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Biowissenschaften Häufige Fragen zur Genetik

Karl
Karl
Administrator

Was bedeutet die Aussage, die Intelligenz sei zu 60-70% erblich?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Karl vom 04.09.2010, 23:07:30
Die vorangegangenen Kapitel sollten deutlich gemacht haben, dass die optimale Entwicklung der individuellen Intelligenz genetische Faktoren sowie fördernde Umweltfaktoren als notwendige Bedingungen erfordert.

Damit stehen für ein Individuum "Erbe" und "Umwelt" mathematisch in einer multiplikativen Beziehung. Wir sind nichts ohne unsere Gene und wir sind auch nichts ohne eine Umwelt, in der wir uns entfalten können.

individuelle Intelligenzentwicklung = Erbfaktoren * Umweltfaktoren

Wird ein Faktor auf Null gesetzt, ist das Ergebnis Null, ganz egal wie groß der andere Faktor ist. Bei einer solchen mathematischen Beziehung können für die einzelnen Faktoren keine Prozentsätze für ihre Wichtigkeit angegeben werden, denn sie sind alle gleich wichtig. Es ist also immer falsch, wenn jemand behaupten würde, seine Intelligenz sei zu soundso viel Prozent genetisch bedingt.

Was aber bedeuten dann die oft zu lesenden Behauptungen, die Intelligenz sei zu soundso viel Prozent erblich?

Das Problem ist, dass dieser Begriff der "Erblichkeit" (engl. Heritabilität) sich nicht auf die Entwicklung der Intelligenz bei einem Individuum bezieht, sondern etwas über die Streuung der Merkmalsausprägung in einer Individuengruppe aussagt.

Definition "Erblichkeit" ( wer es genau wissen will): Erblichkeit ist der genetisch verursachte Varianzanteil an der Gesamtvarianz eines Merkmals in einer Population (das könnten z. B. die Menschen in Berlin oder in Frankreich sein) und diese Definition führt zu so "komischen" Ergebnissen, wie dass die Erblichkeit der Beinzahl = 0 ist, wenn die Beinzahl erwachsener Menschen ausgewertet wird!

Die "Erblichkeit" ist keine Naturkonstante, sondern selbst umweltabhängig und abhängig von der untersuchten Gruppe.

Wir erinnern uns an die Definition von "angeboren" ( s.o): Als angeborene Merkmale werden solche bezeichnet, deren Ausprägung durch Umweltfaktoren kaum zu beeinflussen ist. Beispiele sind die Augenfarbe oder die Fünffingrigkeit des Menschen.

Wir können fragen: Wie hoch ist die "Erblichkeit" angeborener Merkmale?

Da angeborene Merkmale per definitionem stabil gegen normale Umweltschwankungen sind, ist zu erwarten, daß ihre umweltbedingte Variabilität innerhalb einer untersuchten Gruppe klein ist. Trotzdem kann ihre Erblichkeit gering sein, nämlich dann, wenn die genetisch bedingte Variabilität zwischen den Individuen noch kleiner ist. Viele Untersuchungen zeigen, daß dies der Fall ist, wenn das Merkmal einem starken stabilisierenden Selektionsdruck unterworfen ist, wodurch seine genetische Variabilität praktisch auf Null absinkt. Die Ausbildung von Gliedmaßen ist ein drastisches Beispiel. Der Versuch, in freier Wildbahn gesammelte dreibeinige Eidechsen oder siebenbeinige Krabben weiterzuzüchten, wäre wahrscheinlich nicht von Erfolg gekrönt. Die Erblichkeit, der genotypische Varianzanteil der Beinzahl, ist praktisch Null. Abweichungen sind deshalb erworben (Unfall). Dies ist einer der Gründe, den Begriff der Heritabilität, (Erblichkeit), für den genotypischen Varianzanteil als unglücklich gewählt anzusehen.

Dies ist ein Beispiel dafür, daß die Wissenschaft Termini technici benötigt. Der Gebrauch umgangssprachlich belasteter Begriffe erzeugt Verwirrung. Ich versuche meine Studenten zu überzeugen, weder "Heritabilität" noch "Erblichkeit" als Begriffe mehr zu verwenden, sondern von dem "genotypischen Varianzanteil" zu sprechen. Dann fallen auch nicht mehr so umgangssprachlich absurde Sätze wie z. B. "Die Erblichkeit aller Merkmale in einem ingezüchteten, vollkommen reinerbigem Stamm ist null". Wird stattdessen gesagt "Der genotypische Varianzanteil aller Merkmale in einem ingezüchteten reinerbigem Stamm ist null", dann klingt das schon viel vernünftiger und gibt zu Missverständnissen keinen Anlass mehr.

