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Diskussion historischer Ereignisse Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?

dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von dutchweepee
Ich habe in der Schule von vielen sogenannten Helden gelesen und gehört. Die Zeitungen sind voll von „Promis“ und das Fernsehen voll von solchen, die es sein wollen. Heute habe ich auf SPIEGEL-online von einer Frau gelesen, deren Namen ich noch nie zuvor gehört habe. Jedes Kind sollte diesen Namen kennen:

Monika Ertl

Was hat diese junge Frau getan, dass ich so begeistert bin? Sie hat den Offizier erschossen, der den Mord an Che Guevara befohlen hat. Sie hat das nicht irgendwo getan, sondern in der Bundesrepublik Deutschland, wo dieser Mörder als Boliviens Generalkonsul in Hamburg residierte. Roberto Quintanilla Pereira (so sein Name) war einst brutaler Geheimdienstchef in seinem Heimatland, verantwortlich für Folter und Hinrichtung etlicher Untergrundkämpfer.

zitat SPON: „Plötzlich zog die junge Frau eine Pistole aus der Handtasche, feuerte dem Konsul aus kurzer Distanz dreimal in die Brust. Die Einschusslöcher markierten ein regelmäßiges Dreieck. Zufall? Oder stand es für "V" wie "Victory"?“

War die Tochter des Bergsteigerhelden Hans Ertl eine Terroristin? Die Älteren werden sich an den Führerliebling und Nanga Parbat Bezwinger erinnern - Leni Riefenstahl drehte einen Film und hatte wilden Sex mit ihm. Im Zweiten Weltkrieg hatte er der NS-Wochenschau von allen Fronten Bilder für ihre Durchhaltepropaganda geliefert. Selbst wenn man Hans Ertl glaubt, dass er nur ein Filmbesessener und naiver Mitläufer gewesen sei - eines war er auf keinen Fall: ein radikaler Linker. Und seine Tochter sollte eine linke Guerilla-Aktivistin sein?

1969 entschied sich Hans Ertls katholisch erzogenes Lieblingskind für den denkbar radikalsten Bruch: Sie ließ sich scheiden, kappte alle Verbindungen zur bolivianischen Oberschicht, in die sie eingeheiratet hatte - und schloss sich der Guerilla-Organisation ELN an. Für die hatte einst ihr Idol Che Guevara gekämpft.

Und nun jagt sie einen Kriegsverbrecher - einen Freund ihres Vaters, der Familie: Klaus Altmann. Die älteren unter Euch kennen ihn vielleicht unter dem Namen Klaus Barbie - gefürchtet als sadistischer "Schlächter von Lyon“. Dabei aber scheiterte sie und geriet so selbst ins Visier Barbies, dessen Erfahrung bei der Partisanenbekämpfung ihn zum geschätzten Berater und Ehren-Oberst der Sicherheitsdienste in Bolivien gemacht hatten.

Im Mai 1973 wurde Monika Ertl in Bolivien in einen Hinterhalt gelockt und erschossen. Ihr Leichnam wurde fotografiert und dann irgendwo verscharrt.

p.s.: Keine Schule in der DDR oder auf Cuba wurde nach Ihr benannt!

Karl
Karl
Administrator

Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von Karl
als Antwort auf dutchweepee vom 20.04.2009, 21:08:50
Zum Gewaltmonopol des Staates gibt es in einem Rechtsstaat keine Alternative. Ich lehne die Selbstjustiz ab. Wo kämen wir hin, wenn jeder sich das Recht nehmen würde, denjenigen zu erschiessen, den er/sie für einen Verbrecher hält?
--
karl
Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 20.04.2009, 21:08:50
@dutchweepee,
"Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?"

Interessant, was du da gefunden hast - und schwierig deine "Auswertungsendpunkte" - Terrorist oder Held.

Dass eine Deutsche namens Monika Ertl den Offizier erschossen hat, der den Mord an Che Guevara befohlen hatte, war mir bekannt - nicht aber der Zusammenhang mit Hans Ertl und Leni Riefenstahl.

Obwohl mir mein "Bauchgefühl" sagt - man sollte es gutheißen- zumindest mit etwas Sympathie betrachten, was sie da gemacht hat, meine ich doch aber, dass es ganz einfach nicht geht,"Privat- Morde" zu begehen um einer Ideologie genüge zu tun.

