Forum Kunst und Literatur fuer Autoren und Herausgeber Vom Leinetal auf die Siegesburg und andere historische Novellen

fuer Autoren und Herausgeber Vom Leinetal auf die Siegesburg und andere historische Novellen

Vom Leinetal auf die Siegesburg und andere historische Novellen
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... und was sagt die Cover-Rückseite?

O Erde voll Blut und Wunden.
Die Geschichten in diesem Buch erzählen von mörderischen Ereignissen im Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit. Es sind Ereignisse, die vielen Menschen nicht unbekannt sind. Dennoch sind es Novellen (Neuigkeiten), da diese in einer neuen Form angeboten werden.
Wenngleich die Ereignisse in diesem Buch tief in der Vergangenheit liegen, sie werden mit ähnlichen Aktivitäten stets eine Zukunft haben, zwar immer anders, aber trotzdem irgendwie gleich. Es braucht keiner Wahrsagung, dass unsere Welt nur zum wahren Frieden findet, wenn sie untergegangen ist. Doch würde Gott dann tatsächlich eine neue Erde mit anderen Individuen schaffen? Denken wir nicht über willkommendere Möglichkeiten nach - es lohnt nicht.


Eine Leseprobe soll nicht fehlen, dagegen fehlen einige dazugehörige Bilder (nicht im Buch):

