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Gesundheit Heilung durch Antischlotter-Schüttelmaschinen?

EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Heilung durch Antischlotter-Schüttelmaschinen?
geschrieben von EmilWachkopp
Bloß um mal zu demonstrieren, wie komisch manche Menschen werden können.

Ich nicht so, aber andere.

Wir machten unseren allabendlichen Spaziergang, mein Nachbar, der Professor und ich, Emil. Als wir an der Dorfkirche vorbeikamen, rumorte eine Frage in meinem Gedächtnis, die ich schon lange hätte stellen wollen. „Wem gehören eigentlich all die Kirchen?“
„Der Kirche.“

Wer Emil so krumme Antworten gibt, hat bei ihn erst mal verschis… verspielt. Auf sowas reagiert er nümlich säuerlich.

Eigentlich wollte ich diesen Quatsch gar nicht erzählen, sondern was ganz anderes. Aber ich hab vergessen, was. Und das ist, weil ins Alter der Kopp doch immer schon büschen abflaut.
Na, ich quatsch denn einfach mal munter auf los, und sollte mir doch noch einfallen, was ich berichten wollte, denn breche ich einfach ab. Und wenn es mitten im Satz oder im Wort ist. Da bin ich eisern.

Wer schon früh am Morgen an meiner Haustür klingelt, muss damit rechnen, dass ich meine Adelszipfelnachtmütze noch auf dem Kopp und meinen seidenen Adelsnachtrock auf dem Leibe trage. Die Füße stecken in kuscheligen Hausschuhen. In der Hand halte ich eine brennende Kerze.

Ich hab zwar jetzt seit einem Monat auch schon Elektrizität, bin aber noch voll in der alten Kerzen- und Fackeltradition verhaftet. Eine Fackel zünde ich aber nur an, wenn ich eine große Gesellschaft erwarte. Bei kleinen Gesellschaften muss eine Kerze ausreichen. Man soll nümlich Energie sparen, hab ich in die Zeitung gelesen.

Vor der Tür stand Edmund. „Emil, du musst mir helfen. Ich hab den großen Klappermann. Guck bloß mal: wie meine Hände zittern und meine Beine schlottern. Das kann doch nicht normal sein.“
Tatsächlich: Seine Hände zitterten so heftig, dass die Finger gar nicht zu sehen waren. Die Beine schlotterten, als stünden sie auf bebender Erde. Das war zweifellos der Klappermann. Und zwar der große.

„Wie viel hast du denn wieder gesoffen?“ fragte ich, um die Ursache des Klappermanns zu ergründen.
„Rein gar nichts!“ bölkte Edmund.
„Gar nichts!“
„Na ja, fast gar nichts.“
„Und wie viel ist ‚fast gar nichts‘?“
„Na ja, wenn du pedantischer Buchführeraristokrat alles so haargenau wissen musst. Sechs Liter Whiskey und so an die 70 bis 80 Tassen Kaffee.“
„Was sind denn das wieder für quatschige Sitten? Seit wann trinkt man denn Kaffee zum Whiskey?“
„Das ist airisch Koffie.“
„Aha. Das kannte ich ja gar nicht.“
„Ich doch auch nicht! Aber meine Verlobte, die ja. Sie hat mir doch dazu eingeladen.“
„Verstehe. Und denn musst du natürlich gleich wieder kübeln auf Deubel komm mal raus, um dir von deiner besten Seite zu zeigen.“
„Man soll sich Frauen gegenüber nicht verstellen. Sonst können die doch nicht wissen, was sie sich einhandeln.“
„Da ist wull was Wahres dran. Jedenfalls: du bist jetzt also verlobt.“
„Jawoll!! – D.h. noch nicht ganz. Sobald ich nicht mehr klappern tu, wollen wir uns verloben lassen.“
„Und wer ist die Gebenedeite?“
„Irmgard heißt sie. Aber alle nennen sie Irmi. Sie arbeitet in einer Schnapsfabrik in Kiel. Am Abfüllhahn.“
„Denn seid ihr ja wie für einander geschaffen.“

Der Tierarzt wollte uns erst gar nicht reinlassen.
„Klock negen geiht de Arbeit loos. Nu is de Klock söven”, brüllte er aus dem oberen offenen Fenster und knallte es zu.
„Ich weiß, aber es handelt sich um einen Notfall“, rief ich hinauf.
Schwupps, ging das Fenster wieder auf: „Schall de Dicke kalven?“
„Nein, er hat den Klappermann.“
„Ik kann em ook bloot bedoven”, polterte der Tierarzt unten in der Praxis und lud die erste Betäubungsspritze.
Nach der fünfzehnten Betäubungsspritze gab er auf: „Wat schallst do noch maken? Een Hornoß wöörd nu teihn Johren slapen.“ Edmund zitterte und schlotterte nicht nur unverändert, sondern jetzt sang er auch noch lauthals. Ja, er konnte hart im Nehmen sein.

