Forum Kunst und Literatur Fernsehen und Film Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"

Fernsehen und Film Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"

olga64
olga64
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Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von olga64
Vor einigen Jahren las ich das Buch und bin erfreut, dass es jetzt im TV verfilmt wird. Es ist eine Art GEschichtsstunde für uns Deutsche (nicht aus unserer besten Phase) und wie insbesondere Juristen nach dem Ende der Nazi-Diktatur mit ihren Kollegen umgegangen sind, die während der Nazizeit fliehen mussten und ihren Beruf in Deutschland nicht mehr ausüben durften.

ES ist auch eine bewegende Familiengeschichte und wird gestützt durch die sehr guten Schauspieler Johanna Wokalek und Ronald Zehrfeld.
Gerade in der jetzigen Zeit sollten wir uns dies ansehen, weil wir auch daraus wieder lernen können, was wieder geschehen kann, wenn wir nicht alle aufstehen gegen die neuerlichen, faschistoiden Strömungen in unserem Land.

Übrigens: jeweils um 20.15 Uhr, dann bleibt auch noch ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken, bzw. sich mit den Menschen zu unterhalten, mit denen man die Filme zusammen gesehen hat. Olga
Femmefatale
Femmefatale
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf olga64 vom 30.01.2017, 16:07:00
Anschließend kommt noch eine Dokumentation zu dem Film, der auf wahren Begebenheiten basiert.
Die ist sicher auch sehr interessant.

LG, ff
olga64
olga64
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von olga64
als Antwort auf Femmefatale vom 30.01.2017, 16:26:25
Ja, und wie schon erwähnt, das Buch ist sehr lesenswert, auf dem ja alles von der Recherche her basiert. Olga

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mane
mane
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 30.01.2017, 18:12:21
In ihrem Roman "Landgericht" orientierte sich Ursula Krechel an dem realen Schicksal von der deutsch-jüdischen Familie des Robert Michaelis und der Autobiographie von Ruth Barnett. Das ist die Tochter, die in dem gestern gezeigten Film als "Selma" auftritt.

Mir hat der Film sehr gut gefallen, er war durchweg toll gespielt.
Die Dokumentation, die danach gezeigt wurde, offenbarte, dass der er nur teilweise auf Fakten beruht. Richard Kornitzer emigrierte im Film nach Kuba und nicht, wie in Wirklichkeit nach Shanghai, wie es Robert Michaelis tat. Ob er in der Realität eine Liebesbeziehung einging, aus der eine Tochter entstand, ist auch fraglich.

Ich bin gespannt auf den zweiten Teil, erst dann lässt sich ein abschließendes Bild machen.

Mane
olga64
olga64
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 31.01.2017, 13:10:53
Der Film hatte nie den Anspruch erhoben, eine Dokumentation mit vollem WAhrheitsgehalt zu haben (die kam dann ja anschliessend).
Es ist aber auch sekundär, in jedem Fall haben die Nazis wohl auch auf diese perverse Art Familien für immer zerstört.
Ich litt wieder mal einige Stunden vor Scham und vollem Unverständnis, was unsere Vorfahren alles verbrochen haben und sehr oft nie zu ihrer Verantwortung standen, sondern oft in einigen Familien diese Art von Zerstörungswut bis in heutige Generationen weitergegeben wird, was man leidvoll in der Gegenwart miterleben muss. Und das ist dann auch kein Spielfilm, sondern die nackte Wahrheit. Olga
Federstrich
Federstrich
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von Federstrich
Der Film erspart uns die schlimmsten Bilder und Schicksale, die anderswo zu sehen waren und die immer im Hintergrund bleiben, wenn man diesen Film sieht.

