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Gruppenbeitraege Diskussion zum Artikel "Die Zukunft des Sozialstaates"

carlos1
carlos1
Mitglied

Arbeit ist genug da. Phantasie fehlt.
geschrieben von carlos1
Steigende Produktivität, strukturelle Arbeitslosigkeit, rasante Bevölkerungsvermehrung, Rationalisierung, Globalisierung soll Probleme bei der Sinnsuche hervorbringen. Das ist insofern richtig, als der Mensch sich bisher noch in starkem Maße mit seiner Arbeit identifiziert, aus seiner Arbeitsleistung (sichtbar im Lohn, Reitpferd, Yacht etc.) Sinn seines Lebens sieht und sein Glück. Arbeit und Sinnsuche im Statussymbol könnten in der Tat immer fraglicher werden. Die mechanische Arbeit droht auszugehen, weil Maschinen sie erledigen. Sicher, wenn die Vergangenheit fortgeschrieben wird. Der Mensch ist immer Anpassungsgefährdungen ausgesetzt worden und hat mit Konflikten darauf reagiert, die in Kollektivneurosen gipfeln konnten. Beispiele gibt es viele: Kinderkreuzzug, Hexenprozesse, Schwärmerbewegungen, vielleicht sogar ‚Revolutionen?
Wer sagt uns aber, dass die Arbeit ausgehen wird.?Arbeit wird genug da sein, wird aber der Wille da sein, sie zu erkennen und zu bewältigen? Bildung wird in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Ist Bildung sichtbar? Bildung vermag bei der Sinnsuche zu helfen und kann neue Ziele aufspüren. Wer wird die Landschaftspflege bewältigen, wenn es kaum noch Bauern geben wird? Wer pflegt die Kranken und gib t ihnen Zuwendung? Roboter? Längere Lebenszeiten führen zu neuartigen Generationskonflikten, wenn 95 Jährige zu bereits im Rentenalter befindlichen 65-Jährigen begegnen. Beide wiederum stehen der arbeitenden Generation gegenüber in einer alternden Gesellschaft, in der die Alten insgesamt die Jüngeren politisch majorisieren.


In einem sich zu schnell ändernden Milieu ist es die enorme Beschleunigung der Entwicklung, die dem Individuum schwer lösbare Aufgaben stellt. Der als ziellos empfundene technisch-wissenschaftlich-ökonomische Dynamismus (M. Mead: ..the fastest change the world has ever known) kann dazu führen, dass der Organismus des Menschen die erforderliche Anpassungsleistung nicht mehr erbringen kann. Die Folge aus der Sicht eines Psychologen könnte eine Entdifferenzierung psychischer Prozesse sein, insbesondere Regressionen (A. Mitscherlich). Das Verlangen nach Befriedigung (Sinnsuche, Glück) würde auf älteren Stufen der individuellen Entwicklung gesucht werden. Private Neurosen, vegetative Störungen nehmen heute stark zu, Dystonien als psychosomatisches Syndrom sind Fälle, die die Wartezimmer füllen. Die Beschleunigungsopfer werden ein Kostenfaktor des Sozialstaates.

Die Arbeit geht nicht aus. Die Phantasie geht aus. Arbeit nimmt zu. Wir müssen lernen zu erkennen, wo es Arbeit gibt.
Karl
Karl
Administrator

Das ist eine mögliche Variante, aber ...
geschrieben von Karl
Die Arbeit geht nicht aus. Die Phantasie geht aus. Arbeit nimmt zu. Wir müssen lernen zu erkennen, wo es Arbeit gibt.
Die Frage ist doch "Was verstehen wir unter Arbeit"? Der "Broterwerb" wird es m. E. nicht mehr sein. Es wird mehr Dienstleistungen geben, ob diese aber auf Dauer tatsächlich alle von Menschen geleistet werden, ist mehr als fraglich. Wenn Maschinen, was grundsätzlich möglich werden wird, die Grundsicherung für alle leisten, wird es genügend Menschen ohne Fantasie geben, die außer Party mit ihrem Leben nichts anfangen können. Oder sehe ich hier zu schwarz bzw. zu rosig? Zu rosig deshalb, weil ich tatsächlich davon ausgehe, dass die Menschheit mittels Maschinen ihren Überlebenskampf einmal beenden könnte bzw. zumindest in dem Glauben gelassen würde "Es geschafft zu haben". Was kommt danach? Karl
Karl
Karl
Administrator

Noch ein Zusatz zur Zeitskala
geschrieben von Karl
Ich bin mir bewusst, ein Mensch zu sein, der weniger das Tagesgeschehen im Kopf hat als prinzipielle, theoretische Überlegungen.Aus philosophischer Sicht ist dies jedoch durchaus gerechtfertigt, weil es um die prinzipiellen Möglichkeiten geht und genügend Zeit zur Verfügung steht, um alles sinnvoll Machbare auch zu erreichen. Deutlich wird dies, wenn man sich die Zeitskala der Erdgeschichte vergegenwärtigt.



