieben von nasti
als Antwort auf chris vom 13.06.2007, 07:19:45

In meine jungen Jahre und auch jetzt halte ich über Paragraphen und allerlei Zwang Gesetze und Institutionen wenig, fast gar nichts.
Mein einziger Bruder war 38, hatte Zucker Krankheit und lag in Krankenhaus beim sterben mit Nieren und Herz versagen, war fast blind und drohte Ihm eine Beine Amputation.
Er könnte nur mich bei sich ertragen als Gast, ich jammerte nie. Er war immer total bei sich, sein Gehirn arbeitete sehr klar.
Vor ca. 1 Woche bevor er starb bat mich, sollte Ihm ersparen die Grausamkeiten mit Beine Amputation und Blindheit und ewige schmerzen, und sollte ich Ihm mit eine Pistole abknallen. Er sagte mir die Adresse eines Mannes welcher besitzt ein Revolver, gab mir Geld zum kauf, und ich führte das alles durch. Ich nahm die Pistole in eine Tasche mit nach Krankenhaus, zeigte Ihm und versprach für Ihn die Hilfe, dass ich das nicht zulasse die weitere Grausamkeiten. Und ich war auch überzeugt, dass ich das durchführen kann.
Mein Bruder ist plötzlich so glücklich geworden, er lachte wegen alle Kleinigkeiten wie früher, war immer bestens gelaunt, er lebte noch 3 Tage, und während einer Infusion ist er friedlich lächelnd gestorben in Schlaf.
Ob die Infusion nicht tödlich war? Der Chefarzt war ein sehr cleverer Man, hat mir vielleicht erspart die Mühe mein eigenen Bruder erschossen. Für Ihn, der Chefarzt war die Frage Leben und Tod ganz nahe, man sah das in Gesicht direkt. Seine eigene Frau hat Ihre gemeinsame Tochter in einem erweiterten Selbstsuizid zum tote gespritzt, während Sie ist gerettet worden. Sie war eine Kinder Ärztin und dürfte weiter praktizieren. Das alles spielte sich ab in Südslowakei, wo die Gesetze sind nicht so brutal befolgt, es gibt immer noch Selbstjustiz und alle mögliche menschliche Verhaltens ohne das Gesetzt so krankhaft zu respektieren oder akzeptieren.

Einmal vor 35 Jahren fahren wir mit EC Richtung Bukarest. Inzwischen ist ein Pest oder so eine Krankheit ausgebrochen, der ganze IC war Zwangs geräumt, da kamen Polizisten und Soldaten mit Maschinen Gewähre, wir sollten den IC verlassen. Aber nicht mit mir!!! Ich blieb, ich sagte Sie dürfen mich erschossen an der stelle. An der grenzen alle im Zug gebliebene müssten wir aussteigen.
Zum meiner großen Überraschung sind wir ganze 5 Leute geblieben von der hunderten aus IC, und alles aus diesem Stadt, wo ich geboren bin. Sie kamen aus verschiedenen Wagons raus , und wir haben uns noch nie gesehen, oder gekannt. Nur gesagt, in diesem Gebiet wo ich geboren bin sind die Menschen bisschen anders, die Gesetze sind für uns nur Wurst, wir machen immer nur das was uns passt.


Anzeige