Innenpolitik Bruno und der 1.Mai

Mitglied_5ccaf87
Mitglied_5ccaf87
Mitglied

Bruno und der 1.Mai
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich komme soeben vom Ossiblock und erhielt dort zum 1.Mai ein Sittenbild aus dem Dorfleben in den neuen Bundesländern, welches ich hier wiedergeben möchte:
Bruno und der 1.Mai

Bruno wachte früh auf und blieb dann doch liegen. Feiertag. Sein 1-Euro-Job kotzte ihn an. Er war so sinnlos – sie stapelten Steinhaufen von einer Stelle zur anderen. Dabei konnten die nicht schimmeln oder faulen.

Bruno stapfte in die Küche und brühte sich eine Kanne Kaffee. Dazu zwei kräftige Bauernstullen mit Leberwurst. Um 10.00 Uhr war er mit ein paar Kumpels aus dem Dorf verabredet. Sie würden sich in den Garten setzen und den Grill anschmeißen. Dazu ein paar Biere.

Früher gab es noch eine Kneipe im Dorf. Die ist schon lange dicht. Genauso wie die LPG. Oder die Poststelle. Oder das Kino, der Konsum und die Bibliothek. Schule und Kindergarten. Jugenklub und Freiwillige Feuerwehr.

Selbst der Bahnhof war geschlossen. Busverkehr nur noch zweimal am Tag. Eine Gemeindeschwester gab es auch nicht mehr.

In den 70ern als Bruno seine Schulzeit an der POS absolvierte, war am 1. Mai immer ein festlicher Umzug gewesen. Mit Blaskapelle. Ohne großartige Reden. Man zog durch das Dorf und der ABV hatte die Fernverkehrsstraße gesperrt. Nach einer halben Stunde löste sich der Zug vor dem Dorfkrug auf und alle stürmten hinein.

Bier vom Faß oder Faßbrause, Bockwurst mit Senf. Dann gab es noch einen Auftritt des Schulchores. Bruno sang für sein Leben gern. Selbst heute noch. Aber es gab nirgendwo einen Chor. Selbst die Kirche war schon längst geschlossen.

Damals hatte jeder im Dorf eine Arbeit. Entweder bei der LPG oder der MTS. Einige fuhren täglich in die nahe Kreisstadt. Niemand saß jeden Tag zu Hause und wartete auf den Tod.

Bruno schüttelte sich und trank den Kaffee aus. Er wollte in Ruhe duschen und sein bestes Hemd anziehen. Denn bestimmte Rituale kann man nicht ablegen. In den 80ern war er Treckerfahrer. Immer 6 Tage in den gleichen Klamotten. Aber an Feiertagen putzte man sich raus.

Das war jetzt schon so lange her, daß es wie ein Märchen erschien.

Bruno verließ das Haus und war nach 5 Minuten am Ziel.

Quelle: https://ossiblock.wordpress.com/ Ein Besuch lohnt sich immer.

Mir ist bewusst, das mir dieser Zeilen noch heute ein scharfer Gegenwind ins Gesicht bläst. Ich nehme ihn gelassen zur Kenntnis.
Wir haben heute den 1. Mai.

der hinterwäldler
gehört keiner Partei oder politischen Organisation an. Er ist nicht einmal Mitglied eines der örtlichen Schützen- oder Narrenvereine. Deshalb bitte keine Unterstellungen oder/und Beleidigungen.
Karl
Karl
Administrator

Re: Bruno und der 1.Mai
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 01.05.2015, 10:01:10
Hallo Hinterwaeldler,

warum solltest Du beleidigt werden? Du trauerst Deiner DDR-Zeit nach. Das ist Dein ganz eigenes subjektives Gefühl, dass aber nicht alle, möglicher Weise sogar nur sehr wenige, teilen werden.

Ich habe im Westen gelebt und empfinde keine DDR-Nostalgie. Mit meinen eigenen Augen habe ich nur die tristen und grauen DDR-Fassaden nach der Wende weichen gesehen. Das war für mich positiv.

Karl

P,S.: es war nicht meine Absicht, Dich durch meine Widerworte zu beleidigen. Ich lasse Dir deine Meinung und Du mir die meine.
justus39
justus39
Mitglied

Re: Bruno und der 1.Mai
geschrieben von justus39
als Antwort auf Karl vom 01.05.2015, 10:42:02
Tina hat zu diesem heutigen denkwürdigen Feiertag auch einen Strang eröffnet und ihre eigenen Erinnerungen wiedergegeben.
Es ist schade, dass ich nun nicht weiß, in welchen von beiden ich meine Meinung schreiben darf ohne den anderen zu verletzen.

justus

Anzeige

Karl
Karl
Administrator

Re: Bruno und der 1.Mai
geschrieben von Karl
als Antwort auf justus39 vom 01.05.2015, 11:00:48
Lieber Justus,

ich habe es in beiden getan. Karl
pschroed
pschroed
Mitglied

Re: Bruno und der 1.Mai
geschrieben von pschroed
Persönlich empfinde ich am 1.Mai überhaupt nicht´s, es ist und war immer ein Feier-Tag wie jeder anderer, der in der Zeit als Schichtarbeiter immer mit 200% gut bezahlt wurde

Phil.
justus39
justus39
Mitglied

Re: Bruno und der 1.Mai
geschrieben von justus39
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 01.05.2015, 10:01:10
Auch ich denke gern und mit einem Lächeln an die unterschiedlichen Situationen zurück, in denen ich diesen traditionsreichen Feiertag erlebt habe.

Ich verstehe den Bruno in seiner Situation und hoffe, dass er im Garten seiner Kumpels ein paar schöne Stunden am Grill verbringen kann.
Vielleicht denkt er dabei auch zurück, dass es jetzt leichter ist, die dazu erforderliche Holzkohle, die Steaks und einen Kasten vernünftiges Bier zu organisieren.
Natürlich würde er sich wohler fühlen, wenn er eine Arbeit hätte, die ihm Spaß macht und mit dessen Lohn er auch alles bezahlen kann.

Justus
ana
ana
Mitglied

Re: Bruno und der 1.Mai
geschrieben von ana
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 01.05.2015, 10:01:10
HW,so ändern sich die Zeiten und das ist auch gut so!

Bruno lebt in der Vergangenheit und träumt wohl noch immer vom
"Vater Staat?"!

Schätze mal,er wohnte-wohnt in einem Dorf mit ca.2.ooo Einwohnern,
oder sogar noch weniger,wo Jeder Jeden kennt-kannte?!
Wie auch immer,irgendwie ist er "stecken" geblieben,leider.

Anzeige