Der rote Strich, der die schriftlich überlieferte Kulturgeschichte des Menschen kennzeichnen soll, wäre eigentlich bei diesem Maßstab unsichtbar, da viel zu dünn. Die Grafik soll deutlich machen, wieviel Zeit zur Verfügung steht, um das technisch Sinnvolle, was machbar wäre, auch zu schaffen. D. h. zukünftige Gesellschaften werden vieles, was wir heute als Zauberei auffassen würden, zum Alltag erklärt haben. Karl

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carlos1
carlos1
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Zukunft des Sozialstaates
geschrieben von carlos1
Die Hypothese, dass Maschinen uns Arbeit wegnehmen werden und uns um den Sinn des Lebens betrügen würden, halte ich für frag-würdig, d.h. des Fragens würdig. Die Behauptung, dass es so ist, scheint mir nicht so evident zu sein, wie im Text von karl vorgegeben. Es hat den Anschei dass es so sein könnte. Ich bin ab er nicht geneigt den Schein für das Wesen eienr Sache zu halten. (Zitat: "Die Einsparung menschlicher Arbeitskraft durch den Einsatz der Computertechnologie ist - trotz politisch motivierter Gegenrede - evident.") Nichts ist evident, zumal die Aussage, es sei so, sich auf Analogieschlüsse stützen muss. Jede Epoche und jedes Ereignis ist unvergleichbar. Als Beleg für heutiges Vorgehen könne nwir uns nicht auf die Vergangenheit berufen. Vorgänge in der Vergangenheit, unter damals anderen Voraussetzungen, sind kein Beweis für die Richtigkeit heutiger Auffassungen. Sie können aber herangezogen werden, um Sachverhalte zu verdeutlichen

Und was ist Arbeit? Jede Tätigkeit, die zum Broterwerb führt, ist Arbeit. Vielleicht wird sie sogar gerne ausgeübt, wegen des Erfolges, des Prestiges. Jede Tätigkeit, die der gesellschaftlichen Reproduktion dient, ist Arbeit könnten wir sagen. Aber darüber hinaus gibt es die Tätigkeiten, in denen der Mensch ganz aufgeht, die ihm Freude machen die Arbeit sind, aber nicht als Arbeit empfunden werden, weil sie Freude bereiten. Schöpferische Tätigkeit ist auch Arbeit, sei es beim Komponieren von Musik, beim Malen, beim Sport, der in Perfektion "Kunst" sein kann etc. Bildung hat die Aufgabe die schöpferischen Fähigkeit zu wecken. Unsere Fantasie reicht nicht aus, sich vorzustellen zu welchen Leistungen das Hirn des Menschen fähig sein kann, wenn alles nur ein Spiel ist.

Was mich nachdenklich macht ist die Möglichkeit, dass jemand daran denkt eine Maschinensteuer einzuführen, gedacht als Wertschöpfungsabgabe, zwecks Erhalt des sozialen Friedens und als Einnahmequelle für einen Sozialstaat, der bereits den größten Teil des Sozialprodukts auffrisst. Dazu eine kleine fiskalische Überlegung: Wer ist eigentlich Belasteter und Nutznießer jeder steuerlicher Maßnahme? Alle Steuern gehen in die Kosten-/Preiskalkulation ein. Bei der Besteuerung einer Transaktion zwischen zwei Parteien, wird eben die gesamte Transaktion besteuert, und nicht unbedingt nur eine der beiden Parteien. Letztlich tragen also in der Regel beide Seiten die Steuer mit, auch wenn nur eine Partei die Steuer zahlen muss, und es die Intention des Staates war nur eine Seite der Transaktion zu belasten (z. B. die Unternehmen durch eine Wertschöpfungsabgabe). So ist es zum Beispiel auch unerheblich, ob die Beiträge zur Sozialversicherung je zur Hälfte auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden oder nicht, der Nettolohn verändert sich dadurch nicht. Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich geht nicht auf den Spitzensteuersatz allein zurück, sondern vor allem auf die überproportionale Besteuerung mittlerer und unterer Einkommenschichten durch indirekte Steuern (z.B. MWST) und vor allem die hohe Abgabenlast des sozialen Bereichs. Die Probleme des Sozialstaates werden dadurch nicht gelöst, wenn er die Probleme, die er lösen soll, erst selber schafft.

