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Aktuelle Themen Vielleicht informativ?

carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf silhouette vom 28.09.2009, 12:28:26
"Der vielzitierte "Mittelstand", der jetzt von Westerwelle hofiert wurde, wurde in den letzten 20 Jahren von den "großen Volksparteien" systematisch zu Tode geritten, von der Bürokratie, den Steuer-, Kreditvergabe-und Arbeitsgesetzen erstickt. Das sind die kleinen Industriebetriebe, in denen Innovationen entstehen und produziert werden, genau so wie jeder Bauhandwerksbetrieb mit ein paar Arbeitern." silhouette


Noch lebt er. Aber die Lage ist ernst. Deine Ausführungen gefallen mir. In unserem Wahlkreis hat die FdP die SPD als zweitstärkste Partei abgelöst, mit 23%. Wenn ich mir das Milieu ansehe, in dem diese "Profiteure des Neoliberalismus" zu Hause sind, etwa in der Nachbargemeinde oder in Schorndorf, dann sehe ich nicht in erster Linie prächtige Villen mit schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern mit prächtigen Swimming Pools, vielmehr, enge verwinkelte Gassen, Reihenhäuschen, alte Fachwerkhäuser. Handwerker, Winzer, Facharbeiter, kleine Selbständige leben da. Einfache, solide fleißige Menschen, die gewohnt sind anzupacken. Diese Leute sind durch die Bankenkrise verunsichert, haben Angst und ärgern sich. Der Staat ist schnell zur Hand mit Milliarden, wenn es um Rettung von Großbetrieben geht (besonders in Wahlkampfzeiten), um die Kleinen kümmert sich niemand. Ein kleiner Selbständiger klagte kürzlich, so schlimm sei es noch nie gewesen. Nichts komme nach. Dann: Ich wähle nicht mehr CDU, sondern FdP.

FdP, da kommt immer sofort das große Geld ins Spiel. Das Wort Freiheit, persönliche Freiheit, aber scheint in Deutschland keine große Rolle zu spielen. Es ist aber entscheidend wichtig. Für viele ist die Hauptsache ein mächtiger Staat mit der verteilenden Bürokratie, der uns umsorgt, umhegt und pflegt, das Denken abnimmt, der kommt und nach unseren Wünschen fragt und lenkt und steurt, wo er kann. Wie sagte es die Dame Merkel: Der Gesundheitsfonds bleibt. Was sei daran auch schlimm, es werde nur Geld eingesammelt und wieder verteilt. Eben dazu benötigt man jedoch eine riesenhafte Bürokratie. "Ein Volk, eine Herde". Wir haben das Glück erfunden, sagten die Menschen und blinzelten (frei zitiert nach Nietzsches Zarathustra). Das "Glück" ist nur solange da, wie jemand dafür arbeitet, dass die Verteilungsmasse groß genug ist.

Es gibt eine Freiheitstradition in Deutschland. Schorndorf, das untere Remstal, das ich erwähnte, war einst der Ausgangspunkt der Beuernerhebung des Armen Konrad in der Frühneuzeit. Dort wurde Daimler geboren, ein Handwerker und Tüftler, der das erste Auto zusammenbastelte.
c
silhouette
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 29.09.2009, 10:39:01
Oh! Mir scheint, da habe ich etliche neue Freunde bekommen...

In meinem Wahlkreis gibt es in 2-3 Gemeinden eine stark überproportional hohen Anteil an Familien mit "höherem Ausbildungshintergrund" oder solchen, die mit qualifizierten Berufsausbildungsabschlüssen genauso wie die ersteren ihren Lebensunterhalt aus einem großen staatlichen Forschungsunternehmen beziehen.

Eine gute Freundin hat in diesem Landkreis vor über 30 Jahren in einer Studienarbeit während des Praktikums, vor dem Examen als "Volksschullehrerin", herausgefunden, dass in diesen Ortschaften das allgemeine "Niveau" der Grundschulklassen deutlich höher war als in Ortschaften, die von dieser Forschungseinrichtung weit entfernt lagen. Grund: in den "forschungsnahen" Schulen war der Anteil der Kinder aus den besagten Schichten erheblich höher, die Väter wohnten halt in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Und die Kinder, deren Väter dort nicht arbeiteten, wurden von den anderen einfach "mitgezogen".

Ich schweife ab.....

Das waren jedenfalls genau jene Väter, die Willy Brandt verehrten, die beim Barzelschen Misstrauensvotum um die Mittagszeit mit dem Kofferradio zur Kantine gingen, um ja nichts zu verpassen.

So, und die wohnen in ihren Bausparhäuschen immer noch dort. Und der wissenschaftliche Nachwuchs ebenso. Und genau in diesen Orten hat die FDP ein weit überdurchschnittliches Ergebnis eingefahren. Und das Ganze ohne Handwerksbetrieb o.ä. Interessant, nicht?