Ein aus dem Missverständnis des Begriffes "Erblichkeit" resultierendes, besonders schwerwiegendes Missverständnis spiegelt z.B. die oft gehörte Behauptung, wegen der hohen »Erblichkeit" der menschlichen Intelligenz (70-80%) sei diese durch Umweltfaktoren nicht förderbar. In Wirklichkeit sagt der genotypische Varianzanteil über die prinzipielle Formbarkeit eines Merkmals durch Umweltfaktoren nichts aus.

Gleiche Umwelt für alle bedeutet noch nicht Chancengleichheit!

Die Gesamtvarianz eines Merkmals in einer Population ist streng genommen nicht nur die Summe aus der Variabilität relevanter Umweltfaktoren und der Variabilität genetischer Faktoren, sondern es gibt auch noch einen zusätzlichen Beitrag zur Gesamtvariabilität, der dadurch zustande kommt, dass "gute" oder "optimale" Umweltbedingungen sich für genetisch unterschiedlich ausgestattete Individuen unterscheiden können. Ich mache das in Bezug auf die Körpergröße immer wie folgt deutlich: Angenommen Menschen würden sich nur von Apfelbäumen ernähren. Falls es nun nur eine Apfelsorte gäbe, bei der die Äpfel 2m hoch hängen würden, dann wären von Natur aus kleinere Menschen benachteiligt, sie blieben unterernährt und würden deshalb in ihrer körperlichen Entwicklung zurückbleiben und kleiner bleiben als nötig. Eine vielfältige Umwelt mit unterschiedlichen Apfelsorten wäre optimal und erst diese würde den Anteil der Umwelt an der Merkmalsausprägung auf Null drücken.

Da der genotypische Varianzanteil eines Merkmals also erst bei für alle optimaler Umwelt 100% beträgt, kann jeder kleinere Wert z. B. für die Intelligenz als Anzeichen für Benachteiligungen gewertet werden. Diese Aussage bedeutet, dass die Chancen in unserer Gesellschaft ungleich verteilt sind, denn bei Chancengleichheit müsste der genotypische Varianzanteil (die "Erblichkeit") 100% betragen (die individuellen Unterschiede würden sich auf die genetisch verursachten reduzieren und kleiner werden).

Merke: "angeboren" ist wissenschaftlich nicht gleich "erblich".

Karl

P.S.: fast 6 Jahre später hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Artikel mit meiner Argumentation publiziert " Warum Thilo Sarrazin die Genetik nicht versteht"
hugo
hugo
Mitglied

Re: Was bedeutet die Aussage, die Intelligenz sei zu 60-70% erblich?
geschrieben von hugo
als Antwort auf Karl vom 05.09.2010, 10:40:38
oh karl, na das ist aber ein interessantes Beispiel:

"Falls es nun nur eine Apfelsorte gäbe, bei der die Äpfel 50 cm hoch hängen würden, dann wären von Natur aus große Menschen benachteiligt, sie blieben unterernährt und würden deshalb in ihrer körperlichen Entwicklung zurückbleiben bis der Moment erreicht ist, wo sie die passende Größe haben,,aber dannnnn ?? *g*

ps ich finde Deine Bemühungen toll, wenn ich auch nicht 100% ig immer folgen kann und bei einer nachfolgenden Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit des soeben Gelesenen, sicher arg im Nachteil wäre.

Aber einiges bleibt hängen und der Sinn wird erkannt, denk ich mir,,

hugo
Karl
Karl
Administrator

Wie kann zwischen väterlicher und mütterlicher Abstammung unterschieden werden?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Karl vom 05.09.2010, 10:40:38
Ich wiederhole hier als Antwort auf die Frage im Inhaltsverzeichnis teilweise den Text, den ich bereits als Antwort auf eine Frage von Mart1 geschrieben hatte.

Interessanterweise hat die Auswertung der mitochondrialen DNA, die nur von den Müttern weitergegeben wird, im Vergleich mit der DNA im Kern ergeben, dass die weiblichen Linie sich eher bis zu den Germanen verfolgen lässt. Die Kern-DNA ist wesentlich durchmischter. Väterlicherseits lässt sich die Spur des Y-Chromosoms gut verfolgen. Diese Diskrepanz zeigt, dass es wohl vor allem die Männer waren, die durch Kriege und Wanderbewegungen (Arbeitssuche) Eurasien durcheinander gewirbelt haben.

