Gruppenbeitraege "Noch eine kleine Geschichte"

olga64
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Mein erster DDR Besuch
geschrieben von olga64
Als Süddeutsche ohne verwandtschaftliche Beziehungen zur ehemaligen DDR besuchte ich 1972 erstmals Ostberlin, nachdem mein Bruder in Westberlin sein Studium aufnahm und dort wohnte. Es war für mich angenehm gruselig mit der S-Bahn nach Ostberlin zu fahren, was ich von da an öfters und sehr gerne tat. Als junge Menschen hatten wir grundsätzlich grossen Hunger und immer zu wenig Geld. Mit dem Zwangsumtausch finanzierten wir in den Osterberliner Restaurants dieses Problem. Ich ging auch sehr gerne in Ostberlin ins Theater (Schiffbauer Damm = Brecht-Theater; in die Distel) und war immer wieder erstaunt, wie billig dies war im Vergleich zu meiner Heimatstadt München. Auch mit jungen Leuten kamen wir schnell in Kontakt, darunter war ein Professor an der Humboldt-Universität, den ich dann noch lange in Prag oder Budapest traf, weil dies für mich einfacher war - ich musste ja spätestens um Mitternacht wieder aus der DRR ausreisen.
Da unsere Einstellung sowieso "links" war - verteidigten wir die DDR auch in "unseren Kreisen", was teilweise so lächerlich war, da es z.B. auch die schlecht sitzenden Uniformen der Vopos und NVA-Leute mit einschloss.
Als dann die Mauer fiel - ich hielt West- und Ostberlin über Jahrzehnte die Treue- war ich nicht ganz so euphorisch wie der Rest der Bevölkerung, da ich (zusammen mit anderen) glaubte zu ahnen, welche Probleme auf uns zukommen werden. Und hier wurden wir ja leider bestätigt.
Ich fuhr dann auch relativ schnell nach Dresden und traf dort einige englische Ladies, die mich verblüfft ausfragten, weshalb diese Stadt für mich als Deutsche so fremd sei - ich erklärte ihnen dieses Phänomen. Heute bin ich stolz, dass viel Geld in den Aufbau der Städte Dresden, Leipzig usw. investiert wurde. Wir haben dazu gewonnen - ebenso auf dem Gebiet guter Schauspieler. Dafür können wir lange dankbar sein. Olga
Karl
Karl
Administrator

Brieffreundschaft nach 'drüben'
geschrieben von Karl
Hallo maggy und olga,


vielen Dank für Eure interessanten Berichte. Ich kenne aus DDR-Zeiten nur Westberlin, im Osten der Stadt war ich erst nach der Wende. In den 70iger Jahren lernte ich auf einem Kongress in Krakau einen mir sympathischen Studenten aus Jena kennen, mit dem ich dann etwa vier Jahre lang einen Brief- und Bücheraustausch hatte. Sehr häufig waren seine Büchersendungen (sowjetische Science Fiction, aber auch die Bücher des polnischen Science Fiction Autors Stanislaw Lem - heute noch in meinem Bücherschrank) geöffnet. Meine Frau und ich glaubten damals unterscheiden zu können, ob von Seiten der DDR oder der BRD geöffnet worden war, manchmal waren die Bücher einfach notdürftig wieder in die zerrissene Verpackung eingeschnürt oder aber die Bücher waren fein säuberlich in Folie verpackt. Der Austausch endete, nachdem wir uns über die Bewertung der Grenzsicherungen zerstritten hatten und offensichtlich auch einige meiner Büchersendungen nie in Jena angekommen waren. Wir haben den Kontakt nach der Wende leider nicht mehr aufgefrischt, es hätte interessant sein können.

Karl
olga64
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Mein unvergessliches DDR-Erlebnis
geschrieben von olga64
Ich hatte zu DDR-Zeiten ein ähnliches Erlebnis, woraus ich auch erfuhr, wie unerfahren wir in der westlichen Demokratie aufgewachsenen Menschen doch waren - und wie naiv und gutgläubig:auf der Leipziger Messe, wo ich beruflich war (meine einzige DDR-Reise überhaupt,wenn man von Ostberlin absieht) lernte ich einen netten Mann mit Berliner Zungenschlag kennen. Wir verbrachten den Abend zusammen und ich traf ihn am nächsten Morgen am Stand der SU, wo ich dann erfuhr, dass er aus Ostberlin war. Aufgrund meiner damaligen Affinität zum Sozialismus fand ich dies aufregend.
Zuhause in München wieder angekommen, rief mich dieser Mann auch an (er lehrte übrigens als Professor an der Humboldt-Universität) und erbat Roth-Händle (Zigaretten), Aramis (Rasierwasser) und eine bestimmte Langspielplatte von den Rolling Stones. Ich schickte ihm alles - er erhielt es auch und bedankte sich bei mir.
Das nächste Treffen führten wir in Budapest durch - ein weiteres in Prag. Dann wollten wir uns in Ostberlin treffen, wo er mich mit einem Freund bekanntmachte. Dieser fragte mich viel,bis auch ich merkte, dass hier einiges nicht stimmen kann. Ich reiste schnellsten aus und plante damals sogar, diese Sache dem Verfassungsschutz zu melden. Gottseidank liess ich mich davon abbringen - ich hätte wirkliche Probleme bekommen.
Den Professor konnte ich nie mehr erreichen - er war verschwunden.
Nach dem Mauerfall recherchierte ich wieder und fand ihn auch. Er gestand mir,dass er Stasi-Mann war und auf mich angesetzt wurde (was ich ja durch meine rasche Ausreise nicht mehr ermöglichte). Dies werde ich wohl nie vergessen. Olga

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