Forum Kunst und Literatur Fernsehen und Film Polizeiruf 110: Nachtdienst

Fernsehen und Film Polizeiruf 110: Nachtdienst

mane
mane
Mitglied

Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von mane
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.05.2017, 11:08:13
Das sehe ich genauso. Der Scharfschütze hat ja nicht aus Kalkül gehandelt, auch wenn er das so begründet hat. Es war reine Verzweiflung und seine Tat vergleichbar mit einem Amoklauf, wo jemandem die Sicherungen durchbrennen.
Den Film fand ich gut, vor allem bin ich ein Fan von Matthias Brandt, der auch ein wunderbares, sehr lesenswertes Buch geschrieben hat. Aber eigentlich war er trotz aller Realitätsnähe, was die Kritik an den Zuständen betrifft, doch unrealistisch. Ich glaube nicht, dass man in der Realität einen Kommissar so allein in der Nacht durch alle Räume streifen und ihn sowie die Bewohner völlig allein lasssen würde. Selbst bei Pflegenotständen kann das nicht sein, das halte ich eigentlich doch für übertrieben. Und der Schluss war einfach zu grausam. Das war Horror, für mich kaum erträglich.


Hallo marina,

du hast recht, die Glaubwürdigkeit leidet etwas, wenn von Meuffels alleine im Heim bleibt. Ein TV-Krimi ist jedoch keine Dokumentation, sondern ein fiktives Drama, welches in diesem Fall die Missstände in einem Pflegeheim verdeutlichen soll.
Man sieht quasi das Geschehen/die Zustände durch die Augen des Kommissars, wie er durch die Gänge streift, auf einzelne Bewohner trifft, in die Zimmer schaut usw. Einer erzählt ihm von den Beruhigungsmitteln, die alle bekommen "damit wir besser schlafen und keinen Ärger machen". Ein alter Mann liegt röchelnd im Bett und wird nicht mehr lange leben. Von Meuffel hört immer wieder die Notfallglocken, sieht die überforderten Pfleger...

So löst er den eigentlichen "Fall": Eine junge Pflegerin wurde von einem zudringlichen Heimbewohner belästigt und sieht keine andere Möglichkeit, sich zu wehren, als ihn mit einer Karaffe zu erschlagen.
Meuffels selbst löst die folgende Katatrophe aus.
Mane
Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf mane vom 09.05.2017, 12:05:37
Ein TV-Krimi ist jedoch keine Dokumentation, sondern ein fiktives Drama, welches in diesem Fall die Missstände in einem Pflegeheim verdeutlichen soll.Mane
geschrieben von mane

Du hast völlig recht mit deiner Bemerkung, der Film ist keine Doku, sondern reine Fiktion, und er hat die Missstände deutlich rübergebracht. Auch alles andere, was du schreibst, sehe ich ganz genauso. Es ist tragisch, dass Meuffels durch seine Recherchen diesen furchtbaren Schluss mit befördert hat. Ich habe sowieso auch die Täterin bemitleidet und gehofft, er würde ihre Tat vertuschen, weil sie in dem Zusammenhang so verständlich war und das Kind seine Mutter brauchte. Das war ja dann wohl nicht mehr nötig am Ende.

Alles in allem ein guter Krimi, der mir auf jeden Fall besser gefallen hat als viele anderen Tatorte in letzter Zeit. Schade, dass M. Brandt damit aufhören will, es ist ja einer der letzten dieser Serie.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 09.05.2017, 09:29:43
Marina und Mane - auch ich bin sehr grosser Brandt-FAn (der könnte mir das Telefonbuch von München vorlesen und ich würde gespannt seinen Worten lauschen).
Natürlich war auch dieser Film Fiktion, vermutlich mit der sehr grossen Gefahr, dass ältere Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, in ein Pflegeheim zu wechseln, weil ein Alleinleben nicht mehr möglich ist, noch mehr Angst vor dieser letzten Lebens- Station bekommen.
Jede(r) muss sich das Heim gut ansehen, in welches er/sie einziehen will. Wir taten dies auch so, als unsere Mutter in ein Heim musste. Es half damals schon (vor 20 Jahren), sich mit Heimbewohnern zu unterhalten, die Atmosphäre im Heim durch mehrere Besuche zu erfassen usw. Bei uns hatte dies geklappt; unsere Mutter lebte dort 10 Jahre und dies auch recht gerne.
Ein Amokläufer, egal welchen Alters, hat wohl immer persönliche Ideale, die er realisieren möchte. ABer was hilft es, wenn im Gegenzug viele Menschen ohne deren Einverständnis dabei getötet werden?

