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Biowissenschaften Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben

Karl
Karl
Administrator

Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von Karl
Über einen Meilenstein der Forschungsergebnisse, die jetzt neu publiziert wurden, hatte ich hier im Seniorentreff schon einmal vor mehr als zwei Jahren berichtet.
Ich zitiere aus meiner alten Vorlage:
Erstmals ist im Labor die künstliche Herstellung der kompletten DNA eines Organismus gelungen. Als Testvorlage diente die DNA des Bakteriums Mycoplasma genitalium, das das kleinste bekannte Genom (Summe aller DNA) besitzt.

Das Erbgut dieses Bakteriums wurde von Craig Venter, einem bekannten Genforscher aus den USA, und von seinen Mitarbeitern in voller Länge nachgebaut. Dies gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zum biologischen Design völlig neuer Lebewesen.

Soweit die Fakten. Mein Kommentar: Die Forschung ist der öffentlichen Diskussion mal wieder vorausgeeilt. Möglich, dass erste künstliche Lebewesen geschaffen werden, bevor die Regeln ausdiskutiert sind, worauf hierbei zu achten ist.
geschrieben von Mein Beitrag vom 24.1.2008

Jetzt ist es soweit, ein erster künstlicher Organismus mit vollständig synthetisiertem Genom ist erschaffen.

In meiner Gruppe Zukunft werde ich einen ausführlichen Blogbeitrag mit der Vorgehensweise und meiner eigene Bewertung des Vorgangs im Laufe des Tages einstellen.

Hier verlinke ich schon einmal auf den entsprechenden Spiegelartikel im Linktipp.

Karl
miriam
miriam
Mitglied

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von miriam
als Antwort auf Karl vom 21.05.2010, 14:10:26
Craig Venter ist so zu sagen ein Gen-Pionier. Er zeigte vor etwa 3 Jahren, dass die Variationen von Mensch zu Mensch bei weitem größer sind als angenommen. Ich denke, dass es hiess, diese Variationen von Individuum zu Individuum sind sieben Mal so groß als man früher annahm.

Craig Venters Forschungsergebnisse basieren zum Teil auch auf die Sequenzierung seines eigenen Genoms.

Ein spannendes Thema - Danke!

Miriam


arno
arno
Mitglied

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 21.05.2010, 14:10:26
Hallo, karl,

der Thementitel ist nicht richtig. Craig Venter
mussten die Hilfe der Natur zur Hilfe nehmen. Er hat
sich zunächst das natürliche Bakterium Mycoplasma mycoides angeschaut und die Erbgut-Sequenz vor einigen Jahren bestimmt. Er wusste also genau die Reihenfolge der einzelnen Buchstaben im Erbgut. Er hat diese Reihenfolge dann nachgeschrieben.
Die bekannten eine Million Basenpaare hat er dann chemisch synthetisiert. Hefezellen haben dann bei
der Zusammensetzung der Basenpaare geholfen.
Nach dieser Arbeit war dieses Erbgut noch immer reine tote Chemie! Das Erbgut wurde dann in eine Empfängerzelle verpflanzt.
Da kommt wieder ein natürlicher Organismus, ins Spiel und zwar Mycoplasma capricolum, ein Verwandter des Bakteriums, der die künstliche DNA dann aufgenommen und aktiviert hat.
Aus diesem M. Capricolum ist dann ein M. Mycoides geworden, den die Wissenschaftler reingeschrieben haben.
Die Wissenschaftler konnten nachher beweisen, dass das Erbmaterial in diesen Zellen tatsächlich künstlich war.

Also computerkonstruiert war das neue Leben nicht!

Viele Grüße
arno

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Karl
Karl
Administrator

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 21.05.2010, 18:48:43
Hallo, karl,

der Thementitel ist nicht richtig.
geschrieben von arno
Ich kann den Titel verteidigen, auch wenn Du die Vorgehensweise richtig geschildert hast und das künstliche Genom tatsächlich in einen Wirtsorganismus eingeschleust wurde.
Craig Venter
musste die Hilfe der Natur zur Hilfe nehmen. Er hat
sich zunächst das natürliche Bakterium Mycoplasma mycoides angeschaut und die Erbgut-Sequenz vor einigen Jahren bestimmt. Er wusste also genau die Reihenfolge der einzelnen Buchstaben im Erbgut. Er hat diese Reihenfolge dann nachgeschrieben.
Die bekannten eine Million Basenpaare hat er dann chemisch synthetisiert.
geschrieben von arno
Nicht Craig Venter hat die Basensequenz selbst synthetisiert, nicht einmal auswendig gewusst, sondern das machen Roboter, die die Sequenz von einem Computer vorgeschrieben bekommen. Genome, selbst so kleine wie im Experiment, werden nicht in einem Menschenkopf zusammengesetzt, sondern alles ist automatisiert und programmgesteuert.

