Forum Kunst und Literatur fuer Autoren und Herausgeber Mallorca HASSO - Karriere und Wesensart des ehemaligen berüchtigten Schmugglerbosses

fuer Autoren und Herausgeber Mallorca HASSO - Karriere und Wesensart des ehemaligen berüchtigten Schmugglerbosses

Mallorca HASSO - Karriere und Wesensart des ehemaligen berüchtigten Schmugglerbosses
geschrieben von ehemaliges Mitglied


Text Cover-Rückseite u.a.:

Das Mallorca Magazin schrieb nach seinem Tod 2003:
Hasso Schützendorf war einer der schillerndsten und exzentrischsten Persönlichkeiten,
die je auf Mallorca lebten.

Das Buch - Hardcover Hochglanz, gebunden - hat 456 Seiten, 44 Abbildungen


Folgend als Leseprobe nun der Beginn des 1.Kapitels (In das Buch eingebrachte Bilder sind in diesem Auszug nicht berücksichtigt worden):
 
 

Erster Teil

Herkunft
Konzentrationslager
Strafbataillon, Fahnenflucht
Todesurteil
Schmugglerboss
Multimillionär
 

Hasso Schützendorfs geschäftliche wie auch pri­vate, fast immer gewinnbringende Aktivitäten im Verlauf seines Le­bens waren, beruhend auf einem un­beugsamen Willen, er­erbte Merkmale, die allen Schützen­dorf-Generationen inne­wohnten. Offenheit und korrektes Verhalten in allen Bereichen sind bis auf eine lange zu­rückliegende Ausnahme die Tugenden aller Familienmit­glieder gewe­sen. Hasso war mit seinen zwei Ge­sichtern, seiner seeli­schen Kälte und seinem Drang nach Pu­blizität, die zweite Ausnahme. Seine Vorfahren hatten sich auch nie gescheut, sich vermeintlich hoheitlichen Bevormundungen zu widersetzen, auch Hasso war keine Ausnahme. Und ein wei­teres bedeutendes Merkmal aller Schüt­zendorfs ist nicht zu übergehen: sie alle waren, einschließlich Hasso, hochmusika­lisch.
      Die Geschichte seiner Vorfahren – ihre Heimat war seit An­beginn das Gebiet an Rhein und Ruhr – soll hier nicht chrono­logisch aufgezeichnet werden, es würde zu weit füh­ren. Einige frühe Beispiele schützendorfschen Ei­gensinns sol­len jedoch einen gewissen Einblick gewäh­ren:
      Hassos Urgroßvater, geboren im ersten Viertel des 19. Jahr­hunderts, Erbe einer kleinen, aber sehr bekannten Kräuterschnapsdestille, bezahlte seine Unbeugsamkeit mit dem Tod. Er hatte die Annahme einer behördlichen An­ordnung verweigert, indem er dem höfischen Gesandten, der ihn mit einer Verfügung vertraut machen wollte, nicht nur die kalte Schulter zeigte und ihn be­schimpfte, sondern ihn obendrein verprügelte. Um der zu erwartenden Kerkerstrafe zu entgehen, raffte er in großer Eile bewegliches privates und geschäftliches Hab und Gut zusammen und floh samt Familie bei Nacht und Ne­bel auf einem Rheinfrachter, dessen Kapitän ihm freund­lich gesonnen war, nach Holland, wo er unbedrängt von jeder Obrigkeit sei­nen Schnapsbetrieb neu aufbaute und das Produkt auch gut verkaufte. Nach über drei Jahren glaubte er an die Verjährung sei­ner Tat, zog ins heimatli­che Rheinland zurück, wurde prompt verhaftet, verurteilt und in den Kerker geworfen. Nun waren die damaligen Gefängnisse nicht mit den heutigen Knast-Ho­tels zu ver­gleichen, sodass sich der Mann in seiner feucht-kal­ten Zelle schnell eine Lungenentzündung zuzog und daran starb. Bis der Sohn alt genug und in der Lage war, den für eine lange Zeit ruhenden Betrieb neu zu organisieren und gewinn­bringend zu führen, lebte die Witwe, keine Ah­nung von der Schnapsherstellung und vom Geschäftsle­ben, mit Sohn und ei­ner Tochter in Armut. Glücklicher­weise entwickelte der Sohn den bekannten schützendorfschen Geschäftssinn, mit dem er einen Neubeginn konse­quent anzugehen wusste und die alte Kundschaft zurück­gewann.