Hat eine von Euch den Film "Toter Winkel" gesehen (letzten Mittwoch ARD und am letzten Samstag auf ONE?). Der beeindruckte mich noch mehr und ich bekomme ihn auch nicht aus dem Kopf. LG Olga

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Femmefatale
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Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf olga64 vom 09.05.2017, 16:33:13
Ja, ich hab den Film "Toter Winkel" gesehen.
Ich hab nur den Schluss anders verstanden als eine meiner Vorschreiberinnen.
Der Vater wusste ja, dass die Waffe nicht funktionierte (Szene am Schießstand). Er riskierte also nicht das Leben der Frau, wollte sich meiner Meinung nach lediglich davon überzeugen, ob sein Sohn tatsächlich abdrücken würde.
Außerdem gehe ich davon aus, dass er die Polizei über den Treffpunkt informiert hatte, denn wieso sollte die sonst plötzlich dort auftauchen.

LG, ff
olga64
olga64
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Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von olga64
als Antwort auf Femmefatale vom 09.05.2017, 16:40:29
Ich habe den Film genau so wie Sie verstanden.
Wer allerdings die Polizei rief, weiss ich nicht (kann ja auch die Ehefrau gewesen sein).
Unvergesslich wird mir bleiben, dass Nazis in Polizeiuniformen eine geduldete Flüchtlingsfamilie abholen, die schon lange Jahre bei uns lebten.
Dann in eine menschenleere Gegend verbrachten und einen nach dem anderen umbrachten, bis auf das Mädchen,das fliehen konnte.
Man sieht an diesem Film hervorragend, dass Nazis in allen Schichten und Kreisen unserer Gesellschaft anzutreffen sind und deren Grausamkeit keine Grenzen kennt. Dieser Film hatte sehr, sehr viel Wahres und sollte Pflichtprogramm für diejenigen sein, die nach wie vor verdrängen und es nicht sehen wollen. Olga
Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Femmefatale vom 09.05.2017, 16:40:29
Ja, ich hab den Film "Toter Winkel" gesehen.
Ich hab nur den Schluss anders verstanden als eine meiner Vorschreiberinnen.
Der Vater wusste ja, dass die Waffe nicht funktionierte (Szene am Schießstand). Er riskierte also nicht das Leben der Frau, wollte sich meiner Meinung nach lediglich davon überzeugen, ob sein Sohn tatsächlich abdrücken würde.
Außerdem gehe ich davon aus, dass er die Polizei über den Treffpunkt informiert hatte, denn wieso sollte die sonst plötzlich dort auftauchen.

LG, ff

Liebe ff,
das ist schon klar, der Vater wusste, dass die Waffe nicht funktionierte. Aber dann ließ er das Mädchen los, es rannte weg und wurde von der Polizei festgenommen. Und das war für mich ein schlimmes Ende, denn diese Festnahme habe ich als sehr martialisch empfunden. Vor allem weiß ich nicht, ob ich eine Sache richtig verstanden habe: Ich hatte nämlich den Eindruck, dass der eine der Polizisten vorher mit beteiligt war an dieser Scheinabschiebung, dachte, sein Gesicht wäre dabei gewesen. Deshalb war das Mädchen in meinen Augen in sein Verderben gelaufen.
Aber ich bin mir tatsächlich nicht sicher, ob ich das mit dem Polizisten und seiner Beteiligung richtig gesehen habe. Vielleicht irre ich mich da. Ihr scheint das nicht so gesehen zu haben.

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Femmefatale
Femmefatale
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Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.05.2017, 19:30:13
Doch, ich war da auch etwas verwirrt, hoffe aber, dass das Mädchen in Sicherheit ist.
Weshalb wurde der Vater festgenommen? Ich dachte, Eltern seien nicht verpflichtet, ihre Kinder anzuzeigen, oder?

