Forum Wissenschaften Biowissenschaften Häufige Fragen zur Genetik

Biowissenschaften Häufige Fragen zur Genetik

arno
arno
Mitglied

Re: Was bedeutet die Existenz einer "genetischen Signatur"?
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 03.09.2010, 08:48:13
Hallo, karl,

der genetische Fingerabdruck ist die "Hardware" des Lebens.
Sehr viel prägender auf dass, was den Charakter ausmacht,
ist die Erziehung, usw.

Viele Grüße
arno
Karl
Karl
Administrator

Re: Was bedeutet die Existenz einer "genetischen Signatur"?
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 03.09.2010, 09:12:28
Oh arno,

Du schreibst das so, als müsstest Du mich überzeugen, dass Erziehung wichtig ist. Das ist doch auch meine Meinung.

Den Begriff "genetischer Fingerabdruck" verwendest Du hier aber falsch, gerade nachdem ich ihn erklärt habe, heul.

Der "Genetische Fingerabdruck" beinhaltet gerade solche Sequenzen, die eher völlig unwichtig für Dein (oder mein) Leben sind. Wenn schon, dann solltest Du das Genom als Ganzes oder die Gensequenzen als "Hardware des Lebens" bezeichnen, aber was heißt hier schon "hart", das ist ziemlich schlapprig .

Karl
Karl
Karl
Administrator

Re: Was sind genetische Polymorphismen?
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.09.2010, 09:03:29
Heisst das nicht, dass gerade die Durchmischung des Erbguts positive Wirkungen hat oder haben kann?
Genau, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Gerade bei der derzeitigen globalen Durchmischung des menschlichen Erbgutes sieht ein Genetiker alles andere als schwarz.

Aber die Bedeutung der Gene, an denen wir doch nur sehr eingeschränkt (gilt auch für die Zukunft) etwas ändern können, wird einfach weit überschätzt, denn wichtig sollten in unserer Gesellschaft die Rädchen sein, an denen wir drehen können, das sind Bildung und Erziehung, soziale Gerechtigkeit und Durchlässigkeit, der Abbau sozialer Barrieren.

Karl

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Mitglied_81b4260
Mitglied_81b4260
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Re: Was bedeutet die Existenz einer "genetischen Signatur"?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 03.09.2010, 08:48:13
Der Vergleich der genetischen Signatur - das ist doch das, was als "Basken- oder Judengen" traurige Berühmtheit erlangt hat, da dieser Ausdruckt eben gerade nahelegt, es gäbe ein Gen und damit Charaktereigenschaften, die nur diesen Gruppen zukommt? - mit Fingerabdrücken, finde ich sehr anschaulich.

Könnte nicht auch dieser Vergleich herangezogen werden?

Es gelangen immer wieder geheimzuhaltende Berichte bzw. Aktenordner an die Öffentlichkeit. Wenn man der undichten Stelle auf die Spur kommen möchte, baut man unbedeutende Fehler ein, z.B. einen zusätzlichen Abstand, einen Strichpunkt anstelle des Punktes oder ähnliches und gibt den Stellen, die damit arbeiten, unterschiedliche Versionen. Wenn jede dieser Stellen zusätzliche Signaturen einbaut, dann kann doch der Weg der Schriftstücke nachvollzogen werden.
Karl
Karl
Administrator

Re: Was bedeutet die Existenz einer "genetischen Signatur"?
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.09.2010, 09:54:18
Mart, Dein letzter Absatz ist sehr interessant. Ja, so kann man das auch anschaulich machen.

Wenn man die genetische Information eines Menschen als Buch ansieht, dann unterscheiden sich verschiedene Auflagen des Buches möglicherweise in einzelnen Buchstaben. Das muss den Sinn nicht notwendiger Weise verändern, kann es aber.

Das genetische Buch unterscheidet sich von einem normalen Buch nun noch dadurch, dass die meisten Kapitel einfach nur Nonsense-Buchstabensalat enthalten. Ein Buchstabentausch oder der Verlust oder Zugewinn ganzer Passagen würde den Bedeutungsinhalt dieses Buches nicht verändern, aber jede Auflage charakterisieren.

Das wäre dem genetischen Fingeabdruck vergleichbar, der wäre für jede Auflage des Buches charakteristisch, aber für den Inhalt, die story, die die relativ wenigen sinnvollen Kapitel des Buches erzählen, unwichtig.

Karl
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Was bedeutet die Existenz einer "genetischen Signatur"?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 03.09.2010, 08:48:13
Ich denke, die Gene sind das Papier, auf das die Natur ihre Geschichten schreibt.

