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Biowissenschaften Gibt es eigentlich Menschenrassen?

miriam
miriam
Mitglied

Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von miriam
Entgegen meiner sonst üblichen Art zu formulieren, habe ich den Titel dieses Threads mit einem Fragezeichen versehen.

Warum eigentlich? Vielleicht weil ich als Erstes diese mir selbstgestellte Frage mit einem kategorischen "Nein" beantworten möchte.

Warum liegt es mir daran zu betonen, dass es ein kategorisches nein ist?

- weil dieser Begriff auf Menschen angewendet, wissenschaftlich falsch ist - es gibt sie nicht, die "menschlichen Rassen".

- weil die Verwendung des Begriffes, trotz seiner wissenschaftlichen Unhaltbarkeit, darauf hindeutet, dass es einen Grund gibt, ihn aufrecht zu erhalten.

Im Rahmen der Diskussionen Rund um Sarrazin, rücken wir diesen Menschenrassentheorien sehr nah - und das ist eine beängstigende Feststellung (siehe den jüdischen Gen!). Was kommt da plötzlich an die Oberfläche, bei der unerwartet großen Zustimmung zu seinen so genannten Theorien?

Zurück aber zum Thema der Existenz von Menschenrassen: ich möchte gerne mit dem zweiten Punkt anfangen, also mit dem Grund diesen pseudowissenschaftlichen Begriff weiter zu verwenden.

Ist es um sich die Einteilung der Menschen nach äußerlichen Merkmalen (wie z.B. Hautfarbe) zu erleichtern?
Nun, solche Vorstellungen die uns die Welt so künstlich und willkürlich erklären sollen, nennt man naive oder implizite Theorien.

Psychologischer Beweggrund um solche künstlich kreierten Kategorien zu verwenden, ist unter anderem auch der Wunsch, die eigene Zugehörigkeit zu einer Gruppe in Worte zu fassen.

Dadurch wird auch die Welt durchschaubarer, zwar auf falscher Basis beruhend, doch es geht in erster Linie darum, sie erfassbar, begreiflich (für sich selbst), zu machen.

Die Merkmale an sich die dies berechtigen würden, also diese Art von Kategorisierung, bestehen eigentlich nicht, denn diese haben keine genetische Grundlage. Darüber Näheres etwas später.

Es gibt aber noch einen wichtigen Beweggrund für eine solche pseudowissenschaftliche Einteilung.
Denn es wird implizit zur Zugehörigkeit, auch die Abgrenzung zu anderen Gruppen, betont.

Ganz anders in der Botanik und in der Zoologie. Man weiß, dass die Einteilung, die Klassifikationen innerhalb des Pflanzen- und Tierreiches, zu einem großen Teil der Realität unterschiedlicher Merkmale entspricht.

Was die auf Menschen bezogene Rassenklassifikation betrifft, möchte ich mich auf Ulrich Kattmann* beziehen.

Dieser fast den Prozess der menschlichen Rassenklassifikation, auf folgender Weise zusammen:

1.Wahrnehmung der Gruppenzugehörigkeit; mit der Gruppenzugehörigkeit werden die Individualentwicklung und die Generationen überdauernde Eigenschaften verknüpft.

2. Gruppenabgrenzung und -distanzierung; Fremdgruppen wird "Andersartigkeit" und "Wesensfremdheit" zugeschrieben, dabei kann durchaus noch Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung postuliert werden (Ideologie der Apartheid).

3.Bewertende Diskriminierung der Gruppen; die Menschengruppen werden in höherwertige und minderwertige eingeteilt. Das Eigenbild bestimmt das Fremdbild.

4. Konstruktion von Rassen; die Fremdgruppen werden als rassisch von der eigenen verschieden definiert, am deutlichsten im dichotomen Gegensatz, wie zum Beispiel: Weiße/Schwarze; Arier/Juden.

Vorläufig soviel. Mir lag es hier in erster Linie darum, über die Beweggründe oder den Hintergrund der Verwendung des Begriffes Rasse bei Menschen, zu schreiben.

Später geht es natürlich weiter mit dem ersten Punkt, warum der Begriff Menschenrassen, wissenschaftlich betrachtet, falsch ist.