c.

carlos1
carlos1
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Die Krone der Schöpfung - Ende derEvolution?
geschrieben von carlos1
Bei der Betrachtung des eigentlich unsichtbaren roten Strichs, der die Mewnschheitsgeschichte darstellt, müssten wir sehr klein werden. Ergänzend ließe sich hinzufügen, dass die letzten 20000 Jahre nur 35 Jahre kannten, während der in der bekannten zivilisierten Welt Frieden herrschte. Der Zustand des Fressens und Gefressenwerdens hat sich in der kurzen Zeitspanne fortgesetzt, in der Homo Sapiens dominierte, seiner eigenen Deutung nach die "Krone der Schöpfung". Bei der Betrachtung der Ahnenreihe des Menschen vom Primaten bis zum Homo Computericus, stellt man fest dass plötzlich die Entwicklung abbricht. Gibt es einen Stillstand der Evolution. Ist das Ziel der Evolution erreicht? Denkbar wäre es. Aber nicht vereinbar mit der Realität.

c.
Karl
Karl
Administrator

Krone der Schöpfung - Ende der Evolution?
geschrieben von Karl
Dass es ein Ende der Evolution durch die Entwicklung von Maschinen gibt, glaube ich nicht. Evolution kann nicht vermieden werden, sie geschieht so sicher, wie ein Stein nach unten fällt, naturgesetzlich. Die Frage ist, ob die Evolution eine Richtung hat, ob Prognosen möglich sind darüber, was passieren wird.

Carlos, Du sagst durchaus zutreffend, dass Analogieschlüsse keine Beweise sind und die Zukunft nicht einfach aus der Vergangenheit abgeleitet werden kann. Ich stimme Dir insoweit zu, dass Voraussagen völlig in die Irre gehen können, weil eben nicht alles bedacht werden kann. Ein Laplacescher Dämon existiert nicht, würde er existieren wäre er Teil des Systems und damit führt sich diese Denkweise ad absurdum. Andererseits geht es nicht ohne Prognosen. Intelligentes Verhalten stützt sich immer auf Prognosen. Intelligenz bedeutet "vorausdenken". Normalerweise ist das zeitfenster klein, in dem wir handeln müssen. Intelligentes Verhalten wird sehr schwierig, wenn die Folgeabschätzung weit in der Zukunft liegen. Zuviel ist ungewiss. Aber was ist die Alternative? Es gibt keine!

Zur Maschinensteuer: Der Hintergedanke ist einfach der, dass Werte zunehmend nicht nur von Menschen geschaffen werden, sondern zu einem größeren, wachsenden Anteil auch von Maschinen. Es kann nicht sein, dass nur die Maschinenbesitzer den geschaffenen Wert abschöpfen, die Gemeinschaft muss partizipieren. Der Gedanke der Maschinensteuer stammt übrigens nicht von mir.
arno
arno
Mitglied

Die Zukunft des Sozialstaates ist planbar!
geschrieben von arno
Hallo,

es geht um die sozialpolitische Richtungsentscheidung.
Ziel des Umbaus des Sozialstaates muß die Sicherung gegen die
elementaren Lebensrisiken sein, an der alle nach dem Prinzip der sozialen
Gerechtigkeit finanziell beteiligt werden.

Der Umbau des Sozialstaates soll erfolgen, weil
1) das Sozialsystem nicht länger finanzierbar sein soll,
2) es einen massenhaften Missbrauch geben soll,
3) der demografische Wandel eine mangelnde Generationengerechtigkeit verursachen soll,
4) durch die Globalisierung ein Sozialstaat nicht wettbewerbsfähig sein soll.

Zu 1) Jedes Land hält sein Sozialsystem für das Beste. Die empirische vergleichende Wohlfahrtstaatsforschung hat ermittelt, dass die BRD den Platz 9 unter den EU-Mitgliedstaaten einnimmt. In Deutschland wird ein knappes Drittel des erwirtschafteten Bruttoinlandproduktes seit mehr als 30 Jahren für Soziales ausgegeben: Medizin, Krankengeld, Renten, Bafög, usw.. Behauptungen, dass der Sozialstaat großzügiger geworden ist, sind falsch.