Diese Ergebnisse bedeuten aber nicht, dass deutsche Frauen mit den Germanen näher verwandt wären als Männer, denn auch wir Männer haben diese Mitochondrien (von unseren Müttern) und Frauen haben wie Männer Kern-DNA. Man hat sowieso davon auszugehen, dass die wesentlichen Merkmale eines Individuums durch die Kern-DNA festgelegt werden und nicht durch mitochondriale DNA.

Was ist also richtig und was ist falsch an der folgenden Meldung z. B. auf Welt.de?
Nur wenige Deutsche sind echte Germanen

Lediglich sechs Prozent aller Deutschen väterlicherseits haben einen germanischen Ursprung. Das behauptet die Studie eines Genanalyse-Labors. 30 Prozent stammen danach von Osteuropäern ab. Und noch eine Erkenntnis kam dabei heraus: Deutsche Frauen sind deutscher als die Männer.
geschrieben von www.welt.de

Der erste Teil der Aussagen ist falsch verstandene Statistik, der zweite "Deutsche Frauen sind deutscher als die Männer" ist völliger Quatsch, denn jeder Mann und jede Frau hat eine Vererbungslinie entlang weiblicher und männlicher Vorfahren.

Die Ergebnisse besagen nur, wenn wir unsere Ahnenreihe verfolgen würden, dann kämen wir insgesamt auf mehr GermanInnen, wenn wir die weiblichen und nicht die männlichen Linien verfolgen würden.

Die Aussage "Lediglich sechs Prozent aller Deutschen väterlicherseits haben einen germanischen Ursprung. ... 30 Prozent stammen danach von Osteuropäern ab" würde richtig lauten: Statistisch gesehen befinden sich in der männlichen Ahnenreihe deutscher Frauen und Männer im Durchschnitt 6% Germanen und 30% Osteuropäer.

Karl

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Karl
Karl
Administrator

Die Fragen im Eröffnungsbeitrag sind jetzt abgearbeitet
geschrieben von Karl
als Antwort auf Karl vom 05.09.2010, 11:18:32
Ich stelle mich aber gerne hier weitergehender Diskussion, auch wenn meine Antworten manchmal auf sich warten lassen werden, denn mein Urlaub neigt sich jetzt dem Ende zu.

Ich bin mir bewusst, dass ich wahrscheinlich noch viel zu häufig Fachausdrücke verwendet habe, die ich besser hätte erläutern sollen, aber vielleicht kann solches ja noch im Nachhinein geklärt werden. Ich überlege mir auch, ob ich nicht die 13 Punkte zum besseren Lesen noch einmal in einem Blogartikel zusammenfasse.

Es war mir wichtig, der doch hoffnungslos verfahrenen Diskussion in den Medien über "Erblichkeit der Intelligenz" und "Genetik" allgemein etc. etwas Sinnvolles entgegen zu setzen. Jedenfalls war dies der sachliche und informative Beitrag, den ich zur Diskussion leisten kann.

Ich freue mich über eine lebhafte Diskussion, Karl

eleonore
eleonore
Mitglied

Re: Die Fragen im Eröffnungsbeitrag sind jetzt abgearbeitet
geschrieben von eleonore
als Antwort auf Karl vom 05.09.2010, 11:29:58
ich hab mit großes interesse ein buch gelesen, zu diesen thematik.

Die sieben Töchter Evas
von Bryan Sykes (* 1951).ein britischer Professor für Humangenetik an der Universität Oxford.


Die sieben Töchter Evas ist ein von Bryan Sykes verfasstes Buch über die Theorie, dass nahezu jeder Mensch in Europa per mitochondrialer DNA einer von sieben Urmüttern zugewiesen werden kann, von der er abstammt. Sykes erklärt die Prinzipien der Genetik und der menschlichen Evolution, der Besonderheiten von mitochondrialer Genetik und die Analysen von alter DNA, mit denen er heutige Menschen in Verbindung mit urgeschichtlichen Vorfahren bringt.
geschrieben von wiki



