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Aktuelle Themen Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand

hafel
hafel
Mitglied

Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von hafel

"Nicht durch Zerstückelung könne das Problem gelöst werden, sondern nur dadurch, dass man West, Ost - und das was in der Mitte liegt – vereint. Auf der Grundlage von Freiheit und Demokratie"

32 Jahre war der Autor da alt, als er das schrieb. 1946! Ein deutsch - norwegischer Journalist. Sein Name Willy Brand.

Als Kanzlerkandidat seiner Partei, aber auch noch als Kanzler und Friedensnobelpreisträger wurde er diffamiert, weil er sich als Antinazi illuminierte und die Deutschen zum Nazivolk erklärt hatte.

Zwölf Jahre hatte er in skandinavischen Exil verbracht, immer das "Gewehr" in der Hand gegen Hitler, im Untergrund, im Bürgerkrieg gegen Franco. Nun wollte er als Journalist berichten vom Nürnberger Kriegsverbrecherprozess. War er ein Rächer? Ich denke nein!

Wer bis dahin diesen Mann nicht verstand, wurde durch den im Dezember 1970 mit seinem Kniefall am Warschauer Ghetto-Mahnmal eines anderen belehrt.

Was war es nun, was so ansteckend wirkte und auch mich sehr beeinflusste? Er stand für ein anderes Deutschland, ein Deutschland der Hoffnung. Er war ein Möglichkeitsdenker und riss viele mit. Ohne Zeigefinger erwies er den anderen Reverenz, dem Widerstand der Kommunisten, Sozialdemokraten, Pfarrer und der Opposition.

"Das ist die Generation, auf die wir gewartet haben", rief er 1968 der Apo zu. Und: "junge Deutsche sind schon für Schlimmeres auf die Straße gegangen", verteidigte er 1980 die Friedensbewegung.

Mit dem Mauerbau 1961 war die alte Politik gescheitert, der kalte Krieg wurde noch kälter. Es musste umgedacht werden…. Und er dachte um. Sein Barack Obama hieß J.F. Kennedy, von ihm ließ sich Brandt anstecken.

Für Brandt galt noch Macht und Moral. In Willy Brandt und seinen Botschaften erkannten sich alle Deutschen wieder, sagte einmal Präsident Mitterrand. In der Tat, kein Bundeskanzler vor und nach ihm hat mit einem solchen Grad der Zustimmung, ja der Liebe, seiner Landsleute gefunden. Die Faszination lag in seiner Person, doch auch dessen, was Mitterrand die "Botschaft" nannte. Eine Politik, die frei konzipiert war und in einem visionären Zuschnitt, Herrschaft mit gutem Gewissen ausüben und ertragen zu lassen.

"Mehr Demokratie wagen" war sein Programm, Begriffe die heute fast als Fremdwörter erscheinen. Für Brandt war das das Programm eines Machthabers, der damit seine eigene Macht minimierte und trotzdem respektiert wurde.

Heute erleben wir oft einen Verfall der politischen Rhetorik. Willy Brandt war ein Exemplar für den Zauber, den die große Rede über die Herzen der Menschen haben kann. Der Ton dieser Stimme, der ganz seinem Charakter angehörige Umgang mit dem geliebten Deutsch, vergisst man nicht.

Ich habe Willy Brandt nie vergessen. Ich sage es ganz ehrlich: er fehlt mir.

Hafel
Medea
Medea
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von Medea
als Antwort auf hafel vom 08.10.2010, 00:06:58
Nur mal so nebenbei:

der große Teddy meiner Tochter heißt in Erinnerung an Willy Brandt Willy. Das war seinem Wahlkampf 1961 geschuldet.



Medea
bongoline
bongoline
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von bongoline
Danke Hans,

dass Du an Willy Brandt erinnerst.

Ich bin ja keine Deutsche und in meinem jüngeren Lebensabschnitt hat auch die Politik keine überdimensionierte Rolle in meinem Leben gespielt.

Für Brandt galt noch Macht und Moral.


Moral - ein Wort, das auf sehr wenige Politiker der Jetztzeit zutrifft. Macht wollen sie alle, aber Moral - ich sehe da viel mehr Windfahnen, die sich nach allen Richtungen drehen, wenn der Wind grad von dort kommt, wenn ich so in den div. Ländern die Politiker betrachte. Österreich ist da nicht ausgenommen.