Thema Schorndorf usw.: Baden-Württemberg war immer die Hochburg der Liberalen.
--
silhouette
gila
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von gila
als Antwort auf niederrhein vom 28.09.2009, 00:37:49
Liebe Bertha,
danke für den sog. "Kuchen".
Sind aber nur die großen Parteien aufgezeichnet.
Wie siehts mit den kleinen aus, z.B. "Piraten-Partei - und und und....
Das erscheint nirgendwo (auch nicht in der Presse), würde aber auch interessant sein.
Ist nur interessehalber - ich hab natürlich die richtige Partei gewählt - lach - und der bleibe ich auch treu, bin aber kein Parteimitglied. Und - gelb (ein schönes sanftes gelb) war schon immer meine Lieblingsfarbe.
herzlichst
--
gila

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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 29.09.2009, 10:39:01
Bei mir im Ort kenne ich auch einige Handwerksbetriebe
mit zwei oder auch mehreren Angestellten.
Die sind ebenfalls FDP-Wähler oder sogar Mitglieder.
Der große Baulöwe am Ort ist bei der CDU.
Es verwunderte mich auch, hat doch ein ehemaliger Kollege
mit entsprechender Bildung und Leistung in seiner Berufslaufbahn
den Weg zur FDP gefunden.
Es sind also Leute, die Leistung brachten oder bringen und auf
sich gestellt Ihr Kapital in den Familienbetrieb einbringen.

Von großen Konzernen ist da nicht die Rede.
--
nordstern
clara
clara
Mitglied

Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von clara
als Antwort auf gila vom 29.09.2009, 16:16:18
Hallo Gila, die Piratenpartei hat 2 Prozent erhalten, und das ist respektabel. Besonders, wenn man bedenkt, dass sie bisher nur einen Programmpunkt bedient, freien, unzensierten Internetzugang nämlich.
Das wird allerdings auf Dauer nicht reichen, um wirklich erfolgreich mitmischen zu können. Aber so, wie ich einige der meist jungen Leute in dieser Partei verstanden habe, machen sie sich darüber schon Gedanken. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es so kommt wie damals mit den Grünen, erst verlacht, heute aus der Parteienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Und Vieles von den anderen Parteien inzwischen übernommen.
--
clara
carlos1
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf silhouette vom 29.09.2009, 12:55:55

"Thema Schorndorf usw.: Baden-Württemberg war immer die Hochburg der Liberalen." silhouette


Aus Schorndorf kam auch der einzige Ministerpräsident eines Landes, der der FdP angehörte. Hochburg der Liberalen heißt nicht - auf diese Festestellung lege ich Wert und deshalb habe ich meinen Beitrag geschrieben - Hochburg des Marktradikalismus und des Yuppietums.

"Eine gute Freundin hat in diesem Landkreis vor über 30 Jahren in einer Studienarbeit während des Praktikums, vor dem Examen als "Volksschullehrerin", herausgefunden, dass in diesen Ortschaften das allgemeine "Niveau" der Grundschulklassen deutlich höher war als in Ortschaften, die von dieser Forschungseinrichtung weit entfernt lagen." silhouette


Ich betrachte das nicht als Abschweifung. Das ist ein ganz zentrales politisches Thema. Ein Hinweis, dass Kinder in sozial unterschiedlichen Familien unterschiedlich gefördert werden. Dies ist leicht feststellbar. Jedoch muss bemerkt werden, dass selbst bei gleichem Einkommen Handwerkerkinder motivierter, fleißiger und weniger unter die Kategorie Null-Bock einzuordnen sind. Die Kinder aus Familien mit sehr hohem Einkommen können oft problematischer sein im Sozialverhalten und Leistung als Kinder aus einfachen Familien.

Der Erfolg der FdP ist zu einem gewissen Grad ihrem Populismus zuzuschreiben und der Tatsache, dass die FdP nicht Regierungspartei war. In griffigen Formeln konnte Westerwelle klar machen, dass der Mittelstand für die Krise über Gebühr zahlen müsse. Das kam an. Subjektiv trifft das zu. Ojektiv für nicht wenige, aber nicht für alle. Es wird allgemein zu viel gejammert in Dtld, allen voran die Ex-DDRler als Oberjammerer. Die Zweifel vieler Bürger am Rettungsplan für Banken und Opel und den Ärger darüber konnte die FdP gut kanalisieren. Gewählt haben FdP 13% Arbeiter und 10% Arbeitslose. Das richtet sich gegen die Profillosigkeit der großen Parteien. Wie jetzt zu sehen ist - beim Hauen und Stechen in der SPD - besteht diese Partei aus vielen Parteien und Grüppchen. Wer hat nachher das Sagen, wenn das Führungspersonal alle anderthalb Jahre ausgetauscht wird? Der Wähler will Klarheit.

