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Gesundheit Klinische Forschung an Demenzkranken?

Elmos
Elmos
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Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Elmos
Hallo,

fast wäre es ganz an mir vorbei gegangen. Derzeit dürfen neue Medikamente nur an Menschen getestet werden, die dazu ihre Einwilligung gegeben haben. Und die mit Sicherheit verstanden haben, in was sie eingewilligt haben. Demenzkranke Patienten können das ja leider oftmals nicht mehr.

Und nun steht dieser ethische Grundpfeiler der klinischen Forschung offensichtlich vor dem Bruch. Und, was ich besonders seltsam finde, nicht nur dann wenn ein neues Medikament vielleicht dem Probanden helfen könnte. Nein, auch, wenn es ihm sicher nicht hilft, aber vielleicht anderen Menschen, die vielleicht einmal seine Erkrankung bekommen können.
Hier ein paar Artikel und Interviews zu dem Thema:

SZ zum Thema

Interview mit Mitglied des Ethikrates

LeFloid zum Thema

Liebe Grüße
Andrea
Karl
Karl
Administrator

Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Elmos vom 09.06.2016, 21:13:46
Danke für dieses Thema. M. E. geht das gar nicht, es sei denn die Patienten haben noch vor der Demenz zugestimmt.

Karl
Elmos
Elmos
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Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Karl vom 09.06.2016, 21:33:12
Hallo,

das Problem, das ich dabei sehe ist, dass man als "Undementer" gar nicht weiss, wie man sich später fühlen wird, wie man die ganzen Untersuchungen empfinden wird, wenn man nicht mehr versteht, warum diese gemacht werden.

Ich arbeite ja in der klinischen Forschung (aber nur für die Auswertung, als nicht "vor Ort") aber ich bekomme daher so mit, wie viele Blutabnahmen, Blutdruckmessungen, EKGs, sonstige Tests, Allgemeinuntersuchungen etc. mit so einer Teilnahme an einer klinischen Studie verbunden sind.
Ich muss zugeben, ich kenne tatsächlich keinen Demenzkranken persönlich, aber ich stelle mir vor, dass das für jeden Menschen, der das nicht mehr "verstehen" kann bedrohlich und quälend sein wird. Und ob man das wirklich vorher so einschätzen konnte, als man noch gesund war?

Schwierig. Also daher finde ich selbst diese "Zustimmungen" zweifelhaft. Und derzeit ist es so, dass jeder Proband verstehen muss worauf er sich einlässt, welche Risiken (und vielleicht auch Vorteile) er von einer Teilahme an einer Studie haben wird, was auf ihn zukommt etc. Wenn man dann zustimmt, dann ist das OK, finde ich. Aber wie will das ein Mensch mit Demenzerkrankung machen?

Liebe Grüße
Andrea

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olga64
olga64
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Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von olga64
als Antwort auf Elmos vom 09.06.2016, 21:39:29
Mich beschäftigt das Thema auch sehr und ich denke auch, es muss vorher bestimmt werden, ob man oder frau an diesem Forschungsprogramm teilnehmen oder nicht; wenn der Demenzfall eingetreten ist, dürfte dies selbstbestimmt nicht mehr gehen.
Ich werde mich in Kürze mit meiner Ärztin darüber unterhalten und prüfen, welche Möglichkeiten bestehen. Mein Wille, dazu beizutragen,dass dieses unheimliche Krankheit medikamentös aufgehalten, gestoppt oder was auch immer wird, ist gross und ich denke, ohne Mithilfe aller wird dies nicht funktionieren. Alle Medikamente müssen irgendwann am Menschen erprobt werden.
Bei dieser Krankheit sind die Probanden meist alt bis sehr alt und haben ja oft ein sehr gutes Leben leben dürfen. GEnau so wie sich Menschen heute bereiterklären, dass ihre späteren Leichen der Wissenschaft übergeben werden, bzw. Teile darauf für Organspenden verwendet werden, finde ich dies richtig.
Meine Ärztin ist die Person meines Vertrauens, auch fachlich. Über deren Aussage werde ich dann mit ihr sprechen und mich entsprechend entscheiden. Olga
Elmos
Elmos
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Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf olga64 vom 10.06.2016, 18:13:47
Nun ja, noch ist diese Gesetzesänderung ja nicht "durch". Aber wenn das so kommt, und wenn du dir überlegst da im Vorhinein deine Einwilligung zu geben, dann würde ich persönlich dir dazu raten mit einem Menschen deines Vertrauens eine "Stopp-Regelung" zu vereinbaren.
Jeder Mensch, der jetzt an einer klinischen Studie teilnimmt, hat JEDERZEIT das Recht seine Mitarbeit aufzukündigen und die Studie abzubrechen. Das finde ich wichtig, denn manchmal wusste man einfach vorher nicht worauf man sich einlässt, bekommt doch noch Angst, ein schlechtes Gefühl oder was auch immer. Und es gibt eben auch manche Prozeduren die schmerzhaft sind oder unangenehm oder was auch immer. Oder man mag einfach das Gefühl dann doch nicht ein unerprobtes Medikament zu schlucken oder was auch immer.
Wenn man dement ist, dann hat man diese Möglichkeit ja nicht mehr, also bewusst zu entscheiden, nein, das ist mir jetzt doch zu viel.