Miriam

*Prof. Dr. Ulrich Kattmann, war bis 2004 Biologiedidaktiker am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften und Direktor des Didaktischen Zentrum (diz) der Universität Oldenburg .

Einer seiner Schwerpunkte ist das Thema der Menschenrassen und des Rassismus.



miriam
miriam
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Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von miriam
als Antwort auf miriam vom 02.09.2010, 10:59:35
Zum Begriff der Menschenrassen, erst einmal diese wichtige Information:

Die UNESCO hat Folgendes zu dem Problem der Menschenrassen definiert:



"»Rassen« des Menschen werden traditionell als genetisch einheitlich, aber untereinander verschieden angesehen. ...

Neue auf den Methoden der molekularen Genetik und mathematischen Modellen der Populationsgenetik beruhende Fortschritte zeigen jedoch, dass diese Definition völlig unangemessen ist. Die neuen wissenschaftlichen Befunde stützen nicht die frühere Auffassung, dass menschliche Populationen in getrennte »Rassen« wie »Afrikaner«, »Eurasier« ... oder irgendeine größere Anzahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten. ...

Mit diesem Dokument wird nachdrücklich erklärt, dass es keinen wissenschaftlich zuverlässigen Weg gibt, die menschliche Vielfalt mit den starren Begriffen »rassischer« Kategorien oder dem traditionellen »Rassen«-Konzept zu charakterisieren. Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, den Begriff »Rasse« weiterhin zu verwenden."


UNESCO-Workshop: »Stellungnahme zur Rassenfrage« (1996)

Fortsetzung folgt gleich...

Miriam


miriam
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Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von miriam
als Antwort auf miriam vom 02.09.2010, 13:34:19
Noch eine Grundinformation, liefert uns die Stellung des Menschen, wenn man seinen Stammbaum betrachtet:[/color]


3.1. Die Stellung des Menschen im natürlichen System

Ein ausführlicher Stammbaum:

Domäne: Eukaryonten (Eucaryota)
Reich: Tiere (Animalia)
Unterreich: Vielzeller (Metazoa)
Abteilung: Gewebetiere (Eumetazoa)
Unterabteilung: Bilateria
Stammgruppe: Neumünder (Deuterostomia)
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Euarchontoglires
Ordnung: Herrentiere (Primates)
Unterordnung: Trockennasenaffen (Haplorhini)
Teilordnung: Altweltaffen (Catarrhini)
Überfamilie: Menschenartige (Hominoidea)
Familie: Menschenaffen (Hominidae)
Tribus: Echte Menschen (Hominini)
Gattung: Mensch (Homo)
Art: Moderner Mensch (Homo sapiens)


(Entnommen aus Biologie gk 13.3 – Evolution)

Und wo bleibt bei diesem "ausführlichen Stammbaum", die Rasse?

Sie fehlt, da sie einfach nicht besteht.
Vielleicht sollte ich dies vorwegnehmen:

Eine Rasse entsteht nur durch die Züchtung einer solchen.
Sie bedarf also eines Züchters – und meist sind es ökonomische Beweggründe, die zur Züchtung veranlassen.
Nahe liegende Beispiele sind in erster Linie unsere Nutztiere – aber auch andere haustiere wie Hunde oder Katzen.

Miriam (Gewebetier und Kiefermäulchen)





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Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf miriam vom 02.09.2010, 13:45:59
Einen sehr interessanten Artikel über Rassentheorien gibt es bei Wikipedia.
Zitat 1. Absatz:
„Eine Rassentheorie (auch Rassenkunde oder Rassenlehre) ist eine heute als überholt angesehene Theorie, die die Menschheit in verschiedene Rassen einteilt. Die Rassen werden primär aufgrund physischer Merkmale wie der Hautfarbe und der Behaarung unterschieden, zumeist werden jedoch auch Unterschiede im Charakter und bei Fähigkeiten angenommen. Diese Ansichten gelten seit den 1990er Jahren als überholt, da genetische Untersuchungen ergaben, dass die Unterschiede zwischen den vermeintlichen Rassen wesentlich geringer sind als die Variabilität innerhalb dieser Populationen und dass es sich somit nicht um Rassen im biologischen Sinn handelt. Von den Rassentheorien zu unterscheiden ist der vielfach an sie anschließende, teils aber auch direkt implizierte Rassismus, der zwischen höher- und minderwertigen Menschenrassen unterscheidet und Zusammenhänge zwischen rassisch bedingten Eigenschaften und der Kulturentwicklung behauptet.“