Karl
Karl
Administrator

Re: Häufige Fragen zur Genetik
geschrieben von Karl
Falls es interessiert. Dieser Tage kommt mein zusammen mit Martin Niggeschmidt verfasstes kleines Heft zur "Erblichkeit der Intelligenz" heraus.
Dieses Kompendium greift ein umstrittenes Thema auf: Ist Intelligenz erblich? Bei der Beantwortung dieser Frage geraten selbst Fachleute ins Schwimmen. Schuld daran sind missverständliche Fachbegriffe und überzogene Vorstellungen von der Aussagekraft des in der Intelligenzforschung genutzten Erblichkeitsmodells. Karl-Friedrich Fischbach und Martin Niggeschmidt erläutern das Modell aus Sicht der Biologie – jenes Wissenschaftsbereichs also, in dem es ursprünglich entwickelt wurde. Wer sich die Logik des Modells vergegenwärtigt, stellt fest: Intelligenz als „erblich“ zu bezeichnen, ist unpräzise und irreführend.
geschrieben von Covertext

Karl

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hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

Re: Häufige Fragen zur Genetik
geschrieben von hobbyradler
Hallo Karl,
sofern ich völligen Unfug schreibe, sieh es mir nach.

Eben habe ich die ersten Seiten dieses threads gelesen, zusätzlich wegen der vielen Fachausdrücke versucht mich im Internet zu informieren.

Ob ich es nun in deinen Beiträgen las oder im Internet weiß ich deshalb nicht mehr. Trotzdem -

Die Ribosomen lesen immer 3 Buchstaben am Stück um aus den verfügbaren Aminosäuren die richtige Zusammensetzung des Eiweiß zu wählen.

Frage:
a) Wo ist danach dieses Eiweiß? Ist das in einer neue Zelle? Ist das eine reparierte Zelle? Gibt es weitere Mechanismen die das steuern?

b) Durch welches Signal sind die einzelnen Gene im Strang getrennt?

c) Die Doppelhelix nehme ich an, ist wie ein Raid-System zur Wiederherstellung wichtig? Wann und durch was kommt der Sinn der Doppelhelix zum tragen?


Das bedeutet allerdings nicht, dass die nicht-codierenden 98% DNS-Sequenzen alle funktionslos sind, denn zu den Genen im weiteren Sinne gehören auch regulatorische Sequenzen, die bestimmen, wann eine codierende Sequenz benutzt wird.
geschrieben von Karl

Bei einem Familientreffen habe ich 2006 eine private Führung durch ein Wiener Forschungslabor erlebt. (ziemlich ernüchternd) Viel habe ich nicht verstanden und behalten. In meiner Erinnerung blieb, man kann die Gene ein und ausschalten. Ich meine in Erinnerung zu haben, dass man sie damals bereits aktivieren konnte, doch noch nicht deaktivieren. (es kann aber auch umgekehrt gewesen sein)
Frage:
d) Sitzt dieser Schalter in den von dir angegebenen 98 %.

e) Kann man inzwischen auch deaktivieren?

Ciao
Hobbyradler

Meine Frage e) möchte ich zurückziehen. Ich habe gerade gefunden das dies bereits 2007 mit sogenannten Knockout-Mäusen gemacht wurde. Sogar mit Nobelpreis.
Karl
Karl
Administrator

Re: Häufige Fragen zur Genetik
geschrieben von Karl
als Antwort auf hobbyradler vom 17.12.2015, 23:56:53
Danke für dein Interesse, Hobbyradler.

Zu Deinen Fragen:

ad a) Wo ist danach (nach der Synthese) dieses Eiweiß? Ist das in einer neue Zelle? Ist das eine reparierte Zelle? Gibt es weitere Mechanismen die das steuern?

Wo verbleibt das Eiweiß nach seiner Synthese? Das Eiweiß entsteht im Cytoplasma an den Ribosomen, kann aber danach an viele Orte transportiert werden. Wohin, das hängt von seiner eigenen Aminosäuresequenz, also von seiner eigenen Identität und Aufgabe ab. Es gibt viele Eiweißmoleküle, die im Cytoplasma verbleiben (z. B. viele Enzyme), andere werden in den Kern transportiert (Kernproteine, z. B. Histone, Transkriptionsfaktoren), wieder andere in andere Zellorganelle, z. B. in die Mitochondrien. Sie können Bestandteile der Zellmembran werden (Membranproteine) oder gar sezerniert werden (z. B. Peptidhormone wie Insulin).
[/indent]
ad b) [i]Durch welches Signal sind die einzelnen Gene im Strang getrennt?


Hier ist es wichtig zu wissen, welchen Strang Du meinst, einen Strang in der DNA-Doppelhelix oder den mRNA-Strang?

