fuer Autoren und Herausgeber Im Wendekreis des Marders

Im Wendekreis des Marders
geschrieben von ehemaliges Mitglied

 
 
 
Die Cover-Rückseite weist folgende Auszüge aus drei Rezensionen auf:

Hannoversche Allgemeine Zeitung:
... Die lebhafte Diskussion nach der Lesung Fabians aus seinem Roman-Manuskript im Künstlerhaus in Hannover ließ erkennen, dass er etwas in Bewegung gesetzt hat.

Cellesche Zeitung und Celler Kurier:
  ... Wolfgang Fabian thematisiert Bewusstseinsstufen verschiedener Individuen und beschreibt die Lebenswirklichkeit menschlichen Seins. Er versteht es, einfühlsam und kritisch menschliches Erleben zu reflektieren.

Segeberger Zeitung:
... Es ist nicht die Spannung, Fabians Buch in der Hand zu behalten, es ist die Atmosphäre. Wer sich dem Sog der Handlung ergibt, wird ein interessantes Stück Literatur erfahren.

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Der gesellschaftskritische Roman - Hardcover Hochglanz, gebunden - hat 488 Seiten.
Der fiktive Inhalt - bis auf zwei Kapitel - ist nicht jedermanns Sache. Für den einen oder anderen Mann (auch Frau) wird die Handlung ein Spiegel sein. Wird der Mensch nach diesem Hinweis mein Buch überhaupt in die Hand nehmen wollen? Nun, dieses Buch ist und bleibt mein literarisches Hauptwerk, aus dessen Roh-Manuskript ich fünfzehn Lesungen in Niedersachsen durchgeführt habe. Dafür gesorgt hat der damalige Deutsche Autoren-Verband e.V.; die Honorare erhielt ich vom niedersächsischen Innenministerium.

Und nun möchte ich euch zu einer kurzen Leseprobe einladen, die andeuten soll, dass das Thema, die Handlung, durchaus einen Kriminal-Roman abgeben könnte (Das Folgende spielt sich übrigens in einer kleinen Stadt in der Lüneburger Heide ab):