Erklärtes Ziel von Craig Venter ist es, Bakterien zu schaffen, die das tun, was er will, also z. B. Arzneimittel synthetisieren, Energie erzeugen oder Erdöl abbauen. Die Vorgehensweise wird sein, einem Computer die gewünschten Eigenschaften einer Mikrobe zu nennen, der Roboter wird dann die Basensequenzen passender Gene zusammenstellen. Alle Schritte bis zur Infektion einer Wirtszelle, sowie die nachfolgende Selektion derjenigen Wirtszellen, die alle gewünschten Eigenschaften zeigen, wird (zumindest in Zukunft und jetzt schon weitgehend) voll automatisch ablaufen.

Alle Eiweiß- und RNA-Bestandteile der Wirtszelle werden durch die Aktivität des neuen Genoms mit der Zeit durch die Komponenten ersetzt werden, die von dem neuen künstlichen Genom kodiert werden, d. h. nach einigen Zellteilungen ist dieser Organismus tatsächlich durch und durch computerkonstruiert.

Was ist die elementare Lebensdefinition? Es gibt hier eigentlich nur eine sinnvolle Definition: Sich selbst erhaltende Systeme, die in der Lage sind, den "Tod" eines Einzelsystems durch die Produktion von Nachkommen über zu kompensieren. Craig Venter ist es gelungen, ein lebendes, sich vermehrendes Bakterium künstlich zu schaffen. Dies könnte ein ungeheuer potentes Werkzeug werden, wenn es gelänge, woran kaum Zweifel möglich ist, mit der gleichen Methodik Bakterien mit gewollten Eigenschaften zu produzieren (im Grunde sind solche Eigenschaften bereits solche, die es Craig Venter erlaubten, die neuen Zellen von den alten zu unterscheiden). Wie bei jedem neuen Werkzeug wird es, auch zu Recht, warnende Stimmen geben müssen, die fragen, was für Schlimmes mit diesem neuen Machtzuwachs des Menschen möglich ist.

Es zeigt sich aber wieder einmal, dass der wissenschaftliche Fortschritt Fakten schafft und die Diskussion immer hinter her hinkt. Andererseits hat die ernsthafte Science Fiction viele dieser Entwicklungen bereits vorweg genommen und mögliche Szenarien durchgespielt.

Die Grenzen des Machbaren sind noch nicht erreicht und auch weitgehend unerforscht.

Karl

P.S.: da eine schlimme Erkältung von mir Besitz ergriffen hat, werde ich meine vollmundige Ankündigung einen entsprechenden ausführlichen Beitrag in der Gruppe "Zukunft" einzustellen, auf das Pfingstwochenende verschieben müssen.

arno
arno
Mitglied

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 21.05.2010, 21:15:47
Hallo, karl,

zuerst: "Gute Genesung!"

Die Grenzen des Machbaren sind noch nicht erreicht und auch weitgehend unerforscht.
geschrieben von karl


das stimmt. Das Erbmolekül DNA ist die Software des
Lebens auf der Erde.
Aber wir sind noch nicht in der Lage, vorausszusagen, was die Kombination der Basenpaare in der DNA im Organismus bewirkt und davon gibt es Millionen. Die digitale Biologie startet immer mit einer Buchstabenfolge im Computer. Für eine DNA-Konstruktion ist das zu wenig. Wenn man künstliches Leben schaffen will, ist die Voraussetzung, dass man die DNA lesen kann, damit man das Konstruktionsziel auch erreicht.
Unter dem Lesen einer DNA ist nicht die Aufzählung der aneinander gereihten Basenpaare(Adenin,Thymin,Guanin, Cytosin) der DNA, sondern das spätere Bewirken im Organismus zu verstehen.
Und auf diesem Gebiet haben die Wissenschaftler noch sehr viel zu tun!


Viele Grüße
arno



Karl
Karl
Administrator

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 21.05.2010, 22:19:46
Aber wir sind noch nicht in der Lage, vorausszusagen, was die Kombination der Basenpaare in der DNA im Organismus bewirkt und davon gibt es Millionen.
geschrieben von arno
Hallo arno,


bist Du auf dem neuesten Stand der Genetik? Der genetische Code ist doch schon seit 1966 vollständig entschlüsselt und die Fortschritte seit dieser Entschlüsselung des genetischen Codes sind enorm und es können sehr wohl im Computer gewisse Eigenschaften von Proteinen aus der kodierenden Basensequenz auf DNA-Ebene vorhergesagt werden. Inzwischen ist " Synthetische Biologie" ein etabliertes Fachgebiet innerhalb der Biologie, " im Grenzbereich von Molekularbiologie, organischer Chemie, Ingenieurwissenschaften, Nanobiotechnologie und Informationstechnik. Sie kann als „die neueste Entwicklung der modernen Biologie“ betrachtet werden" (Wikipedia).