LG, ff
Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Femmefatale vom 09.05.2017, 19:33:57
Das habe ich auch nicht verstanden. So wie ich mir auch nicht sicher bin, ob ich das mit dem Polizisten, von dem ich meine, er gehörte mit zu der Nazi-Bande, richtig gesehen habe. Es würde aber gut passen, denn bekanntlich gibt es gerade bei der Polizei, in der Provinz erst recht, viele solcher Typen.
mane
mane
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Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 09.05.2017, 16:33:13
Marina und Mane - auch ich bin sehr grosser Brandt-FAn (der könnte mir das Telefonbuch von München vorlesen und ich würde gespannt seinen Worten lauschen).
Natürlich war auch dieser Film Fiktion, vermutlich mit der sehr grossen Gefahr, dass ältere Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, in ein Pflegeheim zu wechseln, weil ein Alleinleben nicht mehr möglich ist, noch mehr Angst vor dieser letzten Lebens- Station bekommen.
Jede(r) muss sich das Heim gut ansehen, in welches er/sie einziehen will. Wir taten dies auch so, als unsere Mutter in ein Heim musste. Es half damals schon (vor 20 Jahren), sich mit Heimbewohnern zu unterhalten, die Atmosphäre im Heim durch mehrere Besuche zu erfassen usw. Bei uns hatte dies geklappt; unsere Mutter lebte dort 10 Jahre und dies auch recht gerne.
Ein Amokläufer, egal welchen Alters, hat wohl immer persönliche Ideale, die er realisieren möchte. ABer was hilft es, wenn im Gegenzug viele Menschen ohne deren Einverständnis dabei getötet werden?

Hat eine von Euch den Film "Toter Winkel" gesehen (letzten Mittwoch ARD und am letzten Samstag auf ONE?). Der beeindruckte mich noch mehr und ich bekomme ihn auch nicht aus dem Kopf. LG Olga


Hallo Olga,

wenn man dringend auf einen Platz im Pflegeheim angewiesen ist, weil der Pflegefall ganz plötzlich eintritt, dann gibt es meist keine Wahl, was die Einrichtung betrifft. Man muss mehr oder weniger das nehmen, was man kriegt. Darum ist es wichtig, wie Sie schreiben, dass man sich rechtzeitig Gedanken darüber macht, wie und wo man in einem solchen Fall leben will und wovon das finanziert werden soll.

Das fällt vielen Menschen schwer, denn es ist ein verdrängtes Thema. Solange Menschen sich noch fit und gesund fühlen, blenden sie das gerne aus und gehen oft davon aus, selbst niemals zum Pflegefall zu werden. Es ist jedoch fast normal, im Alter Pflege/Hilfe zu benötigen - wenn wir den Gedanken daran nicht zulassen, geht wertvolle Zeit verloren, in der wir uns um ein paar wichtige Sachen kümmern sollten.
Ja, die im Film gezeigten Zustände können Angst machen. Sie sind menschenunwürdig, man könnte meinen, dass für alte pflegebedürftge Menschen nicht mehr gilt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar".
Mane

P.S: Den Film "Toter Winkel" habe ich gesehen, ich fand ihn ebenfalls beeindruckend. Auch hier hat die Realität die Fiktion bereits eingeholt. Der seit Jahren laufende Prozess um den NSU beweist das.
Es ist für mich unvorstellbar, dass, wie in dem Film, Eltern es jahrelang nicht mitbekommen haben wollen, dass ihr Kind in die rechte Szene abdriftet.
tessy
tessy
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Re: Polizeiruf 110: Nachtdienst
geschrieben von tessy
als Antwort auf mane vom 10.05.2017, 10:52:48
Hallo Mane,
es ist doch längst bekannt warum die Heime so sind,
man darf es nur nicht aussprechen. Nicht nur die Heimbewohner
leiden, das Personal im gleichen Ausmaß.
Und - zu denken dass sich in den letzten 20 Jahren nichts
geändert hat - das ist absurd.
Aber um das zu erkennen sollte man sich informieren und
empathiefähig sein.
Dass du das bist, liebe Mane, das weiß ich.
Gruß
Tessy

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