Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen

Innenpolitik Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen

dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ingo vom 20.01.2013, 13:48:50
Du hast ja recht ingo*

Was ich ausdrücken möchte ist, dass ich strikt und unversöhnlich gegen eine Eigenständigkeit und Unabhängichkeit der Kirchen von der allgemeinen Gesetzgebung bin.

Keine Kirche darf sich über das deutsche Gesetz und seine Rechtspflegeorgane abheben. Jeder Kirchenangestellte muss der deutschen Gesetzgebung und der Strafverfolgung unterliegen, ob ihm nun ein Wirtschaftsvergehen oder eine Straftat vorgeworfen wird oder ob er unbefugt einen Baum umgesägt hat. Jeder Kirchenangestellte muss sich vor einem ordentlichen Gericht und nicht vor seiner Kirche verantworten.

Alles andere wäre mittelalterlich und ungerecht.
pilli
pilli
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von pilli


Andererseits eröffnet die Verselbständigung den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften eine verstärkte Möglichkeit freien Wirkens in der Öffentlichkeit. Eine Konsequenz daraus ist die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von staatlichen und kirchlichen Stellen, denn Trennung beseitigt nicht die Berührung von Staat und Kirche.

Weite Bereiche ihrer Aktivitäten (Erziehung, Soziales, Hochschule, Denkmalpflege) überlappen sich. Hier muß es also eine geordnete Zusammenarbeit und Absprache geben, denn es steht dem Staate nicht frei, Staatsbürger und religiöse Institutionen, Grundrechtsträger also, beliebig zu diskriminieren oder zu ignorieren. Trennung beseitigt nicht das Problem einer Verhältnisbestimmung von Staat und Kirche, sondern es schafft die Voraussetzung zu einem Arrangement in wechselseitiger Freiheit.
geschrieben von Humboldt Forum Recht


bezogen auf den thread, wo die frage diskutiert wurde, inwieweit kirchliche träger in eigener regie bestimmen, welche prinzipien zu wahren sind in ihrem verantwortungsbereich, möchte ich erweiternd zum anderen thema, einige der fakten bekannt machen, die ich zum thema "Soziales" für Köln recherchert habe. das dürfte in anderen gemeinden oder städten ähnlich sein. bemerken möchte ich, dass ohne die kliniken unter kirchlicher oder gemischter (privat/kirchlich) trägerschaft die gesundheitliche versorgung der menschen in Köln katastrophal wäre.

laut klinikführer rheinland sind von den 21 aufgeführten krankenhäuser 15 zu nennen, die kirchliche träger haben. (die liste ist nicht vollständig)

nur stellvertretend und des besseren verständnisses wegen möchte ich zitieren, wie die aufgaben einiger kliniken mit bzw. ohne kirchliche trägerschaft auf den webseiten der kliniken dargestellt werden:

Josefs-Gesellschaft Köln

Träger des Eduardus-Krankenhauses ist die Josefs-Gesellschaft (JG-Gruppe) in Köln mit bundesweit 17 Einrichtungen:

Als katholischer Träger von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen leisten wir kompetente und zugewandte Hilfe zur Selbsthilfe. In unserer Trägerschaft befinden sich auch Krankenhäuser und Altenheime.

Rund 7.000 Menschen nutzen zurzeit die vielfältigen Angebote der Josefs-Gesellschaft.
geschrieben von Träger Josefsgesellschaft


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...Heute ist es ein modernes, leistungsfähiges und im Handeln kirchlich geprägtes Krankenhaus, welches die optimale Versorgung und Betreuung der Patienten in den Mittelpunkt seines Tuns stellt...
geschrieben von St. Elisabeth Krankenhaus Hohenlind


Träger Caritas

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...Bis zur Gründung der Evangelische Kliniken Rheinland gGmbH war alleiniger Träger des Evangelischen Krankenhauses Köln-Weyertal der „Evangelische Krankenhausverein 1898 e.V. zu Köln“, der die unternehmerische Verantwortung für das Krankenhaus und seine angeschlossenen Einrichtungen trug. Engagierte evangelische Christen gründeten den Verein am 7.10.1898, um im katholischen Köln ein evangelisches Krankenhaus aufzubauen...
geschrieben von Evangelisches Krankenhauses Köln-Weyertal


heutiger träger: "Evangelische Kliniken Rheinland gemeinnützige GmbH"
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...Die LVR-Klinik Köln ist eine moderne Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und zugleich Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität zu Köln. Die Klinik übernimmt die psychiatrische Versorgung von über 600.000 Kölner Bürgerinnen und Bürgern. Mit 408 stationären Betten und 90 tagesklinischen Behandlungsplätzen behandeln wir jährlich etwa 6000 Patienten. Hinzu kommen die Patienten, die unsere ambulanten Behandlungsangebote wahrnehmen.