Nochmal zu den Prozessen der Transkription (Abschrift der DNA-Basensequenz in die RNA-Basensequenz) und der Translation (Übersetzung der Basenabfolge auf der Boten-RNA in die Aminosäuresequenz des Eiweißes (Proteins):

1. Transkription.

Die Gene sind linear auf dem Chromosom angeordnet (doppelsträngige DNA-Helix). An dem codierenden Strang wird die Boten-RNA (mRNA) gebildet. Das folgende Video geht sehr ausführlich auf die Promotion (den Start der Transkription) und auf die Termination (den Stopp der Transkription) ein:



Bei Bakterien und Blaualgen gibt es sogenannte "polycistronische Messenger", da kann die Transkription eine lange RNA produzieren, die für mehrere Eiweiße kodiert. Bei höheren Organismen ist das eher die Ausnahme.

2. Die Translation:



Die DNA ist im Zellkern, die Ribosomen sind außerhalb des Kerns im sogenannten Cytoplasma der Zelle. Die Information von der DNA wird über die einzelsträngige Boten-RNA (mRNA) zu den Ribosomen transportiert. Dort wird die Abfolge der Basen-Bausteine in der Boten-RNA in die Abfolge der Aminosäuren in dem zu bildenden Eiweiß übersetzt. Da wir nur 4 Basen-Bausteine in der RNA haben, es aber 20 Aminosäuren gibt, werden 3 Basen benötigt, um eine Aminosäure festzulegen. Bei 4 frei kombinierbaren Basen können rein mathematisch 64 Basentriplets gebildet werden. Das erklärt, warum manche Aminosäuren durch mehrere Dreierkombinationen (Basentriplets) kodiert werden.


[i]Der genetische Code. Basentriplets codieren für die Aminosäuren. Quelle
.

Neben den Basentriplets (Codons), die eine Aminosäure festlegen, gibt es aber auch 3 Basentriplets, die dem Ribosom sagen "hier ist jetzt Schluss". Das sind die sogenannten Stop-Codone. Wenn das Ribosom einen solchen Codon liest, beebdet es die Eiweißsynthese (Proteinsynthese) und lässt die Aminosäurekette frei, die sich dann zum fertigen Protein (Eiweiß) faltet. Darüberhinaus gibt es auch einen Startcodon, der dem Ribosom sagt "Hier mit der Synthese anfangen". Dieses Startcodon codiert für die Aminosäure Methionin, d.h. zumindest ursprünglich - falls im Nachhinein nicht wieder abgespalten - beginnt jedes Eiweiß mit der Aminosäure Methionin.

Das Startcodon ist enorm wichtig, weil damit auch das Leseraster des genetischen Codes auf der mRNA festgelegt wird. Würde das Ribosom sich "vertun" und mit dem Lesen der Basenabfolge nur um eine Base verschoben beginnen, wäre das Ergebnis absoluter Nonsense und hätte zur Folge, dass kein funktionsfähiges Eiweiß entsteht.[/indent]
Die Filme sind sehr ausführlich. Am Besten schaut man sie sich mehrfach an, um alles zu kapieren.

ad c) "Die Doppelhelix nehme ich an, ist wie ein Raid-System zur Wiederherstellung wichtig? Wann und durch was kommt der Sinn der Doppelhelix zum tragen?"
Siehe auch oben "Transkription". In der Tat ist die DNA ein ziemlich sicherer Informationsspeicher, dessen Information immer wieder abgelesen werden kann. Da die Information in Form der beiden komplementären Stränge doppelt vorliegt, können Störungen (Mutationen), die z. B. durch Strahlung verursacht werden können, innerhalb gewisser Grenzen selbst repariert werden. Der intakte Strang dient dann zur Rekonstruktion des defekten.


[/indent]
ad d) [i]Sitzt dieser Schalter (zum Ausschalten eines Gens) in den von dir angegebenen 98 %.


Im non-codierenden Bereichen der DNA können in der Tat Aktivatoren (Enhancer) und Inhibitoren (Silencer) der Aktivität von Genen liegen. Allgemein ist die Genregulation sehr komplex, es gibt sehr viele unterschiedlichen Mechanismen, die die Aktivität von Genen beeinflussen. Ich denke für den Laien ist folgende Botschaft wichtig: Viele Gene sind nicht immer aktiv, sondern nur zu definierten Zeiten in bestimmten Zelltypen. Gene können auch dauerhaft (für eine Lebensspanne) abgeschaltet werden. Dieser Funktionszustand eines Gens kann sogar an Nachkommen weitergegeben werden (Epigenetik). Wenn nach dem Begriff " Genregulation" im Internet gesucht wird, findet man die Unterscheidung "Genregulation bei Prokaryonten" und "Genregulation bei Eukaryonten". Prokaryonten sind die Bakterien und Blaualgen, Eukaryonten sind alle Organismen mit Zellkern, dazu gehören auch wir.