...
Noch etwa eine halbe Stunde mischte er sich unter die Menschen, schaute hier und da in die Schaufenster einiger Geschäfte, und strebte dann der ZK-Bank zu. Erregung und Furcht schüttelten sein Inneres durcheinander, doch er schritt weiter, wie von einem Zwang gestoßen. Nur nicht schlappmachen!, hämmerte er sich ein, nur nicht aufgeben! Mutig sein, nur einmal im Leben! – War allerdings das, was er vorhatte, überhaupt in die Kategorie Mut einzuordnen? Als er, es war fast ein Uhr, die Schalterhalle kundenleer vorfand, war er plötzlich die Ruhe selbst. Vom Eingang aus ging er direkt auf einen im Hintergrund und von Wand zu Wand eingebauten Tresen zu, dessen rechte Seite eine gläserne Zelle aufwies: wohl zwei Meter breit, drei Meter tief und drei Meter hoch. Diese Zelle war Lussons Ziel. Dabei achtete er darauf, nicht auf das Objektiv der Kamera, die er sofort entdeckt hatte, zu schauen. Zwei Frauen bewegten sich linksseitig hinter dem etwa acht Meter breiten Tresen, der von der Halle aus nicht durchschritten werden konnte. In der Panzerglaszelle hantierte ein älterer, korpulenter Mann mit einem Schlüsselbund und anderen Dingen, währenddessen eine der beiden Frauen sich anschickte, ihren Mantel überzuziehen.
Vom Kirchturm her schlug es ein Uhr.
      Die beiden Frauen beachteten nicht weiter den vermeintlichen Kunden, sie hatten bei dessen Eintritt nur kurz aufgeschaut. Der Kassierer verschloss eben die Türen der Unterschränke, legte dann die Schlüssel aus der Hand und ordnete noch irgendwelche Papiere, wobei er Lusson laut sagen hörte: „Sie schließen gleich. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich verspätet habe“; und er antwortete, einen kleinen Stoß Formulare in ein Fach legend: „Aber das macht doch nichts, mein Herr. Ich bin ja noch hier.“ Erst jetzt wandte er sich Lusson direkt zu und – erschrak. Natürlich hatte er den angeblich sich verspäteten Kunden herein- und auf sich zukommen sehen: den Kunden in hellgrauer Jacke, mit einer schwach getönten Brille vor den Augen und einer Baseballkappe  auf  dem  Kopf. Jetzt  aber  hatte der Mann den Kappenschirm tief bis auf die Brillenfassung gezogen und die untere Hälfte seines Gesichts mit einem grauen Schal bedeckt – bis über die Nase. Und er sah, dass der Mann sich vorgebeugt und den linken Unterarm auf der Tresenkante liegen hatte, wie entspannt, so als wollte er zu einem gemütlichen Plausch ansetzen. Dem Kassierer war ganz und gar nicht nach einer Unterhaltung zumute, denn die Pistole in Lussons Armbeuge, deren Laufmündung in Richtung Frauen zeigte, sprach eindeutig für sich. In dieser Haltung war Lusson zwar der Kamera ausgesetzt, sein bedecktes Gesicht und seine Pistole im Moment aber nicht den Blicken der beiden Frauen.
      Jetzt war auch die zweite Frau ausgehfertig und rief herüber: „Herr Rodewald. Wir sind soweit. In einer Stunde sind wir zurück. Schließen sie ab? Wir gehen hinten raus. Mahlzeit!“ Dem Kassierer, der mit flehendem Blick zu seinen Kolleginnen hinüberschaute, zischte Lusson zu: „Aber wir beide sind noch nicht soweit. Rufen Sie 'Mahlzeit!' zurück und konzentrieren Sie sich darauf, was jetzt zu machen ist. Also heraus die Geldscheine und in den Beutel damit!“ Einen Augenblick lang wunderte er sich über seine Unverfrorenheit. Der Kassierer hatte kaum sein "Mahlzeit" Zurückgerufen, da befahl Lusson den beiden Frauen, jetzt die Pistole auf sie gerichtet, zwei Schritte vom Tresen Abstand zu nehmen und ihm den Rücken zuzukehren. So konnte er sie aus den Augenwinkeln gut beobachten. Er hielt auch den Kassierer unter Kontrolle, damit der nicht auf die Idee komme, auf einen gewissen Knopf zu drücken. Im Gegensatz zu dem Kassierer waren die Frauen völlig schutzlos, also taten sie, was Lusson von ihnen verlangte. Wussten sie denn, ob es sich bei der auf sie gerichteten Waffe um eine