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Gesundheit Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?

Karl
Karl
Administrator

Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von Karl
Stammzellen wurden schon oft im Seniorentreff thematisiert, da in der Presse immer mal wieder hierzu Kontroverses zu lesen ist. Ich möchte hier zur Information beitragen und eine nachdenkliche Diskussion ohne Vorverurteilung von Forschern, die sich mit diesem Thema beschäftigen, anregen. Es sollte uns bewusst sein, dass wir nicht nur Fehler begehen können, indem wir etwas tun, sondern dass etwas nicht zu tun auch falsch sein kann. Wirklich verantwortliche Entscheidungen erfordern Information und keine Vorverurteilungen von was auch immer.

Wen es interessiert: Frühere Diskussionen im Seniorentreff zum Thema Stammzellen

Was sind Stammzellen?

Stammzellen lassen sich in pflanzlichen und tierischen Organismen in verschiedenen Entwicklungsstadien finden. Sie stellen Pools von sich immer wieder durch Teilung erneuernden Zellen dar, aus denen vom Organismus bei Bedarf neue Zellen für den Aufbau oder die Reparatur des Körpers gewonnen werden. Ein typisches Teilungsmuster einer Stammzelle ist die ungleiche Teilung: eine Tochterzelle ist wieder eine Stammzelle, so dass sich die Stammzell-Poolgröße nicht verkleinert, die andere Tochterzelle beginnt sich zu differenzieren, sie kann z. B. zu einem weißen Blutkörperchen werden. Solche Blut bildenden Stammzellen finden sich im Knochenmark; es gibt aber auch im Nervensystem Stammzellen, die Nervenzellen produzieren können, ein Prozess, der wichtig für das Lernvermögen ist. Diese Stammzellen nennt man dann neuronale Stammzellen. Stammzellen gibt es auch in der Haut und z. B. im Riechepithel der Nase. Es findet ein ständiger Abbau alter Riechzellen statt, die durch von Stammzellen produzierte Zellen ersetzt werden.

Man hat lange geglaubt, dass diese bisher erwähnten "adulten Stammzellen", die also auch im ausgewachsenen Organismus vorkommen, bereits auf ihre durch die Lokalisation naheliegende Aufgabe spezialisiert seien und dass z. B. neuronale Stammzellen keine Blutzellen oder Muskelzellen bilden könnten. Neuere Arbeiten haben aber gezeigt, dass adulte Stammzellen doch eine überraschend große Potenz haben und je nach "Programmierung" durch Faktoren in der umgebenden Nährlösung sehr unterschiedliche Zelltypen bilden können. Der Unterschied der "adulten Stammzellen" zu den "embryonalen Stammzellen" ist also am schwinden. Bisher war die Lehrmeinung, dass nur embryonale Stammzellen noch totipotent, also in der Lage seien, ein vollständiges Individium zu bilden. Das Gegenteil ist noch nicht endgültig bewiesen, aber es ist zunehmend denkbar, dass bei Kenntnis aller Faktoren die Programmierung adulter Stammzellen zur Differenzierung beliebiger Zelltypen möglich werden wird.

Was könnte die Stammzelltechnologie langfristig bewirken?

Im gesunden Körper herrscht ein Gleichgewicht zwischen Zellen, die sterben, und Zellen, die neu gebildet werden. Bei vielen Krankheiten und auch im hohen Alter wird dieses Gleichgewicht zunehmend gestört. Gravierende Auswirkungen haben z. B. neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson, aber auch Multiple Sklerose und ALS, bei denen jeweils unterschiedliche Zelltypen absterben. Es ist naheliegend, gerade bei solchen Krankheiten eine Stammzelltherapie anzudenken. Die Hoffnungen gehen allerdings noch weiter. Technisch wird der Fortschritt der Entwicklungsbiologie mittelfristig auch das Neuzüchten von Haut möglich machen, eine Überlebenschance für z. B. Verbrennungsopfer. Aber in Science Fiction Romanen wird selbst die Nachzüchtung verlorener Gliedmaßen an gedacht und da schon so mancher Traum aus Science Fiction inzwischen Realität geworden ist, möchte ich dies nicht als unmöglich von mir weisen.

Was sind die ethischen Bedenken gegen die Stammzelltherapie?