      Dieser Sohn war Hassos Großvater. Er sorgte für einen neu­en Wohlstand in der Familie. Als der Mann alt gewor­den und gestorben war, musste seine Witwe das Unter­nehmen in fremde Hände legen, obwohl sie auf sieben er­wachsene Söh­ne hätte zurückgreifen können. Doch jeder von ihnen hatte seinen eige­nen Kopf, seine eigenen beruf­lichen Vorstellun­gen. Immerhin hatte der älteste der Brü­der, als der Verkauf bereits abgemachte Sache war, sich um die abschließenden Geschäfte gekümmert, aber vollkommen interesselos; er verkehrte lieber und häufig in verrufenen Schenken und auch Freudenhäusern im Lande. Unter vorgehaltener Hand hatte es obendrein geheißen, er habe sich mit zweifelhaften Geschäften abgegeben, wo­für er mit Ge­fängnis bestraft worden sei. Dieser Mann war die anfangs an­gesprochene Ausnahme unter den Schützendorfs, nun ja, bis vie­le Jahre später Hasso das Treiben seines aus der Art ge­schlagenen Onkels in den Schatten stellen sollte.
      Ein weiteres Beispiel ist eine Komödie und nicht min­der be­zeichnend: Es war im Jahr 1886. Nach der Geburt des Jüngsten der sieben Brüder ließ der eigenwillige Vater auch die letzte kirchliche Aufforderung, den neuen Er­denbürger endlich taufen zu lassen, absichtlich außer Acht. Er hatte sei­nem Jüngsten den Namen Leo gegeben, worin an sich kein Problem zu erkennen gewesen wäre. Dass er aber öffentlich verlangte, nur den Papst, nämlich den damaligen Papst Leo XIII., als Taufpaten anzuer­kennen, ging dem örtlichen Kle­rus zu weit. Also wurde der Heilige Vater von dem höchst ungebührlichen und verwerfli­chen Verhalten eines seiner Schäfchen unterrichtet, mit der Bit­te, anzuordnen, diesen an­maßenden Menschen aus der Gemein­schaft der Gläubigen auszuschließen, falls er sein unverschäm­tes Verhalten nicht widerrufe und be­reue. Nun, der Heilige Va­ter wohnte der bald anberaum­ten Taufe nicht persönlich bei, ließ aber eine Urkunde prä­sentieren, selbstverständlich mit Sie­gel und Un­terschrift, aus der hervorging, dass man ihn, Papst Leo XIII., als Taufpaten des Knaben Leo anzuerkennen und dieses auch zu dokumentieren habe. Nun endlich konnte der kleine Leo die Taufe über sich erge­hen lassen, und zwar in einem nachempfundenen Papstgewand, was den Pfarrer erneut bedenklich stimm­te. Doch mit einer Be­kleidungsvorschrift für Täuflinge hatte er vor seiner heiligen Handlung nicht aufwarten kön­nen.
      Sagen wir noch etwas zu den sieben Brüdern Schüt­zendorf. Der ungewisse Verbleib des Ältesten ist ange­sprochen worden. Und auch keiner der anderen Brüder ist, wie gesagt, bereit ge­wesen, den guten Magenbitter weiterhin zu produzieren und zu vertreiben. Dennoch sollte zukünftig der Name Schützen­dorf in vieler Munde und vor allem Ohren sein und blei­ben und für Qualität bürgen. Denn für fünf der Brüder führte ihr ererbtes musikalisches Talent zur Berufung. Al­fons, Gustav, Guido und Leo stiegen als Baritons und Bass-Baritons zu gefragten Opern- und Konzertsängern auf und wirkten in vielen bedeu­tenden Opernhäusern der Welt. Leo erlangte von ihnen den höchsten Ruhm. Er starb früh, 1931, nicht einmal sechsund­vierzig Jahre alt. Hassos Vater Eugen, gleichfalls gesegnet mit einer entwicklungsfähigen Stimme, gesundheitlich aber oft an­geschlagen, brachte nicht die physische Kraft auf, sich sin­gend sein Brot zu verdienen. Doch die Musik sollte auch für ihn an­sehnlicher Broterwerb werden. Als Klaviervir­tuose und -lehrer begleitete er, wenngleich sehr selten, den einen oder anderen seiner singenden Brüder, wenn Konzertabende angesagt waren. Ein einmaliges Ereignis war es, als die vier Brüder 1915 im Stadttheater Bremen gemeinsam auf der Opernbühne wirkten; einmalig, denn einzuhaltende Verträge gestatteten sehr selten Besonderheiten; familiäre Zusammenkünfte zählten dazu.