Dieser Film widmet sich den Auswirkungen der NS-Rassenpolitik auch auf jene, die das Glück und die Mittel hatten, dem grausigen Schicksal von Millionen anderen zu entgehen. Er zeigt den alltäglichen Rassismus, wie Familienbande, Ehen und Lebenspläne zerstört, wie Menschen ausgegrenzt, enteignet, gedemütigt, vergewaltigt wurden. Er findet eindringliche Bilder für die innere Leere der Eltern und die Leere in der Wohnung, nachdem die Kinder sie verlassen mussten. Und er lässt in kurzen Sätzen Klischees, Vorurteile, Lebenslügen aufblitzen: "Ich habe von zerstörten Städten gelesen.", "Der sieht gar nicht aus wie ein Jude.", "Ich habe noch nie ein Opfer des Faschismus gesehen." wie auch die verräterische Sprache und den subtilen Vorwurf an die Opfer, die "Ausgewanderten" hätten "keinen Krieg, keine Bomben, neine Luftschutzkeller und immer Sonne" gehabt, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch die Geburtswehen der jungen Nachkriegsdemokratie werden thematisiert. Wie viel Integration soll sein? Die Zerrissenheit der Deutschen in dieser Frage (wie auch zu vielen anderen) wird exemplarisch auch durch die Ehepartner dargestellt, wenn er meint, ohne sich der Vergangenheit zu stellen, könne man keine Demokratie aufbauen, während sie "gerne nach vorne schauen" wollte.

Es ist der andere, der ergänzende Blickwinkel, das besondere Einzelschicksal, das den Film für mich sehenswert gemacht hat.
Federstrich

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werderanerin
werderanerin
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von werderanerin
Was mich beeindruckt hat war, dass er in seiner Sachlichkeit nicht zu sehr auf "die Tränendrüse" gedrückt hat sondern anhand eines
deutschen Schicksals einer "Mischfamilie" die ganz persönlichen Leiden dargestellt hat

Nicht genug, dass eine Familie gedemüdigt und auseinander gerissen und die kleinen Kinder nach England geschickt wurden, um sicher zu sein, zeigt der Film so beklemmend, dass selbst nach entbehrungsreichen Kriegsjahren nach Kriegsende man weitere Male gedemüdigt und bestraft wurde.
Es hörte einfach nicht auf...zuviele "alte Nazs" saßen wieder oder immernoch an den entspr. Machtpostionen, wie z.B. dem "Landgericht".

Es geht mir auch heute noch nahe, wenn ich solche Filme sehe, weil ich innerlich frage, was hätte man selber getan...hätte man sich gegen das Regime gestellt oder...

Solche eindringlichen Sätze wie "habe noch nie einen vom Faschismus Verfolgten gesehen"... zeigen, was in den Köpfen der Menschen vorging.

Der Film lebte vor allem von den beiden wunderbaren Hauptdarstellern und ihre ruhige und dennoch faszinierende Art, Schicksale "rüber zubringen", das war um so wichtiger, damit dieser Film nicht einer von vielen war.

Das war er wahrlich nicht !!!

Kristine
mane
mane
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von mane
als Antwort auf Federstrich vom 02.02.2017, 08:29:10

Er zeigt den alltäglichen Rassismus, wie Familienbande, Ehen und Lebenspläne zerstört, wie Menschen ausgegrenzt, enteignet, gedemütigt, vergewaltigt wurden.
Federstrich


Es geht mir auch heute noch nahe, wenn ich solche Filme sehe, weil ich innerlich frage, was hätte man selber getan...hätte man sich gegen das Regime gestellt oder...

Solche eindringlichen Sätze wie "habe noch nie einen vom Faschismus Verfolgten gesehen"... zeigen, was in den Köpfen der Menschen vorging.


Ich litt wieder mal einige Stunden vor Scham und vollem Unverständnis, was unsere Vorfahren alles verbrochen haben und sehr oft nie zu ihrer Verantwortung standen
geschrieben von Olga


Lieber Federstrich, liebe Werderanerin, liebe Olga,

mittlerweile glaube ich immer weniger daran, dass die Deutschen zum größten Teil nur Mitläufer waren. Es war nicht Angst und mangelnde Zivilcourage, die die Menschen daran hinderte, sich gegen das NS-Regime aufzulehnen, sondern sie profitierten von den Umständen. Man fand es normal, die Geschäfte und Besitztümer/Häuser zu übernehmen, aus denen die jüdischen Menschen vertrieben worden waren.

