Forum Politik und Gesellschaft Diskussion historischer Ereignisse Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL

Diskussion historischer Ereignisse Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL

dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von dutchweepee

Geht mich das was an oder ist das zu weit weg? Ist das Geschichte oder nur eine jener Geschichten, die ich als Kind gehört und später vergessen habe?

Am 15. Dezember 1890, also vor einhundertdreißig Jahren, wurde Sitting Bull (Tatanka Yotanka), Heiliger Mann und Häuptling der Hunkpapa-Sioux, vor seinem Haus in der Standing Rock Reservation ermordet.
1890! Mann, sag ich, das war 72 Jahre vor meiner Geburt! Na gut, nur 27 Jahre vor der Geburt meines Vaters. Hm, 3 Jahre nach der Geburt meines Opas? Also in der Zeit meines Uropas, dessen Brüder und Cousins übrigens nach Amerika und Canada auswanderten.  

1890 hatten die Amerikaner ihren Bürgerkrieg schon hinter sich gelassen und die nordamerikanischen Prärien erobert. Den dort lebenden Indianervölkern hatten sie mit der Abschlachtung von vierzig Millionen Bisons die Lebensader durchtrennt, danach tausende Männer, Frauen und Kinder umgebracht. Dies blieb längst nicht der amerikanischen Armee vorbehalten. Nein, die Zivilbevölkerung beteiligte sich mit großem Eifer an dieser Arbeit, denn man bekam nicht nur Prämien für getötete Büffel, sondern auch für getötete indianische Menschen. Als Beweis hatte man den Skalp (also die herausgeschnittene Kopfhaut) dieser Menschen zu liefern. Hundert Dollar für tote Männer, fünfzig Dollar für Frauenskalps und fünfundzwanzig Dollar für jedes ermordete Kind – für viele weiße Glücksritter eine willkommene Geschäftsidee.

Auf diesem Geschäft hatte die amerikanische Nation also 1890 ihre Existenz auch im „wilden Westen“ begründet. Blutigster Völkermord – Krieg gegen Männer, Frauen und Kinder. Amerikanische Massaker an Indianern waren Siege – indianische Siege in Schlachten waren Massaker genannt worden. Und als endlich in den Städten des Ostens der Widerspruch gegen jenen Völkermord lauter wurde (obwohl oder möglicherweise auch weil die amerikanische Existenz dort auf demselben Geschäftsmodell beruht hatte), hatte man das Prinzip der Reservationen eingeführt, wohin man die restlichen Indianer trieb.

Irgendjemand hatte nämlich schließlich auch angemerkt, dass sich mit hungernden aber lebenden Indianern ein größeres und andauernderes Geschäft machen ließe, als mit toten. Die Menschen lebten ja, auf für ihre traditionelle Lebensweise unbrauchbarem, unfruchtbarem Land und waren auf die Zuteilungen der Regierung angewiesen – ein Prinzip, das amerikanische Geschäftsleute mit dem sogenannten Indian Ring steinreich machte. Aber der ganz große Coup hieß „General Allotment Act of 1887“. Er beschloss, das den Indianern verbliebene Reservationsgebiet zu parzellieren und an jeden einzelnen Indianer zu verteilen. Menschen, die vorher das Land nie als privaten Besitz von Einzelnen verstanden hatten, bekamen nun privat Land zugesprochen mit der Auflage, es zu bewirtschaften. Würden sie dies nicht tun, sollte ihr Anspruch an diesem Land wieder erlöschen.

Zuteilungsberechtigt wurden auch Kinder, Greise, sogar Pferde und Hunde der Indianer – man machte sie glauben, dies sei eine besonders großzügige Zuteilung. Das Land bestellen konnte aber nur die erwachsenen Männer, von denen es durch die vorangegangenen Kriege ja am wenigsten gab. Mit diesem Gesetz, gegen das sich die seit 1881 entwaffneten Indianer nicht zu wehren wussten, betrog man die Indianer noch einmal um mehr als die Hälfte ihres Landes, das man dann für weiße Siedler freigab.

