Aktuelle Themen Vor-Urteile

Mareike
Mareike
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Vor-Urteile
geschrieben von Mareike
Im Thread Pegida taucht die Frage auf:
"Wie erklärst du dir diese vorschnellen Urteile?

Ich bin der Meinung, es könnte hilfreich sein, mal abseits von Pegida, über den Begriff Vor-Urteil nachzudenken und sich selbst auch zu fragen: Welche Vorurteile habe ich? Wo sind sie hilfreich? Wo eher hinderlich oder sogar schädlich?
Wie entstehen Vor-Urteile?
Könnte ich ohne Vor-Urteile überhaupt den Alltag meistern?

Der Fluch der Vorurteile



Mareike
Shenaya
Shenaya
Mitglied

Re: Vor-Urteile
geschrieben von Shenaya
als Antwort auf Mareike vom 23.01.2015, 10:37:31
Nicht ganz neu, jedoch immer wieder auf's Neue interessant. Danke, Mareike!

Ein eher trauriges Lächeln entlockte mir die Aussage:

"[...] Zum Glück haben wir außer Mandelkernen und Basalganglien ja noch einen präfrontalen Cortex, ... in dem die bewusste Analyse und Beurteilung von Situationen stattfindet und mit dem wir die schnell getroffenen, auf Schubladen und Vorurteilen beruhenden Entscheidungen noch mal bewusst überdenken können, bevor wir handeln. [...]".


Dass dieser präfrontale Cortex leider bei nicht wenigen Menschen - aus welchen Gründen auch immer - eher rudimentär ausgebildet zu sein scheint, daran könnte u.a. die Bewältigung fest verankerter Vor-Urteile nach meiner Wahrnehmung ganz entscheidend hapern.

Statt programmatische Intoleranz zu überdenken, Perspektiven zu erweitern, Gesprächsbereitschaft zu zeigen, die eigenen Vorurteile kritisch zu hinterfragen und sich selber somit die Möglichkeit des Durchbrechens von Vor-Urteilen zu ermöglichen, wird häufig nur nach Bestätigung der eigenen (Vor)-Urteile gesucht - vorzugsweise auch durch die Mobilisierung gleich "Gesinnter" (s. Pegida).

Shenaya

Medea
Medea
Mitglied

Re: Vor-Urteile
geschrieben von Medea
Hi Mareike,
ich will jetzt auf Deine berechtigten Fragen zu "Vorurteilen insgesamt"
nicht eingehen, denn wir haben, auch wenn es makaber ist, ein gradezu
klassisches Beispiel mit dem Tod des jungen Asylsuchenden in Händen.

Tausende von Demonstranten für und gegen Ausländerfeindlichkeit auf
den Straßen, eine gereizte Stimmung bei den meisten Leuten und plötzlich die Nachricht vom Tode eines jungen Mannes aus der Asylantenszene.
Verbreitet sich natürlich wie ein Lauffeuer und ohne richtige Kenntnis
des Geschehens wird geurteilt, verurteilt und die Tat den "ungeliebten"
Pegida-Demonstranten angehängt.

Da kann ja noch aufgeatmet werden, daß keine Lynchjustiz stattfand.
Inzwischen stellt sich die Situation doch anders dar, der mutmaßliche
Mörder stammt selbst aus der Asylantenszene und die beiden kannten sich.

Mannohmann ......

Medea.

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Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Vor-Urteile
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Medea vom 23.01.2015, 11:36:10
Medea, du verweist auf "das klassische Beispiel".

Shen erwähnt die Notwendigkeit programmatische Intoleranz zu überdenken, Perspektiven zu erweitern, Gesprächsbereitschaft zu zeigen...

Genau in diesem Mittelfeld finde ich mich wieder.

Und ich mache die Erfahrung, dass der Versuch im Gespräch Perspektiven zu erweitern, sofort dazu führt, abgewiesen zu werden, nicht immer deutlich aber gut spürbar.

Und jenachdem mit welcher Gruppe mein "Gegenüber" sich identifiziert, ich gehöre automatisch zur Feindbildgruppe.

Beim Nachdenken über meinen eigenen Vor-Urteilen stellte ich fest, dass es eigentlich nicht möglich ist, sein eigenes Urteil als Vor-Urteil zu empfinden. Schließlich hat sich dieses Urteil gebildet auf Grund von gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen.

Nur das Wissen darum, dass mein Urteil zwangsläufig nicht allgemein verbindlich sein kann, ermöglicht es mir, meinen präfrontalen Cortex zu mobilisieren.
Was allerdings nicht immer einfach ist.

Mareike
Medea
Medea
Mitglied

Re: Vor-Urteile
geschrieben von Medea
als Antwort auf Mareike vom 23.01.2015, 12:05:12
Mareike, ich habe ähnliche Gedanken wie Du. Obwohl ich stets für mich
versuche, möglichst ohne Vor-Urteile an diverse Geschehnisse heranzugehen, kommt es immer wieder vor, daß meine "neutralen" Gedanken von denen verdrängt werden, die sich in den "Vordergrund schieben mit dem
Wissen, das ich irgendwann einmal zu diesem oder jenem Menschen, diesem
oder jenem Vorfall, auch einer Religion, gespeichert habe. Das "Freimachen" des Kopfes ist schwierig, um auch andere Gedanken
zuzulassen.