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Karl
Karl
Administrator

Re: Was bedeutet die Existenz einer "genetischen Signatur"?
geschrieben von Karl
als Antwort auf schorsch vom 03.09.2010, 11:40:04
Nein, die Gene sind die Buchkapitel, in denen die Informationen festgelegt sind. Die Schriftanalogie kommt daher, dass es die Reihenfolge der vier Bausteine (Buchstaben) der DNS ist, welche den Zusammenbau der Eiweißmoleküle letztlich (über den Zwischenschritt der mRNS) bestimmt. In den Eiweißen ist die lineare Abfolge der Aminosäuren (dies sind die Bausteine der Proteine) durch die Reihenfolge der Basen in der DNS vorgegeben. Karl
Karl
Karl
Administrator

Ist ein Merkmal wie die Intelligenz angeboren?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Karl vom 03.09.2010, 08:48:13
Der Grad der Intelligenz ist definitiv nicht als "angeboren" zu bezeichen.

Was sind angeborene Merkmale?

Definition "angeboren": Als angeborene Merkmale werden solche bezeichnet, deren Ausprägung bereits bei der Geburt vorhanden ist oder deren Herausbildung während des späteren Lebens genetisch fest programmiert und durch Umweltfaktoren normalerweise überhaupt nicht zu beeinflussen ist.

Willkürliche Beispiele sind die Augenfarbe, der Besitz einer Nase mit zwei Nasenlöchern, die Zweibeinigkeit, die Fünffingrigkeit, aber auch die Ausbildung einer Glatze (wenn nicht mit Perücken oder anderen Tricks gearbeitet wird ) im späteren Leben. Ebenso angeboren können bestimmte Krankheiten, wie die Phenylketonurie sein (auch wenn sie behandelbar ist). Angeboren können auch bestimmte Verhaltensweisen sein, z. B. der Greifreflex (das Baby klammert sich z. B. an einer Wäscheleine fest oder in dem nicht mehr vorhandenen Fell der Mutter fest), der Saugreflex (lebensnotwendig), das Atmen, das Anhalten des Atmens unter Wasser, das Lächeln u. v. m.

Nicht-angeborene Merkmale sind solche, die sich in der Interaktion mit der Umwelt entwickeln. Hierzu gehört z. B. die Muttersprache eines Menschen und die Religionszugehörigkeit. Diese Eigenschaften tradieren sich, sie werden von den Eltern und der Umwelt auf die Kinder übertragen.

Auch die Intelligenz (wie gemessen in IQ-Tests) ist nicht angeboren, sondern sie entwickelt sich in der Interaktion mit der Umwelt. Man weiß heute, dass in den ersten Lebensmonaten nicht die Intelligenz der Eltern der wichtigste soziale Faktor ist, sondern die emotionale Wärme, die den geschützten Raum schafft, in dem ein kleiner Mensch seine Fähigkeiten entwickeln kann. Aber auch geistige Anregungen sind für die Intelligenzentwicklung wichtig. Ein Kaspar-Hauser, der weder Schreiben, Lesen noch Rechnen gelernt hätte, würde in IQ-Tests vollkommen versagen.

Intelligenz ist also nicht nur bei der Geburt noch nicht vorhanden (also im engeren Sinne nicht angeboren), sondern sie entwickelt sich auch nur in starker Abhängigkeit von der Umwelt und kann bei fehlender Anregung, z. B. in vollkommener Isolation verkümmern. Anders als die Ausbildung einer Glatze im Laufe des Lebens determiniert die genetische Veranlagung die Intelligenz nicht!

Das nächste Kapitel bejaht die Frage, ob auch genetische Faktoren die Intelligenz beeinflussen können.

Das übernächste Kapitel belegt, dass es keine hinreichende, aber notwendige Gene für die Intelligenzentwicklung gibt.

Erst das Kapitel danach diskutiert die Bedeutung des erfahrungsgemäß völlig verwirrenden Begriffs der "Erblichkeit", der (für die meisten Leser wahrscheinlich überraschend) mit "angeboren" nämlich nichts zu tun hat!

Karl


Karl
Karl
Administrator

Gibt es auch genetische Einflüsse auf die Intelligenzentwicklung?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Karl vom 04.09.2010, 21:48:11
Die menschliche Intelligenz wird von keinem Tier übertroffen. Wenn sich der Mensch als die bisherige Krone der Evolution darstellt, dann beruft er sich auf eben diese Intelligenz und auf sein großes Gehirn, welches die Voraussetzung für seine Intelligenzleistungen darstellt.

Es ist hier nicht unsere Aufgabe, detailliert auf die Frage danach einzugehen, was Intelligenz eigentlich ist und ob sie überhaupt adäquat mit IQ-Tests gemessen werden kann. Der Biologe versteht unter Intelligenz im Wesentlichen die Fähigkeit Probleme in einem internen Weltbild (im Kopf) zu lösen, anstatt nach dem Prinzip Versuch und Irrtum die reale Welt zu erkunden und eventuell sehr schmerzhafte oder gar tödliche Erfahrungen zu machen. Intelligenz hat sehr viel mit "vorsehen" (in die Zukunft sehen), mit planen und Strategie zu tun. Das räumliche Sehen war wahrscheinlich für die Intelligenzentwicklung der Menschenaffen sehr wichtig. "Hinter" eine Sache kommen, sich "vorstellen", den "Durchblick" haben, etwas "begreifen", etwas "entdecken" (=aufdecken) sind sprachliche Bilder, die uns sehr viel darüber verraten, was die ursprünglichen Intelligenzaufgaben waren, die unsere Vorfahren zu lösen hatten und die wir als Kinder mit Lust durchgespielt haben (z. B. Verstecken und Finden).

