Forum Wissenschaften Anthropologie / Psychologie Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual

Anthropologie / Psychologie Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual

Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Der Newsticker von "Bild der Wissenschaft" berichtet von einer Untersuchung, bei der die Testpersonen für einige Zeit nichts tun sollten, außer ihren Gedanken nachzuhängen. Die Mehrzahl der Testpersonen beschrieb das Erlebnis als unangenehm und das erstreckte sich über alle Altersgruppen. In einer Erweiterung wurde den Testpersonen angeboten, sich selbst leichte aber unangenehme Elektroschocks zu versetzen, statt für die vorgegebene Zeit untätig und nur mit ihren Gedanken beschäftigt zu sein. Selbst dieses Angebot wurde von vielen gegenüber der Ruhe bevorzugt.
Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Jetzt will ich noch meine persönliche Erfahrung hinzufügen. Als ich aus Interesse mit der Meditation begann, da ging es mir ähnlich. Ausschließlich mit den eigenen Gedanken beschäftigt zu sein, war eine unangenehme Erfahrung. Geradezu erschreckend war die Erkenntnis, daß ich meine Gedanken nur teilweise kontrollieren kann. Senkst wenn ich versuchte, mich ausschließlich auf meinen Atem zu konzentrieren, erwischte ich mich immer wieder dabei, daß meine Gedanken mit allem Möglichen beschäftigt waren, gestern, morgen, was ich noch einkaufen muß, der schreckliche Kontostand, das lärmende Kind auf der Straße, usw usw. Hauptsächlich diese Erkenntnis, nicht einmal meine eigenen Gedanken voll und ganz kontrollieren zu können, war es, die die Ruhe so unangenehm machte. Erst als ich lad, daß das völlig normal und ein typisches Anfängerproblem war, da konnte ich mich weiter darauf einlassen.

Heute kann ich es uneingeschränkt genießen. Außer wenn die Depression zu stark ist, ist die sich immer weiter ausbreitende innere Ruhe eine Wohltat. Der Weg dahin war allerdings nicht einfach und es brauchte anfangs sehr viel Disziplin, um Sitzen zu bleiben und das Erlebnis auszuhalten.

det
barbarakary
barbarakary
Mitglied

Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2014, 10:22:57
Auch ich hatte vor ca. 30 Jahren Probleme mit dieser 'Ruhe' - während eines Seminars sollten die Teilnehmer eine Art Meditation machen, sich vorstellen, an einem Strand zu sein. Wozu das, dachte ich, will das doch nicht - mir schien dieses Ruhigliegen endlos, ich wurde immer ungeduldiger.

Inzwischen habe ich Erfahrung mit Autogenem Training und Yoga und finde es herrlich, abzutauchen in die Tiefen meiner Seele.

Quäker halten übrigens ihre Andachten auf diese Weise. Sie sitzen still beieinander. Hat einer einen Gedanken, den er mitteilen möchte, so darf er das (aber ohne Kommentar, auch danach nicht), dann ist wieder Stille, man kann über diesen Gedanken nachdenken. Eine Stunde ging das so - innerlich erfrischt kam ich wieder zurück. Anschließend gibt es Tee/Kaffee und Kekse und nette Gespräche - zumindest war das in Bradford on Avon so.

Einen entspannten Sommer wünscht
barbarakary

Anzeige

Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2014, 10:37:16
Das könnte erklären, warum Rentner oft als Nörgler und Kinderschreck verrufen sind.

Es stimmt aber, dass man sich selber durchaus auch jederzeit konzentriert und diszipliniert beschäftigen kann. Ich denke, es kommt auf den erlernten Wissensstand, den Habitus der Jahre um 14 ... 20 an. Und eventuell früher, um das 'Prinzip des Denkens' überhaupt kennen zu lernen. Später dürfte es schwierig bis unmöglich sein. Fest steht (eigene Erfahrung), dass man es definitiv erlernen, 'erüben' kann; das geht soweit, gleichzeitig 'zweigleisig' konzentriert denken zu können.