Träger der LVR-Klinik Köln ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR).

... Er ist der größte Leistungsträger für Menschen mit Behinderungen in Deutschland, betreibt 41 Förderschulen, zehn Kliniken und drei Netze Heilpädagogischer Hilfen sowie elf Museen und vielfältige Kultureinrichtungen...

... Die Mitgliedskörperschaften des LVR sind die im Landesteil Nordrhein liegenden 13 kreisfreien Städte, 12 Kreise und die StädteRegion Aachen. Sie tragen den LVR...
geschrieben von LVR


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stellvertretend genannt sei auch die private gruppe der "Sana Kliniken", die mit beteiligungen der krankenversicherungen unternehmerisch erfolgreich arbeiten:



...Die Sana Kliniken AG ist eine private Krankenhausgruppe von Akut-, Fach- und Rehabilitationskliniken und Altenheimen. Das Unternehmen hat 2011 einen Umsatz von 1,63 Milliarden Euro erwirtschaftet...

...Sana ist ein Unternehmen der privaten Krankenversicherungen. Die Anteile hielten 2008:

die DKV zu 21,7 Prozent,
die Signal-Iduna zu 14,5 Prozent,
die Allianz zu 13,8 Prozent,
die Continentale zu 10,1 Prozent,
die Debeka zu 10,1 Prozent
der Deutscher Ring zu 4,2 Prozent
die Barmenia zu 3,7 Prozent

sowie 24 weitere Krankenversicherer zu insgesamt 21,9 Prozent.

...Zuerst erwarb das Unternehmen nur Allgemeinkrankenhäuser aus nichtkommunaler Trägerschaft. Ab 1984 erfolgte mit dem städtischen Allgemeinkrankenhaus Hürth die erste Übernahme eines kommunalen Krankenhauses.

Sana wuchs in den 1980er Jahren weiter an und kaufte kleinere private Kliniken, die in wirtschaftliche Bedrängnisse geraten waren. Erstmals wurden auch Fachkliniken, wie die heutige Sana Klinik München-Solln GmbH, übernommen und die Leistungen um die Rehabilitation erweitert.

Über Managementverträge mit finanziell angeschlagenen Kliniken aus öffentlicher oder frei-gemeinnütziger Trägerschaft wuchs die Gruppe in den 1990er Jahren weiter an. Zu dieser Zeit wurde auch die Zusammenarbeit mit Kommunen und Landkreisen bei der Betriebsführung von Alten- und Pflegeheimen aufgenommen. Sana ist inzwischen Träger für 17 Heime mit circa 1600 Heimplätzen.

In Rostock wurde ab dem 1. November 2000 erstmals ein deutsches Universitätsklinikum auf der Basis eines Managementvertrages bewirtschaftet.

2005 hatten die Sana Kliniken die Mehrheit am Paritätischen Unternehmensverbund in Berlin übernommen und damit die größte Akquisition in der Unternehmensgeschichte getätigt. Ein neues Geschäftsfeld visierten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Sana Kliniken mit dem gemeinsamen Betrieb von Labor- und Praxisgemeinschaften an.
geschrieben von wiki


wiki - Sana

wer mir jetzt erklären kann, wie es bei diesen vielfältigen, verpflichenden und miteinander verbandelten unternehmensformen, heutzutage noch möglich sein könnte, dass selbst eine im GG festgehaltene trennung von staat und kirchen im sozialen aufgabenbereich heute noch machbar sein könnte, ohne dass zig kliniken insolvenz anmelden müssten, dem wäre ich dankbar.

erkenntnis für mich:

es bleibt dabei: keine pauschalisierungen aber strikte aufklärung der bekannt gewordenen einzelfälle. dazu gehört für mich auch der aufmerksame blick hin zu den "Kooperationsverträgen" der kliniken mit den unternehmen der pharma-industrie. auch diese vereinbarungen stellen die finanzierung der weiterführenden forschungsarbeit sicher und dennoch ist m.e. die überlegung rechtens , ob auch hier immer ethische grundsätze beachtet wurden und werden oder ob das wirtschaftliche interesse im vordergrund steht?

beispiel aus dem jahr 2008: "Kooperationsvertrag der Uniklinik Köln mit der Bayer AG in der Kritik"



...im Frühjahr vereinbarte der Leverkusener Bayer-Konzern mit der Kölner Universitätsklinik eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Künftig sollen in den Bereichen Onkologie, Kardiologie und Erkrankungen des Zentralnervensystems gemeinsame klinische Studien durchgeführt werden. Geplant ist zudem die Einrichtung eines Graduiertenkollegs.