Und falls es die Möglichkeit geben wird sich da im vorhinein dafür zu entscheiden, dann muss es auch eine Möglichkeit geben währenddessen abzubrechen. Nach bestimmten Regeln, die eben auch im Vorhinein festzulegen sind. Und am besten in Zusammenarbeit mit einem Menschen, dem man voll vertrauen kann.

Wie das am Ende wirklich geregelt sein wird, das weiss ich natürlich nicht. Aber ich würde bei nichts, das diese Möglichkeit nicht einschliesst mitmachen wollen. Und ich fände es weiterhin wichtig, dass man im Vorfeld die Forschungs"richtung" an der man sich beteiligt bestimmen kann.

Denn, es müssen beispielsweise auch jetzt schon alle Medikamente an Nieren und Leber-kranken Menschen getestet werden. Ich wundere mich darüber immer. Warum, zum Teufel, nimmt ein nierenkranker Mensch, der ja nun wirklich pfleglich mit seinen Nieren umgehen sollte, an einem Studie zu einem Medikament teil in der, sagen wir mal, Parkinsonmedikamente getestet werden, wenn er kein Parkinson hat?
Derzeit ist es noch so, dass diese Tests sehr häufig im "armen" Ausland durchgeführt werden (das ist zumindest mein persönlicher Eindruck). Würden hierzulande dann aber demente nierenkranke oder leberkranke Patienten mit "Vorabeinwilligung" zur Verfügung stehen, dann wäre das ja eigentlich sehr praktisch. Stelle ich mir, naiv wie ich da bin, so vor.

Liebe Grüße
Andrea
bukamary
bukamary
Mitglied

Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von bukamary
als Antwort auf Elmos vom 10.06.2016, 20:32:21
Deinen Argumenten kann ich nur zustimmen.
Ein Demenzkranker hat ja in der Regel auch einen Betreuer oder Bevollmächtigten, der ja gegebenenfalls entsprechendes veranlassen muss. Auch hier hätte ich bedenken diesen auch wenn ein Stopp – Regelung bestehen würde mit der Entscheidung alleine zu lassen. Da denke ich, dass diese Entscheidung letztendlich nur ein Gericht treffen sollte, wie das heute bereits bei bestimmten Eingriffen schon der Fall ist.
Eine ganz große Schwierigkeit sehe ich darin, dass ein Demenzkranker häufig nicht mehr in der Lage ist, seine Symptome zu benennen geschweige denn diese zu beschreiben. Und da fängt die Sache für mich an auch fragwürdig zu werden. Schon geschulte Fachkräfte haben ihre Schwierigkeiten festzustellen, ob ein dementieller Mensch z.B. Schmerzen hat. Über Laborwerte allein kann man nicht alles feststellen.
Ohne eine engmaschige und zusätzliche Betreuung und Begleitung des Betroffenen ist die Sache aus meiner Sicht überhaupt nicht diskutabel.
Andres, ich denke auch, dass viele Tests i ärmeren Ländern durchgeführt werden.