Zu 2) Leistungen und Rechte werden immer missbraucht. Die Medien dramatisieren solche Fälle häufig! Der Missbrauch unter Sozialhilfeempfänger ist aber nachweislich gering.

Zu 3) Der demografische Wandel macht es immer schwieriger die Renten zu finanzieren. Rentenkürzungen und Beitragserhöhungen sollen die Lösung bringen. Man verschweigt, das weitere Bevölkerungsgruppen, wie Beamte, Selbstständige, Abgeordnete, Minister aufgenommen werden könnten, die insgesamt sehr viel mehr Steuergeld in das System einbringen würden. Darüber hinaus kann man auch noch die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen. Die Sicherung der Rente ist also keine Frage der Biologie, sondern nur eine Frage der Politik und die entscheidet, wie das Geld auf die Altersgruppen verteilt wird!
Der demographische Wandel ist nicht das Problem, sondern die ungerechte Verteilung des steigenden Reichtums. Renten müssen nicht gekürzt werden!
Nicht zwischen den Generationen ist der Reichtum falsch verteilt, sondern innerhalb einer jeden Generation gibt es die stark auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich.


Zu 4) Es gibt Ruheständler, die in warmen Ländern überwintern, während die Masse der Ruheständler mit Minirenten auskommen müssen. Auf weitere Beispiele gibt es zu genüge.
Die Globalisierung ist ein Prozess der neoliberalen Modernisierung des Marktes, wobei das Soziale eine „Behinderung des Erfolges auf den Weltmärkten“ sein soll. Dabei sind die Hauptkonkurrenten der BRD mehr oder weniger gut entwickelte Wohlfahrtsstaaten. Das zeigt, dass ein Sozialstaat kein Hindernis für die Konkurrenzfähigkeit ist.

Wie kann nun ein Sozialstaat umgebaut werden?

Im Bereich des Sozialen können die sozialen Dienstleistungen und Risiken privatisiert werden. Die Solidargemeinschaft steht nicht mehr für alles ein, weil soziale Leistungen nur noch im kleinsten Umfang vorgehalten werden.

a) Der Sozialstaat soll für eine bessere Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt sorgen, in dem der Kündigungsschutz gelockert wird und befristete Zeitarbeitsverträge vermehrt abgeschlossen werden. Das hat Folgen für die Sicherheit. Ein Staat, der Sozialleistungen abbaut, muß sich gegen Proteste schützen. Video- und Telefonüberwachung, Einschränkung persönlicher Rechte, Platzverweis von Obdachlosen, usw. sind solche Sicherungsmaßnahmen.

b) Sozialleistungsempfänger werden motiviert, selbst ihre soziale Situation zu verbessern.

c) Eine Steuerrefom wäre nötig, die gerade bei den Wohlhabenden das soziale Verantwortungsbewußtsein einfordert für die sich stark verändernde Gesellschaft.
Ein solidarischer Umbau des Sozialstaates ist mit einer Bürgerversicherung möglich. Alle gemeldeten Bürger und Bürgerinnen zahlen in die Sozialversicherung einschließlich der Arbeiter, der abhängig Beschäftigten, der Beamten, der Selbstständigen, der Abgeordneten und der der Minister.
Für die Beitragshöhe muß gewährleistet sein, dass alle Einkommensarten
berücksichtigt werden. Also nicht nur die Arbeitseinkommen, sondern auch
die Miet- und Pachterlöse, die Dividenden, die Kapitaleinkünfte.
Die Solidarität in der Bürgerversicherung darf nicht auf eine Einkommenshöhe
beschränkt werden.
Wichtig ist, dass das Bismarck´sche Sozialversicherungsprinzip beibehalten wird
und dass die soziale Sicherung nicht stärker steuerfinanziert wird.
Das Versicherungsprinzip hat gegenüber der Steuerfinanzierung mehrere
Vorteile:
1) Bei einer Steuerfinanzierung von Sozialleistungen bedienen sich die Finanzminister bei jeder Haushaltsberatung und leerer Kassen an diesem Topf. Die Sozialleistungen wären nicht mehr sicher!
2) Der Umbau des Bismarckschen Sozialstaates sollte ein Ausbau für eine veränderte Erwerbsgesellschaft werden.
3) Weil es die Alleinernährer – Ehe kaum noch gibt, sollte für die Frauen eine eigenständige Versicherung eingerichtet werden.

Die Zukunft des Sozialstaates ist planbar.
Es ist eine der größten politischen Herausforderungen!

Viele Grüße
Arno

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