Willy Brandt war auch für mich eine herausragende Persönlichkeit.

bongoline

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Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von Der-Waldler
Danke für diese schöne Erinnerung, Hafel.

Ich bin damals, 1968, aufgrund einer Rede von Willy in Essen/Ruhr in die SPD eingetreten, die ich in den 80er Jahren aber wieder verlassen habe (aber NICHT wegen Willy!).

Er fehlt. Ebenso wie manch andere verstorbene Politiker.

Wenn man diese Seichtschwimmer der heutigen Politiker-Generation sieht, die in allen Parteien das Sagen haben, wird mir so richtig bewusst, wie Willy und Co. uns fehlen. Selbst Wehner und Strauss fehlen mir manchmal...

Gruss

DW

pippa
pippa
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von pippa
als Antwort auf Der-Waldler vom 09.10.2010, 10:07:28
Ja, auch ich bin wegen ihm wieder in die SPD eingetreten, aus der ich in der Jugend "gegangen worden" war.

Wegen der ersten sog. Gesundheitsreform, habe ich die Partei allerdings wieder verlassen.

Noch heute hängt in meinem Keller ein Poster von dem auch von mir unvergessenen Willy Brand.
Div.(pippa)




Pippa

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 08.10.2010, 08:12:48
"ich bau mir ein haus...aus den knochen von willy brand"...
foyer des arts.

und mit bestem recht...
ich weiß eigendlich garnicht was willy so tolles getan hat.
ging es der sozialdemokratie eigendlich immer nur um
den kampf GEGEN den sozialismus...
ich erinnere mich gut als unser willy vor hunderttausenden in bonn
gegen den nato doppelbeschluss schwadronierte den seine spd
gerade durchgepaukt hatte.
ich erinnere mich seiner zynischen einlassungen zum kpd verbot.
kein moderner pr-manager hätte ihn besser inszenieren können
bei seinem kniefall in warschau.
die ostverträge waren ...wie egon bahr heute einräumt...nur dazu da
den sozialismus zu kippen.
"mehr demokratie wagen"...war das gebot der stunde des kapitals...
war ihnen doch klar das die neuen märkte und produktionsanforderungen
nur erschlossen werden konnten jenseits des adenauer miefs.
es ist wie es ist...und es wird nicht mehr gut.
willy würde heute die ganze scheisse der agenda-spd mittragen
und zum ersten mai dagegen reden schwingen.
da es willy nicht mehr vergönnt ist...
übernehmen jetzt der dickliche gabriel und die fette nahles den job.
schön das man sich auf den verrat der sozialdemokratie zumindest verlassen kann.
traurig nur das du den unschuldigen teddy deiner tochter
in dieses unappetitliche schmierentheater mit reinziehen musstest.

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Medea
Medea
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.10.2010, 13:46:44
Liebste Frau Dolly,

was hat Sie bloß so bitter werden lassen?

Das frage ich mich schon des längeren, wenn ich Ihre Beiträge lese. An der Sozialdemokratie lassen Sie kein gutes Haar, alles Verräter und Betrüger in Ihren Augen.

Sie erinnern mich an meinen Vater, der es Willy Brandt Zeit seines Lebens nie verzeihen konnte, daß er die deutschen Ostgebiete verschleudert hat und den Kniefall als nicht echt empfand. Ich habe es anders gesehen und der Teddy Willy
hat seinen Erinnerungsplatz auf dem Schrank im Arbeitszimmer meiner Tochter.

Es gibt immer unterschiedliche Sichtweisen, auch in der Betrachtung geschichtlicher Vergangenheit. Für mein Empfinden hat sich die kommunistische Partei auch nicht nur mit Ruhm bekleckert. Und die Herren Lenin und Trotzki hatten ebenso ihre Schwächen wie Willy Brandt oder Herbert Wehner, der, ob zu Recht oder Unrecht, als Verräter am Kommunismus in Ihren Kreisen gilt.

Sehr freundlich
Frau Medea.

