Forum Blog-Kommentare "Heimfahrt nach Langendorf"

Blog-Kommentare "Heimfahrt nach Langendorf"

sarahkatja
sarahkatja
Mitglied

Hallo Traute
geschrieben von sarahkatja
Liebe Traute,
das kann ich gut verstehen, es tut weh.
Mein Ältester sagte mir, nachdem er vor einigen Jahren Königsberg besuchte:
“ Mutter fahre nicht hin, behalte Deine Erinnerungen.“

Das elterliche Haus meiner Mutter in Königsberg steht längst nicht mehr.
Stallepönen, Gumbinnen, Tilsit, Kranz, alles Namen und noch viele mehr,
die ich von meiner Mutter hörte, die Kurische Nehrung, die Vogelwarte Rossitten,
wo meine Schwester und ich auf den Sanddünen lagen und zu den Flugübungen
der damaligen Flugschüler hoch schauten.

Die Zeit vergeht, neue Generationen sind heran gewachsen.
Meine jüngste Schwiegertochter sagte vor zwei Jahren: “Ich fahre zur Kur.“
Ich fragte: „Wohin fährtst Du zur Kur?“
„Nach Russland, da ist es viel preiswerter.“ „Und wo in Russland ?“
„Nach Königsberg.“
Traute
Traute
Mitglied

Re: Hallo Traute
geschrieben von Traute
als Antwort auf sarahkatja vom 18.08.2010, 20:12:56
Hallo sarahkatja, es ist schon traurig. Aber nicht der Verlust des Hauses und der Heimat waren die tiefsten Einschnitte, es wurde erst so richtig schlimm, als Mutter verhungerte und die 2 Kleinen danach. Meine Schwester 8 und ich 7 Jahre waren plötzlich Wolfskinder und mussten in der Natur ums überleben kämpfen. Die Menschen,Deutsche und Russen hatten alle selbst den Überlebenskampf täglich und stündlich zu führen. Also gab es niemand, der uns zwei 1 1/2 Jahre in irgend einer Weise unterstützte mit Essen, Kleidung, oder Dach über dem Kopf.
Im November 1947 kamen wir nach Ostdeutschland.
Die Moral aus den Vorkommnissen ist die, Frauen, Kinder, Greise, wurden nach dem Krieg,
an dem sie in keiner weise beteiligt waren zu tausenden Opfer und ab und zu sollte man aus Vorsicht darüber nachdenken. Es brennt ja an vielen Ecken der Welt schon wieder und die Säbelrassler verdienen gut am Waffenverkauf an Leuten, deren Frauen und Kinder und Greise verhungern und deren junge Männer in den Kampf ziehen. Für wen und für was, das ist nicht nur hier die Frage?
Mit ganz freundlichen Grüßen an die Nachfahren der alten Preußen.
(War 7mal in der Heimat)
Traute
groschbmich
groschbmich
Mitglied

Traurig und wunderschön
geschrieben von groschbmich
Ging mir sehr zu Herzen - so schön (wenn auch traurig) geschrieben. Ja, auch die sogenannten 'leblosen' Dinge erhalten eine Seele, wenn man sich eingehend mit ihnen beschäftigt.
Viele liebe Grüße,
groschbmich

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sarahkatja
sarahkatja
Mitglied

Liebe Traute,
geschrieben von sarahkatja

Du hast mit das Schlimmste erlebt, was passieren konnte.
Es war für Euch beide eine furchtbare Zeit.
Die Mutter und Geschwister zu verlieren und alleine zu sein,
ist unvorstellbar schwer.

Alle meine Verwandten, mütterlicherseits, haben Hunger, Vergewaltigung
und Tod erlebt. Ich hatte Glück, weil mich das Heimweh zu meiner Mutter trieb,
und ich, gerade noch früh genug, aus Königsberg raus kam.
Da hilft kein Gott, wenn der Mensch in die Macht des Wahnsinns gerät.
Gebetet haben sicher alle in ihrer Not.

Einen lieben Gruß sendet Dir Sarahkatja

ladybird
ladybird
Mitglied

Sehr berührend
geschrieben von ladybird
Liebe Traute,eigentlich bin ich mehr aus der nächsten Generation,mit 3 Jahren bin ich hier in den Westen gekommen,aber durch die Erzählungen meiner Eltern,durch die Treffen der Landsmannschaften,binnich bis heute sehr interessiert an dieser Vergangenheit Eurer Generation,also auch der, meiner Eltern,die aus dem Sudetenland vertrieben,wurden.
beim Lesen Deines Gedichtes, verschwammen mir die Zeilen schon oft vor Augen,ich bin tief berührt und kann mir Deine Gefühle auch vorstellen,denn wir haben viele TV-Reportagen über Ostpreussen gesehen und auch bereist.Das Dönhoff-Herrenhaus liegt u.a. brach,wie soooo vieles.Wenn man dann, wie Du, vor zwei Leben stehst,vor dem Elternhaus und heute,das bringt die Seele wohl ins Chaos? Schade,daß Zeitgeschehen doch so vergänglich ist,schon meine "Kinder" sind leider nicht mehr interessiert an Großeltern Heimat,die gibt es ja eh nicht mehr.....Ich danke für Deinen Beitrag,der mich sehr aufwühlte,herzlichst ladybird=Renate
Traute
Traute
Mitglied

Danke für das Mitgefühl
geschrieben von Traute
Den Kommentatoren/innen, herzlichen Dank für das Nachfühlen. Die Vertriebenen, haben ja die schlimme Nachkriegszeit in der Heimat erleben müssen. Man hat all das Aufgestaute an die abgelassen die man vorfand. Viele konnten sich retten, bevor die Rache Einzug hielt.
Ich habe in vielen Texten Schilderungen gefunden, die meine übertrafen. Denn ich hatte die Kraft durchzuhalten und meine schüchterne Schwester mit zu ernähren. Die eigentlich älter war.
Möglicherweise werde ich mal meine Dokumentation hier veröffentlichen, mal sehen.
Mit herzlichem Dank,
Traute
selena
selena
Mitglied

Nomen est Omen, liebe Traute ?
geschrieben von selena
Du hast Dich : getraut -
Deine Erfahrung mit dem Schmerz
des Wiedersehens, nach so langen Jahren, gemacht.

Nein, diesen Mut besitze ich nicht -
lasse das weiße Haus meiner Kindheit
ruhen, in der Erinnerung.

Deine melancholischen - wehmütigen Zeilen
haben mich sehr berührt.

LG von selena
Traute
Traute
Mitglied

Danke Selena
geschrieben von Traute
Ich kann nicht anders, aber ich verstehe auch Dich.
Ich kann haushoch fröhlich sein und tief traurig. Die Wehmut wird vom Alltag abgelöst und ich kann auch wieder lachen.

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