Fernsehen und Film Die Welle

lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Die Welle
geschrieben von lalelu
Gestern am späten Abend habe ich den Film endlich gesehen (ich hatte ihn aufgenommen) Hier meine Meinung dazu:

Vereinfacht ausgedrückt: Ich finde die Intention des Films gut, die Umsetzung aber nur zufriedenstellend.

Gut finde ich, dass deutlich wird, dass die Menschen von heute nicht weniger anfällig dafür sind, sich manipulieren zu lassen, als ihre Großeltern. Die Begeisterung einzelner Überzeugter reißt auch Zaudernde mit, aus dem daraus resultierenden Gruppenenthusiasmus wird schon bald Gruppenzwang. Eine eigene Ideologie entwickelt sich. Wer jetzt noch zögert, wird unter Druck gesetzt. Der Beginn eines totalitären Systems im Kleinen!

Außerdem wird klar, wie schnell sich ein Experiment verselbstständigen und eine unerwünschte Eigendynamik entwickeln kann, die kaum mehr zu stoppen ist. Lehrer Wenger steht am Ende da wie der Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht beherrscht – eine Warnung, nicht jedem Guru hinterherzulaufen! Nach meiner Meinung wird die Botschaft des Films gut verdeutlicht.

Jetzt zum Negativen: @Yuna, du hast schon ziemlich zu Beginn der Diskussion gesagt, der Film bediene zu viele Klischees und sei vorhersehbar. @Clara: wie du schließe ich mich Yunas Aussage an.

Weiter steht auf meiner persönlichen Negativliste, dass die Schüler etwas stereotyp sind und bestimmten „Strickmustern“ entsprechen und dass die Gruppendynamik sich zu schnell entwickelt. Nach meiner Meinung ist es dem Regisseur nicht gelungenen, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass solch eine Ideologie sich harmlos und unmerklich entwickelt, langsam schleichend immer größere Kreise erfasst und erst später ihr wahres Gesicht zeigt. Deshalb ist sie ja so gefährlich. Im Film fragt sich der Zuschauer, warum die gesamte Klasse mit wenigen Ausnahmen in so kurzer Zeit so bereitwillig auf diesen Zug aufspringt, obwohl sie am Anfang felsenfest davon überzeugt ist, das könne heute nicht mehr passieren. Obwohl sie die Problematik kennt, tappt sie in die Falle. Das ist unrealistisch und wenig glaubwürdig; deshalb konnte ich es nicht richtig nachempfinden.

Was mir ebenfalls nicht gefallen hat, ist der Schluss. Muss man heute unbedingt einen brutalen "Knalleffekt" im Film unterbringen, um Wirkung zu erzielen, obwohl dieser Knalleffekt im Buch gar nicht vorkommt?

@dutchweepee: Du hast leider Recht damit, dass unsere Eltern und Großeltern es den Nationalsozialisten ermöglicht haben, in Deutschland nicht nur Fuß zu fassen, sondern das ganze Land mit der Schreckensideologie des Nationalsozialismus zu beherrschen. Dass dies in Deutschland aufgrund unserer Mentalität und unserer Obrigkeitsgläubigkeit einfacher war als in anderen Ländern, mag sein. Ich bin aber nicht der Meinung, dass es NUR in Deutschland möglich gewesen wäre.

Der Schulversuch, der als Vorlage für den Film diente, fand in den 60er Jahren in Kalifornien statt und die Selbstmordattentäter von heute kommen aus einem ganzen anderen Kulturkreis. Trotzdem werden auch sie manipuliert und sind letztendlich Opfer einer religiös/politisch motivierten Ideologie. Auch wenn ich das nicht 1:1 mit dem Film vergleichen will, befürchte ich, dass es eine "Welle" bei entsprechender Manipulation auch heute - und nicht nur in Deutschland - geben könnte, und darum verstehe ich den Film trotz vorhandener Klischees als Warnung und würde es durchaus begrüßen, wenn er im Unterricht behandelt wird – so wie bei deiner Enkelin das Buch von Morton Rhue, Meli.

Lalelu
Re: Die Welle
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf lalelu vom 11.04.2011, 15:58:37
Ich denke auch, dass es überall möglich ist.
In jedem Fall der Versuch - und es ist eine Frage, wie sich die Gesellschaft dann dazu stellen würde.

Es gibt sie in jeder Gesellschaft, die Einsamen, Unsicheren, sich ausgestoßen Fühlenden, als auch die Verführer mit radikalen Ideen, die auf andere sehr charismatisch wirken.
Ebenso die Gewaltbereiten (unter denen sich ja mehr und mehr auch Mädchen befinden), die Druck ausüben und körperliche Gewaltanwendung durchführen.

In dem Theaterstück, das ich sah, wurde sehr viel Wert auf die zu entwickelnden Gemeinsamkeiten gelegt.
Das alles mit dem Hinweis darauf, dass es ein Privileg ist, an diesen Gemeinsamkeiten, wie es z.B. der Gruß war, teilnehmen "zu dürfen".

Auf diesem Wege begannen die Jugendlichen zu begreifen, dass eine solche Entwicklung wirklich auch noch heute entstehen kann.
Sie werden bereit sein, gegen den Strom zu schwimmen.

Es war gelebter Geschichtsunterricht - und Eltern und Großeltern waren gleichermaßen froh, diesen so erleben zu können.

Was den Film angeht - ich weiß nicht, ob man ein solches Geschehen nicht wirklich nur in über Klischees dominierten Form darstellen kann.
Es wäre anders, wenn es sich um Einzelschicksal handeln würde, aber bei einer solch großen Gruppe halte ich das für fast nicht möglich.

Könnte es außerdem sein, dass wir für diesen Film bereits nicht mehr die richtige Zielgruppe sind?
Schon zu lebenserfahren, gefestigt, voraussehend?
Das wäre für mich auch noch einmal ein wichtiger Aspekt in der Beurteilung des Streifens.

Meli
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Die Welle
geschrieben von lalelu
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.04.2011, 16:18:14
Meli, sicher ist es einfacher, mit Prototypen und Klischees etwas zu verdeutlichen, was Allgemeingültigkeit besitzen soll als mit Individuen; da hast du sicher Recht. Mir waren aber die Klischees etwas zu dick aufgetragen.

In unserem Alter sind sicher nicht mehr so viele anfällig für Parolen wie Menschen in jungen Jahren, weil wir unsere Lebenserfahrung in die Waagschale werfen können. Dennoch wird es wahrscheinlich auch ältere und alte Menschen geben, die Heilsverkündern und/oder Demagogen auf den Leim gehen. Deshalb sind wir vielleicht so etwas wie "Zielgruppe in der zweiten Reihe". Besser einmal zu viel warnen als einmal zu wenig – oder?

Lalelu

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Re: Die Welle
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf lalelu vom 11.04.2011, 16:37:49
Besser einmal zu viel warnen als einmal zu wenig – oder?


Da stimme ich Dir doch absolut zu - das ist nie in Frage gestellt!

Meli

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