Auch im Taxi nach Kiel, das uns zu einem Neurologen bringen sollte, grölte Edmund ungeniert seine vulgären Säuferlieder. „Der Dicke hat einen Schatten, nicht wahr?“ fragte mich der Taxifahrer, nachdem Edmund uns eine halbe Stunde lang unentwegt mit seiner rauen Grölerei unterhalten hatte.
„Nein, er ist betäubt.“
„Ach so. ---- Betäubt!!?? Ich denk, denn schläft man.“

„Gröl hier nicht rum!!“ flotzte der Neurologe, der überempfindlich zu sein schien, Edmund so hysterisch an, dass dieser sofort verstummte. Statt zu grölen hatte er jetzt allerdings einen heftigen Schluckauf.
„Alter?“ brüllte der Neurologe Edmund an.
„F … icks … und dr… icks…ig. … Hicks.“
„Was ist denn das für eine Antwort?“ kreischte der Neurologe.
Na, ich sag nichts. Solche Antworten würden mir auch unverständlich sein, wenn ich sie nicht schon kennen würde. Ich verließ die Praxis und ging ins Wartezimmer, damit der überreizte Nervenklempner wenigstens schon mal ein Problem weniger hatte.

Als der Neurologe nach etwa zehn Minuten zu mir ins Wartezimmer kam, ohne Edmund, befand er sich in einem psychologischen Auflösungszustand. „Der Kerl ist ja bekloppt!! Was sag ich da? Oberbekloppt!! Hahahahahaaaaaaaaaaa! Ein Beknackter in meiner Praxis“. ‚Hick und Hick und Hick‘! Hickeldihick! Hickeldihick! Hickeldihack! Ich lach mich kaputt.“ Dann erlosch das irre Leuchten in seinen Augen abrupt und sein Blick war voller Trauer. „Ich durfte als Kind bei Tische nie hicksen“, jammerte – ja, fast plärrte – er. „Und entfuhr mir doch mal ein unerlaubter Laut, sperrte Vater mich zur Bestrafung in der Dunkelkammer ein.“
„Ja, das ist schlimm, Doktorlein, sehr schlimm. Aber heute bist du dein eigner Vater, ja ein guter Vater deiner selbst. Du würdest dich doch niemals in die Dunkelkammer sperren.“
„Du hast Recht, Emil. Ich versuche gut zu mir zu sein.“ Dann aber besann er sich wieder der Regeln seiner professionellen Rolle, die er als Arzt zur Schau zu tragen hatte. D.h. er tat, als wäre ihm nichts geschehen, als hätte er nie eine Schwäche oder seinen wunden Punkt offenbart. „Wo habe ich denn … ? Ich hatte doch … Da muss doch noch … Entschuldige Emil, ich muss ein kleines Döschen Beruhigungsmedizin einnehmen.“ Das „kleine Döschen“ bestand aus einer gehäuften Hand voll Tabletten, die ich vom Ansehen her nicht kannte. „Willst du auch?“ „Nein, Danke.“ „Aber ein kleines Schnäpschen trinkst du doch mit mir. Ich spüle dieses Zeugs immer mit Schnaps runter. Dann wirkt es besser.“ „Einen Schnaps nehme ich gerne.“
Der Neuroklempner war jetzt wieder ganz Arzt. „Es gäbe für deinen Schützling wahrscheinlich eine effektive Behandlungsmethode. --- Kennst du zufällig einen Erfinder namens Leo Galli?“ „Natürlich, der wohnt und experimentiert in unserem Dorf.“ „Dieses heute noch bös verkannte Genie hat eine Maschine gebaut, die nach allerneusten neurotechnologischen Erkenntnissen konstruiert worden ist. Ein reines Wunderwerk.“

Die Beschreibung der Funktion der Maschine, sowie der mutmaßlichen therapeutischen Effekte einer Behandlung mit dieser, war kompliziert. Die Sache lässt sich aber auch einfach erklären. Sag mal: du schmierst Dir jeden Tag 2 Kilo Fett ins Haar, um Dir eine schöne, elegante Rockerfrisur kämmen zu können. Wenn Du das jeden Tag so machst, weil Dein Kunstwerk bei allen Bewunderung weckt, hört die Kopfhaut auf, eigenes Fett zu produzieren. Das macht nichts, solange Du Dir auch weiterhin jeden Tag zwei Kilo Fett ins Haar klierst.
Wenn Du dann aber damit aufhörst, eignet sich Dein trockenes Haar nur noch für die Wüstenfrisur.
Auch diese ist äußerst attraktiv in sich. Aber ihre eigentliche Attraktivität besteht darin, dass sie sich ständig neu formt. Ein kleiner Windstoß nur von vorn, von hinten, von links oder von rechts – und Du hast eine völlig neue Frisur.