Als Jugendliche sah ich den Film, "Die zwölf Geschworenen", der mich sehr beeindruckte, elf Geschworene waren aus den verschiedensten Gründen
von der Schuld des Angeklagten überzeugt, der zwölfte nicht und in
mühsamer Kleinarbeit gelang es ihm, Zweifel zu wecken bei den anderen
"Richtern", - Du kennst sicher diesen Film.

Seit damals versuche ich, mehrere Sichtweisen zuzulassen, wenn ich
etwas beurteilen will oder muß. Ist oft sehr anstregend, glaube es mir.

Du hast ein gutes Thema eingestellt.

Medea.
Re: Vor-Urteile
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 23.01.2015, 10:37:31
Vorurteile wirken wie Filter,vorgefertige Meinungen und Erwartungen greifen,man sieht und hört nur noch das,was man möchte und was in das eigene Weltbild passt.
Das Schlimme ist,dass sich Vorurteile hartnäckig halten,auch wenn eine Sache nachprüfbar ist und das Gegenteil bewiesen wird.
Alles menschlich oder eher nachlässig und gefährlich ?

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val
val
Mitglied

Re: Vor-Urteile
geschrieben von val
Mareike,

wir diskutieren gerade über le "Pré-Jugé favorable" -
das positive Vor-Urteil.... ob das zu trainieren ist, ohne dass man in Blauäugigkeit fällt.

@Medea

Der Film hat mich damals ebenso ungeheuer beeindruckt. Gruss Val
Mareike
Mareike
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Re: Vor-Urteile
geschrieben von Mareike
als Antwort auf val vom 23.01.2015, 14:51:37
Momentan versuche ich auch einen Weg zu finden.
Wenn ich unterscheiden will zwischen negativen und positiven (Vor) Urteilen bin ich schon gefangen in diesem merkwürdigen "Gestrüpp" der Vor-Urteilsbildung.

Es gibt zuviele Überlagerungen und Schnittstellen.

Wenn in Debatten über Vorurteile gestritten wird, geht es meist um negative Vorurteile.

Wie entscheidend Vorurteile für unser tägliches Überleben sind, gerät darüber in Vergessenheit.

Es gibt auch "kollektive Vorurteile".
Sie werden als eine "normale" Vereinfachung gesehen, um die Vielfalt der sozialen Wirklichkeit irgendwie zu bündeln.

In Zeiten wo Massenhysterie um sich greift,ist dies mit Sicherheit sehr gefährlich, weil die Hysterie gespeist wird aus negativ besetzten Vor-Urteilen.

Lesens- und nachdenkenswert in diesem Zusammenhang sind Carl Gustav Jung`s Überlegungen dazu.
Vergl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gustav_Jung
"„Ich gebe zu, ich bin unvorsichtig, so unvorsichtig, daß ich das Allermißverständlichste tue, was man im gegenwärtigen Moment überhaupt tun kann"

«dass das Verderben unaufhaltbar sei. Einhalt könne ihm höchstens damit geboten werden, [...] dass sich genügend einzelne des Besessenheitszustandes, in dem sie alle waren, bewusst würden. Deshalb sei es unsere Aufgabe, ihnen so lange als möglich Kraft zum Zweifeln zu geben und so vielen wie möglich dabei zu helfen, bewusster zu werden.»

Mareike
Tina1
Tina1
Mitglied

Re: Vor-Urteile
geschrieben von Tina1
als Antwort auf Mareike vom 23.01.2015, 10:37:31
Im Thread Pegida taucht die Frage auf:
"Wie erklärst du dir diese vorschnellen Urteile?
Mareike


de.wikipedia.org/wiki/Vorurteil

"Das Vorurteil wird durch folgende Merkmale charakterisiert:

Es ist ein voreiliges Urteil, also ein Urteil, das überhaupt nicht oder nur sehr ungenügend durch Realitätsgehalt, Reflexionen oder Erfahrungen gestützt wird, oder es wird sogar vor jeglicher Erfahrung oder Reflexion aufgestellt.

Es unterscheidet sich von einem Urteil durch die fehlerhafte und vor allem starre Verallgemeinerung. Bei der Fehlerhaftigkeit geht es weniger darum, ob denn der Inhalt des Vorurteils empirisch mit der Realität übereinstimmt oder nicht. Vielmehr ist die Übergeneralisierung von Bedeutung: Ich lehne eine Person (oder mehrere) nur aufgrund deren Gruppenzugehörigkeit ab. Die Gruppe kann zwar "im Mittel" bestimmte Eigenschaften aufweisen, jedoch betrifft dies kaum alle Mitglieder dieser Gruppe („ökologischer Fehlschluss“)."
Mareike
Mareike
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Re: Vor-Urteile
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Tina1 vom 23.01.2015, 16:33:01
Ja Tina, du nennst die Merkmale der Vorurteile.

Damit sind sie jedoch nicht erklärt.

Vielleicht liest du auch mal folgendes:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vorurteilsforschung

Mareike

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