Tatanka Yotanka, Sitting Bull, war der letzte Häuptling der westlichen Prärien gewesen, der sein Gewehr niedergelegt hatte. Mit einem, aus der Verzweiflung geborenen, militärischen Genie hatte er seinen Stamm bis über die kanadische Grenze retten können, dann aber den Heimatverlust nicht ertragen und war 1881 in die USA zurückgekehrt.

Er war der letzte weise Mann und spirituelle indianische Führer, dessen Wort noch alles ändern konnte. Zwanzig Jahre zuvor hatte er auf Einladung von Buffalo Bill in dessen Wild West Show mitgewirkt und dabei die weiße Welt kennengelernt. Er wusste, was kommen würde und was er seinen Leuten zu raten hatte und er war in den westlichen Prärien das letzte Symbol indianischen Widerstandes. „Gott schuf mich als Indianer. Wenn der Große Geist gewollt hätte, dass ich ein weißer Mann bin, hätte er mich so geschaffen. Adler müssen keine Krähen sein.“, war seine Antwort auf die Internierung der indianischen Kinder an weißen Schulinternaten, die oft nicht mehr zu bieten hatten, als militärischen Drill und das Verbot, die eigene indianische Sprache zu sprechen.

„Dass die Regierung den Tod des berühmten alten Wilden seiner Gefangennahme vorzog, bezweifelt kaum jemand, Indianer oder weiß. Sitting Bull hinter Eisengittern wäre eine Quelle endloser Probleme gewesen.“, hatte es später geheißen. Tatanka Yotanka wurde am 15.12.1890 ermordet. Nur eine Geschichte? Oder doch Geschichte, die uns angeht? Das Elend, in dem Sitting Bull sein Volk zurücklassen musste, ist unverändert groß. Aber ein „Red lives matter“ blieb bisher aus.

Und auf unserer Seite des Ozeans? Wie sieht es aus mit unserem Mut, Widerstand gegen die Unmenschlichkeit zu leisten – welche Fratze sie auch immer trägt in unserer Zeit, in unserer Welt, in unserem Land? Einem Land, das im Lockdown nur widerwillig und in jedem Fall unverhältnismäßig wenig die eigene Kunstszene stützt aber gleichzeitig mit neuerlichen 55 Milliarden Rüstungsausgaben prahlt…
„Ein kalter Wind fuhr über die Prärie, als der letzte Büffel fiel – ein Todeswind für mein Volk. Ich will in Erinnerung bleiben als der letzte Mann meines Stammes, der sein Gewehr niederlegte.“ Tatanka Yotanka

indian sky.jpg
Heute morgen gab es einen "indian sky" - nicht ohne Grund...

Bias
Bias
Mitglied

RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von Bias
als Antwort auf dutchweepee vom 17.12.2020, 23:00:38


indian sky.jpg
Heute morgen gab es einen "indian sky" - nicht ohne Grund...
Nein, Adler sind keine Krähen, Dutch.

Von Erinnerungen eingeholt einen Donnerstagabend jenseits vom derzeit alles beherrschenden Thema konstruktiv genutzt?
Falls ja - gut so!
Komm gut durch den Tag.
Mitglied_3fbaf89
Mitglied_3fbaf89
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RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Pardon, ich musste jetzt doch sehr schmunzeln. Arbeitet da ein alt gewordener kleiner Junge seine Jugendträume und Ideale auf? Nichts gegen das Vermächtnis des großen Häuptlings der Lakota-Sioux, von deren Kultur wir und die heutigen Amerikaner viel lernen könnten. Aber diese verklärte Elegie erscheint mir denn doch etwas sehr theatralisch 

1890 wurde in Deutschland die Antisemitische Volkspartei gegründet, Deutschland tauscht bei den Briten Sansibar gegen Helgoland ein, die Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland nennt sich fortan SPD, Tucholsky wird geboren, und und und ... und die allermeisten Angehörigen einheimischer Stämme des Amerikanischen Kontinents empfinden es heute, 2020, als absolute Beleidigung, wenn man sie als INDIANER bezeichnet, ähnlich wie es schwarze Menschen empfinden, wenn sie NEGER genannt werden.