Ich schweife wieder mal ab. Die theoretische Idee, der die Maschine materielle Form verlieh, war folgende. Wenn der Körper durch äußere Kräfte richtig durchgeschüttelt und durchgerüttelt wird, dann wird das Innere Zitter- Bibber- und Schlotterpotential des Nervensystems deaktiviert und am Ende ganz zum Erlahmen gebracht.

Die Antischlotter-Schüttelmaschine glich einer fliegenden Untertasse. Innerhalb dieser befand sich eine große, löchrige Trommel. (Nur im Vorübergehen will ich erwähnen, dass Leo Galli mit dieser Trommel – allerdings ohne es zu wissen – die Wäscheschleuder erfunden hatte. Hier hatten die Löcher der Trommel allerdings nicht die Funktion, durch die Zentrifugalkraft nach Außen verdrängte Flüssigkeit durchzulassen. Sondern hier waren es Luftlöcher, damit der Patient auch mal büschen atmen konnte.)

Die Trommel funktionierte wie die einer Wäscheschleuder. Die fliegende Untertasse selber aber sauste in atemberaubendem Tempo bloß immer hin und her, um die Zentrifugalbewegung der inneren Trommel mit einer gewaltigen Schüttelbewegung zu kombinieren.

Na, ich sag nichts. Die Behandlungsmethoden waren früher wull doch etwas ruppiger als wie heute. Sie sind auch heute bei Weitem nicht perfekt. Aber die meisten Neuroklempner stecken ihre Patienten heute nur noch selten in die Wäscheschleuder. Im Notfall vielleicht schon ehrer mal.

Nach der gewaltigen Schütteltour entstieg Edmund der fliegenden Untertasse. Sein Blick war glückselig, wie der eines Kindes, das den Weihnachtsbaum erblickt. Freudig hüpfte er mir entgegen und jubelte: „Emil, es hat gar nicht weh getan!“
„Was hat nicht wehgetan?“
„Die Fahrt mit das Karussell. Emil, können wir nicht morgen wieder herkommen?“

Erst jetzt fiel mir auf, dass Edmund nicht mehr zitterte, bibberte und schlotterte. Das war aber wahrscheinlich kein Triumph der Neurowissenschaft, sondern der Sieg einer Menschennatur, die nahezu alles vertrug.

Ha, jetzt fällt mehr endlich ein, was ich eigentlich erzählen wollte. Also breche i…………

cecile
cecile
Mitglied

Re: Heilung durch Antischlotter-Schüttelmaschinen?
geschrieben von cecile
als Antwort auf EmilWachkopp vom 11.11.2011, 02:02:19

Ha, jetzt fällt mehr endlich ein, was ich eigentlich erzählen wollte. Also breche i…………




A propos brechen:

Als ich anfing, deine wahre Geschichte zu lesen, war draussen so richtig ekliger, grauer Nebel.

Jetzt, etliche Lacher und ein paar gewaltige Gehirnanstrengungen bei Sätzen wie "Ik kann em ook bloot bedoven" später, bricht hier die Sonne hervor.

Das ist doch irgendwie ein gutes Zeichen, oder?

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Re: Heilung durch Antischlotter-Schüttelmaschinen?
geschrieben von EmilWachkopp
als Antwort auf cecile vom 11.11.2011, 10:15:52
Wundersam, Cecile.
Aber Du hast mir an eine Zeit erinnert, wo ich - ja, jetzt versagt wieder mal die Erinnerung - entweder beis Wohnungsamt oder beis Wetteramt gearbeitet habe. Jedenfalls war das 1965; ein mieser, verregneter Sommer. Und ich war so erkältet, dass meine Kolleginnen und Kollegen mir gar nicht reingelassen haben. "Hau ab, Emil!!! Geh ins Bett!!!" riefen sie mir aus den Fenstern entgegen. Da lagen sie denn schon auf der Lauer, weil man mein Gekeuche und Geröchel wahrscheinlich kilometerweit hören konnte.

Das muss doch das Wetteramt gewesen sein, denn ich habe doch immer das Wetter vom Vortage in kurzen Worten zusammengefasst. Dafür war ich zuständig. Wie das Wetter werden würde, dafür waren andere zuständig. Das war wahrscheinlich auch schwerer, denn die hatten jede Woche eine Fehlerquote von 95-99%. Und ich nur zwischen 70-75%. Das ist ein ganz schöner Unterschied. Find ich.

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