      Hassos Vater tat sich neben seinen musikalischen Auf­gaben auch als Buchautor hervor, womit er den Namen Schüt­zendorf noch bekannter machte. Etwa Mitte des Zweiten Weltkrieges war sogar die Umgebung des Füh­rers auf ihn aufmerksam ge­worden: Er wurde in die Reichskanzlei beru­fen, um als Mitverantwortlicher den Führungsstab der Trup­penbetreuung zu bereichern. Und was war aus dem Letzten (nicht nach der Ge­burtsfolge) der sieben Brüder geworden? Auch er war bei guter Stim­me, zog es aber vor, als Spirituo­senvertreter durch die Lande zu ziehen. Es hieß, auch er hät­te die Magenbittertraditi­on seiner Familie auferstehen und erneut ge­winnbringend sich entwickeln lassen können (alko­holische Ge­tränke wurden und werden schließlich zu allen Zeiten verkauft). Aber auch er war nicht bereit, das Kräuter­schnaps-Unternehmen mit frischer Ver­antwortung in die Zukunft zu führen.
      Eugen Schützendorf heiratete um die Jahreswende 1923/24 in Düsseldorf die Tochter eines ehemaligen preußi­schen Generals, mit der er bereits ein Kind gezeugt hatte (Roswitha). Die junge Ehefrau entwickelte eine bemerkens­werte Energie, wenn es ihr darum ging, sich auf Bällen und Empfängen vor den an­wesenden Herren in Szene zu setzen, Lebenslust zu ver­sprühen. Doch als sie dann zum zweiten Mal schwanger ging, sah sie ihre Jugend schwinden und unterließ nichts, sich ihrer Lei­besfrucht zu entledigen. Sie mutete sich überhitzte Sei­fenbäder zu, sprang, natürlich immer nur dann, wenn ihr Mann außer Haus war, vom Küchentisch auf den Steinfußboden oder unternahm sonst was, wobei sich das Dienstmädchen als eine heimliche Beobachterin bewies. Das Kind im Bauch Frau Schützendorfs wuchs trotzdem, strotzte jeder Gefahr und wur­de im November des Jahres 1924 geboren und auf den Namen Hasso getauft. Der kleine Kerl aber hatte wei­terhin unter dem Hass seiner Mutter zu leiden. So legte sie ihn, zwei Monate nach seiner Geburt, auf den vereisten Balkon ihrer Wohnung, in der Hoffnung, dass seine Lun­ge die Kälte nicht überstehen werde. Doch Vater Eugen war frühzeitiger nach Hause gekom­men und hatte seines kleinen Sohnes Lebensgeister wieder auf Touren ge­bracht. Hassos aber unvermindert lebenshungrige Mutter war weiterhin unterwegs, nahm Einladungen wahr und versäumte keine Lustbarkeit in den Villen der vornehmen Ge­sellschaft. Bei diesen Gelegenheiten blieb es ihr natür­lich nicht verborgen, dass mancher vorwurfsvolle Blick ihr zu- und nach­geworfen wurde. Sie ließ keine Gelegen­heit aus, mit dem einen oder anderen freien Galan anzu­bandeln. Doch ausgerechnet der Fahrer ihres Mannes stieg auf zu ihrem Favoriten, und der war es dann auch, mit dem sie, ohne lange zu zögern, durch­brannte.
      Eugen – soll man sagen, der Gehörnte? – ist die Zeit hin­durch über das, was sich seine Frau leistete, nicht ah­nungslos gewesen. Warum er trotzdem lange an seiner Ehe festhielt? Auch er war – wie alle Schüt­zendorfs zu al­len Zeiten – den heimlichen, intimen Freuden des Lebens nicht abgeneigt und übersah nicht das andere Geschlecht. Erst dann, als ihn die Sa­che seiner Frau mit seinem Chauffeur zutiefst be­leidigte, übergab er seine Ehe dem Scheidungsrichter. Nach seiner Scheidung blieb er unverheiratet.
      Zu jener Zeit befand sich Hasso im vierten Le­bensjahr. Für den bei seinem Vater heranwachsen­den Jungen war Bodenstän­digkeit nicht die Normalität, denn sein Vater musste berufsbe­dingt einige Male Ortswechsel vornehmen. So verbrachte Hasso Kindheit und Jugend in Weißensee bei Berlin, in Berlin direkt, in Hamburg, auf Rügen und wieder in Hamburg. Und er besuchte Schulen, die dem Nachwuchs der gehobenen Gesell­schaftsschicht vorbehalten waren. Dennoch landete er einmal für etliche Wochen in einer Schule für Schwererziehbare – ja, er war schwer erziehbar –, in der Institution also, die einer sich entwickelnden Persönlichkeit durchaus auf Dauer ständig negative Impulse für nachhaltig be­denkliche Verhaltensweisen vertiefen kann. Auch diese Zeit verstärkte eine in Hasso sich entwickelnde Introvertiertheit; und er wurde im Älterwerden ein Meister darin, sie mit gegen­teiligem Verhalten zu überspielen – falls notwendig für ihn.