Ganz unten im letzten Absatz wird auch der von dir angeführte Ulrich Kattmann erwähnt.

s. Link:
miriam
miriam
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.09.2010, 16:49:40
Eigentlich kann man es fast schon als Willkür betrachten, an was der Begriff Menschenrasse heute noch festgemacht wird.

Die Vermutung liegt nah, dass man sich ungern von dieser absurden Einteilung lösen möchte. Was dann als rassisches Merkmal bezeichnet wird, scheint fast schon reiner Zufallstreffer zu sein.

Doch sucht man dafür in der Tat nach genetischen Faktoren bzw. genetischen Unterschiede, dann besteht eher eine Männerrasse bzw. eine Frauenrasse, denn da finden sich genetische Unterschiede, nicht aber z.B. bei der Hautfarbe.

Als was kann man diesen Begriff, Menschenrasse, noch am ehesten betrachten? (Ich beziehe mich nun auf dem Begriff!)
Die Vermutung liegt nah, dass es eher zum politischen Instrumentarium (sprich Waffe) zählt – und wie so oft, sind politisch eingesetzte Waffen in erster Linie tendenziös, gewählt nach dem Kriterium des am meist versprechendem Erfolg.

Was in diesem Kontext Erfolg bedeuten kann, lehrt uns der Nationalsozialismus und sein Rassenwahn.

Miriam

arno
arno
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.09.2010, 16:49:40
Hallo, marina,

auch Fachleute können irren und diese irren genauso häufig wie jeder andere Mensch auch!

Die Gene sind die Hardware des Lebens, mehr nicht.

Viel prägender und nachhaltiger sind die
menschlichen Konstrukte, die das Zusammenleben in einer Sozietät erst ermöglichen.
Konstrukte sind die Einteilung der Zeit, Verwendung des Zahlungsmittels Geld, Schaffung eines Bildungssystems,
Schaffung einer politischen Ordnung, usw., usw.
All diese Konstrukte führen zu einem Mainstream, zu ähnlichem Verhalten, prägen den Zeitgeist, usw..
All die Menschen, die sich am besten diesen Konstrukten anpassen und mit diesen Konstrukten umgehen können,
sind die Profiteure!
Da die Konstrukte lange Bestand haben und sich kaum ändern, findet über sie auch eine Auslese statt.
Das Verhalten und auch die Einstellung der Menschen
wird über die Konstrukte mehr gleichgeschaltet als über
wissenschaftliche Erkenntnisse.
Soviel dazu.

Wir wissen alle, dass unsere Hunderassen vom Wolf abstammen und auch noch mit dem Wolf Nachkommen haben können. Die vielen Hunderassen sind gezüchtet worden.
Der Mensch besiedelt im Gegensatz zum Wolf die ganze Erdoberfläche. Die Menschen haben Besonderheiten entwickelt, um überall leben zu können. Die Besonderheiten haben auch ihr Äußeres verändert.
Diese äußere Veränderung der Menschen ist vergleichbar
mit den über die Züchtung erfolgten äußeren Veränderungen bei den Hunderassen.
Die über den Globus verteilten Menschenrassen können
untereinander Nachkommen haben.
Die Zuchtauslese bei den Menschen erfolgt über die Lebensbedingungen und beim Hund über den Züchter.
Wenn es Hunderassen gibt, muß es auch Menschenrassen geben.

Viele Grüße
arno


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adam
adam
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von adam
als Antwort auf arno vom 02.09.2010, 17:58:57
Wenn es Hunderassen gibt, muß es auch Menschenrassen geben.

Viele Grüße
arno
geschrieben von arno


Beitag wieder gelöscht. Aber: Alles klar Herr Kommissar!