Die fundamentalistischen Kampagnen zielen insbesondere auf die Verwendung embryonaler Stammzellen. Eine totipotente Zelle, aus der ein vollständiger Mensch entstehen könne, habe Menschenrechte und dürfe deshalb für Forschungen nicht verwendet werden. In Deutschland hat diese Diskussion zu der absurden Situation geführt, dass zwar embryonale Stammzellen eingeführt werden und für Forschung verwendet werden dürfen, aber es dürfen keine neuen Stammzellen in Deutschland hergestellt werden. Sollte sich jetzt herausstellen, dass auch adulte Stammzellen totipotent sind, können wir sicher sein, dass auch für diese bald die Menschenrechte eingefordert werden.

Bei der künstlichen Befruchtung wird man in Deutschland weiterhin überzählig befruchtete Eizellen einfrieren und irgendwann entsorgen, anstatt eine sehr geringe Anzahl hiervon der Forschung zur Verfügung zu stellen. In vielen anderen Ländern, auch in Israel, von wo deutsche Forscher ihre Stammzellen teilweise bezogen haben, wird weniger ideologisch, sondern mehr pragmatisch mit dieser Frage umgegangen. Ich persönlich halte dies für den wesentlich verantwortlicheren Umgang mit dem Fragenkomplex.


Zugrunde liegt die Frage: Was ist der Mensch?

Zur Spezies Homo sapiens gehört ein einzelnes Spermium ebenso wie die unbefruchtete Eizelle, die Zygote oder der achtzellige Embryo oder der erwachsene Mensch. Die biologistische Antwort auf die Frage "Ist die befruchtete Eizelle" ein Mensch ist also ein klares "Ja". Ob aber die befruchtete Eizelle oder der achtzellige Embryo bereits den vollen Schutz der Menschenrechte genießen sollte, ist die große Frage, an der sich die Geister scheiden. Viele glauben, da wir es mit einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess auf dem Weg zur Person zu tun haben, dass jede Grenzziehung willkürlich und deshalb zu vermeiden sei. In der Praxis wurden solche Grenzen jedoch bereits durchaus auch schon in Deutschland gezogen, z. B. bei der Fristenregelung für die Abtreibung. Bei so genannter medizinischer Indikation sind sogar noch Abtreibungen bis kurz vor der Geburt erlaubt. Ich persönlich bin kein Freund davon und habe deshalb immer intensiv für die alternative PID (=Präimplentationstechnik) plädiert, die einige der späten Abtreibungen unnötig machen würde und den betroffenen Paaren zu gesunden Kindern verhelfen könnte. Die ideologischen Diskussionen in Deutschland haben aber auch dazu geführt, dass hier die PID verboten ist, in meinen Augen eine ethische Fehlentscheidung.

Wir dürfen das Menschsein nicht relativieren und gleichzeitig sind wir verpflichtet, Krankheiten nach Möglichkeit zu heilen. In diesem Spannungsbogen bewegt sich die Debatte und sie erfordert das Abwägen von Gütern. Die Fragestellung ist komplex und es ist nur natürlich, dass hierzu unterschiedliche Meinungen existieren. Ich denke, dass die meinige im Text deutlich geworden ist.

--
karl
arno
arno
Mitglied

Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 13.11.2009, 19:16:58
Hallo, karl,

die Möglichkeiten des Einsatzes der Stammzellen in
Industrie und Pharmazie lassen einen riesigen Markt
erahnen. Deshalb bin ich gegen jede Einengung der Forschung
durch religiöse Spinner.
In der globalisierten Welt herrscht Wettkampf um Märkte!
Freiwillig sollten wir keine Märkte aufgeben!

Viele Grüße
--
arno
miriam
miriam
Mitglied

Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von miriam
als Antwort auf arno vom 13.11.2009, 21:13:56
Arno! Könntest du wenigstens einmal begreifen, dass hier eine andere Diskussion stattfinden soll - als diejenigen die nach deinem "Konzept" laufen und die wirklich nichts mit Wissenschaft zutun haben?