bukamary

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Edita
Edita
Mitglied

Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Edita
als Antwort auf Elmos vom 10.06.2016, 20:32:21
Also Elmos, ich würde nicht sagen daß Du naiv bist, überfragt vielleicht eher!
Mit meinem "Wissen", was ich mir über 40 Jahre aneignen mußte, aber natürlich bin ich kein Mediziner, würde ich solche Forschungen an Demenzkranken strikt ablehnen, denn alle Medikamente, die auf das Gehirn einwirken müssen, haben auch immense Nebenwirkungen, ob das jetzt Depressionen sind, Migräne, Epilepsie, Parkinson oder auch Demenz, eigentlich muß man ganz klar "bei Verstand" sein, um solche Nebenwirkungen auch benennen zu können, oder aber man hat so einen eng und gut Vertrauten um sich, der auch merken kann, wenn etwas nicht stimmt, z.B. Stimmungsschwankungen, Unsicherheit beim Laufen, plötzliches Verstummen und vor sich hinstarren, Schlafstürungen, Angst- und Panikattacken, Aggressivität, Wutattacken usw., ein sich im fortgeschrittenem Stadium befindlicher Demenzkranker kann all das nicht mehr benennen, und mit einem falschen Medikament kann man immens viel noch schneller zerstören! Aber im fortgeschrittenen Stadium sind die eng Vertrauten meistens schon nicht mehr rund um die Uhr zugegen weil sich die Betroffenen dann schon in einem Heim befinden, und "der heiße innige Draht" dadurch etwas "abkühlt", und.......man kann auch nicht mehr so genau beurteilen ob die eventuelle Veränderung dem Fortschritt der Krankheit zuzuschreiben ist, oder dem Medikament!
Du fragst nach dem nierenkrankenmenschen, warum er an so einer Studie teilnimmt, da kann ich Dir nur sagen, wenn Du die Wahl zwischen sagen wir mal "dahinquälen" oder "dahinsiechen" hast oder einem "neuen Medikament", das Dich von all Deinen Qualen befreien könnte, natürlich greifst Du zu diesem Strohhalm, wenn Du ihn angeboten bekommst!
Ich habe mit meiner Tochter 2x an so einer " Studie " teilgenommen, einmal vor 39 Jahren und einmal vor vielleicht 33 Jahren, für meine Tochter hat das beide Male nichts gebracht, (sie ist Epileptikerin und Autistin) außer den Nebenwirkungen, die ich oben beschrieben habe, dazu durchgerungen habe ich mich, weil sie jeweils über 3 Monate Tag und Nacht viele Anfallsserien bekam die oftmals in einem Status endeten! Und Status heißt, sie kann ersticken oder bekommt einen Herzstillstand!

Meine Meinung ist bei Forschungen, "Hände weg von Menschen, die sich nicht mehr, oder es noch nie konnten, über ihre eigene Befindlichkeit äußern können!
Was Medikamente, die auf das Gehirn einwirken sollen und müssen, aber auch anrichten können wenn der Wirkstoff nicht der richtige ist, oder viel zu hoch angestzt ist, darüber kann ich ein kleines Büchlein schreiben!

Edita
Elmos
Elmos
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Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Edita vom 10.06.2016, 21:53:33
Hallo Edita,

Sorry, ich hätte das spezifizieren müssen. In deiner/eurer Situation kann ich das nachvollziehen.

Aber ich arbeite (vorwiegend) an Phase 1 Studien. Da werden Medikamente nicht an Leuten getestet die die Erkrankung haben gegen die diese Medikamente wirken sollen. Sondern das sind Studien in der hauptsächlich herausgefunden werden soll ob die neuen Medikamente irgendwelche Nebenwirkungen haben, die zu gravierend sind um sie weiter zu testen. Das heisst, das ist nicht so wie bei euch. Sondern da testet eben ein Mensch mit Nierenerkrankung beispielsweise ein Parkinson oder Kreislauf oder Fusspilzmedikament, ums mal ganz blöd zu sagen, denn man sollte auch zeigen können, dass eben das neue Fusspilzmedikament im Zweifelsfall eine Niere nicht kaputt macht...
Und das ist etwas, wo ich nicht verstehen kann, warum da Leute dran teilnehmen. Anders ist das natürlich bei Medikamenten, auf die man als Patient selber eine Hoffnung bauen kann.

Liebe Grüße
Andrea
Edita
Edita
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Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Edita
als Antwort auf Elmos vom 10.06.2016, 22:03:13
Also wenn Ärzte einen Nierenkranken in einen "Parkinsontest-Test" aufnehmen, dann verstoßen sie m.M.n. ganz klar gegen die Ethik-Vorschriften, sag ich jetzt mal aus dem Bauch heraus, und das gilt ebenso bei geistig retardierten Menschen!

Edita
Elmos
Elmos
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Re: Klinische Forschung an Demenzkranken?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Edita vom 10.06.2016, 22:12:28
Hallo,

nun ja, Medikamente müssen einfach, bevor sie zugelassen werden, doch auch daraufhin getestet werden ob sie für bestimmte Personengruppen gefährlich werden können.

Ich habe festgestellt, dass diese Studien dann häufiger in anderen Ländern statt finden. Aber ich habe mich noch niemals darum gekümmert, ob das daran liegt, dass in anderen Ländern diese Menschen grössere Not leiden, also für ein wenig "Zubrot" höhere Risiken eingehen, oder ob es daran liegt, dass es hier verboten ist.

Tendieren tue ich allerdings zum ersteren. Denn eigentlich habe ich den Eindruck, als wäre es in der Pharmaforschung extrem wichtig, allen Gesetzesvorgaben penibelst Genüge zu tun. Denn diese Forschung ist sehr teuer, und es wäre doch sehr leichtsinnig irgendwelche Dinge zu unternehmen, die nicht gesetzeskonform sind.

Liebe Grüße
Andrea

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