Forum Tierschutz etc. Haustiere Fritz, der freundliche Fisch

Haustiere Fritz, der freundliche Fisch

Riffel
Riffel
Mitglied

Fritz, der freundliche Fisch
geschrieben von Riffel

Da hatte ich doch noch mein altes Terrarium im Keller stehen. Ganz verwaist sah es aus, seit ich meine Rotwangenschildkröten verkauft hatte. Die hatte mir eine Tante geschenkt. Sie besaß nämlich eine Brosche, die genau so aussah wie diese kleinen Schildkrötchen.
Erst sahen sie ja niedlich aus.Dann nmachte ich mich über die kleine Gesellen schlau -und ich fragte mich:
"Wie groß können die werden?" Da hatten sie schon die Größe meiner Handteller. Und als ich in einer Reptilienschau gar solche Viecher in Wärmflaschengröße entdeckte, habe ich sie schleunigst verkauft. Das Terrarium brachte ich in den Keller. Da stand es für längere Zeit.
Ich hauste inzwischen in der winzigen Einliegerwohnung im Hinterhaus.
. Und da setzte meine Mutter keinen Fuß hinein.Vor Tieren, egal wie winzig oder niedlich ekelte sie sich. Einmal wucherte da drin ein üppiger Pflanzendschungel, da könnten ja Spinnen drin sitzen! Und es gab ein großes Gehege für meinen kleinen Djen-Djen - mongolische Wüstenspringmaus - mit seinem Nachwuchs. Die würden meine Mutter bestimmt anfallen. 
Nun also das Terrarium. Immer, wenn ich in Detmold war, drückte ich mir fast die Nase am Schaufenster des Zooladens beim Bahnhof platt. So schöne Aquarien. Diese filigranen Pflanzen und die schwerelos wirkenden bunten Fische. Vor lauter Fischen verpasste ich mehrmals den letzten Bus nachHause und musste laufen.
Für ein Warmwasserbecken hatte ich nicht genug Geld. So entstaubte ich das alte Terrarium und dichtete es ab. Die Wasserpflanzen besorgte ich mir an einer großen Quelle im Wald. Dass ich dabei erstmal gründlich "Baden ging", war ja klar. Das war  nämlich im Spätherbst. Murphys Gesetz! Wer je in so eine Quelle gefallen ist, weiß, wie mühsam es ist, da wieder raus zu kommen. Eben weil der Sand überall nachgibt. Man kann sich nirgends mit den Füssen abstützen.
Mit wassergefüllten Gummistiefeln kam ich schlotternd und triefend nach Haus. Aber ich hatte meine Pflanzen!
Dann die Fische. Der Zoohändler hat mich bestimmt ins Pfefferland gewünscht. Ich wollte einen Goldfisch und einen ganz bestimmten schwarzen Schleierschwanz haben.
Der versteckte sich unten links hinter einem dicken Stein. "Ich möchte diesen hier haben", sagte ich und zeigte auf den Fisch.
"Das haben wir gleich", tönte der Zoohändler, fuhrwerkte mit seinem Kescher rechts oben und fischte einen der Schleierschwänze heraus.
"Das ist der Verkehrte. Ich möchte diesen hier!"
 Der Verkäufer murmelte etwas und angelte den nächsten heraus. Wieder den Verkehrten!  Und so weiter.  Wie ein Zoohändler bei nur sechs schwarzen Schleierschwänzen immer den Falschen erwischen kann, ist mir schleierhaft.
Am Ende drückte er mir den kleinen Kescher in die Hand und knurrte: "Wenn du alles besser weißt, mach's doch selbst. Die Fische sind alle gleich. Da gibt's keine Unterschiede!"
"An deiner Stelle würde ich es mal mit einer Brille versuchen", dachte ich und zog mit meinem Schleierschwanz, dem Goldfisch und einer Dose Fischfutter ab.
Diesen Zooladen habe ich nie mehr betreten.
