fuer Autoren und Herausgeber Der Wald

Monika1
Monika1
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Der Wald
geschrieben von Monika1
Wir sind schon sehr früh zu einem ausgiebigen Waldspaziergang
aufgebrochen. Ich liebe es, wenn noch keine Menschen unterwegs
sind, die Stille des Waldes zu genießen. Wir schweigen und hören
nur das Raunen, das durch die Zweige geht. Das Gezwitscher der
Vögel fügt sich in diese Idylle ein und erfreut das Herz. Durch das
Geäst der Bäume brechen die ersten Sonnenstrahlen, als wollten sie
uns begrüßen. Wir blinzeln zur Sonne hinauf. Angezogen von den
Sonnenstrahlen bildet sich sogleich ein Mückenschwarm, der vor
unseren Augen ein Tänzchen hält. Wir kommen zu einem Platz,
in seiner Mitte steht eine erhabene Eiche, sie neigt ihr Haupt, als
wolle sie sich vor uns verbeugen. Auf einem großen Stein setzen
wir uns kurz hin und lassen diesen herrlichen Anblick auf uns
einwirken. Schau, ein Eichhörnchen springt von Ast zu Ast.
Jetzt klettern einige Ameisen den Stein empor, offensichtlich
wollen sie erkunden, wer ihre Ruhe stört. Wir machen uns auf und
wandern zu einem kleinen See, eine Entenmutter ist mit ihren
Kindern schon im Wasser, und Fische verraten ihre Anwesenheit
durch die Luftblasen, die sich auf der Oberfläche bilden.
Ein Fischreiher kommt angeflogen. Sicher hat er Hunger.
Wir machen uns auf den Heimweg, denn der Himmel hat sich
zugezogen. In der Ferne bellt ein Hund und deutet an, dass er
ausgeführt werden will. Dann breitet sich wieder tiefer Frieden
aus. Man hört nur das Krachen der Äste unter unseren Füßen.
Welch ein herrlicher Morgen!

Höre die Stimme des Waldes, Mensch!

Ich bin das Holz deines Hauses, dein Dach, dein Stuhl, dein Bett.
die Wiege deines Kindes.
Ich begleite dich von Anfang bis Ende, spende Wärme und Schatten,
bin Heimat für Vögel und Falter, für Reh und Dichter.
Ich heile deine Leiden durch Beeren, Kräuter und Säfte,
bremse den Sturm, die Fluten der Flüsse im Frühling,
schlucke den Lärm und Staub deiner Städte und Straßen.
Meine Wurzeln fangen und filtern den Regen, damit du zu trinken hast.
Meine Wipfel schaffen dir Luft. Ich gebe dir Arbeit und Schönheit,
Einsicht und Mut. Ich bin dir ein guter Nachbar, Mensch.

Höre meine Stimme: Wenn ich tot bin, stirbst auch du
Angeli44
Angeli44
Mitglied

Re: Der Wald
geschrieben von Angeli44
als Antwort auf Monika1 vom 02.10.2014, 23:00:59
Liebe Monika, ich sehe durch Zufall deinen Beitrag zum Wald. - Weißt du, dass ich praktisch "im Wald lebe"? Ich wohne im Nordschwarzwald in einem Hochhaus im 9. Stock. Und von hier schaue ich in Bäume über mir, neben mir, unter mir. Es sind Laubbäume und Nadelbäume. Unten ist eine Quelle, an die oft Hirsche, Rehe und Wildschweine kommen um zu trinken. Die Quelle kann ich bis in meine Wohnung hinein rauschen hören, vor allem wenn es regnet und sie anschwillt. Ich bin jeden Tag im Wald unterwegs, und es gab in der Vergangenheit Zeiten, da konnte ich überhaupt nicht mehr aufhören zu wandern. Ich musste immer weiter laufen. Auf diese Weise bin ich einmal "halbtot" und tatsächlich halb verdurstet bei der Teufelmühle (einer Sehenswürdigkeit im Nordschwarzwald) gelandet, was ich an diesem Tag gar nicht vorhatte. Ich hatte schätzungsweise 8 bis 10 Kilometer durch tiefen Wald und über sonnige und steinige Steilanstiege zurückgelegt und bin sehr froh, dass die Gastwirtschaft in der Teufelsmühle an diesem Tag geöffnet hatte, denn ich hatte noch nicht einmal etwas zu trinken mitgenommen. Welch ein Leichtsinn.

Der Wald und das Waldlaufen haben es mir bis heute angetan, obwohl ich schon über 18 Jahre im Nordschwarzwald zu Hause bin. Vor einigen Jahren traf ich eine Seniorin, die mir ein kleines Gedicht über den Wald aufsagte, das ich schnell aufstenografierte, mir auf diese Weise merkte und es nun hier wiedergeben kann:

"Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen,
doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag,
sie trösten jeden."