... Er berief eine Versammlung der Sekte und empfahl: „Die Zeit ist nun gekommen, wo wir ohne Ausnahme in Frieden Gott zu dienen haben. Doch solange die Ungläubigen, die Gottlosen in dieser Stadt leben, ist das nicht möglich. Aus diesem Grunde rate ich, dass wir alle Katholiken und Protestanten töten müssen.“ Aber diesmal war es Bürgermeister Knipperdollink, der sich erlauben durfte, dem Propheten zu widersprechen: „Es ist keine Frage, dass unsere Stadt nun endlich rein zu sein hat. Doch bin ich dagegen, die Unreinen zu töten. Zwar wäre das eine grausame Angelegenheit, über die wir alle schnell hinwegkämen, zu bedenken ist aber, dass eine Vernichtung der Ungläubigen alle Fürsten und ihre Völker zu der Maßnahme verleiten könnte, blutige Rache an uns und unsere Stadt zu nehmen. Wir sollten die uns Abgewandten ein letztes Mal fragen, ob sie sich endlich bekehren lassen und dafür Buße tun wollen. Wer jedoch Widerstand leistet, hat Zion sofort zu verlassen.“
      Knipperdollinks Rat stimmten alle Versammlungsteilnehmer zu, auch Mathiesen schlug ein. Am frühen Morgen des 27. Februars 1534 trieb eisiger Wind Schnee und Regen durch die Stadt; Wasser strömte durch alle Gassen und über den Marktplatz. Durch Wind und Schneeregen rannte Jan Mathiesen selbst durch die Stadt und schrie ununterbrochen und wiederholend: „Tut endlich Buße, ihr Gottlosen! Bessert euch sofort! Verweigert ihr euch, werdet ihr ausgeschlossen vom Volk des Herrn und hinausgetrieben aus Zion!“ Auf dem Marktplatz warf er sich in die Nässe, und die begleitenden bewaffneten Wiedertäufer folgten seinem Beispiel und riefen laut schreiend Gott an.   Als Mathiesen keine  Antwort  oder  Reaktion  aus  den Gassen  und Häusern vernahm, erhob er sich mit seinen Begleitern und rief in alle vier Himmelsrichtungen über den Platz:
      „Also ordnet Gott durch meinen Mund an: Jeder, der sich nicht sofort wiedertaufen lässt, wird hinausgetrieben aus der Stadt, denn diese heilige Stadt soll rein sein!“
      Die Wiedertäufer jagen Katholiken und Luthers Anhänger aus der Stadt Münster in den nasskalten Februar des Jahres 1534; oben auf dem Absatz steht mit erhobenen Armen Bernd Rothmann, einer der Sektenführer Die Tat ließ nicht lange auf sich warten. Bewaffnete Täufer trieben die unreinen Bürger, Männer, Frauen, Kinder und Greise aus ihren Häusern und sofort durch die Gassen zum nächsten Stadttor. Sie wurden getrieben wie Vieh; und hielten sie inne, um zu verschnaufen,  jagte man sie mit Schlägen weiter, bis sie durch das Stadttor ins Freie gelangten.  Es waren Mütter unter ihnen, denen keine Zeit gelassen worden war, vor dem Hinauswurf wenigstens ihren Säuglingen und allen anderen Kindern schützende Kleidung anzulegen. Das Klagen, Stöhnen und das Weinen der Frauen und Kinder wollte nicht enden, und die prügelnden, antreibenden Wiedertäufer lachten dazu.
      Rothmann, als einer der Obertäufer, hielt sich am und im Rathaus auf und taufte ohne Unterlass. Denn es waren auch viele unter den bislang Standhaften, die sich jetzt taufen ließen, allein, um den Unbilden der Witterung zu entgehen und in ihren Häusern bleiben zu dürfen.
      Am Abend des letzten Februartages war die Stadt gesäubert von dem Übel der Gottlosen, wie es die Wiedertäufer formulierten. Von nun an lag sie voll und ganz in ihren Händen. Die Sekte hatte unzählige, ihr im Weg stehende Männer, Frauen und Kinder vor die Stadttore gejagt und sie dem nasskalten Winterwetter ausgeliefert.
      Franz von Waldecks Söldner griffen noch etliche auf und führten sie der lebensrettenden Versorgung zu. Doch eine nicht geringe Zahl der Vertriebenen, zuerst die Kinder und alten Leute, konnte der Nässe, Kälte und dem Hunger nichts entgegensetzen.
      (Von diesem vom Gotteswahn einer Sekte verursachten Elend war auch Hermann von Kerssenbrock, zu der Zeit sechzehnjährig, Domschüler und späterer Rektor des Gymnasiums Paulinum in Münster, betroffen. Erst als erwachsener Mann beschrieb er (u.a.) die Gräueltaten der Wiedertäufer und den Jammer der aus der Stadt gejagten Menschen ausführlicher, was wir hier aber nicht beabsichtigten.)
      Angesichts der Vertriebenen und letzten Ereignisse in Münster, war Fürstbischof Franz nun fest entschlossen, durch eine Belagerung der Stadt die verantwortlichen Wiedertäufer zu zwingen,  sich der Obrigkeit auszuliefern.
      Hinzu kam des Bischofs Sorge, die Verhältnisse in der großen Stadt Münster könnten schnell von vielen anderen, vor allem kleineren Städten und von der Landbevölkerung übernommen werden. Denn die Nachricht von den angeblich  wunderbaren, von der Täufersekte herbeigeführten Zuständen verbreitete sich in Windeseile in Westfalen, aber auch in Holland. Schon Anfang März, also nur wenige Tage nach der Vertreibungsaktion in Münster kamen in Holland und Friesland in großer Zahl Männer, Frauen und Kinder zusammen. Hab und Gut hatten sie verlassen und nur Geld und Wertsachen aus Edelmetall mitgenommen. Die Menschen, die zu den Wiedertäufern gezählt werden wollten, verteilten sich auf zwölf Schiffe, um zunächst nach Overijssel zu fahren. Auf die Fragen von Beobachtern, was dies alles zu bedeuten hätte und wohin sie überhaupt fahren wollten, antworteten sie, Gott wolle sie nach Münster, dem neuen Jerusalem, führen. Die Sekte war in allen Landen jedoch verboten worden, sodass sich die holländische Obrigkeit gezwungen sah, in diesem Fall einer bevorstehenden allgemeinen Auswanderung Einhalt zu gebieten. Ein Statthalter mit Namen Georg Schenk ließ daraufhin drei Schiffe auf der Ijssel mit Mann und Maus versenken, was zur Folge hatte, dass die mit dem Leben davongekommenen Irrgläubigen auf den restlichen neun Schiffen zurück nach Hause fuhren.
      Die Wiedertäufer waren in Deutschland, Holland, in der Schweiz und anderswo, im Gegensatz zu den katholischen und protestantischen Gemeinden, eine verschwindend kleine, aber äußerst gefährlich agierende Sekte. Speziell in Westfalen war die Bevölkerung, vom Wirken der Täufer angewidert, Bischof Franz dankbar, da dieser daran ging, nicht nur ein reines Ritterheer gegen die Wiedertäufer in Münster aufzustellen, sondern es erheblich mit angeworbenen Söldnern zu verstärken. Befreundete Fürsten, die Sekte auch ihnen suspekt, unterstützten ihn. Nicht lange, und Münster war von allen Seiten eingeschlossen. Bischof Franz  hegte aber nicht die Absicht, die Mauern sturmreif zu schießen, um in die Stadt eindringen zu können, er wollte mit der Sperrung der Versorgungswege die Täuferstadt zur Aufgabe zwingen. Franz sah es als nutzlos und grausam an, sich auf beiderseitiges Blutvergießen einzulassen. Er dachte an die Tausenden von verblendeten Bürgern, die irgendwann auch  wieder  auf ihre Vernunft  zurückkämen. Er dachte auch daran,  dass niemand der Sektenagitatoren die Stadt unbemerkt verlassen konnte, um außerhalb weiterhin für ihre Sache zu werben. Dem Bischof war die Verführbarkeit der Menschen bekannt; aber die Täufer hatten Werbeaktionen nicht vor. Die Sektenoberhäupter gingen davon aus, mit ihrem Lebensmittelbestand und anderen Vorräten noch sehr lange durchhalten zu können, so lange eben, bis dem Bischof die Lust am Belagern vergangen sei.
      Die Täuferführer beherrschten die Bürger der Stadt nach Belieben und veranlassten stets, was sie für richtig und im Sinne Gottes hielten. Dazu begannen sie ein unglaubliches Werk kultureller Zerstörung. Sie behaupteten, im neuen Zion seien Bücher und anderes Schriftwerk überflüssig. Sie ließen die Bibliothek der Stadt ausräumen und alles auf dem Marktplatz hochstapeln, wo gleich darauf über Jahrhunderte hindurch gesammelte, äußerst wertvolle Schätze vom Feuer verzehrt wurden. Kunstwerken ereilte das gleiche Schicksal. Gemälde aller Art wurden zerschnitten, zerkratzt, zerrissen, zertreten und verbrannt; Töne von bestimmten, gesungenen Chorälen und Psalmen durften gehört werden, die von Musikinstrumenten aller Art, wie beispielsweise von Flöten, Zithern und Leiern, galten für die Wiedertäufer als eine Beleidigungen für Gottes Ohren; und als Ausgleich für Zerstreuung und Spielen, wie Würfeln, wurden Gott wohlgefällige Maßnahmen angeordnet, beispielsweise Waffenübungen, Reparaturen an der Stadtmauer und Schanzarbeiten. Männer, Frauen und Kinder karrten ununterbrochen Erde und Steine auf die Wälle. Und über allen stand und gebot in weltlichen und geistlichen Dingen der Prophet Jan Mathiesen, dem auch der Bürgermeister und die Stadträte zu gehorchen hatten ...

 
 

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