Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?

Innenpolitik Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?

adam
adam
Mitglied

Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?
geschrieben von adam
Jetzt sind sie unterwegs auf ihrer Deutschland-Safari. Der jüdische Antisemitismus-Geißeler Henryk M. Broder und der Muslim-Light Hamed Abdel-Samad.

Auf ihrer ersten Etappe durch die Bundesrepublik zeigen sie nostalgische Punkte der Dummheit, zur Verzweiflung bringende Mißverständnisse und die Sackgasse, wie Vergangenheitsbewältigung nicht zu bewältigen ist.

Fast zynisch tropft der schweigende Sarkasmus des Juden und des Muslim, wenn der NPD-Funktionär erklärt, daß der wahre Deutsche homogen in seiner Verschiedenheit sei, der Neues Deutschland Vertreter weiß, daß ein 20jähriger Mauertoter den jugendlichen Kick des Verbotenen erleben wollte und ein fast gleichaltriger Muslim meint, daß er integriert sei, weil er nicht betet, Alkohol trinkt, aber seine Schwester selbstverständlich nicht die gleichen Freiheiten hat, wie er als Mann. Wegen der Ehre. Als Broder beim Betreten des Konzentrationslagers Dachau sagt, die toten Juden sind integriert, wogegen die lebenden noch ihre Schwierigkeiten haben, wird das Zuschauen fast unerträglich.

Da sitze ich vor dem Fernseher, den Finger immer auf dem Ausschaltknopf und schaue doch bis zum bitteren Ende.

Da sitze ich als deutsches Aufstehmännchen der jüngeren Geschichte, weiß wogegen ich stehe, weil ich es wissen muß, aber nicht so recht, wofür ich stehe, weil ich wohl mit ersterem zu sehr beschäftigt war. Da sitze ich und möchte, daß die Welt sich mir solidarisch zuwendet, sich gar in meine Welt integriert, kann aber aus dem Lameng nicht erklären, womit und in welche Welt eigentlich. Wer bin ich, im Verständnis der Welt? Wie schaffe ich mir als Deutscher die Konturen, die es anderen ermöglichen Ja oder Nein zu mir zu sagen, anstatt ein Wischiwaschi zu sehen und mich deshalb mit ihrem eigenen Selbstverständnis zu überdecken?

Die Deutschland-Safari von Broder und Hamed geht weiter. Sie haben noch vier Folgen, die wahrscheinlich genauso unerträglich werden, aber vielleicht ergeben sich, aus ihrer Sicht der Dinge, Fingerzeige für mich.

Frankfurter Allgemeine: Unentbehrlich, unbezahlbar, nicht zu schlagen

Stern.de Die Suche nach dem verlorenen Deutschen

--

adam

Karl
Karl
Administrator

Re: Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?
geschrieben von Karl
als Antwort auf adam vom 08.11.2010, 12:29:49
Wie schaffe ich mir als Deutscher die Konturen, die es anderen ermöglichen Ja oder Nein zu mir zu sagen
geschrieben von Adam
Hallo Adam,

die Sendung habe ich nicht angeschaut, kann sie also nicht kommentieren. Aber warum nach "einer deutschen Identität" suchen? Ist es noch zeitgemäß, nach nationalen Identitäten zu suchen? Solche Abstraktionen werden den Menschen und ihrer Vielfalt nie gerecht. Zwar bin ich als Individuum in eine Gesellschaft und deren Geschichte gestellt, aber ich bin eben doch mein kleines bisschen anders als alle anderen. Die nationale Identität wird den Individuen als Klischee übergestülpt. Das mag ich persönlich nicht,

Karl
Karl
Karl
Administrator

Re: Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?
geschrieben von Karl
als Antwort auf adam vom 08.11.2010, 12:29:49
Nochmal, hallo adam,


was ich gerade im Stern zu der Sendung gelesen habe, macht mich jetzt doch neugierig.
Das Wunderbare an der fünfteiligen TV-Reihe ist, dass die Fragestellung der derzeit so leidenschaftlich geführten Integrationsdebatte einfach umgedreht wird. Die gut integrierten Ausländer Broder und Abdel-Samad stellen die nicht unwichtige Frage, in was sich all die Ausländern eigentlich integrieren sollen.
geschrieben von Stern.de
Ich denke, ich werde mir das nächsten Sonntag ansehen.