Ich hoffe, ich habe nicht nur Verwirrung gestiftet.
Karl
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

Re: Häufige Fragen zur Genetik
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf Karl vom 18.12.2015, 10:34:46

Ich hoffe, ich habe nicht nur Verwirrung gestiftet.
Karl
geschrieben von karl


Hallo Karl,

danke für deine Mühe der Erklärung und den Videos.

Nein, mehr Verwirrung wie ich bereits hatte ist nicht entstanden. Zumindest ist mir jetzt klar was mRNA ist. Mir war, für mich nun erkennbar, das Zusammenwirken von Transkription und Translation nicht klar. Wenn man es dann verstanden hat, liest es sich auch wunderbar in diesem thread.

Mein Problem sind die mir nicht bekannten vielen Fachbegriffe. Ich hoffe in den nächsten Tagen mal am Stück einige Stunden Zeit zu haben, um diesen thread nochmals von Anfang an lesen zu können und die mir fehlenden Fachbegriffe im Internet zu suchen.

Wenn man einiges gelesen hat, wächst plötzlich die Neugier wie es wirklich funktioniert.

Gleiche Umwelt für alle bedeutet noch nicht Chancengleichheit!
geschrieben von Karl

Das Beispiel mit den Apfelbäumen ist einleuchtend. Sobald ich die technische Seite verstanden habe, wird es mich interessieren ob ein Mensch trotz widriger Umwelt einen anständigen Charakter entwickeln kann.

Ohne mir nun selbst Druck zu machen, werde ich mich in diesem thread sicherlich wieder melden.

Ciao
Hobbyradler
Gerdd
Gerdd
Mitglied

Re: Häufige Fragen zur Genetik
geschrieben von Gerdd
Lbr Karl,

erst heute habe ich Deinen Thread „Häufige Fragen zur Genetik“ so richtig durchgelesen und fand Deine Erklärungen sehr interessant und soweit ich es begreife, auch sehr einleuchtend.

Daraufhin habe ich das Buch DER ZWEIE CODE von Peter Spork (rororo) nochmal zur Hand genommen und was mir zum Verständnis wichtig erschien notiert.

Für wichtig halte ich die „Schalter“ (biochemische Schalterstrukturen), im Hinblick auf die GENETIK. Ich habe natürlich kein tieferes Wissen und viele Fachausdrücke sind mir nicht leicht zugänglich.

Ich habe folgende Schalterstrukturen im Buch gefunden:

a) Methylgruppen
(lagern sich direkt an die DNA an und schalten Gene ab)

b) chem. Veränderungen an den Proteinen um die sich die DNA wickelt
(machen ganze DNA-Stücke ablesbar oder unablesbar)

c) kleine, DNA-ähnliche Moleküle
(die verhindern, daß bereits abgelesene Gene in Proteine übersetzt werden

Zu a):
DNMTs = DNA Methyltransferasen
(bauen klitzekleine, aber äußerst wirkungsvolle Riegel in die Erbsubstanz und schalten damit Gene aus)

Zu b)
Histonmodifikation
(Nukleosomen entscheiden mit, an welchen Stellen sich das Chromatin zu Heterochromatin verdichtet => Gen abgeschaltet)
[das Nukleosom stellt die Einheit für epigenetische Informationen dar, die auf Umweltsignale reagieren und die Art und Weise, wie Gene arbeiten und/oder beeinflußt werden]

Zu c)
RNAs (Stichwort RNA-Interferenz)
einfaches Fädchen mit offenliegendem Basencode oder schleifenförmiges Gebilde
--- ist aber kein Abfall DNA, wie man bisher glaubte ---

Jetzt noch ein Satz aus dem Buch, der mir weiter zu Denken gibt:

Wer sein Leben ändert, ändert seinen Stoffwechsel und sein Hormonsystem und das beeinflußt langfristig

Methylierungsmuster
Histonmodifikationen
Mikro-RNAs

was wiederum positiv auf Körper und Geist wirken kann.


Soweit mein Beitrag aus dem oben genannten Buch.
Vielleicht bist Du damit einverstanden lbr Karl?
Ich bemühe mich halt zu verstehen...

hzl Gerdd

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