--

adam
Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 02.09.2010, 17:58:57
Arno, nachdem mir dein Beitrag erst mal die Sprache verschlagen hat, hier also doch der Versuch einer Antwort auf deine (ich muss es jetzt doch einmal sagen) Plattheiten:

Ich bin kein Naturwissenschaftler, leider, sonst hätte ich noch andere Möglichkeiten einer Replik. Aber wenn du meinst, mit deinem „gesunden Menschenverstand“ (kein Zitat, aber ich schreibe diesen Begriff grundsätzlich in Anführungszeichen) den Fachleuten überlegen zu sein und die Wahrheit über die „Menschenrassen“ und deren Zustandekommen herausgefunden zu haben, dann bewerbe dich doch mal bei einer Universität, damit die „über den Globus verteilten Menschenrassen“ von deinen ganz neuen Erkenntnissen über ihre „Zuchtauslese“ profitieren können.
Du kannst dich aber auch als Assistent von Sarrazin bewerben, dem scheinst du ja inhaltlich ziemlich nahe zu sein, nur mit dem Unterschied, dass du im Gegensatz zu ihm diese „Zuchtauslese“ und die von dir erwähnten „Profiteure der Konstrukte“ (seltsame Wortbildungen) eher kritisch beurteilst und Sarrazin sie lieber vermehren würde.

Viele Grüße
Marina
miriam
miriam
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.09.2010, 10:12:54
Erstaunlich ist sie schon, die Beharrlichkeit mit der sich manche an falschen Theorien festklammern.
Für mich ist es sogar beängstigend, denn wir haben schon die bittere Erfahrung von Theorien, denen zwar jegliche Basis fehlte – und denen es trotzdem gelungen war, die Welt zu verändern.

Dass man keine Kosten und auch nicht falsche Behauptungen scheut um etwas unter Beweis zu stellen, erlebten wir in zahlreichen so genannt ernsten Versuche.

Eines davon, möchte ich hier kurz erwähnen. Es liegt etwa 5 Jahre zurück, als auf dem US-Markt ein neues Medikament erschien, welches in der Folge zu wichtigen Diskussionen führte.

Das Medikament nannte sich Bidil – und ist ein Präparat, welches als Ethno-Medikament in der Folge bezeichnet wurde. Es sollte bei Afroamerikanern angewendet werden, bzw. bei einer häufig auftretenden Herzmuskelschwäche, hilfreich sein.
Festzuhalten ist, dass dieses Präparat schon in den achtziger Jahren entwickelt wurde, und große Schwierigkeiten bei der Vermarktung erfuhr.

Da man eine neue Vermarktung im Jahr 2005 vorhatte, wurde es erneut im Versuch verabreicht. Diesmal aber, auf einer schon im Vorhinein sehr beschränkten Gruppe: es waren 518 ausschließlich Afroamerikaner.

Aus dieser à priori selektiven Anwendung, hat man dann die Vermarktungsstrategie entwickelt: Bidil wurde zur Etho-Pille, erklärt – und auch als solche in den Handel gebracht.

Was konnte man daraus letztendlich schließen? Dass es Menschenrassen gibt, die sich im Wesentlichen untereinander unterscheiden.

Jonathan Kahn, damaliger Leiter des Zentrums für Bioethik an der University of Minnesota, beobachtete schon seit längerer Zeit mit Sorge die Marktstrategien der Medikamentenbranche in den USA, da damals der so genannte Ethnomarkt der Hit wurde, um Medikamente zu vermarkten.

Ernst zu nehmende Wissenschaftler wie der Anthropologe Alan Goodman und der Professor für Medizin Elijah Saunders, wiesen auf die Gefahren dieses Marktes bzw. auf diese Art der Vermarktung hin: die Ergebnisse auf die sich dieser stützte waren nicht nur falsch – sondern führten außerdem wieder dazu, über Menschenrassen zu sprechen.
Viele Genomforscher teilten diese Sorge, in Anbetracht der Tatsache, dass man wieder über Menschenrassen als eine bestehende Tatsache, sprach.

Miriam

arno
arno
Mitglied

Re: Gibt es eigentlich Menschenrassen?
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.09.2010, 10:12:54
Hallo, marina,

Du schreibst viele Worte, die nichts sagen!

Eigentlich schade!

viele Grüße
arno

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