     Hassos ältere Schwester Roswitha wuchs bei ihrer Mutter auf. Im Gegensatz zu ihr, die in Düsseldorf lebte und in hohem Al­ter dort auch starb, verschrieb sich die erwachsen gewordene Roswitha der noch jungen DDR in Ostberlin, wo sie Pädagogik studierte und danach als Lehrerin tätig war. Sie zeichnete sich als ein besonders wertvolles Mitglied der SED aus. Persönliche Entfaltungsbestrebungen wie in Westdeutschland waren in ih­ren Augen faschistische Verhaltensweisen, abträglich den Ideo­logien ihrer sozialistischen Volksgemeinschaft, eine diktierte und beaufsichtigte Gemeinschaft, die bekanntermaßen aber nie eine Gemeinschaft, wie wir sie verstehen, war. Ihre Einstel­lung, westlichen Fortschritt und Wohlstand einmal zu überse­hen, änderte sich auch nicht, nachdem ihr von ihrem Bruder (noch in der DDR-Zeit) ein Auto aus westlicher Produktion zur Verfügung gestellt worden war. – Geschwisterliebe? Davon konnte nie die Rede sein. Bruder und Schwester hassten sich geradezu, was nicht nur den zwei verschiedenen Systemen, in denen sie lebten und sich somit auch völlig verschieden entwi­ckelten, zuzuschreiben war. Roswitha wurde von einem starken Herzschmerz heimgesucht, als ab November 1989 nacheinan­der Mauer und Tötungsanlagen fielen. Und es verging eine lan­ge Zeit, ehe sie der ersten Einladung ihres Bruders nach Mal­lorca nachkam. Zu der Zeit befand sie sich längst im Ruhe­stand, war ungewöhnlich mager, verhärmt und obendrein stark gehbehindert. Zum Verhältnis der Geschwister untereinander, und was sich dadurch ereignete, gehört in den zweiten Teil die­ses Buches.
      Zurück in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die interessanteste Zeit für den jungen Hasso war zweifellos die auf der Insel Rügen, wo sein Vater beruflich engagiert war. Fast täglich hielt sich der Junge im Schloss des Fürsten von Putbus auf. Franz, des Fürsten Malte jüngster Sohn, zählte zu seinen engsten Freunden. Ein Leben in aristokratischer Umgebung, die freundschaftlichen Bindungen in diesen Kreisen und die von ihr oft ausgehenden, weitreichenden Beziehungen waren seit eh und je eine Garantie für Ansehen und Erfolg.
      Verantwortlich für Hassos Weiterbildung war das altehrwür­dige Pädagogium in Putbus. Natürlich ging es in solch einer In­stitution nicht immer zu wie vermutlich in einer Klosterschule. In Hasso, inzwischen im dreizehnten Lebensjahr und seit etwa anderthalb Jahren auf Rügen wohnhaft, rührte sich erstes Ge­schäftsinteresse. Eines Tages entdeckte er in der Bibliothek sei­nes Vaters explizierte Bücher wie beispielsweise den Band Die perfekte Liebe zwischen Mann und Frau. Überzeugt, mit dieser Art Literatur, noch dazu reichlich bebildert, auch seine Mit­schüler begeistern zu können, zog er die Bücher, es waren de­ren drei, nach und nach heimlich aus dem Regal und verlieh sie gegen eine Gebühr von zehn bis fünfzehn Pfennig, je nach be­bildertem Inhalt und Umfang. Doch bald bekamen die Lehrer Wind von der Sache, und da Hassos eklatantes Verhalten nicht mit ihren Moralvorstellungen in Einklang zu bringen war, musste er die Schule verlassen.
      Vater Eugen wertete die Maßnahme als eine weit überzoge­ne Reaktion, aber keiner der maßgeblichen Herren ließ sich zu einer Urteilsänderung erweichen. Hasso hatte für eine Situation gesorgt, über die sich heute niemand aufregen würde. Aber da­mals veranlasste sie Vater Eugen, Rügen zu verlassen. Er dach­te auch nicht daran, die Bildung seines Sohnes in der Volks­schule in Putbus fortführen zu lassen. Also reisten Vater und Sohn zurück nach Hamburg.








































































 


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