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 09.10.2010, 14:09:03
ganz genau meine liebe medea...
herbert wehner war auch so ein willy brand.
nichts liebt das bürgerliche demokratie theater mehr...
als konvertierte augenzeugen.
welche antikommunistische propaganda hätte mehr beweisskraft
als der gute herbert...als geläuterter ex-genosse ?
solche clowns werden gerne protegiert.
machen wir die gemeinde auf , finden wir noch z.b.
wolfgang leonhard
wolf biermann
ralph giordano
alexander solschenizyn
einer wie der andere hat ne gute mark gemacht
sich im gewand des kritikers bei den bürgerlichen
anzubiedern.
und die popmusik spielt dazu...
gerne lindenberg...westernhagen...grönemeyer...
wie verlogen ist das denn ?



luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von luchs35
als Antwort auf Medea vom 09.10.2010, 14:09:03
Mit den unterschiedlichen Sichtweisen hast du absolut Recht, Medea. Ich sehe Willy Brandt auch mit gemischten Gefühlen, wobei mir klar ist, dass ein Mensch nie eindeutig zu betrachten ist.

Es war eine kleine Randnotiz in der Geschichte von W.B., als er als SPD- Vorsitzender in meine Heimatstadt Pforzheim kam, um vor allem Fritz Erler zu besuchen, mit dem er freundschaftlich verbunden war.
Natürlich war es via Medien bekannt geworden, dass Brandt morgens mit dem Zug in Pforzheim einfahren würde. Und entsprechend war auch das Echo. Mit andern Worten: um 9 Uhr war der Bahnhof gerammelt voll von Anhängern und Gegnern.
Längere Zeit stand der Zug auf einem Nebengeleise, wurde dann aber in den Bahnhof eingeleitet.

Dort stieg Willy Brandt aus. Aber nicht nur ich war ziemlich geschockt. Er stand im zerknitterten Schlafanzug, mit wirren Haaren, aufgequollenem Gesicht und Pantoffeln vor der verblüfften Menge und sagte, dass er sei wie alle Bürger, die morgens aus dem Bett aufstehen. Meine anfängliche Verehrung schlug genau in diesem Moment um. Ich dachte nur noch , was ist das für ein Schleimer, der sich auf diese Weise als "bürgernah" präsentiert! Er hätte genug Zeit gehabt, um sich anzuziehen.

Und hinter mir sagte ein jüngerer Mann laut und deutlich, dass ein Schlafanzug wohl immer noch besser sei, als wenn jemand, der in Deutschland sich eine Machtposition ausrechne, in norwegischer Uniform in sein Vaterland einreise. Denn so war sein erstes Auftreten in seiner Heimat, die damals in Schutt und Asche lag.

Diese Bilder ,Brandt im Schlafanzug mit zerzausten Haaren, gingen damals quer durch alle Medien mit entsprechenden Kommentaren.

Und alles, was Brandt später tat oder sagte- immer hatte ich diese Szenerie vor Augen. Deshalb habe ich auch den Kniefall irgendwie als "bürgernah" eingestuft.

Vielleicht ist es ungerecht, weil Menschen sich auch weiter entwickeln in ihrem Tun, aber oftmals sind es auch die privaten Randnotizen, die einen Menschen entlarven können.

Luchs



Medea
Medea
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: Zum 18ten Todestag von Willy Brand
geschrieben von Medea
als Antwort auf luchs35 vom 09.10.2010, 15:26:41
Liebe Luchs,
ich sehe vieles auch im nachhinein mit kritischeren Augen denn als junges Mädchen. Willy Brandt war damals der Auslöser mit seiner Ausstrahlung, seinem Charisma, daß ich in die SPD eintrat, es ging ja buchstäblich ein Ruck durch das Land, es war eine unglaubliche solidarische Stimmung da, schlecht nachzuvollziehen heutzutage.

Die Verblüffung W.B. im Schlafanzug zu erleben, kann ich mir gut vorstellen, da hätte ich ebenfalls einige Abstriche gemacht - bei mir bekam er allerdings auch einige Kratzer ab, als seine Affairen nicht mehr unter der Decke zu halten waren. Dazu die bissige Bemerkung Herbert Wehners, der Herr solle regieren und nicht ejakulieren. So waren meine Gefühle für ihn dann doch gespalten im Laufe der Jahre.

Sogenannte "große Frauen oder Männer" der Geschichte, mögen sie auch viel bewegt haben, sind immer angreifbar, eben auch deshalb, weil sie ihre Schwächen haben wie jeder Normalbürger.

Medea.






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