Und mit meinen Fischen war ich selig. Der Goldfisch war einfach nur schön. Aber der schwarze Schleierschwanz war etwas ganz Besonderes für mich. Ich nannte ihn Fritz. Von Anfang an war er zutraulich und schwamm in meine Hand, sobald ich sie ins Wasser hielt. Kam ich ins Zimmer, schwamm er an die Oberfläche, "Napp-napp-napp", schmatzte er mir entgegen, nahm das Futter aus meiner Hand und ließ sich sachte mit dem Finger antupfen. Davon konnte er nicht genug bekommen. 
Fische sollte man besser nicht streicheln, weil sie eine Art Schutzschicht über den Schuppen haben. Die sollte nicht kaputtgehen.
Dann zog ich nach Ansbach um. An den Wochenenden fuhr ich immer nach Detmold, weil da noch meine Tiere und Pflanzen waren. Nun musste Mutterzwangsläufig Expeditionen in meinen Zimmerdschungel mit den gefährlichen Bestien machen. Ich konnte ja nicht jeden Tag tausend Kilometer fahren, nur um zu füttern und die Blumen zu gießen.
Immerhin, das hat sie gewissenhaft erledigt. Sonst hätte nämlich eine Freundin von mir die Fütterei übernehmen müssen. Der größte Horror meiner Eltern war seit je her, dass womöglich Fremde bei uns ins Haus kommen könnten. 
So kümmerte sich meine Mutter um die Menagerie. Gleich am ersten Wochende fing sie an zu zetern: "Nur Scherereien hat man mit dir! Ich brauche jedesmal fast fünf Minuten für deinen Zoo! Das ist doch verplemperte Zeit! Und undankbar ist das Teufelszeug auch noch! Stell dir vor, ich komme mit der Futterdose zu den Fischen. Der Schwarze taucht auf, sieht mich - und dreht mir den Rücken zu! So eine Unverschämtheit!"
"Mutter, das ist ein Fisch. Die sind bestimmt nicht unverschämt. Komm, wir gehen jetzt rüber, dann füttere ich."
Gesagt, getan. Kaum öffnete ich die Tür, platschte es laut im Aquarium und das wohlbekannte "Napp-napp-napp" erklang. Fritz hatte mich tatsächlich erkannt, umschwamm meine Finger und stupste sie immer wieder an. Auch das Futter nahm er aus meiner Hand. Bis zuletzt mochte Fritz meine Mutter nicht leiden. 
Als ich nach Wochen eine Wohnung in Ansbach gefunden hatte, nahm ich als erstes Fritz samt Becken mit. Fritz bekam eine Oskartonne mit frischem Wasser und einer großen Wasserpflanze. Die Tonne schnallte ich auf dem Beifahrersitz an. 
Natürlich geriet ich mit dem voll gepackten Auto in eine Polizeikontrolle. Die Polizisten wurden von der Fritztonne geradezu magisch angezogen. Meine Papiere und der Kofferraum wurden unwichtig. Was war in dieser aufreizenden gelben Tonne? Schnaps vielleicht?
"Was befördern Sie in diesem Behältnis?", schnarrte der eine. Ich saß offenbar auf der Leitung und sah ihn nur verständnislos an.
"Was ist da drin? Öffnen Sie bitte den Deckel", kam ihm sein Kollege zu Hilfe.
Na gut, also Deckel auf, schon ging es los: "napp-napp-napp". Fritz hatte viel zu "erzählen". 
"Was ist das denn?", fragte der zweite Polizist.
"Das ist Fritz, mein zahmer Schleierschwanz", war die Antwort.
Die Polizisten lachten. Der eine sagte noch: "Gute Reise, Fritz". Dann durfte ich weiterfahren.
Zwar kamen wir noch gut in Ansbach an, aber dann fiel der arme Fritz einer tückischen Fischkrankheit zum Opfer. Die hatte der neue Schleierschwanz eingeschleppt, den ich gekauft hatte, damit Fritz nicht so allein war. Fritz - den freundlichen Fisch - werde ich nie vergessen.
 


Anzeige