Karl hat es richtig ausgedrückt, wenn er schreibt : "Zum Gewaltmonopol des Staates gibt es in einem Rechtsstaat keine Alternative."

Dabei legt auch er sicher besonderen Wert auf das Wort "Rechtsstaat".
Deshalb wäre ein gelungenes Attentat auf Hitler kein Terrorismusakt gewesen, sondern eine Heldentat, denn das faschist. Deutschland war kein Rechtsstaat.



--
klaus

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rello
rello
Mitglied

Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von rello
als Antwort auf Karl vom 21.04.2009, 08:41:58
So ist es!
Und das Forum des ST sollte nicht zum Memorial von Mördern und Verbrechern verkommen!
--
rello
eleonore
eleonore
Mitglied

Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von eleonore
als Antwort auf rello vom 21.04.2009, 09:19:27
ich bin so frei, und verlinke diese artikel von *einestages zeitgeschichten* von spiegel.

die geschichte von monika ertl ist zu komplex, um sie einfach als mörderin abzustempeln.

1971Leben und Sterben der Monika Ertl
--
eleonore
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf rello vom 21.04.2009, 09:19:27
@rello

Da stellt sich mir die Frage: "Ist der Standrichter eines Massenmörders ein Mörder und Verbrecher? ...auch wenn es eine junge Frau ist und sie keinen Talar trägt?"

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adam
adam
Mitglied

Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von adam
als Antwort auf dutchweepee vom 20.04.2009, 21:08:50
dutch,

Etwa mit 25 habe ich Mao aus meiner geistigen Galerie entfernt, Che folgte kurz darauf. Zehn Jahre später flogen alle Portraits mit politisch motivierten Leuten raus. Jetzt werde ich bald 58 und die Galerie wird immer anspruchsvoller, immer kleiner. Wo soll ich Monika Ertl hinhängen?

--

adam
EehemaligesMitglied58
EehemaligesMitglied58
Mitglied

Re: Terroristin, oder Gerechte unter den Gerechten?
geschrieben von EehemaligesMitglied58
als Antwort auf dutchweepee vom 20.04.2009, 21:08:50
Mein lieber Dutch, ich hätte wohl grund gehabt und noch viel mehr lust und antrieb verspürt Mielke und einige seiner helfer zu erschießen.
Habs nicht getan, wollte nicht in knast und hab dem staat und seinem machtmonopol vertraut.
Hätt ichs getan, in welche kategorie wäre ich Deiner meinung einzuordnen?
Held, terrorist, verbohrter, dummkopf oder feind des sozialismus?

--
gram
niederrhein
niederrhein
Mitglied

Dank und eine Ergänzung
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf dutchweepee vom 20.04.2009, 21:08:50
Zunächst einen Dank für den Artikel bzw. Hinweis.

Zumindest dem entsprechenden Beitrag in Wikipedia (Beitrag zu Monika Ertl) entnehme ich folgenden Hinweis:

Allem Anschein nach ermordete Monika Ertl am 1. April 1971 den Konsul Roberto Quintanilla Pereira im bolivianischen Generalkonsulat in Hamburg; die Täterschaft Ertls konnte nie restlos bewiesen werden. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ließ Ertl zwar per Interpol suchen, schloss den Fall aber letztlich als ungelöst ab.


(Kursivsetzung von mir)

Die Bertha
vom Niederrhein

pea
pea
Mitglied

Hi, dutch!
geschrieben von pea
als Antwort auf dutchweepee vom 20.04.2009, 21:08:50
Mir ist Monika Ertl und ihre Lebensgeschichte seit Jahrzehnten bekannt,
aber ich befinde mich im Moment in einer Phase,
wo ich eigentlich nur noch glaube,
was ich ganz persönlich erlebt habe...
und manchmal zweifele ich selbst daran.

Wenn es Ché wirklich gab und
sie einen Verantwortlichen seiner Ermordung liquidiert hat,
hat sie meine ungeteilte Bewunderung.

Aber vielleicht ist ja alles,
was wir glauben zu wissen,
nur ein Medien-Hoax...

Aber schön,
daß Du mich an sie erinnert hast!

Werde jetzt richtig nostalgisch...



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Der in Wiki hergestellte Bezug zu Debray und Barbie ist mir neu
und erscheint mir fragwürdig.

Wiki ist ja auch nicht unbedingt ein Hort der Wahrheit *sfg*


--
pea

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