Vielen Dank für den Tipp,


Karl

Anzeige

hugo
hugo
Mitglied

Re: Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?
geschrieben von hugo
als Antwort auf Karl vom 08.11.2010, 15:47:29
Zwar bin ich als Individuum in eine Gesellschaft und deren Geschichte gestellt, aber ich bin eben doch mein kleines bisschen anders als alle anderen. (karl)

hm karl,,,das wär dann auch wieder überlegenswert festzustellen, das man so ist wie alle anderen, wenn alle anderen ebenfalls jeweils ein klein wenig anders sind. *g*

hugo
Re: Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 08.11.2010, 15:47:29
"Aber warum nach "einer deutschen Identität" suchen? Ist es noch zeitgemäß, nach nationalen Identitäten zu suchen?"
geschrieben von karl


Das mag ja daran liegen, dass du häufig international tätig warst, auch teilweise im Ausland studiert hast, als Professor für Genetik häufigen Umgang mit ausländischen Studenten hattest, in deiner Tätigkeit als Autor verschiedener Veröffentlichungen Kontakt mit Wissenschaftlern aus aller Welt hattest und jahrelang als Koordinator eines wissenschaftlichen EU- Projektes tätig warst.
Ich kann mir vorstellen, dass da über einen längeren Zeitraum die nationalen Identitäten unwichtig werden oder verschwimmen.

Das geht aber der überwiegenden Mehrheit der Deutschen NOCH anders.
Die müssen nicht nach einer deutschen Identität SUCHEN - die haben sie ganz einfach.
Die betrachten ihre nationale Identität nicht als Klischee - also nicht als unzeitgemäße und abgedroschene Redensart.
Daran solltest du vielleicht auch mal denken.

Das wird sich bestimmt in den folgenden Jahrzehnten ändern.
adam
adam
Mitglied

Re: Deutschland-Safari durch einen politisch/kulturellen Jurassic-Park?
geschrieben von adam
als Antwort auf Karl vom 08.11.2010, 15:47:29
Aber warum nach "einer deutschen Identität" suchen?
geschrieben von karl


@karl,

mit Identität meine ich doch nicht die Deutschtümelei, auf der Nationalisten wie die der NPD herumreiten und in einer unzeitgemäßen, menschenverachtenden Sackgasse enden.

Der Stern bringt die Frage gut zum Ausdruck:

Die gut integrierten Ausländer Broder und Abdel-Samad stellen die nicht unwichtige Frage, in was sich all die Ausländern eigentlich integrieren sollen. Womit wir wieder bei der Identitätskrise wären.


Für mich stellt sich die Frage, wie wir als heutige Deutsche den 12jährigen Riß, den die Nationalsozialisten in die deutsche Geschichte geschlagen haben, so in den geschichtlichen Ablauf einpassen, daß er im Rückblick ein Teil des Woher ist und nicht länger als Anfang gesehen wird. Versteh mich nicht falsch: Die Nazis sollen nicht ausgeklammert, eher getreu meinem Wahlspruch, gewertet werden "Jeder ist zu etwas gut und sei es als schlechtes Beispiel."

Den Blick in die Geschichte möchte ich als als Ursprung der Ebene sehen können, auf der wir uns heute befinden und auf der wir weiter bauen können. Das hat nichts mit Stolz zu tun, sondern mit Erkenntnis dessen, was im Laufe von Jahrhunderten überwunden, gesellschaftlich erkämpft, verändert und erreicht wurde. Dieser Blick in die Vergangenheit vertritt auch Dein Denken, wenn Du sagst, daß Du eine nationale "Identität" mit all ihren Klischees nicht haben möchtest. Ich will das auch nicht. Dies ist beim Blick in die Geschichte so auch gar nicht möglich, wenn man erkennt, daß das, was unter deutscher Geschichte verstanden wird, eigentlich europäische Geschichte ist.

Das gilt auch, wie ich meine, für die anderen Länder des heutigen Europas und z.B. auch für die USA. Pluralismus, Demokratie und Humanismus sind europäisch, entstanden auf dem Gebiet des heutigen Europas und Standbeine unseres heutigen Lebens, auf denen wir nicht nur fest stehen können, sondern dessen Werte wir auch ohne schlechtes Gewissen vertreten, verteidigen und weiter geben können. Für mich eine gute Identität.

--

adam


@klaus: Das sehe ich ähnlich und denke, auch dafür kann der Blick in die Geschichte, über die Nazis hinaus, nützlich sein.


Ich denke, ich werde mir das nächsten Sonntag ansehen.
geschrieben von karl


Zwiespältige Gefühle dürften garantiert sein.






Anzeige