Es war so, dass die Zustimmung zum System im Laufe der Jahre kontinuierlich anwuchs und der bereits vorher bestehende (wie Federstrich schreibt) "alltägliche Rassismus" ebenfalls. Es scheint ein Verbrechen fast der ganzen nichtjüdischen Gesellschaft gewesen zu sein und nicht eines, wo es auf der einen Seite Täter gab, die Verbrechen planten und ausführten und auf der anderen Seite Unbeteiligte oder Zuschauer, die an den Verbrechen kaum beteiligt waren. Es war ein gemeinsames Projekt und die meisten wollten daran teilhaben und profitieren.
Gruß Mane
Sirona
Sirona
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von Sirona
als Antwort auf olga64 vom 30.01.2017, 16:07:00
Gerade in der jetzigen Zeit sollten wir uns dies ansehen, weil wir auch daraus wieder lernen können, was wieder geschehen kann, wenn wir nicht alle aufstehen gegen die neuerlichen, faschistoiden Strömungen in unserem Land. (Zitat Olga)

Auch ich habe den Zweiteiler gesehen und bin immer wieder auf Tiefste erschüttert darüber was Menschen anderen Menschen antun können. Waren unsere Vorfahren wirklich so gefühlskalt oder war es nicht bei den meisten Menschen die nackte Angst vor Gefängnis, Folter und Repressalien? Viele hatten eine Familie, die ebenfalls zerstört worden wäre, wenn sie Protest gegen die Judenverfolgung ausgeübt hätten. Aber hätten nicht vielmehr die etablierten großen Kirchen aufschreien müssen angesichts dieses himmelschreienden Unrechts? Auch diese haben sich unter dem Hitlerregime geduckt in der Überzeugung dass die Juden als Christusmörder ja nichts anderes verdient haben. Mich schüttelt es wenn ich an die bodenlose Dummheit der Menschen denke, die lauthals Göbbels zujubelten als er die Frage stellte „Wollt ihr den totalen Krieg?“

Und heute? Sind die Menschen heute klüger? Was sich an Hass in unserem Land immer weiter ausbreitet, macht mir schon große Sorge. Und auch Trump trägt mit seinem Einreiseverbot dazu bei, dass Ängste vor den Fremden geschürt werden. Ich kann nur hoffen dass unsere heutige Gesellschaft mutiger reagieren wird als es unsere Vorfahren getan haben und nicht nur zusieht wie unschuldige Menschen abgeurteilt werden.

Sirona
pippa
pippa
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Re: Fernsehempfehlung: 30.1./1.2. ZDF "Landgericht"
geschrieben von pippa
als Antwort auf Sirona vom 02.02.2017, 12:15:26
Und heute? Sind die Menschen heute klüger? Was sich an Hass in unserem Land immer weiter ausbreitet, macht mir schon große Sorge. Und auch Trump trägt mit seinem Einreiseverbot dazu bei, dass Ängste vor den Fremden geschürt werden. Ich kann nur hoffen dass unsere heutige Gesellschaft mutiger reagieren wird als es unsere Vorfahren getan haben und nicht nur zusieht wie unschuldige Menschen abgeurteilt werden.

Das hoffe ich auch, Sirona, obwohl mir beim stillen Zuhören mancher Unterhaltungen diese Hoffnung so ziemlich abhanden kommt.

Dass seinerzeit die Kirchen bis hin zum damaligen Papst derartig versagten, habe auch ich als Nichtchrist niemals verstanden. Schließlich hatten sie zu der Zeit noch einen sehr großen Einfluss auf die Bevölkerung. Die wenigen Würdenträger die sich widersetzten, wurden ja dann auch verfolgt und sogar in den eigenen Reihen ausgegrenzt.

Was man in dem Film wieder einmal so richtig drastisch miterleben konnte, war, dass es Opfer immer schwerer haben, als Täter.

Es zeigt sich immer wieder, dass niemand etwas mit Opfern zu tun haben will.

Dies zu ergründen und zu ändern, wäre gewiss mal ein lohnendes Ziel.
Pippa

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