Die Pressestelle der Uni Köln verweigert „aus rechtlichen Gründen“ jegliche Aussage zur Gestaltung des Kooperationsvertrags. Die Umstände der Zusammenarbeit von Bayer und Universität sind damit vollkommen intransparent.
geschrieben von medico


medico.de

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pilli
ingo
ingo
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von ingo
als Antwort auf pilli vom 20.01.2013, 14:03:40
Ach du Sch...ande. Jetzt driftet das Eingangsthema ja sogar in eine weitere, ganz frisch laufende, Diskussion ab....Ach nee.....

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Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pilli vom 20.01.2013, 14:03:40
pilli,

du weißt sehr gut darauf hin, dass die Kirchen mit ihren Kliniken (und nicht nur mit den Kliniken) ein wirtschaftliches Unternehmen sind.

Jedes wirtschaftliche Unternehmen hat sich der deutschen Gesetz- und Strafgesetzgebung zu unterwerfen.

Dabei heißt das ja nicht, dass der Raum für die Gläubigen gestrichen werden soll.

Diese Vermischung müsste getrennt werden.

Wie das allerdings geschehen soll, weiß ich nicht.

Meli

editiert
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.01.2013, 14:09:48
Ich greife mal einen Satz aus dem letzten Link von Pilli auf:
Zitat: "Wenn die Universitätsklinik Köln nun einen entgegengesetzten Weg geht, darf dies zumindest nicht im Verborgenen geschehen. Wir möchten daher öffentlich diskutieren, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Universität Köln an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtritt. Wir fordern Sie auf, den Vertrag mit der Bayer AG vollständig offen zu legen.
Kooperationsvertrag der Uniklinik Köln mit der Bayer AG in der Kritik

Merke: In diesem Fall eine staatliche Einrichtung .

Die gleiche Forderung zur vollständigen Offenlegung auch der ethischen Richtlinien in den Einrichtungen wäre ein Weg zu mehr Transparenz.

Mareike
Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 20.01.2013, 14:27:42
Mareike,

die Bereiche an den staatlichen Kliniken werden meist diesbezüglich völlig offen behandelt.

Jede staatliche Klinik hat einen Betriebs- bzw. Personalrat, der bei solchen Entscheidungen mit hinzugezogen wird.
Denn da geht es u.a. auch um Arbeitsplätze.

Bei diesen Ausgliederungen aus dem Klinikbetrieb handelt es sich in der Regel um die Wäschereien, Bäckereien etc.

Es gibt inzwischen Kliniken, die keine eigene Küche mehr betreiben, sondern denen das Essen angeliefert wird.

Das willst Du doch wohl nicht vergleichen oder was meinst Du?

Und ich wüßte auch nicht, was das jetzt mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu tun hat.
So heißt doch dieser Thread.

Meli

nachträglich:
Auch hier in Freiburg hat es solche Bereiche, wobei sich die Psychiatrie durchsetzen konnte und ihre seit langen Jahren arbeitenden Reinigungskräfte behalten konnte.

Gerade in diesem hochsensibelen Bereich ist es wichtig, dass auch die Reinigungskräfte vertraute Gesichter sind.

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Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.01.2013, 14:31:34
Mareike,

.... was meinst Du?

Und ich wüßte auch nicht, was das jetzt mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu tun hat.
So heißt doch dieser Thread.

Meli

geschrieben von meli


Dies meine ich: "Zehn Verbände und studentische Interessensvertretungen, darunter der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, medico international, die Kritischen Medizinstudierenden an der Uni Köln und die Coordination gegen BAYER-Gefahren, fordern die Universität Köln in einem Offenen Brief auf, den im Frühjahr geschlossenen Kooperationsvertrag mit der Bayer AG vollständig offen zu legen. Die Organisationen fürchten eine Neuausrichtung der pharmakologischen Forschung an der Kölner Uniklinik nach rein wirtschaftlichen Kriterien."

Es geht um die Zielsetzung und Ethik.

Mareike
Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 20.01.2013, 14:39:28
Es geht um die Zielsetzung und Ethik.


Innerhalb der Kirchen und ihres Selbstbestimmungsrechtes.

Dazu gehört m.W.n. nicht die Uni Köln.

Sollte ich mich täuschen, wirst Du es mich wissen lassen.

Meli
Edita
Edita
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von Edita
als Antwort auf Mareike vom 20.01.2013, 14:39:28
Dann müsste doch der Thread besser " Zielsetzung und Ethik in den Krankenhäusern oder generell im Gesundheitswesen " heißen, oder nicht? Du wolltest aber " Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche " diskutieren, oder fehlt mir hier der Durchblick? Hm....könnte auch sein!

Edita
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.01.2013, 14:56:14
Wenn etwas auf den Prüfstand soll, muss ich vergleichen können:
ZB zwischen rein staatlich - kirchlich - privat organisiert.
Welche Vor- oder Nachteile gibt es?

So zumindest ist meine Denkweise, welche nicht unbedingt richtig sein muss.
Mareike

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