echte, um eine scharfe handelte? Und es muss nicht erst beschrieben werden, welche Ängste sie ausstanden. Warum hatte Lusson die Frauen nicht ganz einfach gehen lassen? Er hatte gesehen, dass der Kassierer in seinem Panzerglaskäfig völlig sicher untergebracht war; der Mann hätte in aller Seelenruhe  den Alarmknopf drücken und alles Weitere abwarten können. Doch nun  stand der Kassierer da wie ein Soldat, der von seinem Vorgesetzten auf einen Befehl wartet, und den bekam er denn auch. Mit schneidender Stimme fuhr ihn Lusson an: „Verfallen Sie nicht in den Glauben, es handele sich hier um einen Silvesterscherz! Warten Sie nicht, bis ich nervös werde! Also, wird‘s bald ...?“ Und tatsächlich, der Mann beeilte sich, den ihm im verschiebbaren Geld- und Dokumentenkasten zugeschobenen Plastikbeutel mit Geldscheinen zu füllen. „Die Fächer sind nun geleert“, sagte er schließlich mit bebender Stimme und schob den Beutel an Lusson zurück, der ihn blitzschnell in eine Seitentasche seines Anoraks steckte und dabei dem Kassierer befahl, bis an die Eingangstür der Kabine zurückzutreten und dort, Gesicht zur Tür, stehen zu bleiben. Dann sprang er durch die Halle bis zum Ausgang, schob unterwegs dorthin die Pistole samt Baseballkappe in die zweite Seitentasche und den dünnen Schal zurück in den Halsausschnitt seines Hemdes. Die Brille steckte er in die bereits zuvor offengelassene äußere Brusttasche seines Anoraks.
      Er öffnete einen Flügel der Doppeltür, deren Füllung aus undurchsichtigem Glas bestand, trat ohne Hast auf den Bürgersteig hinaus und war gleich darauf ein Passant wie jeder andere. Er hörte deutlich, wie mit einem metallischen Laut die schwere Tür ins Schloss fiel.
      Unterdessen hatte es wieder leicht zu regnen begonnen, sodass die meisten Menschen einen Regenschirm aufgespannt hatten und angesichts ihres somit eingeschränkten Blickfeldes nur darauf achteten, sich mit Entgegenkommenden nicht zu berühren. Lusson ließ sich die wenigen Meter bis zur Ecke des Bankgebäudes, wo die Kinogasse abzweigte, mittreiben und bog dort in die besagte Nebenstraße ein. Die Sackgasse war menschenleer. Hier stand kein Wohnhaus, und es gab auch keine Einkaufsmöglichkeiten. Und den am Ende der Straße beginnenden Park besuchte einen Tag vor Silvester und vor allem bei diesem dunklen Schmuddelwetter ohnehin niemand.
Natürlich hatten die Angestellten in der Bank mit ihren Möglichkeiten umgehend Alarm geschlagen, und Lusson war sich im Klaren, dass die Polizei nicht lange auf sich warten ließe. Er musste also im dämmrigen Hintergrund des Kinoeingangs schnellstens handeln. Den Kinoeingang erreichte er in unauffälliger Eile, hektisch schnell jedoch entledigte er sich dann des Anoraks, wendete ihn und zog ihn sofort wieder über. Den Geldbeutel, der ihm gar nicht so gut gefüllt zu sein schien, die Pistole und die Baseballkappe verteilte er auf die Innentaschen seiner Jacke und zog den Reißverschluss wieder hoch bis unter das Kinn. Dann versenkte er die Hände in den Einschüben, begab sich vorsichtig, aber unverdächtig wie jemand, der sich für die Filmankündigungen interessiert hatte, zum Ausgang, schaute nach rechts und links und schlenderte dann den Weg zurück, den er gekommen war. Marschierte er geradewegs in die Höhle des Löwen? Nein, er ging nicht auf den Bankeingang zu, sondern überquerte etwas abseits davon und in aller Ruhe den ehemaligen Fahrdamm und blieb dann inmitten plötzlich verharrender Passanten unweit des Bankeinganges stehen. Inzwischen waren zwei Polizeifahrzeuge, voneinander versetzt, vor dem Eingangsbereich der Bank abgestellt worden. Lusson hörte aus den Worten einiger Zuschauer heraus, dass sich vier Beamte in der Schalterhalle befanden. Die beiden Fahrer waren eben dabei, den Eingangsbereich der ZKB mit weiß-roten Plastikbändern abzusperren. Lusson, unverändert die Hände in den Taschen, verfolgte das Geschehen mit äußerlich gleichmütigem Verhalten, aber mit heißem Gesicht. Ihm wollte es noch gar nicht so recht in den Sinn kommen, dass dies alles ihm galt, dass dies alles er verursacht hatte, dass für dieses alles er verantwortlich war.