Diese Seniorin habe ich nun schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen. Sie hatte schon damals ein fast kritisch hohes Alter erreicht, war aber immer noch per Bahn und Bus unterwegs.

Angeli
schorsch
schorsch
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Re: Der Wald
geschrieben von schorsch
Baumleben

**********

Der Baum streckt seine Äste weit;
weit in den Raum; weit in die Zeit.
Und lässt man ihn so walten,
ist er nicht aufzuhalten.

************

Doch irgendmal kommt dann der Tag,
wo er auch nicht mehr wachsen mag.
Des Baumes Äste werden steif.
Ist er nun tot? Ist er nur reif?
Der Baum ist nicht verloren;
er wird nur neu geboren!

************

September 1995 Schorsch

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barbarakary
barbarakary
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Re: Der Wald
geschrieben von barbarakary
als Antwort auf Monika1 vom 02.10.2014, 23:00:59
Schön, dass du uns auf diesen Waldspaziergang mitgenommen hast, liebe Monika! Der Wald ist bei mir nicht ganz so nah, aber ich genieße die von Alleen gesäumten Dorfstraßen!

Liebe Grüße
barbarakary
Monika1
Monika1
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Re: Der Wald
geschrieben von Monika1
als Antwort auf Angeli44 vom 14.10.2014, 17:13:14
Hallo Angeli,

da bist du ja gesegnet, wenn du so schön am Wald wohnst,
das Gedicht kenne ich auch. Falls du nur den Schluß kennst hier ist die ganze Fassung.

Die Wälder schweigen

Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.
Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder.
Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder.
Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt.

Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
Man träumt von Äckern und von Pferdeställen.
Man träumt von grünen Teichen und Forellen.
Und möchte in die Stille zu Besuch.

Man flieht aus den Büros und den Fabriken.
Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund!
Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken
und wo Spinnen seidne Strümpfe stricken,
wird man gesund.

Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.

Erich Kästner (1899-1974

Lieben Gruß von Monika
Monika1
Monika1
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Re: Der Wald
geschrieben von Monika1
als Antwort auf barbarakary vom 15.10.2014, 11:27:39
Hallo Roswitha,

ja ich liebe den Wald und die Stille darin. Ist heute ja nicht mehr so leicht zu finden. Die vielen Biker und Hunde machen es einem schwer. Aber bei uns im Saarland, gibt es noch einige unberührte Ecken.

Lieben Gruß von Monika

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Monika1
Monika1
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Re: Der Wald
geschrieben von Monika1
als Antwort auf schorsch vom 15.10.2014, 09:04:15
Möchte mich herzlich für das schöne Gedicht bedanken.

Lieben Gruß von Monika
Angeli44
Angeli44
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Re: Der Wald - Baumleben
geschrieben von Angeli44
als Antwort auf schorsch vom 15.10.2014, 09:04:15
Lieber Schorsch,

dein Gedicht finde ich schön. Auch passt es nach meiner Auffassung gerade an dieser Stelle. Der Mensch vergleicht sich ja gern mit dem Baum, und es besteht doch die Hoffnung, dass auch er - wie der Baum - nach seinem Tode "neu geboren" wird.

Angeli
schorsch
schorsch
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Re: Der Wald - Baumleben
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Angeli44 vom 17.10.2014, 09:53:31
Hier der Schluss eines Gedichtes, das von Brücken handelt; nämlich von einer neuen, die bei uns gerade über die Aare gebaut wurde und dann die Brücke zu der Brücke ins Jenseits (Ich hoffe, du verstehst Schwizerdütsch!):

Ond plötzli schtömmer denne vor
em riesegrosse Hemmustor.
Denn chlopfe mer ganz schüüch dört aa
ond froge: Wend är zrogg eus haa?
Mer hend dört onde nüt me ztuä
ond hätte gärn jetz eusi Ruäh.

Denn wärfe mer en Blick no zrogg
zo euser neue Gösger-Brogg,
wo dronder gäng no s Wasser fliesst
zom Meer, wo denn sin Kreis sech schliesst.

Mer wösse: alles esch en Kreis;
der Afang ond s Ände keine weiss.
Doch i däm Kreis goht nüt verlore:
s wird alles wieder neu gebore!
Angeli44
Angeli44
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Re: Der Wald - Baumleben
geschrieben von Angeli44
als Antwort auf schorsch vom 17.10.2014, 11:33:00
Lieber Schorsch, schön! Habe alles verstanden, aber die wichtigste Frage nicht. Was heißt denn um Gottes Willen: "Wend är zrogg eus haa?" Ich weiß es schlicht nicht.

Angeli

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