--
miriam

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Karl
Karl
Administrator

Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 13.11.2009, 21:13:56
@ arno,


es ist schon recht, wenn wir es uns nicht zu einfach machen. Rein ökonomischen Gesichtspunkten sollten wir diese Frage nicht unterordnen. Ich möchte eine menschliche Gesellschaft und deshalb ist es wichtig, mit Fragen, die das Leben grundsätzlich betreffen, sorgfältig umzugehen. Ich verstehe sehr gut, warum gerade wir Deutschen vorsichtig sind mit solchen Fragen. Oft ist es aber so, dass aus Unwissenheit unmenschliche Entscheidungen von prinzipiell gutmeinenden Menschen getroffen werden. Fundamentalismus und Dogmatismus jeglicher Couleur ist nicht hilfreich.

Ich bin für Patente auf Verfahrenstechniken auch in den Biowissenschaften, weil nur solche Patente Firmen einen Anreiz geben, überhaupt Forschung zu treiben. Skeptisch bin ich allerdings, wenn Wissenschaftler wie Prof. Brüstle an der Universität Patente beantragen. Geldverdienen mit Grundlagenforschung sollte eigentlich nicht sein. Das Patentunwesen, das an den Universitäten Einzug gehalten hat, kommt durch deren Finanzknappheit zustande. Einerseits weil die Unis sich finanzieren möchten und die Wissenschaftler zunehmend auffordern, ihre Ergebnisse patentieren zu lassen (woran die Unis als Arbeitgeber dann beteiligt sind), andererseits sind die Forscher zunehmend auf Drittmittel auch aus Firmen angewiesen, die dann ebenfalls darauf bestehen, dass Patente angemeldet werden. Patentunwesen sage ich deshalb, weil es neuerdings passieren kann, dass in einem wissenschaftlichen Vortrag plötzlich gesagt wird "Darüber darf ich leider nicht reden". M. E. ein Skandal, wenn grundlegendes Wissen unterdrückt wird - und der Wissenschaft nicht förderlich!
--
karl
Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 13.11.2009, 21:13:56
"Deshalb bin ich gegen jede Einengung der Forschung
durch religiöse Spinner."
geschrieben von arno


Meinst du, dass nur "religiöse Spinner" Forschung einengen wollen?
Meinst du, dass Wolfgang und Greenpeace "religiöse Spinner" sind?

( siehe wolfgangs Thread "Kultur des Todes: Furchtbare Forscher wollen sich menschliches Leben patentieren lassen.")

Das wäre etwas zu einfach argumentiert. Die Gegnerschaft zieht sich quer durch alle Schichten der Bevölkerung.
Darunter auch viele, die überhaupt nicht wissen, worum es geht.


--
klaus
arno
arno
Mitglied

Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 13.11.2009, 21:44:33
Hallo, karl,

wie sich die Universitäten finanzieren (können, dürfen, usw.),
ist politisch geregelt.
Damit ist eigentlich alles gesagt. All Deine Einwände sind politisch gewollt.

Es ist richtig, wenn Unis Geld verdienen müssen, daß auch
Gefälligkeitsgutachten erstellt werden, daß Experten dann als
Interessenvertreter angesehen werden und daß es heute eine Krise des
Expertenwesens in der Öffentlichkeit gibt.
Dabei sind alle Nichtfachleute - auch die Politiker - immer mehr
auf das Urteil der Experten angewiesen.
Ob Wissenschaft unter diesen Voraussetzungen der Wahrheit verpflichtet
bleibt, ist fragwürdig. Allerdings besteht noch eine Qualitätsforderung
für die Wissenschaft.
Ich meine, daß die Forschungsergebnisse durch andere Laboratorien
bestätigt werden müssen.
Aber Fachleute bestätigen sich auch selbst. Wenn dann Kritik laut wird,
kommt es oft vor, daß diese in einer Gruppe von Fachleuten durch den
Konformitätsdruck unterbunden wird.
Die Experten setzen auf Logik und die Bürger setzen auf Alltagserfahrung.
Unsicherheit macht aber Angst, weil die Wissenschaften eine große Potenz
zur Veränderung der Welt enthalten.
Unsere Kultur wird letztlich auch durch die Wissenschaft in Frage gestellt.
Unsere Wissenschaft dient den Bedürfnissen unserer Politik und
unserer Wirtschaft.
So kann Gentechnik die Artenvielfalt zerstören, weil die Zuchtziele viel
schneller erreicht werden können!
Die rein ökonomischen Gesichtspunkten sind sehr verlockend und ordnen
in der Tat
alles unter.