      Was er getan, hatte sich in nur wenigen Minuten abgespielt, ihm aber kam es jetzt vor, als habe er eine Ewigkeit lang in der Schalterhalle zugebracht. Nun ging er ein paar Schritte und gesellte sich enger unter die Menge der Neugierigen, die sich schnell in großer Zahl versammelt hatten.  Dass  er jetzt unter ihnen stand, war Teil seines zu Hause ausgeheckten Planes. Er war davon ausgegangen – vorausgesetzt, sein Verschwinden aus der Schalterhalle sei problemlos verlaufen  –,  inmitten der Zuschauenden am sichersten aufgehoben zu sein, wobei ihm der Wendeanorak einen für ihn zusätzlichen Dienst leistete. Doch gerade daran wäre sein Vorhaben fast sicher gescheitert, wäre er nicht auf den verwaisten Kinoeingang gestoßen. Aber nun konnte auch diese Sache vergessen werden. Zufälligkeiten hatten Lusson auf eine wahrscheinlich sichere Spur gelenkt. Er atmete wieder ruhiger und sagte sich, anscheinend alles überstanden zu haben, dass er tatsächlich handschellenfrei blieb.
      Mit dieser Hoffnung pulsierte sein Blut ruhiger durch den Kreislauf, und der Hauch des nasskalten Winters kühlte wohltuend sein Gesicht.
      „Die haben abgesperrt“, hörte er eine ältere Frau zu ihrem Mann sagen. „Die Bank wurde überfallen. Mein Gott, das ist ja grauenhaft! Ob da wohl Geiseln genommen worden sind? Sieh mal, da ist noch ein Wagen angekommen. Da steigen drei Männer aus. Wer die wohl sind. Siehst du sie?“ - „Natürlich sehe ich sie, ich bin ja nicht blind. Das sind Leute von der Kripo. Ob Geisel ja oder nein, das werden wir sicherlich bald erfahren. Ich glaube nicht, dass Geiseln genommen worden sind. Die Polizei hätte nicht nur wesentlich weiträumiger abgesperrt, sondern wäre auch viel stärker vertreten – mit Scharfschützen und so. Aber vielleicht kommen die noch.“
      Ein Mann hatte sich direkt neben Lusson gestellt, ein Mann etwa in seinem Alter. Der sprach ihn an:
      “Dass man das mal erlebt ..., einen Banküberfall! Haben Sie das schon mal erlebt?“
      „Nein. Die Medien berichten ja hin und wieder darüber; aber selbst erlebt, wie Sie sagen, nein, das habe ich noch nicht.“ Lusson grinste seinen Nachbar an. „Ich hoffe, dass es bei diesem bleibt. Wild bin ich nicht darauf. Wie der das da drüben wohl angestellt hat ...“
      „War es nur ein Gangster?“ Der Mann wurde sehr munter. „Wenn Sie ihn gesehen haben ... Haben Sie ihn abhauen sehn? –, dann sollten Sie sofort rübergehn und Ihre Beobachtung der Polizei mitteilen, wie er aussah und wohin er gelaufen ist zum Beispiel. Soll ich Sie begleiten?“ Lussons sich aufbauendes Sicherheitsgefühl drohte Risse zu bekommen. „Nein, nein“, stieß er hastig und etwas zu laut hervor, verlieh seiner Stimme aber schnell wieder ihren normalen Klang. „Nein, ich habe niemand aus der Bank kommen sehen. Ich war im Begriff, über den Platz zu gehen, als die Polizei herbeigerast kam. Nein, woran ich dachte: Meistens ist es nach Berichten der Medien doch immer nur eine Person, die solche Sachen macht.“ - „Manchmal sind es auch zwei“, ergänzte der Fremde, „mit Fluchtauto sogar drei.“ - „Der oder die Gangster hier benutzen wahrscheinlich gar kein Fahrzeug“, meinte Lusson. „Der ganze Bereich hier ist doch Fußgängerzone.“ - „Durchfahren darf man schon“, sagte der Mann, „nämlich bis auf den Parkplatz am Ende der Sackgasse, die Straße neben dem Bankgebäude, na, die zum Stadtpark führt.“ - „Natürlich“, bekräftigte Lusson, „natürlich, der Parkplatz ... An den habe ich gar nicht gedacht, habe dort noch nie geparkt.“
 
 


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