Forum Kunst und Literatur Fernsehen und Film Was für ein guter Tatort....

Fernsehen und Film Was für ein guter Tatort....

dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf adam vom 14.10.2014, 13:33:14
Ich stimme Dir hundertprozentig zu adam - ein klasse Tatort der Spaß gemacht. Viele Filmzitate sind mir auch aufgefallen, aber der SPIEGEL hat die meisten zusammengefasst:

Den Totenkopfschwärmer (Acherontia atropos) vom Anfang kennen wir aus "Das Schweigen der Lämmer" - hier steckt der Serientäter seinen Opfern eine Larve dieses Schmetterlings in den Rachen.

Die Schießerei am Bahnhof erinnert stark an "Spiel mir das Lied vom Tod" von Sergio Leone: Drei Typen warten schwitzend in der Hitze, ihr vermeintliches Opfer steigt aus dem Zug, stellt den Koffer ab, und dann knallt's.

Allerdings ist auch das schon ein Zitat des Western-Klassikers "High Noon": Auch hier wird in der Mittagshitze auf einen Zug gewartet, der das Unheil bringt. Und dann, wie gesagt, knallt's.

Und zwar knallt es, jedenfalls wie es ein Kollege gesehen hat, in der Optik des Konsolenspiels "Red Dead Redemption".

Oder doch eher in der von "Sin City" - mit den kurzen Standbildern, die dann eingefärbt werden?

Oder verweisen die Inszenierung des wegspritzenden Blutes und die eingefärbten Freeze Frames sowie die Standbilder der Erschossenen ebenfalls auf Leone? Jedenfalls auf das Genre Spaghetti-Western.

Der vielfach präsente starke Gelbstich weckt Erinnerungen an "Fear and Loathing in Las Vegas" - kein Wunder, spielt dieser Film doch zum Teil in der Wüste von Nevada.

An einer Stelle werden die LKA-Spezialisten für Bandenkriminalität aufgezählt: Arslan, Petzold und Hochhäusler - das sind prominente deutsche Autorenfilmer.

Der von Alexander Held gespielte Garagen-Gangster Don Bosco hat seinen Spitznamen von dem bekannten katholischer Priester gleichen Namens.

Das Setting von Boscos Autowerkstatt erinnert an Jean Gabins Gangsterzentrale in Henri Verneuils Klassiker "Der Clan der Sizillianer"

Bosco ist ein verhinderter Schauspieler und hat sich sogar eine Bühne in die Werkstatt gebaut, auf der seine Handlanger Shakespeare aufführen müssen - kein Wunder, dass dieser ausführlich zitiert wird.

Die Namen der drei Söhne, die am Anfang erschossen werden, stammen aus "Hamlet": Marcellus, Claudius und Polonius.

Der Vorarbeiter von Don Boscos Bande wird Ariel oder Caliban genannt - beides Figuren aus Shakespeares "Der Sturm".

Dem später ersäuften Verleger wird sein Körpergewicht in Geld aufgewogen - ähnlich wie in "Der Kaufmann von Venedig".

Die Laserpointer-Szene erinnert an "Pulp Fiction", wo Samuel L. Jackson aus der Bibel zitiert - und dann: Peng.

Der Bösewicht Harloff wurde aus der Heimat vertrieben, ist in der Ferne reich geworden, und kehrt nun zurück, um einen Rachefeldzug zu starten: Das kennen wir doch aus "Der Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt.

Und die Szene, in der Harloff seinen Sohn David und Murot beobachtet, weckt, auch wegen der Farbkomposition, bei einigen Betrachtern Erinnerungen an "Das Leben der Anderen".

Keine große Kunst ist es, in François Truffauts Nouvelle-Vague-Klassiker "Jules et Jim" das Vorbild für die folgenschwere ménage à trois der alten Freunde zu erkennen - der Film wird im "Tatort" immer wieder erwähnt.

Den aus der Tätowierung abfliegenden Schmetterling allerdings musste man ganz alleine wiedererkennen. Und zwar aus "Die fabelhafte Welt der Amélie" - die übrigens in der Erinnerung vieler zur "wunderbaren Welt" mutiert war, vermutlich wegen der Alliteration.

Vielfältige Interpretationen erlaubt die Schießerei vor der Spielbank: Zum einen ist da die Darstellung von Gewalt von klassischer Musik untermalt - das haben wir auch in "A Clockwork Orange" gesehen.

Dann wieder ist dieses finale Gemetzel ästhetisch am Werk von Quentin Tarantino ausgerichtet. Der sich wiederum gerne auf den Regisseur Sam Peckinpah bezieht. Insbesondere fühlten wir uns an Peckinpahs Western "The Wild Bunch" erinnert.

Zu hören war dabei Verdis Gefangenenchor aus "Nabucco". Protagonistin der Oper ist Abigaille, von der alle glauben, dass sie Nabuccos Tochter ist. Sie ist aber Tochter einer Sklavin. Das ist doch mal eine nette Anspielung auf die komplizierten Familienverhältnisse im Hause Harloff.