Karl

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Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 21.05.2010, 18:48:43
Nach dieser Arbeit war dieses Erbgut noch immer reine tote Chemie!
geschrieben von arno


KLAR - das Erbgut ist ohnehin "reine tote Chemie" - auch bei dir!
(Das ist jetzt nicht böse gemeint !!!!!!!)

So geht es z.B. den berühmten - und viel gefürchteten Viren, sie enthalten auch nur die "reine tote Chemie" - also ihr Programm ( DNS oder RNS) zu ihrer Vermehrung und Ausbreitung -- besitzen aber keinen eigenen Stoffwechsel und sind deshalb auf den Stoffwechsel der Wirtszelle angewiesen.
Es sind deshalb KEINE Lebewesen, sondern "besondere biolog. Einheiten", können aber MIT HILFE ANDERER ZELLEN quasi den WEG in's LEBEN gehen, Stoffe produzieren und sich vermehren - und viel Unheil anrichten- oder auch das Gegenteil bewirken ...
Karl
Karl
Administrator

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 22.05.2010, 09:34:08
Ich habe jetzt in meiner Gruppe Zukunft (über Beitritte würde ich mich freuen) einen Blog mit dem Titel Synthetische Biologie: Künstliche Bakterien die tun, was wir wollen? Chancen und Risiken eröffnet.

Im ersten Kapitel habe ich versucht, Craig Venter, dessen Biografie ich gelesen habe, zu charakterisieren. In den nächsten (noch zu schreibenden) Kapiteln werde ich auf seine neuen Forschungsergebnisse eingehen und dann auch meine Einschätzung der Chancen und Risiken liefern.

Ich hoffe, das Thema stößt auf Euer Interesse, denn es wird für die Zukunft der Menschheit sehr wichtig werden, Karl
arno
arno
Mitglied

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 22.05.2010, 09:00:49
Hallo, karl,

ich interessiere mich für die Molekularbiologie in der
Tat.
Ob ich auf dem neuesten Stand der Genetik bin, weiß ich nicht.
Ich stelle aber fest, dass ich meine Ausführungen
verdeutlichen muß.
Die Entschlüsselung des genetischen Codes ist heute kein
Problem mehr.
Dabei handelt es sich um eine sehr lange Abfolge von den
Aminosäuren Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin, die nur per
Computer erfaßt werden können.
Wenn man die Abfolge dieser Aminosäuren mit der Abfolge
von Buchstaben in den Nachschlagewerken des Bockhaus
vergleicht, liegt man nicht falsch.

Wenn man die Abfolge der Buchstaben in dem
gesamten Nachschlagewerk des Brockhaus kennt,
weiß man noch lange nichts von dem Inhalt des
Nachschlagewerkes Brockhaus!
In diesem Zustand befindet sich zur Zeit die Molekularbiologie.
Verläßliche Aussagen über die Eigenschaften im
Organismus aus der Abfolge der Buchstaben
auf der DNA-Ebene gibt es kaum!
Für ein computerkonstruiertes künstliches bakterielles
Leben reicht das aber noch lange nicht aus!
Das Zusammenspiel der Proteine im Organismus ist noch
als Ganzes unbekannt!
Künstliches Leben kann nur dann zielgerecht konstruiert
werden, wenn die Wirkungsweise aller Proteine in
der DNA-Abfolge interpretiert werden kann!

Und da müssen die Biologen noch verdammt viel
Hausaufgaben erledigen!

Viele Grüße
arno
arno
arno
Mitglied

Re: Computerkonstruiertes künstliches bakterielles Leben
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 22.05.2010, 09:34:08
Hallo, klaus,

seit ca. 20 Jahren kann man Zellen manipulieren.
Ich denke an die Insulinproduktion und die vielen praktizierten Möglichkeiten in der High-tech-Nahrungsmittelindustrie. Diese Manipulation ist etwas
anderes als ein computerkonstruiertes künstliches Leben,
was es heute noch lange nicht geben wird.
Da fehlen noch zu viele mikrobiologische Erkenntnisse.

Die Mikrobiologen erahnen ihre Möglichkeiten, mehr aber auch nicht!

Viele Grüße
arno

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