Natürlich spielen die Verhältnisse in der Umgebung eine große Rolle. Lautes Gedudel mit Ohrstöpseln zB ist 'tödlich'; und das wird nicht mal bemerkt. Und endloses Hahnenkrähen oder Telefonklingeln machen zunächst jedes Nachdenken unmöglich.

nasti
nasti
Mitglied

Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von nasti
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2014, 10:37:16
Ich versuche fast jede Woche meine gedanken frei zu fließen lassen und bisschen auch kontrolieren. Jedesmal denke ich das ich etwas wertvolles erfinde, also etwas neues oder Erkentnisse darüber was ich besser machen könnte.
Und jedesmal schlafe ich dabei ein. Ich werde nicht mehr ein besseres Mensch??? .... auch keine hervorragende Ideen blitzebn durch das Kopf.
Die Arbeit ist eine Betäubung , funktioniert wie eine Droge. Weil ich das weiss, habe ich 3 Ausstellungen abgesagt, sehe ich NULL Bedeutung auszustellen. Malen ja,aber warum? Muss mann doch auszustellen......so habe ich doch die dritte Ausstellung wieder zugesagt--im September.
Nichts zu tun wäre wirklich sehr interessant und gut. Keine Ahnung wie geht es. ich lasse mir nichtmal 2-3 Tage frei für lesen. Ist lesen nichst zu tun?

Nasti
pschroed
pschroed
Mitglied

Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von pschroed
Hallo Det.

Ich hatte in den 80ziger zwei Jahre lang einen sehr langweiligen Job, Tag und Nacht saßen wir nur vor 7 Bildschirme und vegetierten nur so dahin. Ab und zu ertönte ein Alarm das war der einzige Highlight 8 Stunden kamen mir vor wie zwei Tage. Wir putzten reinigten, alles war blitzblank , die Putzfirma war immer wieder erstaunt daß es in diesem Kontrollraum immer sauber war.
Ich finde es schrecklich keine Beschäftigung zu haben.

Phil.

Anzeige

Medea
Medea
Mitglied

Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von Medea
als Antwort auf nasti vom 04.07.2014, 11:15:07
Ob Lesen Schwerarbeit sein kann? - fragt Nasti.
Ja kann es, u.a. sind wissenschaftliche Werke es mit Sicherheit
für den Laien, mit Schrecken denke ich an das Kapital von
Marx (Schwerarbeit) - gg - oder einen besonders zu Herzen gehenden Roman, der die eigene
Gedankenwelt berührt und nur schwer verdaubar ist.

Nichtstun allerdings habe ich noch nie als Qual empfunden, das kann
ich stundenlang, ein schlechtes Gewissen schleicht sich manchmal
ein, wenn mir der Gedanke kommt, daß ich in dieser Zeit meine
hinkende Korrespondenz hätte in Angriff nehmen können.

Vor Jahren habe ich mal eine Zeitlang meditiert, ich war derart
entspannt und gedankenleer, daß ich regelmäßig sanft entschlummerte,
was nach Meinung der Yoga-Lehrerin nicht Sinn der Übung sei.
Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 04.07.2014, 11:41:05
Wenn es mir möglich ist, dann kann ich auch stundenlang mich einfach fallen und treiben lassen. Ich nenne das meine "einfach nur blöd schauen" Phase. Ich kann den blauen Himmel über mir betrachten ohne ihn bewusst zu sehen, ohne zu denken, ich fühle mich los gelöst, wie im Leerlauf. Anders kann ich es nicht beschreiben
mane
mane
Mitglied

Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von mane
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2014, 13:23:05
Hallo Bruny,

ist Dir diese "Gabe" einfach so geschenkt worden, oder war es ein Prozess, den Du durch Meditation erreicht hast?

Das Ziel der Meditation ist, soweit ich weiß, den Verstand zum Schweigen zu bringen und ganz ohne Gedanken zu sein. Dabei kann man versuchen, sich auf den Atem, ein Bild oder, wie Du es machst, auf den blauen Himmel konzentrieren.

Gruß Mane
Re: Nichts zu tun ist für viele Menschen eine Qual
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 04.07.2014, 13:36:35
Grüß Dich, Mane!

Nachdem ich an einem "Burn-Out" (dieses Wort mag ich eigentlich gar nicht) knapp vorbei geschrammt bin, mußte ich an meinem Leben ein bisschen was verändern. Nachdem ich ein ausgesprochener Naturfreund bin, war für mich klar dass ich nur in dieser mein Seelenheil wieder erlangen konnte. Ich habe mir sogenannte Lieblingsstrecken ausgearbeitet, teils zu Fuß, teils mit dem Fahrrad und 2 auch mit dem Auto. Und je nach Stimmung suche ich diese Strecken aus um mich fallen zu lassen. Dazu muss ich alleine sein, möchte weder ein Gespräch führen müssen, noch will ich menschliche Stimmen hören. Die Stimmen der Natur blende ich komischerweise nicht aus. Und so nach und nach konnte ich diesen schwerelosen Zustand auch bei mir zu Hause erreichen indem ich den Himmel betrachte, er darf auch ruhig Wolken haben aber die meiste Zeit ist er hier blau .

Anzeige