Viele Grüße
--
arno

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Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 13.11.2009, 19:16:58
"Die biologistische Antwort auf die Frage "Ist die befruchtete Eizelle" ein Mensch ist also ein klares "Ja". Ob aber die befruchtete Eizelle oder der achtzellige Embryo bereits den vollen Schutz der Menschenrechte genießen sollte, ist die große Frage, an der sich die Geister scheiden."
geschrieben von karl


Ein ganz wichtiger Hinweis !

Danke zunächst für deine kurzen biologischen Erklärungen, die einem Wissenschaftler, der sehr viel tiefer in der Materie steckt, als er hier in diesem Forum darstellen kann, sicher nicht immer leicht fallen. Oder?
Bestimmte - nicht unbedingt zum Allgemeinwissen gehörende Begriffe - kann man unschwer im Internet nachschlagen und sich dabei gleich biologisch weiterbilden.

Ich sehe die ethischen Fragen zu dem Gesamtproblem der Stammzellenforschung ähnlich wie du.
Es ist eine Güterabwägung zwischen den ungeheuren - auch heute schon praktizierten Möglichkeiten- und den Bedenken, die natürlich nicht unbegründet sind.
Deshalb wird das Thema immer kontrovers bleiben.

Voraussetzung für eine Diskussionsteilnahme sollte aber immer ein gewisses grundsätzliches Fachwissen sein, sonst besteht die Gefahr, dass der Diskussionsbeitrag unqualifiziert und unehrlich wird.


--
klaus
arno
arno
Mitglied

Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 14.11.2009, 14:08:00
Hallo, klaus,

Voraussetzung für eine Diskussionsteilnahme sollte aber
immer ein gewisses grundsätzliches Fachwissen sein, sonst besteht die
Gefahr, dass der Diskussionsbeitrag unqualifiziert und unehrlich wird.


seit wann bestimmst Du hier die Qualifikationsvoraussetzungen für die Teilnahme
an dieser Diskussion?
Hier kann sich jeder ohne Vorkenntnisse einbringen! Dadurch wird die Diskussion
nicht unehrlicher!

Viele Grüße
--
arno
Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf arno vom 14.11.2009, 22:43:52
"Hier kann sich jeder ohne Vorkenntnisse einbringen! Dadurch wird die Diskussion
nicht unehrlicher! "

geschrieben von arno


Natürlich kann das jeder. Bei uns kann jeder über alles diskutieren - so wie das in einer funktionierenden Demokratie üblich ist.

Aber - meinst du, dass es sinnvol ist, über etwas zu diskutieren, wovon man überhaupt keine Ahnung hat?
Wäre es da nicht günstiger, sich über die Grundlagen der Thematik zu informieren?


Außerdem habe ich geschrieben: "Voraussetzung für eine Diskussionsteilnahme SOLLTE aber
immer ein gewisses grundsätzliches Fachwissen sein,..."

Damit habe ich nichts BESTIMMT.
Du hast leider nicht verstanden, worum es mir hier ging.



--
klaus
arno
arno
Mitglied

Re: Stammzellforschung: Was sind Stammzellen, was könnte mit ihrer Hilfe möglich werden?
geschrieben von arno
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.11.2009, 10:00:51
Hallo, klaus,

wenn Du ein Auto beurteilst oder kaufst, mußt Du auch nicht
einen Automotor zerlegen können.
Wenn hier jemand über Stammzellen mitdiskutieren will, muß er
auch kein Fachmann in Mikrobiologie sein.
Der Gesetzgeber hat nach vielen Beratungen über Gestze, Erlasse und Verordnungen
den Umgang mit Stammzellen verbindlich geregelt.
Menschen, die mit dieser gesetzlichen Regelung nicht einverstanden sind,
erhoffen sich wirtschaftliche Vorteile. Diesen Menschen geht es dabei nicht um
eine andere Ethik!

Heute zählt in der Wissenschaft auch nur noch der schnelle Erfolg!

Das hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung der
Einheit des Lebens! Früher waren Normierungen nur im Bereich des
Unbelebten zulässig, heute versuchen Wissenschaftler auch das Leben zu
normieren, was vermutlich zu Verlusten und Schädigungen führen wird,
denke ich!

Irren ist menschlich, aber vertuschen ist wissenschaftlich!

Viele Grüße
--
arno

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