Und da wir gerade dabei sind: Ein Sohn, der seinen Vater töten soll, ohne zu wissen, dass es der Vater ist - das klingt sehr nach Ödipus.
JuergenS
JuergenS
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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von JuergenS
Das sind interessante Hintergründe aus einer Erkenntniswelt, dutch, die mir fast zu 100% fehlt, gerade deshalb für mich interessant.

Ich habe lediglich aus meiner Lebenswarte ein paar Bemerkungen abgegeben, es ist ja nur ein Film, nicht mehr.

Wie gesagt, dass er Ungewöhnlich war, ja, aber gut????.

Für mich war zu vieles beklemmend.
adam
adam
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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von adam
als Antwort auf dutchweepee vom 14.10.2014, 14:14:53
Wow dutch, echt gut!

Auf einige Übereinstimmungen hätte ich selber noch kommen müssen, aber mir sind nur die zu Leone aufgegangen. So ein Filmfan bin ich nicht. Meistens läuft der Fernseher eh nur nebenher und dann heißt es danach "Aus den Augen, aus dem Sinn". Tatorte, in denen es um Gewalt gegen Kinder und Frauen geht, sondere ich sowieso gleich aus. Diesmal blieb ich wegen der Anfangsszene dabei und habe es nicht bereut.

--

adam

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dutchweepee
dutchweepee
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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf JuergenS vom 14.10.2014, 14:26:15
Wie gesagt, dass er Ungewöhnlich war, ja, aber gut?

Für mich ist ein Film (vor allem ein Krimi) gut, wenn er mich überrascht. Wenn die Handlung nicht einfach so dahinplätschert, um mir eine heile Welt vorzugauckeln.

Das Leben ist beklemmend, schön, brutal, lustig, bunt, düster und endet zu hundert Prozent mit dem Tod. Vielleicht ist meine Generation schon etwas abgebrühter, was Gewalt und Blut im Film angeht, aber manchmal muss Gewalt einfach sein, um ganz einfach zu zeigen, wer die "Bösen" sind.
JuergenS
JuergenS
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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von JuergenS
alles eine Frage der Dosis, du hast recht dutch, auf jeden wirkt Gewalt in der Kunst anders, manche interpretieren Gewaltdarstellungen sicher auch verherrlichend.

50+ kann eben was anders sein als 70+ .
olga64
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Mitglied

Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von olga64
als Antwort auf val vom 14.10.2014, 14:08:47
Der Titel dieses Tatorts: Im Schmerz geboren - und so war es auch,da die "Leibesfrucht" einer Frau aus einer Menage a trois zum Tod der Frau führte. Mehr möchte ich nicht verraten - aber ich denke auch heute noch oft an diesen Tatort, bzw. das Drama.
Über irgendeinen Vergleich mit Bella Block oder sonstigen Krimis im Fernsehen muss ich lächeln - entspringt wohl mehr den Präferenzen mancher Ladies. Wie ich auch aus dem Kommentaren hier lese, interessierten sich meist mehr Männer für dieses vielschichtige Thema - macht mich auch nachdenklich. LG Olga

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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 14.10.2014, 15:43:51


vielleicht sollten sie mal ihren testosteronspiegel messen
lassen....

.... wenn sie feststellen, daß sich nur männer für
das thema interessieren.
val
val
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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von val
als Antwort auf dutchweepee vom 14.10.2014, 14:14:53
Die Filme, die du nennst, habe ich alle gesehen, und dann diese Anspielungen auf Literatur und Musik..
Werde versuchen, ihn zu sehen.

Olga - danke für den Titel!
Val
olga64
olga64
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Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 14.10.2014, 16:11:15
Es gibt Themen und Lebensbereiche, wo ich dem Urteil von Männern mehr zutraue als dem von Frauen, die ja oft zu schnell hysterisch oder auch zickig ihre Meinung unter das Volk bringen, bzw. relativ uninformiert ihre Vorurteile darlegen.
Das lehrte mich meine jahrzehntelange Berufstätigkeit in der ich auch das Glück hatte, praktisch ausschliesslich mit Männern zu arbeiten. Keine nachtragenden Szenen, lieber mal etwas laut, aber dann war es auch vorbei.
Es gibt natürlich auch andere Frauen, die dann vermutlich auch einen zu hohen Testosteronspiegel haben? Lieber den als kein Östrogen und Gestagen mehr, oder? Olga
chris33
chris33
Mitglied

Re: Was für ein guter Tatort....
geschrieben von chris33
als Antwort auf olga64 vom 14.10.2014, 15:43:51
also, ich war auch nicht übermäßig beeindruckt vom film, muss ich schon sagen, obwohl ich den film im nachhinein recht ordentlich fand.

ich wollte dann auch mal ausschalten - waren mir zuviele leichen- aber hab´s dann doch nicht getan

vielleicht nur, weil ulrich tukur einer der wenigen männer ist, der mir immer noch schmetterlinge im bauch beschert...

es ist gut, daß wir alle unterschiedlich gepolt sind - wäre ja schrecklich- wenn alle menschen sich für die s e l b e n krimis oder sonstige fernsehschinken begeistern würden...

chris33

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