Wenn Intelligenz also eine der herausragenden Eigenschaften des Menschen ist, dann ist es auch klar, dass diese menschliche Höchstleistung das Funktionieren sehr vieler biologischer Faktoren benötigt. Wir haben in unserer Schulzeit nicht gerne Klassenarbeiten geschrieben, wenn wir Kopfschmerzen oder Fieber hatten oder auch nur hungrig waren.

Das Gehirn ist das komplizierteste Organ des Menschen. In den Nervenzellen sind so viele Gene aktiv, wie in keinen anderen Körperzellen. Die verschiedenen Gehirnzellen müssen sich während des Entwicklungsprozess nicht nur bilden und die richtigen Verknüpfungen zu anderen Nervenzellen herstellen, sondern ihr Funktionieren und z. B. das Bilden neuer Verknüpfungen in Abhängigkeit von Erfahrungen bedarf eines funktionierenden genetischen Apparates in allen beteiligten Zellen.

Ein Gehirn benötigt auch Sauerstoffversorgung und Nährstoffe. Wenn das Blutgefäßsystem nicht richtig ausgebildet würde, würde auch das Gehirn nicht richtig funktionieren können. Es gibt Tausende von Stellschrauben, an denen theoretisch gedreht werden könnte, um die Funktion des Gehirn zu modifizieren. Jeder von uns wird in seinem Genom hunderte von Allelen tragen, die die Entwicklung des Gehirns auf die eine oder andere Weise beeinflussen. In den meisten Fällen mittelt sich das so, dass wir in die Normalverteilung der Performer gut hineinpassen.


Karl
Karl
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Administrator

Gibt es ein Intelligenzgen?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Karl vom 04.09.2010, 22:24:42
Das oben geschilderte Bild der Vielzahl genetischer Faktoren, die einfach funktionieren müssen, damit ein Gehirn Intelligenz entwickeln kann, macht auch deutlich, dass es das Intelligenzgen gar nicht geben kann.

Kein Gen ist alleine hinreichend, um Intelligenz zu ermöglichen.

Es gibt andererseits Gene, wenn man diese zerstört, dann wird eine bestimmte Gehirnleistung deutlich reduziert. Um ein Bild zu gebrauchen: Eine Schraube macht noch keine Raumstation, aber die Zerstörung einer Schraube an einer strategischen Position könnte großen Schaden anrichten.

Als Beispiel für solch ein notwendiges Gen kann das sogenannte "Sprachgen" FOXP2-Gen dienen.

Es gibt eine Familie, in der dieses Gen nachweislich defekt ist. Der Erbgang ist autosomal dominant, d.h. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen und Generationen können nicht übersprungen werden, eine defekte Genvariante (Allel) ist bereits zuviel.

http://seniorenstadt.de/belege/FoxP2family.jpg[/img]

Dargestellt ist der Stammbaum einer Familie über drei Generationen. Eckige Symbole stehen für männliche, runde für weibliche Individuen. Die betroffenen Mitglieder (schwarz ausgemalte Symbole) haben eine schwerwiegende Sprachstörung.
Das FOXP2-Gen hat bei der Entwicklung der Sprach- und Sprechfähigkeit eine zentrale Funktion. Deshalb führen Mutationen im Gen und ein damit verbundener Funktionsausfall des Proteins zu einer spezifischen Sprach- und Sprechstörung beim Menschen, insbesondere bei der Artikulation und dem Sprachverständnis. Eine Reihe bekannter Sprech- und Sprachstörungen, sowie Autismus, wird daher dem Bereich des FOXP2-Gens auf dem Chromosom 7 zugeordnet. Quelle
geschrieben von Wikipedia


Interessanterweise gibt es gerade in diesem normalerweise bei Säugern hoch konserviertem Gen zwei wesentliche Unterschiede (SNPs mit Aminosäureaustausch im Protein) zwischen Mensch und Menschenaffen. Auch der Neandertaler hatte die menschliche Variante.

Wichtig: Die normale Genvariante ist in doppelter Ausfertigung notwendig für das Erlernen von Sprache, aber das ist nicht hinreichend. Es gibt zwischen menschlichen Ethnien in diesem Gen keinen Unterschied.

Karl

P.S.: Morgen werde ich diesen kurzen Genetikkkurs für den ST vorerst abschließen. Ganz entscheidend in der aktuellen politischen Diskussion ist ja die Frage nach der Bedeutung der [i]"Erblichkeit der Intelligenz"
. Ich kann verraten, dass diese Zahlen in der Regel von Journalisten und Politikern fehlinterpretiert werden.

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