Und da kommst Du daher und schreibst auch noch um Indian Sky über - wo wurde das Foto gemacht? Bielefeld? Nicht ohne Grund, aber welcher soll es sein? 
 


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Karl
Karl
Administrator

RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.12.2020, 10:43:32

Was es da zu schmunzeln gibt @corgy, erschließt sich mir überhaupt nicht. Der Text von @dutchweepee ist unter Diskussion historischer Ereignisse richtig platziert und Fakt ist auch, dass die Geschehnisse von damals noch heute ihre Schatten auf die US-amerikanische Gesellschaft werfen, wie auch wir unsere eigene historische Last nicht einfach abschütteln können.

Während meines Studiums in London sah ich den Film "Soldier blue", der ein Schlaglicht auf den Konflikt der weißen Eroberer mit den Indianern warf und mich nachhaltig erschüttert hat. Die der historischen Wirklichkeit nachempfundenen grausamen Szenen haben sich mir eingebrannt und ich habe sie nie vergessen.

Bei der Vergangenheitsbewältigung durch die Bewusstmachung von Unrecht geht es immer um die bessere Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. In diesem Sinne begrüße ich die Pflege von Erinnerungskultur, auch diejenige an das Leiden der amerikanischen Indianer.

Karl

freddy-2015
freddy-2015
Mitglied

RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von freddy-2015
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.12.2020, 10:43:32
Pardon, ich musste jetzt doch sehr schmunzeln. Arbeitet da ein alt gewordener kleiner Junge seine Jugendträume und Ideale auf?

Völkermord bleibt Völkermord, egal wann und wo.
Mitglied_3fbaf89
Mitglied_3fbaf89
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RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 18.12.2020, 11:06:36
Was es da zu schmunzeln gibt @corgy, erschließt sich mir überhaupt nicht. Der Text von @dutchweepee ist unter Diskussion historischer Ereignisse richtig platziert und Fakt ist auch, dass die Geschehnisse von damals noch heute ihre Schatten auf die US-amerikanische Gesellschaft werfen, wie auch wir unsere eigene historische Last nicht einfach abschütteln können.

Während meines Studiums in London sah ich den Film "Soldier blue", der ein Schlaglicht auf den Konflikt der weißen Eroberer mit den Indianern warf und mich nachhaltig erschüttert hat. Die der historischen Wirklichkeit nachempfundenen grausamen Szenen haben sich mir eingebrannt und ich habe sie nie vergessen.

Bei der Vergangenheitsbewältigung durch die Bewusstmachung von Unrecht geht es immer um die bessere Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. In diesem Sinne begrüße ich die Pflege von Erinnerungskultur, auch diejenige an das Leiden der amerikanischen Indianer.

Karl
geschrieben von karl
Hallo, es ging nicht um das Erinnern an das Unrecht, Karl, das schrieb ich doch auch deutlich. Die habe ich weder belächelt noch lächerlich gemacht.  Es geht um die Bezeichnung INDIANER, die für die  Angehörigen der indigenen ( = einheimischen) Völker des gesamten Amerikanischen Kontinents ebenso beleidigend ist wie die  Bezeichnung Neger für schwarze Menschen.

Darüber ist hier doch schon sehr viel geschriebenen worden. Meine Frage ist also: warum nimmt man die Bezeichnung "Indianer" hin, steht aber vollkommen auf der Seite der schwarz- und dunkelhäutigen Menschen, die nicht als Neger bezeichnet werden wollen? 

Indianer ist eine rassistische Bezeichnung , die nicht mehr zeitgemäß ist. Da besonders dutchweepe sich hier immer wieder gegen Rassismus und Diskriminierung stark gemacht hat und nun mit diesem Text hier auf die Grausamkeit der Europäischen Siedler gegen die Urbevölkerung Amerikas aufmerksam macht, habe ich mich gewundert. Und ich habe es lieber beschmunzelt und seiner trivialen Anteilnahme zugeschrieben als mich wirklich aufzuregen. Denn von einer beabsichtigten Diskriminierung der betreffenden Menschen bin ich nicht ausgegangen. 