Bei der FdP ist das etwas anders. Ihre Wähler sind eine bunte Wählerkoalition, die in dieser Form nur in diesem politischen Kontext auftreten konnte, als bürgerliche Protestpartei. Sie ist ihren 14,6% überbewertet im Stellenwert des Parteienspektrums. Je länger sie regiert, desto mehr wird sie zusammenschmelzen.

Der liberale Gedanke als solcher, die indivduellen Freiheitsrechte der Person und deren Sicherung, die Abwehr überzogener Staatseingriffe, haben als solche nur eine geringe Rolle gespielt. Überzogene fiskalische Staatseingriffe wurden überbetont. Der Wahlkampf hat gezeigt, dass in vielen von uns kleine Westerwelles stecken, die nicht gerne Steuern zahlen. Dieser Aspekt wurde aktiviert, die Härten wurden nicht thematisiert. Genau da beginnt aber die Liberalität. Freiheit heißt immer auch Verantwortung, Verantwortung gegenüber der Wahrheit, auch und besonders soziale Verantwortung.

c

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daddy60
daddy60
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von daddy60
als Antwort auf clara vom 28.09.2009, 20:01:47


Die soziale Mindestabsicherung ist da, das ist ja auch das Mindeste, was ein reicher Staat leisten muss.
--
clara


Relativieren, oder besser hinterfragen wir mal:

Wie reich ist denn dieser Staat, im Verhältnis zu dem was auf der Bundesschuldenuhr angezeigt wird?
Wie ist das Verhältnis vom sekundlichem Gewinn zu sekundlichen Schulden?
--
daddy60
clara
clara
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von clara
als Antwort auf daddy60 vom 30.09.2009, 14:27:11

Wie ist das Verhältnis vom sekundlichem Gewinn zu sekundlichen Schulden?
--
daddy60


Da hab' ich echt keine Ahnung, daddy60! Gibt's einen Link dazu?
Ich wollte lediglich ausdrücken, dass bei uns auch den Ärmsten z. B. im Krankheitsfall eine - wenn auch bescheidene - Behandlung zukommt und keiner verhungern muss wie in wirklich armen Ländern. (Zu diesen Minimalleistungen gehört allerdings kein Zahnersatz, deshalb erkennt man die Armen, auch Jüngere, hierzulande oft an ihren zahnlosen Mündern.)
--
clara
daddy60
daddy60
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von daddy60
als Antwort auf clara vom 30.09.2009, 16:26:15
Mir war schon klar was du ausdrücken wolltest.

Ich habe nur eine weitere Frage zum Thema Vielleicht informativ eingebracht.
Wie informativ ist denn eigentlich die oft benutzte Behauptung, Deutschland sei ein reicher Staat.
--
daddy60
silhouette
silhouette
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Re: Vielleicht informativ?
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 30.09.2009, 12:34:29
Hochburg der Liberalen heißt nicht - auf diese Festestellung lege ich Wert und deshalb habe ich meinen Beitrag geschrieben - Hochburg des Marktradikalismus und des Yuppietums.
geschrieben von carlos

Das hat hier jeder so verstanden, hoffe ich jedenfalls, man weiß ja nie... Siehe dazu auch nordstern am 29. um 16.23h.

Beim "Stöbern" nach Reinhold Maier bin ich sofort auf seinen geistigen und regionalen Nachbarn, den Urvater unseres Nachkriegsliberalismus gestoßen: Theodor Heuss. Ist das jetzt ein Zeichen von Senilität, diesem Kaliber von Politikern nachzutrauern ("gestern war alles besser"), oder haben wir es tatsächlich mit einer niedrigeren politisch-geistigen Kultur zu tun?

Bei der FdP ist das etwas anders. Ihre Wähler sind eine bunte Wählerkoalition, die in dieser Form nur in diesem politischen Kontext auftreten konnte, als bürgerliche Protestpartei. Sie ist ihren 14,6% überbewertet im Stellenwert des Parteienspektrums. Je länger sie regiert, desto mehr wird sie zusammenschmelzen.
geschrieben von carlos

Das sehe ich auch so. Ich halte es aber auch für möglich, dass sie beim nächsten Mal wieder von anderen Protestlern Zuwachs erhält. Nicht nur bei den CDU-Wählern sind während der nächsten Regierungsperiode noch Abtrünnige denkbar. Die Statistik mit den Wählerbewegungen von diesem Mal habe ich allerdings nicht verfolgt.
Ein Hinweis, dass Kinder in sozial unterschiedlichen Familien unterschiedlich gefördert werden. Dies ist leicht feststellbar. Jedoch muss bemerkt werden, dass selbst bei gleichem Einkommen Handwerkerkinder motivierter, fleißiger und weniger unter die Kategorie Null-Bock einzuordnen sind.
geschrieben von carlos

Für mich fällt das unter den großen Oberbegriff "Kultur". Und ein Kulturvolk sollte, wenn es das bleiben will, diese Gesellschaftsgruppen nicht vernachlässigen.



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