Ich bin mir fast sicher, das jeder es versteht, wenn man "indianer" gegen das N-Wort austauscht. 
 

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Mitglied_3fbaf89
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Mitglied

RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf freddy-2015 vom 18.12.2020, 11:12:27
Pardon, ich musste jetzt doch sehr schmunzeln. Arbeitet da ein alt gewordener kleiner Junge seine Jugendträume und Ideale auf?

Völkermord bleibt Völkermord, egal wann und wo.
genau! und Diskriminierung bleibt Diskriminierung. Egal wann und wo
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf dutchweepee vom 17.12.2020, 23:00:38
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Und auf unserer Seite des Ozeans? Wie sieht es aus mit unserem Mut, Widerstand gegen die Unmenschlichkeit zu leisten – welche Fratze sie auch immer trägt in unserer Zeit, in unserer Welt, in unserem Land? Einem Land, das im Lockdown nur widerwillig und in jedem Fall unverhältnismäßig wenig die eigene Kunstszene stützt aber gleichzeitig mit neuerlichen 55 Milliarden Rüstungsausgaben prahlt…
„Ein kalter Wind fuhr über die Prärie, als der letzte Büffel fiel – ein Todeswind für mein Volk. Ich will in Erinnerung bleiben als der letzte Mann meines Stammes, der sein Gewehr niederlegte.“ Tatanka Yotanka
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Schade, dass zum Ende doch noch der Grund des Beitrags deutlich zu erkennen ist.
Waren es übrigens nicht ursprünglich Europäer die Kriege und den Untergang der indigenen Bevölkerung  auslösten?

Ciao
Hobbyradler
 
Pat
Pat
Mitglied

RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von Pat
als Antwort auf hobbyradler vom 18.12.2020, 12:13:30
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Und auf unserer Seite des Ozeans? Wie sieht es aus mit unserem Mut, Widerstand gegen die Unmenschlichkeit zu leisten – welche Fratze sie auch immer trägt in unserer Zeit, in unserer Welt, in unserem Land? Einem Land, das im Lockdown nur widerwillig und in jedem Fall unverhältnismäßig wenig die eigene Kunstszene stützt aber gleichzeitig mit neuerlichen 55 Milliarden Rüstungsausgaben prahlt…
„Ein kalter Wind fuhr über die Prärie, als der letzte Büffel fiel – ein Todeswind für mein Volk. Ich will in Erinnerung bleiben als der letzte Mann meines Stammes, der sein Gewehr niederlegte.“ Tatanka Yotanka
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Schade, dass zum Ende doch noch der Grund des Beitrags deutlich zu erkennen ist.
Waren es übrigens nicht ursprünglich Europäer die Kriege und den Untergang der indigenen Bevölkerung  auslösten?

Ciao
Hobbyradler
 
Vielleicht kann er ja schon bald die neue Innenministerin auf das Thema aufmerksam machen,
die kennt sich bestimmt ganz gut aus.

Pat

Der gewählte US-Präsident Biden greift für seine Regierung auf gestandene Politiker aus der Obama-Ära zurück. Er sorgt aber auch für so manche Überraschung - und Premiere: So soll etwa erstmals eine US-Ureinwohnerin einen Ministerposten erhalten. Das Ressort ist dabei wohl gewählt.

Die US-Ureinwohnerin Deb Haaland soll offenbar unter dem gewählten Präsidenten Joe Biden Innenministerin werden - und damit erste indigene Ministerin der US-Geschichte werden.

Quelle: n-tv

 
RE: Ermordung von TATANKA YOTANKA aka SITTING BULL
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Pat vom 18.12.2020, 12:39:38

Ich kenne mich da eigentlich auch sehr gut aus, habe ja schließlich einige Jahre für den Indian Health Service gearbeitet. Keine Angst, man darf einen Native getrost einen Indianer nennen und einen am Amazonas lebenden als das was sie sich selbst bezeichnen, nämlich Indio.

Quelle
 


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